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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 02.08.2002
Aktenzeichen: 4 Sa 815/01
Rechtsgebiete: NV-Solo, WM


Vorschriften:

NV-Solo § 20
WM § 2
Es spricht nicht für eine Umgehung i.S.d. § 20 IV 2 NV-Solo, wenn über mehrere Jahre hintereinander Gastspielverträge abgeschlossen werden.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 Sa 815/01

Verkündet am: 02.08.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 02.08.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Staschik und Keupgen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts vom 16.02.2001 - 18 Ca 640/00 - abgeändert:

Die Aufhebungsklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin über den 31.07.1992 hinaus als Arbeitnehmerin nach NV Solo bei der Beklagten beschäftigt ist und ob dieses Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des NV Solo weiter fortbesteht. Das Bühnenschiedsgericht und das Bühnenoberschiedsgericht haben die Klage abgewiesen. Daraufhin hat die Klägerin das vorliegend zu entscheidende Aufhebungsverfahren beim Arbeitsgericht Köln eingeleitet.

Die Klägerin war seit dem 01.08.1982 an der von der beklagten Stadt betriebenen Oper unbefristet als Ensemblemitglied beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis basierte bis 1991 auf dem Rahmenkollektivvertrag vom 10.08.1987.

Für die Zeit vom 01.08.1999 bis zum 31.07.1992 schlossen die Parteien sodann am 19.06.1990 einen Arbeitsvertrag "zur Realisierung der im Rahmenkollektivvertrag Theater/Orchester festgelegten Grundsätze, Rechte und Pflichten" (Blatt 78 BOSchG). Als monatliche Gage war dort ein Betrag von 1.500,00 DM vereinbart. Es war eine Vorstellungszahl von 85 vorgesehen. Als Tätigkeit war angegeben "lyrischer bis jugendlicher Sopran" (mit Entwicklung zum jugendlich-dramatischen Sopran) und "Partien nach Indiv.".

Mit Schreiben vom 15.06.1991 (Blatt 83 BOSchG) wurde die Klägerin "unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag über Mitteilungspflicht" zu einem "Gespräch zu ihrem Vertragsverhältnis" gebeten. Das Gespräch fand statt. In einer Aktennotiz (Blatt 84 BOSchG) ist festgehalten, dass der Intendant die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt habe, dass nach Meinung der Opernleitung entschiedene Zweifel im Sinne einer Fortsetzung ihres Vertrages nach dem 31.07.1992 bestünden, dass Frau L beabsichtige, sich mittels einer Professur in die Ausbildung an der Dresdener Musikhochschule einzubringen und ihre Laufbahn am Theater zu beenden, und dass der Intendant darauf verweise, dass der Sinn dieses Gespräches der eines Gedankenaustausches sei. Entsprechend müsse man gegenseitig überdenken, ob der Vertrag verlängert werden solle. Am Schluss dieses Vermerkes heißt es "Gage ab 01.07.1991: 3.060,00 DM".

Mit Schreiben vom 08.07.1991 (Blatt 85 BOSchG) wurde "unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht in Verbindung mit dem Anhörungsgespräch vom 20.07.1991 ... ihr Vertragsverhältnis mit der O L mit Ablauf des 31.07.1992 für beendet" erklärt. Weiter wurde der Klägerin gewünscht, dass sich ihre Hoffnung auf eine Professur erfülle. Es wurde ihr für das Engagement an der O L gedankt und ihr persönlich alles Gute gewünscht.

Nach der Nichtverlängerungsmitteilung wandte sich die Klägerin sich an den von ihr als Gewerkschaftsleitung bezeichneten Prof. A W . Dort wurde ihr mitgeteilt, die Maßnahme sei rechtens.

Mit Datum vom 29.08.1991 wurde mit der Beklagten ein "befristeter Dienstvertrag" für die Zeit vom 01.08.1991 bis zum 31.07.1992 abgeschlossen. Gemäß § 8 richtete sich das Vertragsverhältnis nach Normalvertrag und den sonstigen zwischen dem D B und der G d B abgeschlossenen Tarifverträgen". Der Vertrag berichtigte die Grundgage nach BAT-O auf monatlich 3.060,00 DM.

Am 22.06.1992 (Blatt 89 BOSchG) schlossen die Parteien einen Gastvertrag, nach dem die Klägerin für die Saison 1992/1993 für vier im Einzelnen genannte Partien verpflichtet wurde. Weiter heißt es: "Vorgesehene Aufführungstermine werden rechtzeitig sechs Wochen vorher mit dem Gast vereinbart". Gemäß § 10 war der Gast verpflichtet, mit studierter Partie zu den Proben zu erscheinen. § 4 lautete: Folgende Proben sind vereinbart: Nach Vereinbarung, der Gast verpflichtet sich an allen vereinbarten Proben oder Probenplan teilzunehmen. Der Gast verpflichtet sich für die Teilnahme an Umbesetzungsproben ohne Honoraranspruch".

Mit Datum vom 07.04.1993 (Blatt 103 - 105 BOSchG) wurde für die Zeit vom 15.02.1993 bis zum 30.06.1993 ein Dienstvertrag abgeschlossen, nach dessen § 8 sich der Vertrag nach NV Solo und nach ergänzenden Tarifverträgen richten sollte.

Unter dem 05.07.1993 (Blatt 106 BOSchG) schlossen die Parteien einen Teilspielzeitvertrag vom 01.09.1993 bis zum 31.01.1994.

Mit Schreiben vom 05.01.1994 (Abschrift Blatt 67 BSchG) schrieb der Ehemann der Klägerin dem Intendanten unter anderem:

"Wir hatten gehofft, dass Sie trotz der Vielzahl ihrer Aufgaben und Verpflichtungen noch bis Ende des Jahres 1993 eine Regelung einer Vertragsfortführung meiner Frau finden würden, zumal unser Vorsingen beim G Herrn K positiv aufgenommen wurde. Leider hat sich unsere Hoffnung nicht bestätigt, wie unsere heutigen telefonischen Anfragen im Opernhaus zeigten. Anknüpfend an unser Gespräch im November wären wir gerade angesichts des "Internationalen Jahres der Familie" dankbar für eine positive Lösung, da ja der Teilzeitspielvertrag in diesem Monat ausläuft."

