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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.05.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 821/08
Rechtsgebiete: NV-Bühne


Vorschriften:

NV-Bühne § 71
NV-Bühne § 74
NV-Bühne § 79
- Definition der bühnenrechtlichen Begriffe "Rolle", "Partie"

- Zum Begriff des "musikalischen Bühnenwerks"


Tenor:

Die Berufung der Klägerinnen und Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.04.2008 - 8 Ha 15/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen und Kläger zu gleichen Teilen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in einem Aufhebungsrechtsstreit um Sondervergütungen nach § 79 Abs. 2 a und Abs. 3 NV Bühne-SR Chor. Die Klägerinnen und Kläger sind an dem von der Beklagten betriebenen Theater F tarifgebunden zu den Bedingungen des NV Bühne als Opernchormitglieder beschäftigt.

Die Beklagte führte in der Spielzeit 2005/2006 die Oper "I " von Mozart und in Konzertaufführungen die L "L " von E. N auf. Dabei wirkte der Chor mit, welchem die Klägerinnen und Kläger angehören.

Die einzelnen Klägerinnen und Kläger haben in der Oper "I mitgewirkt bei den Gesängen "Zwei K " (Damen), "Zwei T " (Herren) und an einem vierstimmigen Übergang bis zum Einsatz des Chores. Der Klavierauszug (Ablichtungen Bl. 42- 51 d. A. des Bühnenschiedsgerichts) enthält an den genannten Stellen jeweils den Hinweis "Solo" bzw. für Einsätze des gesamten Chores "Tutti". Wegen des umfangreicheren Partiturauszuges wird auf die Anlage zur Akte des Landesarbeitsgerichts Bezug genommen. Für ihre Teilnahme an der Darbietung eines Duetts in der Oper verlangen einzelne Klägerinnen und Kläger jeweils 60,00 €, für die Darbietung des Quartetts jeweils 120,00 €.

In der "Lyrischen Suite L " haben einzelne Kläger bei dem in der Ablichtung der Chornoten (Bl. 52 bis 75 d. A. des Bühnenschiedsgerichts) als "Männerquartett" bezeichneten Stellen mitgewirkt. Dabei haben die Kläger L , N , S und Z jeweils eine Stimme des vierstimmigen Männerquartetts allein gesungen. Dafür verlangen sie je Sänger 40,00 €.

Wegen der Berechnung der Klageforderung im Einzelnen wird auf den Tatbestand des Urteils des Bühnenschiedsgerichts Bezug genommen.

Hinsichtlich der Oper "I geht der Streit im Wesentlichen darum, ob die von den einzelnen Klägern gesungenen Teile "kleinere Partien" im Sinne des § 71 Abs. 3 a NV Bühne darstellen. Hinsichtlich der Mitwirkung in der L streiten die Parteien im Wesentlichen darum, ob es sich um eine konzertante Aufführung eines musikalischen Bühnenwerks handelt. Dass die Aufführung konzertant war, ist dabei unstreitig. Der Streit geht darum, ob das Stück ein "musikalisches Bühnenwerk" ist.

Die Kläger haben am 02.05.2007 beim Bühnenschiedsgericht für Opernchöre im Verfahren BSchG C 3/06 Klage erhoben, diese durch am 26.05.2006 eingegangenen Schriftsatz erweitert und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. 180,00 €, an den Kläger zu 2. 200,00 €, an den Kläger zu 3. 160,00 €, an die Klägerin zu 4. 180,00 €, an den Kläger zu 5. 40,00 €, an den Kläger zu 6. 200,00 € und an den Kläger zu 7. 40,00 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Bühnenschiedsgericht hat durch den Spruch vom 20.09.2006 der Klage teilweise stattgegeben. Es hat eine Sondervergütungspflicht nach § 79 Abs. 2 a NV Bühne (für "Idomeneo") bzw. gemäß § 79 Abs. 3 NV Bühne (für "L ) dem Grunde nach bejaht, angesichts der geringen Größe des beklagten Theaters allerdings nur Beträge von 20,00 € für die Duette und 40,00 € für das Quartett in "I und jeweils 20,00 € für das Männerquartett für "L zuerkannt.

