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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 27.01.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 942/05
Rechtsgebiete: SGB V, TVG


Vorschriften:

SGB V § 150
SGB V § 144
TVG § 3
TVG § 4
Weitergeltung eines Haustarifvertrages bei Vereinigung von Betriebskrankenkassen.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.05.2005 - 1 Ca 50/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Entgeltbestandteile. Der Streit geht im Wesentlichen darum, ob sich das Arbeitsverhältnis der Klägerin - weiterhin - nach dem am 21.12.1998 zwischen der I Bezirksleitung N - und der Betriebskrankenkasse des C abgeschlossenen Anerkennungstarifvertrag richtet, der auf die Tarifverträge der Metallindustrie des Tarifgebietes N , auf ergänzende Abmachungen und Veränderungen verweist, oder ob es sich - wie die Beklagte es meint - ab dem 01.10.2004 nach dem BAT richte.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin bestand zunächst mit der Betriebskrankenkasse B . Diese vereinigte sich mit der Betriebskrankenkasse C zu der Betriebskrankenkasse C und B . Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging auf diese über. Zum 01.10.2003 vereinigte sich die Betriebskrankenkasse C und B mit der Gemeinsamen Betriebskrankenkasse in K zu der jetzigen Beklagten, auf die das Arbeitsverhältnis der Klägerin wiederum überging.

Wegen des übrigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (mit Ausnahme des 3. Absatzes) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Gegen dieses ihr am 16.06.2005 zugestellte erstinstanzliche Urteil vom 23.05.2005 hat die Beklagte am 06.07.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.09.2005 am 16.09.2005 begründet.

Die Beklagte meint zunächst, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass sie, die Beklagte, und die Klägerin im September 2003 eine individualrechtliche Vereinbarung abgeschlossen hätten, nach welcher sich die Klägerin mit der Anwendung des BAT einverstanden erklärt habe. Die Beklagte habe die Klägerin und alle anderen betroffenen Arbeitnehmer im Vorfeld des Betriebsübergangs darauf hingewiesen, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses davon abhänge, dass für alle Beschäftigten die Regelung des BAT gelte. Hierzu verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach die Klägerin in mehreren Betriebsversammlungen und in Einzelgesprächen darauf hingewiesen worden sei, dass eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses nur unter der Bedingung erfolgen könne, dass nach Ablauf der Veränderungssperre einheitlich für alle Arbeitnehmer der BAT Anwendung findet.

Die Beklagte meint ferner, sie habe eine Änderungskündigung ausgesprochen und zwar "in Gestalt des Personalüberleitungsvertrages vom 08.09.2003". Dieser sei als Kündigung des alten Arbeitsverhältnisses und gleichzeitig als Angebot zu dem neuen Arbeitsverhältnis unter den Bedingungen des BAT zu verstehen. Dies werde auch aus der Dienstvereinbarung vom 04.05.2004 deutlich.

Schließlich meint sie, eine entsprechende Willenserklärung (Anwendung des BAT) sei auch dadurch konkludent abgegeben, dass einerseits der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer insgesamt nach dem Tarifvertrag behandle und andererseits der Arbeitnehmer die tariflichen Leistungen unwidersprochen entgegen nehme. Dazu beruft sie sich auf die Rechsprechung des Bundesarbeitsgericht.

Des weiteren meint die Beklagte, die Klägerin könne unter der Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB nicht verlangen, dass die Beklagte auch die zum 01.03.2004 vorgesehene Tariflohnerhöhung um 2,2 % an die Klägerin weitergebe. Denn nachträgliche Veränderungen des Tarifvertrages könnten sich auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse nicht mehr auswirken.