Mit Schreiben vom 17.01.1994 antwortete der Intendant der Klägerin und ihrem Ehemann (Blatt 115 BOSchG). In diesem Schreiben heißt es:

"Nach nochmaliger sehr genauer Prüfung hinsichtlich einer Vertragsfortführung von M L -N (dieselbe beinhaltet Gespräche mit dem Verwaltungsdirektor, Herrn Q , vor allem aber auch mit dem Generalmusikdirektor J K der ja ein Vorsingen abgenommen hat) muss ich Ihnen zu meinem großen Bedauern mitteilen, dass die von Ihnen gewünschte und von mir erhoffte Vertragsfortführung eines Festengagements an der O L leider nicht realisierbar ist.

Ich habe Frau S darum gebeten rasch zu prüfen, welche Möglichkeiten im Gastengagement im Juni 1994 vorgesehen sind (ich denke zum Beispiel an die Witwe Browe in "Zar und Zimmermann").

Liebes Ehepaar L -N , ich bitte Sie von ganzem Herzen um Verständnis darum, dass mir die derzeitige Personalsituation (das Fusions- und Rotationsmodell baut bis zum 1. August 1994 140 Planpositionen ab) leider keine andere Wahl der Entscheidung möglich macht. Ich hoffe sehr für Sie, dass Sie mein Angebot, gastweise an der O L tätig zu sein, ermutigen kann, auf Ihrem eingeschlagenen Weg weiter zu schreiten und sich den Glauben an die Kunst und die Liebe zueinander zu erhalten.

Bitte wenden Sie sich jetzt an Frau S ."

Mit zwei Gastverträgen (Blatt 112/113 BOSchG) vom 29.01.1994 wurde die Klägerin als Gast verpflichtet für zweimal die Alte/Krankenschwester in "Nachtwache" am 18.03. und 26.03.1994, zweimal Aufseherin in "Elektra" am 23.02. und 12.03.1994 und sechsmal Witwe Browe in "Zar und Zimmermann" am 31.03.1994, 03.04., 13.04., 21.04., 08.05. und 01.06.1994. Diese Gastverträge wurden mit Nachtrag vom 20.04.1994 (Blatt 116 BOSchG) um einmal Aufseherin in "Elektra" am 18.03.1995 und mit Nachtrag vom 10.06.1994 (Blatt 117 BOSchG) zweimal um die Alte/Krankenschwester in "Nachtwache" am 23. und 01.04.1995 ergänzt.

Am 06.07.1994 schlossen die Parteien einen weiteren Teilspielzeitvertrag (Blatt 109 ff. BOSchG) für die Zeit vom 01.02.1994 bis zum 13.04.1994, der in § 4 die Klausel enthält: "Mit diesem Teilspielzeitvertrag sind alle für diesen Zeitraum ausgestellten Gastverträge hinfällig".

Am 07.11.1994 wurde ein weiterer Gastvertrag geschlossen (Blatt 125/126 BOSchG). Darin wurde die Klägerin verpflichtet, für fünfmal Larina in "Eugen Onegin" am 22.01.1995, 24.01., 04.02., 26.02. und 21.06.1995.

In diesem Zusammenhang schrieb der Intendant an die Klägerin am Datum der Premiere (Blatt 145 BOSchG):

"Liebe M L ,

ich freue mich über Ihr Mitwirken in "Eugen Onegin", macht es doch deutlich, dass Sie letztlich zur "Familie" der O L gehören, auch wenn Sie nicht mehr fest am Hause engagiert sind.

Ich wünsche Ihnen für den heutigen Abend alles menschliche und künstlerische Glück und uns allen ein aufregendes Musikerlebnis!"

Am 19. 6. 1996 folgte ein weiteres Schreiben des Intendanten (Bl. 219 BOSchG), in dem es auszugsweise heißt:

"...bei unserem Gespräch am 21. Mai 1996 hatte ich Ihnen zugesagt, die Möglichkeit Ihres erneuten Festengagements zu prüfen. dies habe ich nun unter Konsultation unseres Generalmusikdirektors Jiri Kout und des künstlerischen Betriebsbüros getan. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir außer den Ihnen bereits angebotenen Partien in Eugen Onegin und Abraum keine weiteren Einsatzmöglichkeiten für Sie sehen...."

Es folgte ein Gastvertrag vom 22.10.1996 (Blatt 160 BOSchG) über dreimal Wirtin in "Abraum", die Premiere am 03.07.1997 und Folgevorstellung am 12.03.1997 und 08.04.1997. Als Beginn der szenischen Proben ist der 06.01.1997 angegeben. Nach vor den Bühnenschiedsgerichten unstreitigem Vortrag der Klägerin (Blatt 58 BOSchG) handelte es sich bei der Produktion "Abraum" um die Inszenierung eines Welturaufführungswerkes, dessen Gelingen für das Renommee der Oper von großer Wichtigkeit war. Der Klägerin wurde mit Schreiben des Intendanten vom 07.03.1997 (Blatt 147 BOSchG) bestätigt, dass sie die Wunschbesetzung als Wirtin für P K sei. Im Zeitraum vom 10.10.1996 bis zum 31.12.1996 fanden bereits 28 musikalische Soloproben statt, zu denen die Klägerin fuhr und die entsprechend als geleistet bestätigt wurden. Ferner fielen nach ebenfalls im Verfahren vor den Bühnenschiedsgerichten unwidersprochenen Vortrag der Klägerin vom 04.04.1996 bis zum 06.06.1996 weitere musikalische Soloproben an.

Unter dem 03.06.1996 (Blatt 149 BOSchG) schrieb die Leiterin der künstlerischen Produktion der Klägerin:

"Am 10. Juni findet um 14:00 Uhr ein Treffen des Ensembles "Abraum" mit Herrn H und den Vorständen der Produktion statt. Ich möchte Sie herzlich bitten, hieran teilzunehmen."

Am 22.11.1996 (Blatt 162 BOSchG) wurde ein weiterer Gastvertrag über einmal Mutter in "Hänsel und Gretel" am 23.11.1996 geschlossen.

Am 24.04.1997 (Blatt 164 BOSchG) wurde eine Ergänzung zum Gastvertrag vom 22.10.1996 über dreimal Wirtin in "Abraum" am 25.09.1997, 28.09.1997 und 01.10.1997 vereinbart. Weiter waren in diesem Vertrag Probenzeiten vereinbart sowie "weitere Proben nach Absprache ab ca. 15.09.1997".

Der Gastspielvertrag vom 11.06.1997 (Blatt 165 f. d. a.) verhält sich über fünfmal Witwe Browe in "Zar und Zimmermann" (Wiederaufnahme) am 06.02.1998, 05.04.1998, 23.04.1998, 25.04.1998 und 16.05.1998.