Dagegen hat die Beklagte beim Bühnenoberschiedsgericht für Opernchöre im Verfahren OSchG 2/06 am 26.10.2007 Berufung eingelegt, der sich die Klägerinnen und Kläger am 19.01.2008 angeschlossen haben.

Vor dem Bühnenoberschiedsgericht hat die Beklagte beantragt,

den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre vom 20.09.2006 - BSchG C 3/06 W - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen und Kläger haben beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und auf die Anschlussberufung nach den Anträgen erster Instanz zu erkennen.

Das Bühnenoberschiedsgericht hat den angefochtenen Beschluss mit Schiedsspruch vom 01.03.2007 abgeändert und die Klagen insgesamt abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 68 ff. d. A. des Bühnenoberschiedsgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer am 25.04.2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Aufhebungsklage gegen den am 19.04.2007 zugestellten Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts vom 01.03.2007 verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Die Klägerinnen und Kläger haben vor dem Arbeitsgericht beantragt,

unter Aufhebung des Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts für Opernchöre in Köln - OschG C 2/06 - vom 01.03.2007 sowie unter Aufhebung des Schiedsspruchs des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre in Köln - BSchG C 3/06 - vom 20.09.2006 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. 180,00 €, an den Kläger zu 2. 200,00 €, an den Kläger zu 3. 160,00 €, an die Klägerin zu 4. 180,00 €, an den Kläger zu 5. 40,00 €, an den Kläger zu 6. 200,00 € und an den Kläger zu 7. 40,00 € jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15.03.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Aufhebungsklage zurückzuweisen und die Klagen abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage mit Urteil vom 10.04.2008 abgewiesen.

Gegen dieses ihnen am 02.06.2008 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen und Kläger am 30.06.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.09.2008 am 01.09.2008 begründet.

Die Klägerinnen und Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln - 8 Ha 15/07 - vom 10.04.2008 sowie der Schiedssprüche des Bühnenoberschiedsgerichts für Opernchöre - OschG C 2/06 - vom 01.03.2007 und des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre - BSchG C 3/06 W - vom 20.09.2006 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. 180,00 €, an den Kläger zu 2. 200,00 €, an den Kläger zu 3. 160,00 €, an die Klägerin zu 4. 180,00 €, an den Kläger zu 5. 40,00 €, an den Kläger zu 6. 200,00 € und an den Kläger zu 7. 40,00 € jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15.03.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Da die Parteien im Wesentlichen mit Rechtsausführungen ihr jeweiliges Begehren verfolgen, wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze beim Bühnenschiedsgericht, beim Bühnenoberschiedsgericht und im Aufhebungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger hatte hinsichtlich der begehrten Sondervergütung für die Mitwirkung in der Oper "I " keinen Erfolg. Die Kammer folgt im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung dem Bühnenoberschiedsgericht.

Mit der Vergütung nach § 75 Abs. 1 sind gemäß § 79 Abs. 1 NV Bühne die von dem Opernchormitglied nach diesem Tarifvertrag zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegolten, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 4 nichts anderes ergibt.

Als Sondervergütungsregelung kommt für die Duette und das Quartett in der Oper "I nur § 79 Abs. 2 a NV Bühne in Betracht. Danach erhält das Opernmitglied zusätzlich für die Übernahme kleinerer Rollen und Partien (§ 71 Abs. 1 a) eine angemessene Sondervergütung.

Es kommt damit entscheidend darauf an, ob es sich im vorliegenden Fall um die Übernahme kleinerer Rollen oder Partien im Sinne des § 71 Abs. 3 a NV Bühne handelt.