Schließlich beruft sie sich erneut auf unzulässige Rechtsausübung und Verwirkung. Sie habe unter Beweis gestellt, dass die Klägerin Gleittage in Anspruch genommen habe, die als Ausgleich für geleistete Mehrarbeit "Bestandteil des BAT und der diesen ergänzenden Betriebsvereinbarungen" seien. Die Klägerin habe auch aktiv diese Vorteile gefordert und erhalten, wenn sie die "Korrekturanträge Zeiterfassung" ausgefüllt habe und in Urlaubsanträgen statt Erholungsurlaub Gleitzeitausgleich verlangt habe. Schließlich seien von ihr auch Zeitgutschriften für Betriebsausflug und Weiberfastnacht beansprucht worden, obschon diese nie Bestandteil des "Tarifvertrages Metallindustrie N und der seinerzeit für diesen geltenden Betriebsvereinbarungen" gewesen seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.05.2005, Az.: 1 Ca 50/05 - teilweise - abzuändern und die Klage - vollständig - abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt zunächst das erstinstanzliche Urteil. Sie weist darüber hinaus darauf hin, dass nach ihrer Ansicht § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB nicht einschlägig sei. Der frühere Haustarifvertrag gelte vielmehr kollektivrechtlich fort. Es liege eine konguente Tarifbindung weiterhin vor. Die Klägerin sei - was unstreitig ist - Mitglied der I und in Bezug auf den BAT nicht tarifgebunden. Die Dienstvereinbarung "Personalüberleitungsvertrag und die Dienstvereinbarung vom 04./12.05.2004 könne den Haustarifvertrag nicht wegen der Sperrwirkung des § 70 Abs. 1 LPVG nicht ablösen.

Die Bindung an den Haustarifvertrag bestehe aufgrund der Fusion weiter. Die Verschmelzung der Gemeinsamen Betriebskrankenkasse K und der B führe - wie ähnlich vom BAG im Urteil vom 24.06.1998 entschieden - zur kollektiven Fortgeltung, da es sich um eine Gesamtrechtsnachfolge handle.

Darüber hinaus enthalte der Firmentarifvertrag die Regelung, dass auch alle neu abgeschlossenen Gehaltstarifverträge der Metallverarbeitungsindustrie für die Arbeitnehmer, für die der Firmentarifvertrag Geltung habe, Anwendung finden sollten. Dieses ergebe sich schon aus § 3 des Firmentarifvertrages mit der Formulierung "Die in Bezug genommenen Tarifverträge gelten in der jeweils gültigen Fassung mit dem jeweils gültigen Rechtsstatus". Damit beinhalte auch ein - gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB zustande gekommener - statischer Bestandsschutz des Firmentarifvertrages, dass künftig neu abgeschlossene Gehaltstarifverträge der metallverarbeitenden Industrie auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden. Eine Änderung könne nur dadurch erreicht werden, dass seitens der Beklagten dieser Firmentarifvertrag gekündigt werde. Das habe die Beklagte auch ansatzweise offenbar erkannt. Nur so sei es zu erklären, dass sie die von ihr mit dem Personalrat geschlossene Dienstvereinbarung zur Geltung des BAT von einem Geschäftsführer der I , der allerdings - was schon erstinstanzlichen unstreitig war - nicht bevollmächtigt war, Tarifverträge abzuschließen, mit habe unterzeichnen lassen.

Die Klägerin habe sich auch nicht mit der Geltung des BAT einverstanden erklärt. Die Beklagte habe eine solche individualvertragliche Regelung auch nicht substantiiert mit ihrem Hinweis auf eine Vielzahl von Einzelgesprächen und Informationsveranstaltungen behauptet. Es lägen nicht zwei übereinstimmende Willenserklärungen vor. Die Klägerin habe lediglich die Erklärung unterzeichnet, die lautete: "Mit dem Übergang eines Beschäftigungsverhältnisses auf die gemeinsame Betriebskrankenkasse K bin ich einverstanden".

Schließlich habe die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Ansprüche aus dem BAT geltend gemacht oder entgegen genommen. Die von der Beklagten angesprochenen Regelung zum Freizeitausgleich, Zeitgutschriften für Betriebsurlaub und Weiberfastnacht o. a. habe mit dem BAT nicht das Geringste zu tun. Ebenso wie der BAT regle auch der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Metallindustrie N , dass die Mehrarbeit durch bezahlte Freistellung von der Arbeitszeit ausgeglichen werde. Die Klägerin gehe davon aus, dass insoweit eine Gleitzeitdienstvereinbarung existiere. Jedenfalls regle der BAT weder für den Heiligabend noch für Silvester noch für Weiberfastnacht eine Freistellung.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegt und begründete Berufung der Beklagten hatte in der Sache keinen Erfolg.

