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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 07.11.2003
Aktenzeichen: 4 Sa 643/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 125 S. 2
Will eine Partei eine Zusage ausdrücklich "nicht schriftlich geben," so spricht das dafür, dass ein vertragliches Schriftformerfordernis nicht aufgehoben wurde und die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung nicht übereinstimmend gewollt haben.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 09.04.2003 - 2 Ca 6126/02 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.01.2003 nach Vergütungsgruppe VI b BAT zu vergüten. Die Klägerin stützt ihre Höhergruppierungsklage ausdrücklich nur auf die Gesichtspunkte Gleichbehandlung und Erteilung einer einzelvertraglichen Zusage. Dabei ist zwischen der Parteien unstreitig, wie sich aus den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung (Blatt 114 d.A.) ergibt, denen die Klägerin nicht entgegengetreten ist, dass die Mitarbeiter Walter und Jägers, auf die die Klägerin sich hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Wesentlichen bezieht, die Vergütungsgruppe VI b BAT als übertarifliche Vergütung erhalten.

Wegen des übrigen unstreitigen und streitigen erstinstanzlichen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 ArbGG auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, die ursprünglich mit einem Leistungsantrag verfolgt wurde, stattgegeben. Gegen dieses ihr am 07.05.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.06.2003 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 21.07.2003 am 21.07.2003 begründet.

Die Beklagte wendet sich im Wesentlichen mit Rechtsausführungen gegen die Zulässigkeit der ursprünglichen Klage und deren Begründetheit. Insoweit wird auf die Berufungsbegründung (Blatt 111 ff. d.A.) Bezug genommen. Sie wendet sich insbesondere gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, die höhere berufliche und ausbildungsmäßige Qualifikation der Mitarbeiter W und J rechtfertige nicht den Unterschied in der Vergütung. Es entspreche - so die Beklagte - der täglichen Praxis bei Einstellungsgesprächen, dass eine formal höhere Ausbildung auch ein höheres Gehalt nach sich ziehe, da zu Recht aus der höheren beruflichen Qualifikation geschlossen werde, dass die vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistungen unter Berücksichtigung eben dieser Qualifikationen qualitativ höherwertig erbracht werden könnten als eine Leistung eines Mitarbeiters, der - wie die Klägerin - über gar keine Berufsabschluss verfüge. Frau L sei demgegenüber branchenfremd ausgebildet, da ihre Tätigkeit in einer Autoniederlassung keine Parallelen zu ihrer jetzigen Tätigkeit aufweise.

Zudem habe sie, die Beklagte, im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts keine in sich geschlossene, homogene Gruppenbildung vorgenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen - 2 Ca 6126/02 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass nunmehr beantragt wird, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.01.2003 nach Vergütungsgruppe VI b BAT zu vergüten.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit dem vom Gericht angeregten Feststellungsantrag weiter. Sie verteidigt im Übrigen das erstinstanzliche Urteil und meint, die von der Beklagten geführten Berufsausbildungen der Mitarbeiter J und W böten keinerlei Vorteile für die Beklagte in Bezug auf die von diesen Mitarbeitern aktuell ausgeübte Tätigkeit.

Schließlich trägt die Klägerin auf die Auflage des Gerichts hin, die behauptete Zusage zu substantiieren, vor, der stellvertretende Geschäftsführer, Herr K , habe gegenüber der Klägerin selbst erklärt, dass sie ab dem 01.01.2003 ebenfalls Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b BAT erhalten werde. Er habe dies allerdings nicht schriftlich geben wollen. Daher habe die Klägerin aus Beweisgründen Herrn B von der Gewerkschaft eingeschaltet, der daraufhin ein Gespräch mit Herrn K geführt habe. In diesem Gespräch habe Herr K gegenüber Herrn B den Inhalt des Gesprächs mit der Klägerin bestätigt. Dieses letztere Gespräch habe Mitte Oktober 2002 stattgefunden. Damals habe Herr K erklärt, aus Haushaltsgründen sei es nicht möglich, die Klägerin schon zum damaligen Zeitpunkt höherzugruppieren. Sie würde jedoch ab dem 01.01.2003 nach Vergütungsgruppe VI b BAT bezahlt.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte in der Sache Erfolg.

I. Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kann die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen. Das Arbeitsgericht hat unter Darstellung der Rechtsprechung des BAG zu Recht dargelegt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der Vergütung nur beschränkt anwendbar ist, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Dies gilt aber nur für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter. Wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer besserstellt, können daraus andere Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist jedoch anwendbar, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen und bestimmte Zwecke festlegt.

1. Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass die Beklagte nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip bei den Arbeitskollegen der Klägerin, den Mitarbeitern Walter und Jägers vorgegangen ist, indem sie bestimmte Voraussetzungen oder bestimmte Zwecke festgelegt hätte.

Die Beklagte hat ausdrücklich vorgetragen, dass sie nur einzelne Mitarbeiter bessergestellt habe, nicht ganze Mitarbeitergruppen (Blatt 26 d.A.). Sie hat sodann lediglich zu den beiden Mitarbeitern Folgendes vorgetragen:

Die Zeugin W habe die Fachhochschulreife abgeschlossen, verfüge über eine abgeschlossene Ausbildung als Gärtnerin und über eine abgeschlossene Ausbildung als Hotelfachfrau. Sie habe zuvor in einem großen internationalen Hotel in A als Empfangsmitarbeiterin und Systemmitarbeiterin im Bereich der EDV mit Schwerpunkttätigkeit an der computergestützten Kasse gearbeitet.

Der Zeuge J verfüge über die mittlere Reife, habe ebenfalls eine Ausbildung absolviert, nämlich zum Einzelhandelskaufmann. Bevor er seine Tätigkeit bei der Beklagten begonnen habe, sei er als Einrichtungs- und Fachberater sowie als Kassenmitarbeiter in einem großen Möbelhaus tätig gewesen. Die höhere Vergütung der beiden Mitarbeiter beruhe auf ihrer ungleich höheren Qualifikationen. Die Besserstellung einzelner Mitarbeiter sei von der Vertragsfreiheit gedeckt.

Die Beklagte hat weder bestimmte Voraussetzungen noch bestimmte Zwecke für eine generalisierend zu gewährende höhere Vergütung festgelegt. Sie hat lediglich zu zwei Mitarbeitern ihre jeweiligen Erwägungsgründe vorgetragen. Auch wenn jeweils auf schulische und berufliche Ausbildung abgestellt wird und daraus jeweils für die Arbeitnehmer auf eine höherwertige Qualifizierung geschlossen wird, so spricht doch gerade die Tatsache, dass Frau L , die ebenfalls über einen schulischen Abschluss und eine berufliche Ausbildung verfügt, nicht ebenfalls höhergruppiert worden ist, dagegen, dass aus dem Verhalten der Beklagten in nur zwei Fällen darauf geschlossen werden kann, sie habe ein generalisierendes Prinzip aufstellen wollen.

Dazu ist auch der unstreitig gebliebene Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 09.04.2003 (Protokoll Blatt 74 d.A.) zu berücksichtigen, nach dem der Geschäftsführer der Beklagten erklärt hat, der Betriebsrat habe angeregt, sämtliche Rezeptionistinnen ohne Führungsaufgaben in die Vergütungsgruppe VI b BAT einzustufen. In Abstimmung mit dem Betriebsrat seien zunächst die Mitarbeiter W und J höhergruppiert worden. Die Beklagte ziehe in Erwägung, zu einem späteren Zeitpunkt auch die anderen entsprechend höherzugruppieren. Gerade dieser von der Klägerin nicht bestrittene Vortrag zeigt, dass die Beklagte bei der Höhergruppierung nicht generalisierend darauf hat abstellen wollen, ob die Mitarbeiter einen qualifizierten Schulabschluss und einen Ausbildungsabschluss hatten. Hintergrund des Verhaltens der Beklagten ist das Drängen des Betriebsrates, dass gerade auf eine Höhergruppierung sämtlicher Arbeitnehmer in der Rezeption ohne differenzierendes, generalisierendes Prinzip abzielte. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass ihr wiederholt gesagt worden sei, Haushaltsgründe stünden auch ihrer Höhergruppierung entgegen. All dieses spricht dagegen, dass die Beklagte ein generalisierendes Prinzip für die Höhergruppierung der Gestalt aufstellen wollte, dass der Kreis der Höherzugruppierenden nach Schulbildung und Berufsausbildungsabschluss abgegrenzt werden sollte.