I. Im Gegensatz zu der von der Klägerseite in weiten Teilen des Verfahrens vertretenen Auffassung kann es nicht allein darauf ankommen, ob im vorliegenden Fall solistische Leistungen erbracht wurden. Zwar enthält die Partitur an den genannten Stellen jeweils den Hinweis "Solo". Indes ergibt sich aus einem systematischen Vergleich von § 71 Abs. 2 e und § 71 Abs. 3 a NV Bühne, dass allein das Singen von Soli nicht die Vergütungspflicht auslöst. Denn nach § 71 Abs. 2 e gehören kurze solistische Gesangsleistungen zu der nicht sondervergütungspflichtigen Mitwirkungspflicht des Chormitgliedes. Die Übernahme von kleineren Rollen und Partien ist nach § 71 Abs. 3 NV Bühne ausdrücklich als eine "darüber hinaus" gehende Mitwirkungspflicht gekennzeichnet.

II. Es kommt damit darauf an, wie "kleinere Rollen oder Partien" in Abgrenzung zu bloßen Soli zu definieren sind.

1. Das Wort "Rolle" bezeichnet - soweit hier von Belang - sowohl "den Sprechtext eines Schauspielers, d. h. das den Text enthaltende Heft, Rollenheft, -buch" (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch, 6. Auflage, Stichwort "Rolle") als auch eine "darzustellende Gestalt in einem Bühnenwerk" (Wahrig a. a. O.). Dem entspricht es, wenn in der Literatur (Bolwin-Sponer, Bühnentarifrecht § 71 NV Bühne Rn. 79) und in der Rechtsprechung der Bühnenschiedsgerichte (vgl. insbesondere BSchG Hamburg 26.06.2002 - BSch 17/02 - abgedruckt bei Bolwin-Sponer a. a. O. Rn. 83) darauf abgestellt wird, ob das Chormitglied aus dem Kollektiv des Chores heraustritt und als Individuum agiert.

Dem gegenüber wird als "Partie" eine "einzeln ausgeschriebene Stimme" in einer Oper, Operette oder einem Oratorium bezeichnet (vgl. Wahrig a. a. O. Stichwort "Partie").

2. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Oper "I so aufgeführt wurde, wie sie in der Partitur vorgegeben war - so bereits der unbestrittene erstinstanzliche Beklagtenvortrag vor dem Bühnenschiedsgericht (S. 17 d. A. des Bühnenschiedsgerichts), so dass davon auszugehen ist, dass im Sinne der Protokollnotiz zu § 71 Abs. 2 e und Abs. 3 a die szenisch musikalische Realisierung der Partitur entsprach.

3. Was zunächst der Begriff der "Partie" anbelangt, so lässt sich nicht feststellen, dass es sich um jeweils "einzeln ausgeschriebene Stimmen" handelte. Im Gegenteil ist eindeutig, dass sich sowohl die Duette als auch das Quartett jeweils in der Chorpartie befinden. Sowohl die Nr. 3 in der 3. Szene als auch die Nr. 9 im Intermezzo sind ausdrücklich als "Coro" ("Chor") bezeichnet, dieses sowohl in der Partitur (vgl. dort S. 47) als auch im Inhaltsverzeichnis dazu. Nur an den einzelnen Stellen innerhalb der Chorpartitur sind die Einsätze "Solo" im Gegensatz zu "Tutti" bezeichnet. Daraus folgt, dass innerhalb der Chorpartien für die einzelnen Nummern einmal zwei, einmal vier Chorsänger weiter singen, während der übrige Chor schweigt. Dieses lässt sich nicht als "einzeln ausgeschriebene Stimme" auffassen.

4. Auch sind die jeweils weitersingenden Sänger im Gegensatz zu den anderen im Stück auftretenden Personen (z. B. E ) nicht im Sinne einer "Rolle" individualisiert.

