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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.04.2004
Aktenzeichen: 4 Ta 40/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 121
Die Beiordnung eines neuen Anwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, wenn dadurch zusätzliche Anwaltskosten entstehen, die die Partei durch eine von ihr verursachte Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zu dem bisher beigeordneten Prozessbevollmächtigten verursacht hat.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 Ta 40/04

In Sachen

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 19.04.2004 - ohne mündliche Verhandlung - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 17.12.2003 - 17 Ca 238/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beiordnung Rechtsanwalts L war entsprechend § 114 abzulehnen, da die dadurch entstehenden zusätzlichen Anwaltskosten durch das Verhalten des Klägers gegenüber seinem bisherigen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt D mutwillig verursacht wurden (vgl. hierzu Zöller/Philippi, § 121 ZPO Rdnr. 35).

I. Das Arbeitsgericht hat zu Recht eine durch den Kläger verursachte nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt D und dem Kläger festgestellt. Der Kläger hat mit Schreiben vom 09.07.2003 dem Gericht mitgeteilt, dass er "etwaigen weiteren Schriftverkehr nunmehr ausschließlich über mich zu führen" bitte, "da mir das Vertrauen zu meinem Prozessbevollmächtigten abhanden gekommen ist". Der Kläger hat damit - wie das Arbeitsgericht zu Recht hervorhebt - prozessöffentlich seinem Prozessbevollmächtigten das Vertrauen entzogen. Dem bisherigen Prozessbevollmächtigten des Klägers war damit nicht mehr zuzumuten, dass Mandatsverhältnis weiterzuführen.

Diese Unzumutbarkeit wird durch die vom Kläger mit Schriftsatz vom 22.07.2003 dem Gericht übersandten Schreiben an seinen damaligen Prozessbevollmächtigten vom 02.06.2003, 03.06.2003 und 09.07.2003, die nach den Ausführungen des Klägers "meine Unzufriedenheit verständlich machen sollen", noch bestätigt:

1. So enthält der Schriftsatz des Klägers vom 22.07.2003 an den Prozessbevollmächtigten D die in der Sache wie im Ton unangemessene und anmaßende Forderung: "Deshalb fordere ich Sie hiermit letztmalig auf, mir bis zum Donnerstag den 31.07.2003 eine - schriftliche - detaillierte Einschätzung der Rechtslage zukommen zu lassen und etwaige Prozessrisiken ausdrücklich zu benennen und zu erläutern. Sollten Sie meiner Bitte nicht zufriedenstellend nachkommen, sehe ich mich gezwungen, Ihnen das Mandat zu entziehen."

2. Auch der Schriftsatz vom 09.07.2003 (Blatt 35 d. A.) ist im Ton und in der Sache unangemessen. So beginnt er bereits mit dem Satz "Da Sie die Beantwortung meines Schreibens vom 03. Juni 2003 bislang nicht für nötig befunden haben ..." und moniert im dritten Absatz: "Meine Anfrage mit Schreiben vom 08.07.2003 nach der Rechtskraft des Vergleichs ist bislang unbeantwortet geblieben. Bevor Sie mir dazu keine Auskunft erteilen, kann ich keine sinnvolle Stellungnahme zum gegnerischen Schreiben abgeben." Ist schon nicht nachzuvollziehen, dass mit Schreiben vom 09.07.2003 die Nichtbeantwortung eines Schreibens vom 08.07.2003 gerügt wird, so konnte der Kläger aus dem ihm unter dem 07.07.2003 mit der Bitte um Stellungnahme übersandten Schreiben der gegnerischen Anwälte vom 02.07.2003 bereits klar entnehmen, dass der Vergleich widerrufen wurde. Dort heißt es: "Ich habe die Angelegenheit mit meiner Mandantschaft erörtert und war im Hinblick auf die Abfindungssumme leider gehalten, den Vergleich zu widerrufen." Nur ergänzend sei daher darauf hingewiesen, dass Rechtsanwalt D schon deshalb nicht der Vorwurf gemacht werden konnte, den Vergleichswiderruf dem Kläger nicht übersandt zu haben, weil Rechtsanwalt D nach dessen insoweit unwidersprochener Einlassung der Widerruf des Vergleichs zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht vorlag.

II. Zu Unrecht hält der Kläger Rechtsanwalt D Fehler in der Prozessführung oder Beratung vor, die den Kläger zu dem ungewöhnlichen Schritt seines Schreibens an das Gericht vom 09.07.2003 berechtigterweise hätten veranlassen können:

1. Der Kläger wirft Rechtsanwalt D vor, ihm im Termin vom 03.06.2003 einen Widerrufsvergleich "aufgedrängt" zu haben, obwohl er, der Kläger, ausdrücklich ein Versäumnisurteil angeregt habe. Dazu erläutert der Kläger im Schriftsatz vom 09.03.2003, Rechtsanwalt D habe ihm, dem Kläger, von der Beantragung eines Versäumnisurteils abgeraten, weil dann voraussichtlich ein neuer Termin angesetzt würde. Er habe ihm, dem Kläger, aber nicht mitgeteilt, dass ein Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sei. Weiterhin habe Rechtsanwalt D für den Kläger auf einen Widerrufsvorbehalt verzichtet. Keineswegs habe sich der Kläger gegen ein Versäumnisurteil entschieden.