Ein weiterer Gastvertrag vom 11.06.1997 (Blatt 167 f. d. a.) wurde abgeschlossen über zwölfmal Mutter in "Hänsel und Gretel" am 03.12., 04.12., 06.12., 07.12., 12.12., 13.12., 20.12., 21.12. und 23.12.1997 und 10.01. und 11.01.1998. Die Proben sind datenmäßig angegeben. Weiter heißt es: "Weitere Proben nach Absprache".

Unter dem 13.06.1997 (Blatt 146 BOSchG) schrieb die Klägerin an den Intendanten:

"Sehr geehrter Herr Professor Z ,

zuerst möchte ich mich bedanken, dass Sie mir in den letzten fünf Jahren Gelegenheit gegeben haben, in kleinen und großen Partien meine vielseitigen Einsatzmöglichkeiten unter Beweis zu stellen (gesungener Stimmumfang dabei in den unterschiedlichen Fächern vom kleinem f bis c3). In den letzten Gesprächen mit Herrn W und Herrn P kam zum Ausdruck, dass auch sie mich zum Kern des Ensembles rechnen und weitere Partien mir gern anvertrauen möchten (Nase; Boris; Zauberflöte oder Ähnliches).

Bewerben möchte ich mich auch für "Majakowskis Tot", "Draußen vor der Tür" oder auch anspruchsvollere Partien. Mit Abraum, Hänsel und Zar komme ich schon auf 23 Vorstellungen. Da Sie selbst vor einiger Zeit schreiben, dass es sich gezeigt hat, dass Sie mich "letztendlich zur Ensemblefamilie der O" zählen, möchte ich Sie auf diesem Wege ein drittes Mal bitten, mir einen Festvertrag zuzuerkennen."

Die Bitte nach einem Festvertrag wurde erneut abschlägig beschieden (Schreiben vom 2. 7. 1997, Bl. 221 BOSchG).

Unter dem 28.05.1998 wurden drei Ergänzungen zu den Gastverträgen vom 11.06.1997 und vom 24. 8. 1995 abgeschlossen (Blatt 169/170/171 d. A:), nämlich für die Partie der Mutter in "Hänsel und Gretel" am 02.12., 04.12., 13.12., 18.12., 23.12.1998, die Witwe Browe in "Zar und Zimmermann" am 12.02., 17.03., 28.05. und 09.06.1999 und Larina in " Eugen Onegin" am 29. 11. 1998 (Wiederaufnahme), am 3. 12., 30. 12. 1998 und 14. 1. 1999.

Unter dem 29.10.1998 (Blatt 172 BOSchG) war der Klägerin ein weiterer Gastspielvertrag für die Partie der Kathinka in der Produktion "Die verkaufte Braut" angeboten worden. Im September 1998 waren dazu Leihnoten ausgegeben worden. Am 24.11.1998 waren musikalische Proben angesetzt. Mit Schreiben vom 13.05.1998 (Blatt 180 BOSchG) hatte der Chefregisseur P . Uwe Wand der Klägerin Folgendes geschrieben:

"Liebe Frau L ,

agierend auf dem Boden der Tatsachen, die unser letztes Gespräch offenbarte, weiß ich, dass ich bei einem erneuten Rollenangebot als Gast zwar Ihre Auffassung verstärke, es wäre geboten, die O L würde Sie fest in ihr Ensemble aufnehmen, aber ich verändere damit eben nicht die restriktive Zahl der Vakanzen und damit die Unmöglichkeit eines Festengagements.

Nur deshalb kann ich das Angebot in Absprache mit dem Direktor für künstlerische Produktion offerieren - unter dem Vorbehalt, der Gastregisseur und Herr G K stimmen Ihrer Besetzung zu.

Ich rede von der Partie der Kathinka in Smetanas VERKAUFTER BRAUT, szenischer Probenbeginn 04.01.1999, Premiere 20.02.1999, Regisseur N B .

Um den künstlerischen Vorständen den Vorschlag zu unterbreiten, bitte ich Sie Frau L telefonisch mitzuteilen, ob Sie Zeit und Interesse für das Projekt hätten. Sie finden aber auch mein gewisses Verständnis, wenn Sie aus Überlegungen, welche kontroverse Positionen zwischen Ihnen und der O L festschreiben - juristische Klageandrohungen usw. einbegriffen - , keine Ausdehnung der Zusammenarbeit mehr wünschen."

Mit Schreiben vom 08.06.1998 (Blatt 181 BOSchG) erklärte die Klägerin ihre Bereitschaft, die Rolle zu übernehmen.

Am 03.11.1998 suchte sie die Sprechstunde des Oberbürgermeisters auf. Sie legte dort das Vertragsangebot für das Stück "Die verkaufte Braut" vor und kritisierte einzelne Inhalte des Vertrages, wie sich aus dem Schreiben des Oberbürgermeisters vom 12.11.1998 (Blatt 187 d. A.) ergibt.

Am 06.11.1998 erhob die Klägerin vor dem Bühnenschiedsgericht die Klage, die zum vorliegenden Verfahren führte. Nachdem die Verwaltungsdirektorin der Oper seitens des Büros des Oberbürgermeisters mit dem angeführten Schreiben vom 12.11.1998 informiert worden war, schrieb sie am 04.12.1998 der Klägerin Folgendes (Blatt 189 BOSchG):

"Sehr geehrte Frau L -N das Vertragsangebot über die Neuproduktion VERKAUFTE BRAUT vom 29.10.1998 liegt Ihnen nunmehr seit geraumer Zeit vor und ist bislang nicht gegengezeichnet bei uns eingegangen.

Insgesamt haben Sie zu dem Vertragsangebot hausintern erklärt, Sie sind mit dem Ihnen angebotenen Gastvertrag nicht einverstanden. Ferner wird in dem anhängigen Rechtsverfahren vor dem Bühnenschiedsgericht ebenfalls das neue Vertragsangebot für inakzeptabel wegen der Regelungen der §§ 3 und 6 des Gastvertrages erklärt.

Aus vorstehenden Gründen zieht die Oper Leipzig das o.g. Vertragsangebot zurück und erklärt es für gegenstandslos."

Mit weiterem Schreiben vom 19.05.1999 schrieb Frau P der Klägerin (Blatt 207 BOSchG):

"Sehr geehrte Frau L -N ,

soweit in den Verträgen HÄNSEL UND GRETEL sowie ZAR UND ZIMMERMANN Vorstellungsgarantien für die folgenden Spielzeiten abgegeben wurden, ist diese Garantie beendet mit der Spielzeit 1988/99. Die Garantien wurden manifestiert durch ergänzende Vereinbarungen , so dass die Gastverträge ihr tatsächliches Ende in der Spielzeit 1998/99 gefunden haben.