Im Falle des Chorstückes Nr. 3 stellen die Chorsänger ausweislich der Anmerkung vor dem ersten Einsatz des Chores auf S. 47 der Partitur den "Chor der T und K dar. Die beiden Duette sind als "Zwei Kreter" bzw. "Zwei Trojaner" bezeichnet.

Im Chorstück Nr. 9 handelt es sich insgesamt um den "Coro de' guerrieri sbarcarti" (vgl. S. 126 der Partitur), welches im deutschen Text (nicht ganz zutreffend) mit "Chor der gestrandeten Krieger" übersetzt wird. Auch im Quartett nehmen die Sänger keine aus dem Kollektiv heraustretende Individualität an. Es ist wieder nur "Solo" vermerkt.

In beiden Fällen findet keine Individualisierung statt. Es handelt sich lediglich, was das Darstellende anbelangt, um nicht individualisierte Teile des Kollektivs, einmal nämlich der K und T , das andere Mal der gestrandeten Krieger.

Dass für jede Stimme nur ein Sänger im Solo singt, kann angesichts der tariflichen Notwendigkeit, die "Rolle" und die "Partie" vom Solo abzugrenzen, für die erforderliche "heraustretende Individualisierung" nicht ausreichen.

Anders wäre es, um ein Beispiel zu nennen, etwa dann, wenn die Solisten als Hauptleute der Krieger agierten.

III. Soweit von der Klägerseite die Frage thematisiert wurde, ob es sich bei den in "I gesungenen Duetten und dem Quartett um "kurze" solistische Gesangsleistungen im Sinne des § 71 Abs. 2 e NV Bühne handele und ob nicht alle solistischen Leistungen, die darüber hinaus gingen, sondervergütungspflichtig sein müssten, so dass § 71 Abs. 3 a und dementsprechend § 79 Abs. 2 a dahingehend auszulegen seien, dass eine kleinere Partie (bzw. eine kleinere Rolle) immer dann anzunehmen seien, wenn Soli nicht mehr "kurz" seien, so teilt die Kammer die vom Oberbühnenschiedsgericht getroffene Feststellung, dass die geltend gemachten solistischen Leistungen in "I nur von kurzer Dauer waren.

Im Übrigen kann allein eine längere Dauer einer solistischen Leistung nicht dazu führen, dass zwangsläufig von einer Partie oder Rolle auszugehen ist. Allein die Länge der Gesangsleistungen individualisiert eine Person nicht und führt nicht dazu, eine einzeln ausgeschriebene Stimme anzunehmen.

Soweit indes möglicherweise bei einer nicht nur kurzen solistischen Gesangsleistung, die keine Partie oder Rolle ist, eine Mitwirkungspflicht nicht bestünde, so dass es für diese Mitwirkung einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung bedürfte, woraus sich gegebenenfalls wiederum eine außertarifliche Anspruchsgrundlage ergeben könnte, so ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Streitgegenstand im gesamten Verfahren vor den Bühnenschiedsgerichten nicht geltend gemacht wurde. Es wurden nur die tariflichen Ansprüche nach § 79 NV Bühne geltend gemacht. Auch im erstinstanzlichen Aufhebungsverfahren (Bl. 105 d. A.) betonte die Klägerseite ausdrücklich, dass dies "hier nicht in Rede" stehe.