2. Im Übrigen läge - wollte man den Gleichbehandlungsgrundsatz anwenden - ein sachlicher Grund für die Differenzierung vor. Die Tätigkeit an der Rezeption ist geprägt von einem unmittelbaren Dienst am Kunden. Es sind Chips an Besucher auszuhändigen, Besucher einzuweisen und die Therme zu erklären, Besucher über die Benutzung der Saunen zu beraten, Geschenkgutscheine an Besucher zu verkaufen, Telefonate anzunehmen und Auskünfte zu erteilen. Frau W hat eine Ausbildung als Hotelfachfrau und war in einem großen internationalen Hotel unter anderem als Empfangsmitarbeiterin tätig. Daher durfte die Beklagte davon ausgehen, dass Frau W in besonderem Maße für die Tätigkeit gerade an der Rezeption geeignet sei und dieses honorieren. Herr J hat eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann. Er war in einem großen Möbelhaus als Einrichtungs- und Fachberater sowie als Kassenmitarbeiter tätig. Auch er hat daher einschlägige Berufserfahrungen mit einer Tätigkeit unmittelbar am Kunden. Die Klägerin war schließlich nach ihrem Hauptschulabschluss von Juli 1986 bis zum Jahre 1999 als Bade- und Reinigungshilfe tätig, bis sie ab Mitte 1999 vertretungsweise Tätigkeit an der Kasse und Disposition im Kurbad Q aufnahm und schließlich seit 2001 als Rezeptionsmitarbeiterin der Beklagten tätig wurde. Eine für die Tätigkeit an der Rezeption in besonderem Maße nützliche Ausbildung oder Berufserfahrung konnte sie nicht aufweisen.

Der Rechtsprechung des BAG lässt sich auch nicht entnehmen, dass tarifliche Merkmale den abschließenden Rahmen für Differenzierungsgründe bei der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei übertariflicher Vergütung ergäben. In der vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung (23.08.1995 - 5 AZR 293/94) geht es - ebenso wie in der dort in Bezug genommenen Entscheidung (19.08.1992 - 5 AZR 513/91-) - darum, welche Tätigkeiten vergleichbar sind, nicht um die Frage der sachlichen Rechtfertigung von Differenzierungen. Gerade aus der Entscheidung vom 23.08.1995 (5 AZR 293/94) ergibt sich aber, dass auch ganz andere als tarifliche Merkmale für eine sachliche Differenzierung herangezogen werden können (dort: zusätzlicher finanzieller Anreiz zur Gewinnung von Arbeitskräften).

II. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf die behauptete Zusage stützen. Denn eine solche würde an der in dem Arbeitsvertrag der Klägerin vom 09.03.1989 (Blatt 29/30 d.A.) enthaltenen Schriftformerfordernis scheitern. Danach (Ziffer 9) bedürfen Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages in jedem Falle der Schriftform.

Nach § 125 Satz 2 BGB hat eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Formvorschrift im Zweifel die Nichtigkeit der mündlichen Vereinbarung zur Folge. Zwar können die Parteien bei einer Vertragsänderung zugleich den Schriftformzwang aufheben (vgl. z. B. BAG 10.01.1989 NZA 1989, 797). Die Aufhebung braucht auch nicht ausdrücklich zu geschehen. Es genügt eine stillschweigende Einigung. Erforderlich ist dann, dass die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben.

Dagegen spricht aber gerade der Vortrag der Klägerin. Diese hat nämlich selbst vorgetragen, Herr K habe ihr die - von der Klägerin behauptete und von der Beklagten bestrittene - Zusage "allerdings nicht schriftlich geben" wollen. Es ist also nach Vortrag der Klägerin ausdrücklich über die Schriftform gesprochen worden und diese von der Beklagten verweigert worden. Auch aus der Laiensphäre ist die Haltung, etwas nicht schriftlich geben zu wollen, Ausdruck einer vertraglich nicht verbindlichen Zusage.

Dahinstehen kann damit auch, ob Herr K die angebliche Zusage gegenüber Herrn B wiederholt hat. Nach Darlegung der Klägerin kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass Herr B insoweit als ihr Vertreter aufgetreten ist. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, sie habe Herrn B "aus Beweisgründen" eingeschaltet. Weiter hat sie vorgetragen, Herr K habe in diesem Gespräch das vorangegangene Gespräch "bestätigt". Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Herr K gegenüber Herrn B unabhängig von dem Gespräch mit der Klägerin eine eigenständige Willenserklärung abgeben wollte.

Insgesamt lässt sich daher - selbst wenn einschlägige Erklärungen Herrn K gefallen seien sollten - von nicht mehr ausgehen als einem unverbindlichen Inaussichtstellen des Willens der Geschäftsführung für eine künftige Zeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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