Schon in dem Gastvertrag EUGEN ONEGIN ist eine entsprechende Garantie nicht mehr aufgenommen, so dass die O L frei von jeglicher Verpflichtung eines Einsatzes in den Folgespielzeiten ist.

Mit freundlichen Grüßen"

Die Honorare der Klägerin entwickelten sich von 1994 bis 1998 wie folgt:

1994 18.400,00 DM 1995 20.846,00 DM 1996 7.800,00 DM 1997 57.370,00 DM 1998 18.340,00 DM

Nach Feststellung des Bühnenschiedsgerichts hatte die Klägerin in den entsprechenden Spieljahren unter Berücksichtigung der festen Terminverpflichtungen der tatsächlichen Aufführungen und der Proben insgesamt folgende Beschäftigungstage:

1994/1995 48 Beschäftigungstage, 1995/1996 18 Beschäftigungstage, 1996/1997 61 Beschäftigungstage und 1997/1998 45 Beschäftigungstage.

Die Klägerin hat vorgetragen, das seinerzeitige Gesamtverhalten Prof. W lege eine bewusste Falschberatung nahe.

Wenn es in den Gastverträgen jeweils heiße, die Proben seien nach Vereinbarung zu leisten, habe das in der Praxis eine kurze Verfügbarkeitsverpflichtung der Klägerin zur Folge habt. Außerdem ergebe sich aus Natur der klägerischen Tätigkeit, dass die häusliche Beschäftigung mit Werken und Partien kaum in Arbeitsstunden einzeln wiedergegeben werden könne. Sobald das Notenmaterial ausgegeben werde, finde eine ständige Beschäftigung damit statt.

Ein echter Gastvertrag zeichne sich dadurch aus, dass Vorstellungen dem Wunsch des Gastes entsprächen, auch gebe es insofern eine eigene freie Verhandlungsmöglichkeit, welches in ihrem Falle nicht gegeben gewesen sei. Die Klägerin hat ferner darauf verwiesen, dass - was als solches unstreitig ist - sie sozialrechtlich als Angestellte behandelt worden sei und die Künstlersozialkasse ebenfalls davon ausgegangen sei, dass sie abhängig beschäftigt gewesen sei.

Weiter hat die Klägerin vorgetragen, das Beispiel "Abraum" bestätige die durchgängige Praxis vorvertraglichen Vollzugs der Vertragspflichten durch Proben. Insbesondere im Falle "Abraum" sei der Aufwand durch Proben, Premiere und Folgeaufführungen "immens" gewesen. Durch die vom Werk abverlangte anspruchsvolle Partie und durch den Umstand, dass die Partie aus der Komponistenoriginalpartitur heraus habe geschrieben werden müssen, sei sie, die Klägerin, praktisch ohne Unterlass mit dem Einstudieren und den Proben des Werkes befasst gewesen.

Schließlich seien die Proben kurzfristig mündlich angekündigt worden.

Vor dem Bühnenschiedsgericht hat die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis nach NV Solo über den 31.07.1993 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Bühnenschiedsgericht hat mit Schiedsspruch vom 15.01.1999 die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem Bühnenoberschiedsgericht hat die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Schiedsspruchs

1. festzustellen, dass sie seit dem 01.08.1982 über den 31.07.1992 hinaus als Arbeitnehmerin nach NV Solo bei der Beklagten beschäftigt ist,

2. im Wege der Klageerweiterung festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Erklärungen der Beklagten vom 04.12.1998 sowie vom 19.05.1999 nicht beendet wurde und auf der Grundlage des NV Solo weiter fortbesteht.

Die Beklagte hat vor dem Bühnenoberschiedsgericht beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, dass es sich bei ihren Gastspielverträgen um eine Abschrift des Mustergastspielvertrages aus den Mitteilungen des L M des B handle. Sofern sie, die Beklagte, kurzfristig Proben oder Aufführungstermine angekündigt habe, habe sie mit Absagen der Klägerin rechnen müssen, sofern diese wegen anderer Engagements oder aus anderen Gründen (Urlaub, Privattermine) keine Zeit gehabt hätte.

Das Bühnenoberschiedsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgericht ist der Klägerin am 12.01.2000 zugegangen. Am 24.01.2000 hat sie beim Arbeitsgericht Köln Aufhebungsklage erhoben. Sie rügt zunächst die Verletzung des § 20 a NV Solo, auf den das Bühnenoberschiedsgericht seine Entscheidung gestützt hatte.

Am 08.07.1991 habe überhaupt keine Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen werden können, weil für den Bereich der neuen Bundesländer das Tarifwerk mit dem TVM erst zum 01.08.1991 wirksam geworden sei. Am 08.07.1991 sei die Möglichkeit der Nichtverlängerungsmitteilung noch gar nicht eröffnet gewesen.

Es habe auch keine Anhörung als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Nichtverlängerung stattgefunden. Im Übrigen sei nach der Nichtverlängerungsmitteilung noch unter dem 29.08.1991 der weitere Vertrag bis zum 31.07.1992 geschlossen worden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die ursprüngliche Nichtverlängerungsmitteilung nunmehr auch diesen später abgeschlossenen Arbeitsvertrag erfasse.

Während das Bühnenschiedsgericht in seiner Entscheidung (Blatt 182 BSchG) festgestellt hatte, dass die Parteien nicht Kraft beiderseitiger Verbandsmitgliedschaft an den Tarifvertrag der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit gebunden seien, hat die Klägerin im erstinstanzlichen Aufhebungsverfahren vorgetragen, für sie als tarifgebundene Arbeitnehmerin bestehe ein Arbeitsverhältnis auf der Basis des NV Solo mangels unzulässiger Vereinbarung eines Gastvertrages fort. Sie rügt insoweit weiterhin eine Verletzung des § 20 NV Solo. Folge hiervon sei, dass die Gastverträge Verträge nach NV Solo seien, zwingend auf Grund der tariflichen Bindung der Parteien. Eine Umgehungsabsicht komme schon darin zum Ausdruck, dass sie während der Gastverträge und Teilspielzeitverträge 1993 in sechs Rollen beschäftigt gewesen sei.