IV. Auch die Protokollnotiz zu § 71 Abs. 2 f NV Bühne kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Protokollnotiz bezieht sich nur auf Abs. 2 f. Wenn in der Protokollnotiz geregelt ist, dass im Musical die Verpflichtung zur Mitwirkung bei jeder mit mehreren Opernchormitgliedern zu besetzenden Gesangsleistung besteht, auch wenn die jeweilige Stimmgruppe nur einzeln besetzt ist, z. B. bei Quartetten und Quintetten, so bezieht sich dieses ausdrücklich nur auf § 71 Abs. 2 f, in dem Chorgesangsleistungen geregelt sind, wenn die Stimmgruppe wegen des unvorhergesehenen Ausfalls anderer Mitglieder der Stimmgruppe nur einzeln besetzt ist. Wenn man den Umkehrschluss ziehen will, dass Chorgesangsleistungen dann, wenn die Stimmgruppe nur einzeln besetzt ist und dieses nicht auf einem unvorhergesehenen Ausfall anderer Mitglieder beruht, außerhalb von Musicals nicht zu der Mitwirkungspflicht nach § 71 Abs. 2 gehören, so kann sich das in Abgrenzung zu den ebenfalls in § 71 Abs. 2 e ausdrücklich geregelten solistischen Gesangsleistungen nur darauf beziehen, dass es um solche Teilstücke geht, die grundsätzlich für den gesamten Chor vorgesehen sind.

Im vorliegenden Fall aber handelt es sich ausdrücklich auch nach der Partitur um Soli. In dem Fall aber gibt der Tarifvertrag auch unter diesem Gesichtspunkt keine andere Sondervergütungsmöglichkeit als die nach § 79 Abs. 2 a in Verbindung mit § 71 Abs. 3 a. Diese aber ist nicht gegeben. Für mögliche außertarifliche Streitgegenstände gilt das oben Gesagte.

B. Für das Stück "Leben in dieser Zeit" gilt Folgendes:

I. Soweit es wiederum um eine Vergütung nach § 79 Abs. 2 a geht, ist erneut nicht festzustellen, dass es sich bei den als "Männerquartett" in der Partitur bezeichneten Stellen (Bl. 59 - 64, 67 und 68 d. A. des Bühnenschiedsgerichts), die von den Klägern L , N , S und Z gesungen wurden, um eine kleinere Rolle oder Partie im Sinne des § 79 Abs. 2 a NV Bühne handelt.

Wiederum findet sich nämlich dieses "Männerquartett" in der Chorpartitur, wie sich aus der Überschrift der jeweiligen Seiten der Partitur ergibt. Die Chormitglieder singen zusammen mit dem Unisono weitersingenden Rest des Chores. Wiederum handelt es sich in keinem Fall um eine einzeln ausgeschriebene Stimme und wird in keinem Fall eine andere Individualität verkörpert als die der übrigen Chormitglieder.

II. Den vier genannten Klägern steht auch keine Sondervergütung nach § 79 Abs. 3 NV Bühne zu.

Dass es sich um eine konzertante Aufführung des Stückes "L " handelt, ist unstreitig. Die Vergütung scheitert indes daran, dass die Ausnahmevorschrift greift, dass es sich um eine konzertante Aufführung eines musikalischen Bühnenwerks handelte.

1. Es ist zunächst davon auszugehen, dass der Vortrag der Beklagten vor dem Bühnenoberschiedsgericht aus dem Schriftsatz vom 27.12.2006 (Bl. 37/38 d. A. des Bühnenoberschiedsgerichts) mit Bezug auf das Textbuch (Bl. 41/42 d. A. des Bühnenoberschiedsgerichts) vor dem Bühnenoberschiedsgericht - was die tatsächlichen Grundlagen anbelangt - unstreitig war. Denn dieser Vortrag wurde nicht - auch nicht mit Nichtwissen - bestritten. Vielmehr erklärte der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der Sitzung des Bühnenoberschiedsgerichts vom 01.03.2007 (Protokoll Bl. 61 d. A. des Bühnenoberschiedsgerichts):

"Nach seiner Kenntnis sei es ein Bühnenwerk. Ob der Vortrag der Beklagten zutreffe oder nicht, dass ein musikalisches Bühnenwerk aufgeführt worden sei, könne er aus eigener Kenntnis nicht sagen."

Darauf erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, mit dieser Einlassung der Klägerseite sei die konzertante Aufführung eines Bühnenwerkes unstreitig.

Die Klägerseite hat indes Recht mit der Rüge im Aufhebungsverfahren (Schriftsatz vom 02.04.2008), dass die Frage, ob ein musikalisches Bühnenwerk vorliege, auch eine Rechtsfrage sei.