Die Ansprüche der Klägerin ergeben sich schon aus der unmittelbaren, normativen Geltung (§ 4 Abs. 1 TVG) des vor der Vereinigung zu der Beklagten für die Arbeitgeberkörperschaft der Klägerin geltenden Haustarifvertrages, der eine dynamische Verweisung auf das Tarifwerk der Metallindustrie enthält. Für die Auffangregelung des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB ist in diesem Falle kein Raum (vgl. BAG, 24.06.1998 - 4 AZR 208/97 - AP Nr. 1 zu § 20 UmwG). Es liegt weiterhin beiderseitige Tarifbindung im Sinne des § 3 Abs. 1 TVG vor.

1. Die Klägerin ist unstreitig Mitglied der I , die diesen Tarifvertrag abgeschlossen hat.

2. Auch die Beklagte ist tarifgebunden.

Der Tarifvertrag ist ursprünglich abgeschlossen worden mit der Rechtsvorgängerin der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Diese hat sich mit der Betriebskrankenkasse B zu der Betriebskrankenkasse C vereinigt. Diese wiederum hat sich mit der Beklagten vereinigt. Daraus folgt eine Gesamtrechtsnachfolge zunächst der Rechtsvorgängerin der Beklagten und schließlich der Beklagten in Bezug auf die Betriebskrankenkasse C und damit auch die Fortgeltung des Anerkennungstarifvertrages gegenüber der Beklagten.

Die Vereinigung von Betriebskrankenkassen ist in § 51 SGB V geregelt. Die Folgen der Vereinigung ergeben sich aus § 150 Abs. 2 SGB V. Danach ist § 144 Abs. 2 bis 4 SGB V entsprechend anwendbar. § 144 SGB V regelt die freiwillige Vereinigung von Ortskrankenkassen.

§ 144 Abs. 4 S. 2 lautet: "Die neue Krankenkasse tritt in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkassen ein". Diese Regelung entspricht § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG und enthält die Anordnung einer Gesamtrechtsnachfolge.

Zu der Verschmelzung im Wege der Neugründung hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 24.06.1998 (a. a. O.) entschieden, dass bei der Verschmelzung ein Firmentarifvertrag wegen der vom Gesetz angeordneten Gesamtrechtsnachfolge uneingeschränkt auf den neu gegründeten Rechtsträger übergeht. Der Tarifvertrag wirkt dann kollektiv fort. Der übernehmende Rechtsträger rückt aufgrund der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge in den mit dem übertragenden Rechtsträger geschlossenen Firmentarifvertrag ein. Nach dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ändert auch § 324 UmwG nichts an diese Rechtsfolge. Wenn dieser anordnet, dass § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB unberührt bleibt, so bedeutet das nur eine Auffangregelung im Falle der Umwandlung für den Fall, dass der Tarifvertrag nicht kollektiv-rechtlich für den neuen Unternehmensträger gilt, was in der Regel Verbands- oder Flächentarifverträge betrifft (BAG, a. a. O.).

§ 144 Abs. 4 S. 2 SGB V enthält ohnehin keine dem § 324 UmwG entsprechende Einschränkung. Er enthält aber wie § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG die Anordnung einer Gesamtrechtsnachfolge, die auch für kollektives Arbeitsrecht, insbesondere für Tarifverträge gilt (BVerwG 25.06.2003 - 6 G 1/03 - AP Nr. 84 zu § 75 BPersVG). Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses für § 168 a Abs. 1 S. 3 SGB V entschieden, der die Vereinigung von Ersatzkassen regelt und wie § 150 SGB V eine Verweisung auf § 144 Abs. 4 S. 2 SGB V enthält. Von der durch § 144 Abs. 4 S. 2 SGB V angeordneten Gesamtrechtsnachfolge und Kontinuität sind nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte auch die Beschäftigungsverhältnisse erfasst, die auf die neue Kasse übergehen (BVerwG a. a. O. m. Hinweis auf BTDrucksache 11/2237 S. 209). Der Gesetzgeber wollte einen weiten Anwendungsbereich der Vorschrift. In dem zitierten Gesetzesmaterial wird sie als "generelle Nachfolgeklausel" bezeichnet. Das Bundesverwaltungsgericht verweist zur Fortgeltung eines Firmentarifvertrages ausdrücklich auf die bereits zitierte Entscheidung des BAG vom 24.06.1998.