Auch probe ein Gast nicht laut Probenplan. Die Klägerin verweist auf die Proben, die sie im Schriftsatz vom 26.01.2000 im Aufhebungsverfahren vorgetragen hat (Blatt 86 a ff. d. A.).

Auch die Häufung von Gastverträgen in den späteren Jahren lasse erkennen, dass es hier nicht um die Ergänzung des ständigen Personals gehe, sondern um die Aufteilung in immer wiederholte Gastverträge, was in Wirklichkeit die Beschäftigung ständigen Personals verschleiere. Diese Häufung sei verbunden gewesen mit der Verpflichtung zum vorherigen Studium und zur Teilnahme an Umsetzungsproben. Es lägen Kettengastverträge vor. Damit habe sich das Bühnenoberschiedsgericht nicht auseinandergesetzt. Auch habe ihr die Dispositionsfreiheit gefehlt. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, andere berufliche Verpflichtungen einzugehen.

Die Klägerin hat beantragt,

I. das Urteil des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt/Main vom 07.09.1999 (BOLSchG 9/99) wird aufgehoben,

II. auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Bühnenschiedsgerichts Chemnitz vom 15.01.1999 (Reg.-Nr. 18/98) aufgehoben und festgestellt:

1. Dass die Klägerin seit dem 01.08.1982 über den 31.07.1992 hinaus als Arbeitnehmerin nach NV-Solo bei der Beklagten beschäftigt ist,

2. Dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Erklärung des Beklagten vom 04.12.1998 sowie vom 19.05.1999 nicht beendet wurde und auf der Grundlage des NV-Solo weiter fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, auch Gäste müssten Stücke proben, bis das Stück beherrscht werde. Gäste probten häufig nach Probenplan. Es sei der Normalfall, dass ein Gast mit studierter Partie zur Probe zu erscheinen habe.

Wenn es bei der Klägerin wegen nicht rechtzeitiger Bekanntgabe von Probenterminen zur Terminkollisionen gekommen wäre, wäre dieses das Risiko der Beklagten gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Aufhebungsklage teilweise stattgegeben und erstens festgestellt, dass die Klägerin seit dem 1. 8. 1982 über den 31. 7. 1992 hinaus als Arbeitnehmerin nach NV Solo bei der Beklagten beschäftigt ist, sowie zweitens, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Erklärung vom 4. 12. 1998 nicht beendet worden ist und auf der Grundlage des NV-Solo weiter fortbesteht (ohne im Übrigen ausdrücklich die Klage abzuweisen). Es hat insbesondere darauf abgehoben, dass, wollte man die Klägerin als Gast ansehen, der Begriff "Gast" jeglichen Sinnes beraubt werde. Der Gast komme und gehe nach relativ kurzer Zeit wieder, etwa nach Ablauf einer Spielzeit oder auch nach zwei Spielzeiten und irgendwann einmal komme er wieder oder auch nicht. So lägen die Dinge bei der Klägerin gerade nicht. Sie sei seit August 1982 an der O L tätig. Dabei müsse auch der Umfang der Tätigkeit berücksichtigt werden, wie er von der Klägerin im Schriftsatz vom 26.01.2000 (Blatt 86 a ff. d. A.) im Aufhebungsverfahren vorgetragen worden sei. Solche Abrundungen und Ergänzungen, die dem bisherigen Vorbringen kein neues Gepräge gäben, seien zuzulassen. Dieses gesamte diesbezügliche Vorbringen sei auch unstreitig. Das Gleiche gelte für den neuen Vortrag der Klägerin, die O L habe in der laufenden Spielzeit lediglich 105 Vorstellungen gehabt und das bestbezahlte Ensemblemitglied lediglich neun Vorstellungen in zwei Stücken. Sofern das Arbeitsgericht nicht nach dem Klageantrag erkannt hat, auch festzustellen, dass das Vertragsverhältnis nicht durch das Schreiben vom 19.05.1999 beendet worden sei, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe im Aufhebungsverfahren mit Schriftsatz vom 26.01.2000 vorgetragen, was es mit der im Klageantrag erwähnten Erklärung der Beklagten vom 04.12.1998 auf sich habe. Was die Beklagte mit Schreiben vom 19.05.1999 erklärt habe, sei von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Ihr Vorbringen sei insofern unvollständig. Ob im Schiedsgerichtsverfahren entsprechende Ausführungen gemacht worden seien, könne dahingestellt bleiben, denn das Gericht habe keine entsprechenden Nachforschungen von Amts wegen anzustellen. Das Gericht habe nur zu berücksichtigen, was im vorliegenden Aufhebungsverfahren angebracht werde.

Gegen dieses ihr am 25.06.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.07.2001 Berufung eingelegt und diese am 15.08.2001 begründet. Sie rügt die Auslegung des § 20 NV Solo durch das Arbeitsgericht und verweist auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Begriff des Gastvertrages. Die Klägerin sei im Übrigen nie für eine Spielzeit, sondern auf Grundlagen von Gastverträgen immer nur für einzelne Produktionen, Proben und Aufführungen eingestellt worden.

Des Weiteren verweist die Beklagte auf eine von ihr gefertigte Aufstellung hinsichtlich der Premieredaten, des Probenbeginns und der Vertragsausfertigungen (Blatt 260 d. A.).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.02.2001 - 18 Ca 640/00 - abzuändern und die Aufhebungsklage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Sie vertritt die Auffassung, entscheidend für die Zulässigkeit und die Wirksamkeit des Abschlusses eines Gastspielvertrages sei, ob eine ständige Beschäftigung vorliege oder nicht. Sechs Jahre und vier Monate sei in der Tat ein ungewöhnlicher Zeitraum für ein "Gastspiel". Sie meint, ihr Vortrag zu Art und Umfang der Beschäftigung sei in erster Instanz unstreitig geblieben. Ein nachträgliches Bestreiten im Berufungsverfahren sei als verspätet zurückzuweisen. Ob die Gastspielverträge nicht generell nach Aufnahme der Proben abgeschlossen worden seien, sei nicht entscheidungserheblich. Sie, die Klägerin, sei gehalten gewesen, an den Proben, die von der Beklagten festgelegt worden seien, teilzunehmen. Verbindlich im Voraus vereinbart sei nur der früheste Probentermin gewesen. Auf die Terminierung seitens der Beklagten habe sie, die Klägerin, zur Vermeidung von Sanktionen (Kürzung der Gesamtgage) sich einzustellen gehabt.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärte die Klägerin, sie sei, als seinerzeit die DDR-Gewerkschaft aufgelöst worden sei, zeitgleich der GDBA beigetreten. Dieses bestreitet die Beklagte.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte in der Sache Erfolg. Die Kammer folgt im Ergebnis dem Bühnenoberschiedsgericht und in der Begründung im Wesentlichen dem Bühnenschiedsgericht.