Auf der Grundlage der im Schiedsverfahren unstreitigen Tatsachen - die sich im Übrigen nicht Wesentlich von dem Tatsachenvortrag im Aufhebungsverfahren unterscheiden (vgl. auf Klägerseite Schriftsatz vom 02.04.2008, Bl. 106 d. A., auf Beklagtenseite die Berufungserwiderung, insbesondere Bl. 240 d. A. mit Anlagen) ist als unstreitig festzuhalten, dass der Komponist, E N , aus einer Vertonung von Schriftstücken E K zunächst - in seiner Zeit als musikalischer Leiter des Senders B - zusammen mit E K - das Stück, dass die Bezeichnung "L " trägt, als "Funkspiel" geschaffen hat.

Da es sich bei dem "Funk"- zeitentsprechend - nicht um Fernsehen, sondern um Radio handelte, ist auch die in der von der Beklagten zitierten Biographie E N wiedergegebene Bezeichnung "Hörspiel" zutreffend. Dieses "Funkspiel" wurde bereits am 10.12.1929 vom S Rundfunk in B gesendet.

Aus allgemein zugänglichen Quellen (vgl. Wikipedia, Stichwort "Leben in dieser Zeit") ergibt sich, dass K dafür zum Teil schon veröffentlichte Gedichte, einen Chor, Geräusche und Zwischentexte zu einer Collage montierte, zu dem E N die Musik schrieb.

Unstreitig ist aufgrund des erstinstanzlichen Vortrages (vgl. insbesondere S. 42 d. A. des Bühnenoberschiedsgerichts), dass die szenische Uraufführung am 16.10.1931 im Alten Theater in L erfolgte und im selben Jahr die konzertante Uraufführung in W .

Bis zum folgenden Jahr, 1932, erlebte das Stück zahlreiche Aufführungen an Bühnen im deutschsprachigen Raum, so (vgl. Bl. 42 d. A. des Bühnenoberschiedsgerichts) in D , E , in H und in ca. 18 anderen Theatern, bis es 1933 von den Nationalsozialisten verboten wurde.

3. Schon im Ursprung stand das Stück damit einem musikalischen Bühnenwerk sehr nahe. Da im Radio das Visuelle fehlt, werden bei einem Hörspiel die sonst über die Augen wahrgenommenen Eindrücke durch Geräusche und Erzählung ersetzt. Das Hörspiel ist typischerweise szenisch wie das Theaterstück.

Jedenfalls aber kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass schon kurze Zeit nach der Erstaufführung im Rundfunk das Werk bis zu dem darauf folgenden Verbot durch die Nationalsozialisten zahlreiche Bühnenaufführungen erlebte.

Damit ging das Werk schon ursprünglich als musikalisches Bühnenwerk in die Kulturgeschichte ein.

Es lag mithin bei der hier streitigen Aufführung eine konzertante Aufführung eines musikalischen Bühnenwerks vor.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 und 100 Abs. 1 ZPO. Angesichts der geringfügigen Kostenanteile der einzelnen Kläger bestand kein Anlass, eine von § 100 Abs. 1 ZPO abweichende Kostenverteilung nach § 100 Abs. 2 ZPO zu bestimmen. Dabei war trotz der Zurückweisung der Berufung nicht nur über die Kosten der Berufung zu entscheiden, sondern von Amts wegen auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung zu korrigieren. Es gibt nämlich keine gesetzliche Grundlage, den Klägern die Kosten gesamtschuldnerisch aufzuerlegen. § 100 Abs. 4 ZPO betrifft nur die Beklagten. Zudem lag kein gesamtschuldnerisches Verhältnis vor.

D. Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil - soweit ersichtlich - weder die Begriffe "Rolle" und "Partie" noch der Begriff des "musikalischen Bühnenwerks" höchstrichterlich geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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