Danach ist die Beklagte in die Vertragsstellung ihrer Rechtsvorgänger hinsichtlich des Firmentarifvertrages eingetreten und es liegt entsprechend der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.06.1998 kongruente Tarifbindung vor. Der Anerkennungstarifvertrag und damit die von ihm in Bezug genommenen Tarifverträge der Metallindustrie gelten aufgrund Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1 TVG mit unmittelbarer Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG zwischen den Parteien weiter.

3. Daran änderte auch der Beitritt der Beklagten zum kommunalen A mit dem 01.10.2003 nichts. Es trat zwar Tarifbindung der Beklagten in Bezug auf den BAT und den diesen ergänzenden Tarifverträgen ein. Die Klägerin ist jedoch nicht Mitglied einer der den BAT abschließenden Gewerkschaften. Dieses ist unstreitig. Es liegt mithin keine kongruente Tarifgebundenheit vor.

4. Selbst wenn aber - was hier dahinstehen kann - auch eine entsprechende Tarifbindung der Klägerin vorläge, ginge der Firmentarifvertrag nach dem Spezialitätsgrundsatz vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist Tarifkonkurrenz nach dem Prinzip der Tarifeinheit dahingehend zu lösen, dass nur der speziellere Tarifvertrag zur Anwendung kommt. Das ist der Tarifvertrag, der dem Betrieb örtlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht. Firmentarifverträge stellen gegenüber Verbandstarifverträgen stets die speziellere Regelung dar (BAG 23.03..2005 - 4 AZR 203/04 - ).

5. Der "Personalüberleitungsvertrag", der zwischen der Beklagten, ihrer Rechtsvorgängerin und den beiden Personalräten abgeschlossen wurde, konnte nichts an der unmittelbaren Tarifgeltung des Firmentarifvertrages ändern. Zwar ist dort geregelt: "Für die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden die geltenden bzw. die diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge des Bundesangestellten-Tarif-Vertrages im Bereich der Vereinigung der Kommunalen A (V ), jeweils abgeschlossen zwischen der V , dem Kommunalen A und der Gewerkschaft v , in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung". Eine solche Regelung kann aber schon wegen der zwingenden Wirkung des Haustarifvertrages gemäß § 4 Abs. 1 TVG und der Tatsache, dass der Haustarifvertrag abweichende Abmachungen im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG nicht zulässt, an der Wirkung des Haustarifvertrages nicht ändern.

Davon abgesehen ist die Bestimmung unwirksam. Sie enthält nämlich Regelungen über "Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden". Diese können weder Gegenstand einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 3 BetrVG) noch einer Dienstvereinbarung (§ 70 Abs. 1 LPVG) sein. Die Tarifsperre ergibt sich schon aus dem Beitritt der Beklagten zum Kommunalen A . Aus § 77 Abs. 3 BetrVG und dem diesen entsprechenden Regelungen der Personalvertretungsgesetze folgt, dass auch eine Betriebsvereinbarung, die bloß den für den Betrieb geltenden Tarifvertrag inhaltlich mit der Folge übernimmt, dass er auf Außenseiter oder anders organisierte Arbeitnehmer erstreckt werden soll, unzulässig ist (vgl. Fitting u.a. § 77 BetrVG Rn. 87). Die Sperrwirkung ergibt sich darüber hinaus aus dem Firmentarifvertrag, der gerade für die übernommenen Betriebe der Beklagten gilt (vgl. BAG 22.03.2005 - 1 ABR 64/03 - ).

6. Wegen der dargestellten zwingenden Wirkung des Firmentarifvertrages kommt es letztlich nicht darauf an, ob die Klägerin durch Einzelvertrag mit der Beklagten die Geltung des BAT vereinbart hat.

Nur ergänzend wird aber darauf hingewiesen, dass die Kammer die Auslegung des Arbeitsgerichts für zutreffend hält.