I. Der Antrag zielt - wie schon das Bühnenschiedsgericht zu Recht festgestellt hat - auf die Feststellung des (Fort-) Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, auf das in vollem Umfang der NV Solo (und der TVM) anwendbar sind. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin Mitglied der GDBA ist. Die Kammer geht davon aus, dass die Anwendung des NV-Solo Bühnenbrauch ist und damit einer betrieblichen Übung auch bei der Beklagten entspricht. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

1. Die Klägerin hat nicht erläutert, aus welchem Grund festgestellt werden könnte, dass schon ab 1982, lange bevor der NV-Solo an der Oper in Leipzig galt, für sie ein Arbeitsverhältnis nach NV-Solo bestanden haben sollte. Ein solcher Grund ist der Kammer nicht ersichtlich.

2. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der unter dem 19.06.1990 vom 01.08.1990 bis zum 31.07.1992 abgeschlossene befristete Vertrag (nach Rahmenkollektivvertrag) oder der für einen Teil dieser selben Vertragszeit am 29.08.1991 für die Zeit vom 01.08.1991 bis zum 31.07.1992 abgeschlossene befristete Dienstvertrag nach NV Solo noch bestünden.

a) Die Parteien haben in der Folgezeit nicht nur Teilspielzeitverträge, sondern - ab 1994 ausschließlich - Gastspielverträge abgeschlossen. Damit haben sie ihre Vertragsbeziehungen auf eine neue Grundlage gestellt. Zugleich haben sie ihren übereinstimmenden Willen deutlich gemacht, dass der befristete Dienstvertrag vom 29.08.1991 sich nicht mehr nach § 2 TVM spielzeitweise verlängern solle. Spätestens seit 1994 haben die damals abgeschlossenen Gastverträge die Verträge nach NV Solo einschließlich der Teilspielzeitverträge abgelöst (vgl. BAG 27.09.2001 - 6 AZR 140/00 -).

b) Was die Wirksamkeit der Befristung des bis zum 31.07.1992 abgeschlossenen Vertrages nach NV Solo sowie die der Teilspielzeitverträge (Ablauf des letzten am 13.04.1994) anbelangt, so hat das Bühnenschiedsgericht im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass mit Inkrafttreten des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.1996 der Gesetzgeber mit Wirkung vom 01.10.1996 in § 1 Abs. 5 BeschFG die dreiwöchige Klagefrist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung eingefügt hat. Diese Regelung war von allen Arbeitnehmern zu beachten, die nach dem 01.10.1996 die Unwirksamkeit der Befristung geltend machen wollten. Endete das befristete Arbeitsverhältnis vor dem 01.10.1996, so lief die dreiwöchige Klagefrist am 31.10.1996 ab (BAG 20.01.1999 - 7 AZR 715/97 -).

Die Klägerin hat nicht einmal mit ihrer Klage vom 06.11.1998 die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht, sondern lediglich das Fortbestehen auf Grund unwirksamer Nichtverlängerungsmitteilung.

Soweit sie sich später darauf berufen hat, im Jahre 1991 von der "Gewerkschaftsleitung" vorsätzlich falsch beraten worden zu sein, so kann dahinstehen, ob dieses einen Grund für eine nachträgliche Zulassung abgäbe. Es ist nämlich nichts dafür dargetan, dass die Klägerin nicht bis zum Jahre 1998 in der Lage gewesen wäre, sich anderweitig zu informieren. Davon abgesehen war die Klägerin jedenfalls seit dem 12.03.1999 (vgl. Blatt 1 BOSchG) anwaltlich vertreten. Ein Antrag auf nachträgliche Klagezulassung wurde nie gestellt. Erstmals im Schriftsatz 29.04.1999 (Blatt 5 ff. BOSchG) wurden Fragen der Wirksamkeit der Befristung angesprochen.

3. Die später abgeschlossenen Gastspielverträge, insbesondere die letzten, auf deren Wirksamkeit es primär ankommt (s. oben 2.), waren Gastspielverträge im Sinne des § 20 NV Solo.

a) Für die Abgrenzung zwischen einem Gastspielvertrag und dem Vertrag auf der Basis des Normalvertrages hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 27.09.2001 im Anschluss an seine Entscheidung vom 24.09.1986 - 7 AZR 663/84 - folgendes ausgeführt:

Für das ständige, mit Normalvertrag angestellte Bühnenmitglied ist kennzeichnend, dass es dem Theaterunternehmer grundsätzlich für sämtliche Aufgaben seines Kunstfaches zur Verfügung steht und der Unternehmer ihm daher kraft seines Direktionsrechts die konkrete Aufgabe nach den tariflichen Bestimmungen jeweils zuweisen kann, insbesondere nach § 2 Abs. 1 NV Solo und § 5 Abs. 1 NV Solo. Danach braucht der Gegenstand der künstlerischen Dienstleistung nur allgemein dem Kunstfach nach festgelegt zu sein. Die nähere Konkretisierung ist Sache des Arbeitgebers, der nach § 5 Abs. 1 NV Solo Art und Umfang der Dienste im Rahmen der vertragsgemäßen Begrenzung einseitig bestimmen und mithin von Fall zu Fall einseitig festlegen kann, welche Partie das Bühnenmitglied zu singen hat. Der Gastspielvertrag bildet den Gegensatz dazu. Er wird vom Theaterunternehmer "zur Ausgestaltung seines Spielplans" geschlossen. Es geht nicht um die Einstellung für ein Kunstfach oder Rollengebiet, sondern um ein Engagement im Hinblick auf "seinen", d. h. vom Theaterunternehmer bereits konzipierten, konkreten Spielplan. Geht es aber bei dem Engagement des Gastes um die Ausgestaltung eines bestimmten Spielplans, so kann Gegenstand dieses Engagements auch nur eine bestimmte Rolle innerhalb dieses Spielplans sein.

Dem genügen die mit der Klägerin abgeschlossenen Gastspielverträge offensichtlich. Stets - vgl. insbesondere die seit 1996 abgeschlossenen (Blatt 160 ff. d. A. des BOSchG) - waren die Rolle, die Anzahl der Vorstellungen und sogar die genauen Daten der Vorstellungen im Gastvertrag festgehalten. Dieses gilt einschließlich des von der Beklagten unter dem 29.10.1998 angebotenen Gastspielvertrages, den die Klägerin nicht unterzeichnet hat (Blatt 182 f. BOSchG).

b) Wenn die Klägerin vor dem Bühnenoberschiedsgericht im Wesentlichen darauf abgehoben hat, ob Indizien für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprächen (Blatt 70 BOSchG) so ist dieses unerheblich. Der in § 20 Abs. 2 NV Solo geregelte Gastspielvertrag ist wie der Normalvertrag im Sinne von § 2 NV Solo ein Arbeitsvertrag, auf den lediglich die Vorschriften der §§ 1 - 19 NV Solo keine Anwendung finden (vgl. statt vieler Bolwin/Bohner § 20 NV Solo Rdnr. 3).

c) Die Klägerin hat ferner auf die Problematik der Proben abgehoben. Sie hat zum einen darauf hingewiesen, dass sie eine Vielzahl von Proben habe leisten müssen (wobei dahinstehen kann, ob dieser erstmalig mit Schriftsatz vom 26.01.2000 (Blatt 68 ff. d. A.) im erstinstanzlichen Aufhebungsverfahren substantiierte Vortrag überhaupt verwertet werden kann). Sie hat im Übrigen vorgetragen, sie sei an den Probenplan gebunden gewesen (was als solches nicht bestritten ist). Sie sei, obwohl in den Verträgen festgelegt gewesen sei, dass Proben nur nach Vereinbarung stattfänden, faktisch daran gebunden gewesen. Ein Gast, so hat sie vorgetragen, probe nicht mit dieser Intensität; keineswegs nehme er am Probenplan teil. Weiter verweist sie darauf, dass sie gemäß verpflichtet gewesen sei, mit studierter Partie zu den Proben zu erscheinen. Auch dies spräche gegen einen Gastvertrag.

Nach Auffassung der Kammer kann weder die grundsätzliche Verpflichtung, an Proben teilzunehmen, noch die Bindung an einen Probenplan, noch die Verpflichtung, mit studierter Rolle zu den Proben zu erscheinen, für den Begriff des Gastspielvertrages relevant sein.

Dass der Bühnenkünstler sowohl individuell als auch mit dem Ensemble proben muss, um seine Rolle im Stück zu spielen, ergibt sich aus der Natur der Sache. Individuelles Studium und individuelle Proben sind jedenfalls dann erforderlich, wenn man nicht die Beschränkung der Einsatzmöglichkeit des Künstlers auf sein Repertoire zu einem wesentlichen Begriff des Gastvertrages macht. Genau das hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 27.09.2001 abgelehnt.

Dementsprechend wird es in der rechtswissenschaftlichen Literatur geradezu als Wesensmerkmal des Gastspielarbeitsverhältnisses, das allein von § 20 NV Solo erfasst wird (im Gegensatz zum freien Dienst- oder Werkvertrag mit einem Bühnenkünstler), angesehen, dass als "Regelfall der Gast bereits in den Probenbetrieb für die Aufführung einbezogen ist" (Bolwin/Sponer, § 20 NV Solo Rdnr. 6).

Dabei muss es ebenso eine Selbstverständlichkeit sein, dass auch der Gast sich nach den Probenplan zu richten hat. Wenn nämlich die gesamte Besetzung des Stückes gemeinsam oder auch nur ein Teil davon gemeinsam probt, so kann nicht ein einzelner Bühnenkünstler sich die Probentermine aussuchen. Eine Koordinierung durch den Theaterunternehmer ist sachnotwendig.

4. Auch im Übrigen sprechen die Indizien nicht dafür, dass die Verträge nur zur Umgehung der Anstellung von ständigen Mitgliedern geschlossen wurden (§ 20 Abs. 4 Satz 2 NV Solo).

a) Die Klägerin hat gemeint, allein der Umfang ihrer Beschäftigung spreche gegen einen Gastvertrag. Diese Auffassung kann die erkennende Kammer nicht teilen. Hinsichtlich der Quantität gibt § 20 Abs. 2 NV Solo eine klare Grenze. Es dürfen bis zu 72 Aufführungen pro Spielzeit vereinbart werden. Wird eine Zahl vereinbart, die - wie im vorliegenden Fall - sogar noch weit darunter liegt, so kann angesichts der tariflichen Vorgaben daraus nicht auf eine Umgehung geschlossen werden.

Legt man die vom Bühnenschiedsgericht ermittelten Beschäftigungstage (Blatt 188 BSchG) zu Grunde, die das Bühnenschiedsgericht aus den Angaben in den ihm unterbreiteten Gastverträgen und Abrechnungen ermittelt hat, so ergeben sich unter Berücksichtigung von festen Terminverpflichtungen, tatsächlichen Aufführungen und Proben für die Spielzeit 1994/1995 48 Beschäftigungstage, für 1995/1996 18, für 1996/1997 61 und für 1997/1998 45.

Soweit die Klägerin erstmalig im Aufhebungsverfahren im Schriftsatz vom 26.01.2000 (Blatt 68 ff. d. a.) eine höhere Gesamtzahl von Proben und Vorstellungen vorträgt, so kann dieses im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts nicht als "Abrundung" des Vorbringens vor dem Bühnenschiedsgericht zugelassen werden. Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Aufhebungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen (BAG 24.09.1970 AP Nr. 37 zu § 3 KSchG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit der Aufhebungsklage gerügt wird, dass Tatsachen vom Schiedsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien (BAG a.a.O.). Insofern hat die Klägerin in der Aufhebungsklage keinerlei Tatsachenrügen erhoben.

Aber selbst dann, wenn man die von der Klägerin in diesem Schriftsatz genannten Vorstellungstage zu Grunde legt, so liegen diese weit unter der tariflichen Grenze.

b) Auch sofern die Klägerin darauf abhebt, sie sei "ständig" an der Bühne beschäftigt gewesen, so ist zwar richtig, dass sie über mehrere Jahre hin in jeder Spielzeit auf Grund von Gastspielverträgen tätig war. Andererseits aber unterlag diese Tätigkeit ganz erheblichen Schwankungen. Dieses zeigen schon die dargestellten Beschäftigungstage. Dieses weist auch das sehr unterschiedliche in den jeweiligen Beschäftigungsjahren verdiente Honorar aus (zur Frage der langjährigen Beschäftigung siehe noch unten). Solche Schwankungen sprechen für die Typik des Gastvertrages, den der Unternehmer zur Ergänzung seines Spielplanes abschließt.

c) Die Klägerin verweist schließlich darauf, dass sie pro Spielzeit mehrere Rollen gespielt habe. Dieses ist richtig. So hat sie in der Spielzeit 1997/1998 sechsmal die Wirtin in "Abraum" gespielt, zwölfmal die Mutter in "Hänsel und Gretel" und fünfmal Witwe Browe in "Zar und Zimmermann", in der Spielzeit 1998/1999 viermal Larina in "Eugen Onegin", viermal die Witwe Browe und fünfmal die Mutter in "Hänsel und Gretel" gespielt.