Aus dem Zusammenhang des Anschreibens der Erklärung der Klägerin und dem beigefügten Personalüberleitungsvertrag ergibt sich, dass die Klägerin gar nicht um eine Willenserklärung bezüglich der künftigen Geltung des BAT gebeten wurde. Der Personalüberleitungsvertrag wurde lediglich zur Kenntnis gegeben. Er enthält eine normative Regelung, die ersichtlich aus sich heraus gelten soll und zu der nicht die Zustimmung der Mitarbeiter erbeten wird. Dementsprechend heißt es in dem Schreiben der Beklagten vom 10.09.2003 auch nur:

"Der Personalübergang ist nach § 147 Abs. 2 SGB V von ihrer Zustimmung abhängig. Sie müssen deshalb die beigefügte Erklärung ausfüllen und sollten diese schnellstmöglich dem Vorstand zusenden."

Insoweit hat das Arbeitsgericht zu Recht entschieden, dass die Klägerin jedenfalls durch die schriftliche Erklärung eine Willenserklärung hinsichtlich der zukünftigen Geltung des BAT nicht abgegeben hat.

7. Offensichtlich unrichtig ist die Auffassung der Beklagten, der Personalüberleitungsvertrag enthalte eine Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses verbunden mit einem neuen Angebot. Der Personalüberleitungsvertrag enthält offensichtlich weder eine Kündigung (die im übrigen nicht in Schriftform der Klägerin zugegangen wäre - § 623 BGB) noch ein Angebot eines Arbeitsverhältnisses unter neuen Bedingungen (s. o.). Wegen des Verstoßes gegen zwingendes Tarifrecht wäre eine entsprechende Änderungskündigung ohnehin unwirksam.

8. Die Beklagte kann sich auch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. 11.06.1975 - 5 AZR 206/74 - ) nicht berufen, nach der dann, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer über eine längere Zeit insgesamt nach einem Tarifvertrag behandelt und die Arbeitnehmer die tariflichen Leistungen unwidersprochen entgegen nehmen, dieses als Vereinbarung des Tarifvertrages ausgelegt werden kann. Denn die Regelungen des Anerkennungstarifvertrages gelten zwischen den Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifbindung normativ und zwingend. Sie können nicht abbedungen werden (s. o.).

9. Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verwirkt. Dieses ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 4 Abs. 4 S. 2 TVG die Verwirkung von tariflichen Rechten gesetzlich ausgeschlossen ist.

Davon abgesehen aber ist es nicht richtig, wenn die Beklagte behauptet, die Klägerin habe Leistungen nach dem BAT "bewusst gefordert". Denn weder die Gleittage, noch die freien Tage für Betriebsausflug, Silvester, Heilig Abend und Weiberfastnacht sind Gegenstand einer Regelung im BAT. Der BAT enthält lediglich - wie auch der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie die Möglichkeit, dass Überstunden durch Arbeitsbefreiung ausgeglichen werden. Sofern bei der Beklagten eine dementsprechende Dienstvereinbarung besteht, ist diese offensichtlich nicht Bestandteil des Tarifwerkes des BAT. Sie gilt für die Klägerin unabhängig davon, ob der BAT Anwendung findet.

Davon abgesehen liegt der Tatbestand der Verwirkung schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin durch Entgegennahme entsprechender Leistungen kein schutzwürdiges Vertrauen bei der Beklagten erwirkt hat, sie werde sich nicht auf Leistungen nach den Metalltarifverträgen berufen. Die Klägerin hat nämlich bereits am 15.06.2004 ihre Rechte aus dem Tarifwerk der Metallindustrie geltend gemacht, hat dieses mit Schreiben vom 10.11.2004 wiederholt und präzisiert. Für die Beklagte konnte zu keinem Zeitpunkt der Eindruck entstehen, die Klägerin sei mit der Anwendung des BAT einverstanden.

10. Die Beklagte hat die Höhe der Klageforderungen zweitinstanzlich - bis auf die Frage der Konsequenzen des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB, auf die es, wie dargestellt, nicht ankommt - nicht bestritten. Insoweit wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen. Da die Klägerin Berufung oder Anschlussberufung nicht eingelegt hat, kann dahinstehen, ob die vom Arbeitsgericht teilweise berücksichtigte Aufrechnung der Beklagten mit einer Rückforderung wegen des Zuschusses zur Direktversicherung tatsächlich die Klageforderung reduzieren konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO

Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, da die Entscheidung höchstrichterlicher Rechtsprechung entspricht.

Ende der Entscheidung

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