§ 20 NV Solo besagt zunächst nichts darüber, ob ein Gast pro Spielzeit nur eine Rolle spielen darf. Soweit ersichtlich hat auch weder die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit (vgl. die Kommentierung zu § 20 bei Bolwin/Sponer) noch die staatliche Gerichtsbarkeit jemals ein solches Kriterium aufgestellt.

Betrachtet man die Rollen in concreto, so handelt es sich um eher kleine Rollen, die in den genannten Spielzeiten bis auf die Wirtin in "Abraum" zum Repertoire der Klägerin gehörten. Ganz überwiegend spielte sie in der Vorweihnachtszeit die Mutter in "Hänsel und Gretel", so in der Spielzeit 1997/1998 in zwölf von insgesamt 24 Vorstellungen und in der Spielzeit 1998/1999 in fünf von insgesamt neun Vorstellungen.

d) Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Begriff "Gast" bedeute, dass dieser ein oder zwei Spielzeiten lang tätig sei, jedenfalls wieder gehe und ggf. wieder komme. Es sieht im vorliegenden Fall die zulässige Aufeinanderfolge von Gastspielverträgen in einzelnen Spielzeiten als überschritten an.

Dem Tarifvertrag ist keine Einschränkung hinsichtlich einer zulässigen Zahl von Spielzeiten, in denen ein Gast tätig werden darf, zu entnehmen.

Auch dem Wort "Gast" kann nach Auffassung der erkennenden Kammer ein solches Kommen und Gehen nicht entnommen werden, was bei dem Begriff "Gastarbeiter" augenfällig wird.

Auch das vom Bundesarbeitsgericht als wesentlich herausgearbeitete Kriterium der Ergänzung zur Ausgestaltung des bereits konzipierten Spielplans gibt für ein solches zeitliches Limit nichts her.

Dementsprechend wird auch von der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit die Dauer der Verpflichtung nicht als Abgrenzungskriterium gesehen (vgl. Bolwin/Sponer aaO Rn. 20 mit Hinweis auf BOSchG 21.03.1994 Osch 34/93). Selbst ein auf unbestimmte Zeit geschlossener Gastspielvertrag verliert nach BOSchG vom 13.04.1981 (AP Nr. 18 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag) nicht dadurch seine Rechtsnatur, so lange das Bühnenmitglied nicht als ständiges Mitglied in das Theaterunternehmen eingegliedert ist. Dementsprechend machen auch nach dieser Entscheidung mehrere aufeinanderfolgende Gastspielverträge diesen nicht zu einem Arbeitsverhältnis, auf das NV Solo anzuwenden sei.

Ein zeitliches Nacheinander von NV Solo -Arbeitsvertrag und Gastspielvertrag wird ohne Einschränkung an derselben Bühne für zulässig erachtet (Bolwin/Sponer a.a.O. Rdnr. 24). So hat lediglich einmal das BOSchG (01.09.1986 Osch 3/86; abgedruckt bei Bolwin/Sponer a.a.O. Rdnr. 25) neben wesentlichen anderen, für sich eindeutig ausreichenden Kriterien für einen Vertrag nach NV-Solo ("Gastspielverträge" jeweils für eine gesamte Spielzeit, weder Festlegung der Partien noch der Anzahl in den Gastspielverträgen) es ergänzend als Kriterium herangezogen, dass solche Gastspielverträge mehr als 15 Spielzeiten hintereinander abgeschlossen waren. Dieser Fall ist nach Auffassung der Kammer weit entfernt vom vorliegenden.

e) Schließlich kann auch aus den Briefwechseln zwischen der Klägerin (bzw. ihrem Ehemann) und der Oper nicht auf einen Umgehungscharakter der Gastspielverträge geschlossen werden. Zwar ist einmal in einem Schreiben, das die Klägerin anlässlich der Premiere von Eugen Onegin erhalten hat, die Rede davon, dass sie "letztlich zur Familie der Oper Leipzig" gehöre. Dieses hat aus dem Zusammenhang indes ersichtlich den Charakter einer aufmunternden Freundlichkeit. Aus allen Schreiben, in denen es um eine "Festengagement" geht, wird stets in aller Klarheit deutlich, dass dieses für die Klägerin nicht in Betracht komme, und zwar auch nach "Gespräche(n) ...vor allem ... mit dem Generalmusikdirektor ... , der ja ein Vorsingen abgenommen hat" (Schreiben vom 17. 1. 1994). Das Drängen der Klägerin wird wiederholt mit Bemühungen erwidert, das ehemalige Ensemblemitglied mit weiteren Gastverträgen zu versorgen.

Nach allem liegen seit 1994 echte Gastspielverträge vor. Die Feststellung des Fortbestehens eines Arbeitsvertrages nach NV Solo kann nicht erfolgen.

II. Da dieser Streitgegenstand nicht die Feststellung des Bestehens eines Gastspielvertrages ist, kann dahinstehen, ob der letzte Gastspielvertrag als solcher überhaupt zustande gekommen ist. Jedenfalls wäre er kein Vertrag nach NV Solo.

III. Offen bleiben kann schließlich, ob, wollte man entgegen dem Vorgesagten die Gastspielverträge als Verträge nach NV Solo werten, es sich dabei um solche handeln würde, die gemäß § 2 TVM "auf eine Spielzeit" abgeschlossen sind. Nur dann könnte die Klägerin die Verlängerungsautomatik für sich reklamieren. Nur dann könnte auch der Fortbestand festgestellt werden.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

V. Die Kammer hat die Revision zugelassen, da weder das von der Kläger herausgehobene Kriterium des Nebeneinanders mehrerer Rollen, noch die Frage der zulässigen Zeitdauer von aufeinanderfolgenden Gastspielverträgen bislang Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung war. Die Frage, ob § 20 NV Solo in dieser Weise auszulegen ist, hätte grundsätzliche Bedeutung, da nicht selten Bühnen mit bestimmten Solisten über mehrere Jahre Gastverträge schließen.

Ende der Entscheidung

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