Rechtsanwalt D hat dazu im Schriftsatz vom 26.02.2004 (Blatt 23 d. A.) erläutert, er habe dem Kläger keineswegs den Vergleich "aufgedrängt". Der Kläger sei persönlich anwesend gewesen und habe persönlich entschieden. Er, Rechtsanwalt D habe die Angelegenheit sehr ausführlich nochmals mit dem Kläger in einem angrenzenden leeren Gerichtssaal erörtert. Rechtsanwalt W habe sich telefonisch entschuldigt gehabt, da er in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei. Gerade um möglichst schnell eine Forderung durchsetzen zu können, sei dann der Vergleich abgeschlossen worden, der dann allerdings leider vom der Beklagten widerrufen worden sei, was nicht abzusehen gewesen sei.

Der Kläger hat seine davon abweichende Darstellung nicht glaubhaft gemacht. Sie ist auch nicht glaubhaft, wie sich aus des Klägers eigenem Schreiben vom 03.06.2003 ergibt. In diesem Schreiben (an Rechtsanwalt D , Blatt 36 d. Hauptakte) erwähnt der Kläger selbst, dass Rechtsanwalt D ihn, den Kläger, darüber informiert habe, dass der Rechtsanwalt der Gegenseite sich entschuldigt habe.

War aber Rechtsanwalt W in einen Verkehrsunfall verwickelt, so hätte überhaupt kein Versäumnisurteil ergehen dürfen, da die Säumnis nicht unentschuldigt war. Der Rat Rechtsanwalts D , gerade unter dem auch vom Kläger an anderer Stelle betonten Gesichtspunkt, dass er dringend auf das Geld angewiesen gewesen sei, einen Vergleich abzuschließen, war damit sinnvoll. Sofern der Kläger im Schriftsatz vom 09.03.2004 durch seinen neuen Prozessbevollmächtigten ausführt, "die Behauptung (Rechtsanwalt D , dass ein Vergleichswiderruf der Gegenseite nicht vorherzusehen gewesen wäre, ist - höchst höflich ausgedrückt - grotesk", so entspricht das dem unangemessenen Ton in den bereits erwähnten Schriftsätzen des Klägers an Rechtsanwalt D und ist im Übrigen sachlich durch nichts gerechtfertigt. Rechtsanwalt W teilt im Schriftsatz vom 02.07.2003 Rechtsanwalt D mit, er habe "die Angelegenheit mit meiner Mandantschaft erörtert und war im Hinblick auf die Abfindungssumme leider gehalten, den Vergleich zu widerrufen". Rechtsanwalt W schlägt sodann einen geringfügig von dem widerrufenden Vergleich abweichenden Vergleich vor. Nichts spricht dafür, dass Rechtsanwalt W sich nicht für den ursprünglichen Vergleich eingesetzt hätte und dass Rechtsanwalt D den Widerruf des Vergleichs durch die Beklagte als wahrscheinlich hätte annehmen müssen.

Auch die Tatsache, dass Rechtsanwalt D gerade angesichts der Tatsache, dass dem Kläger an an einer schnellen Beendigung des Verfahrens gelegen war, in Anwesenheit des Klägers auf einen Widerruf des zuvor mit dem Kläger selbst besprochenen Vergleichs verzichtet hat, ist keineswegs ein Verstoß gegen anwaltliche Pflichten, sondern entsprach guter Gepflogenheit in solchen Situationen.

2. Auch der Vorwurf, Rechtsanwalt D hätte Bedenken hinsichtlich der Voraussetzungen des Annahmeverzuges bereits vor Klageerhebung erläutern müssen, berechtigt den Kläger nicht zu der rüden prozessöffentlichen Aufkündigung des Vertrauens mit Schriftsatz vom 09.07.2003. Gerade in komplexen juristischen und tatsächlichen Fragen stellen sich auch für Fachleute Erkenntnisse oft erst im Laufe eines Prozesses ein. Dieses ist kein Grund, sich in einer derartigen Form öffentlich von einem Prozessbevollmächtigten zu distanzieren.

3. Soweit der Kläger behauptet, er habe sich vor der Sitzung vom 03.06.2003 mehrfach um ein Gespräch bemüht und Rechtsanwalt D habe es "erst unmittelbar vor der öffentlichen Sitzung für nötig befunden", mit dem Kläger rechtliche Bedenken zu erörtern, so hat der Kläger im Schriftsatz vom 09.03.2004 dazu lediglich präzisiert, er habe am 02.03.2003 sich um ein Telefonat mit Rechtsanwalt D bemüht. Das - telefonische - Gespräch sei aber nur durch einen nochmaligen Telefonanruf zu Stande gekommen. Selbst wenn dem Kläger am 02.03.2003 von der Sekretärin Rechtsanwalts D ein Rückruf angekündigt worden sein sollte, so ist nicht zu erkennen, dass durch die Tatsache, dass das telefonische Beratungsgespräch erst kurz vor dem Termin stattfand, Rechtsanwalt D gegen seine anwaltlichen Pflichten verstoßen hätte. Dass Besprechungen zeitnah vor einem Termin stattfinden, ist nicht unüblich.

4. Soweit der Kläger schließlich im Schriftsatz vom 09.03.2003 anführt, mit Schreiben vom 01.10.2002 habe Herr Rechtsanwalt D gegenüber der Beklagten das Ende des Arbeitsverhältnisses auf den 15.08.2002 datiert, daraufhin habe ihn der Kläger mit Schreiben vom 08.10.2002 auf die fehlende Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf Kleinbetriebe hingewiesen, dann habe Herr D auch noch die Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB übersehen und deswegen nicht den vollen Novemberlohn eingeklagt, so ist nur darauf hinzuweisen, dass der Kläger angesichts des angeblichen Fehlers Rechtsanwalts D im Oktober 2002 durch Rechtsanwalt D am 07.01.2003 Klage hat einreichen lassen und eben den Antrag hat stellen lassen, Rechtsanwalt D im Wege der Prozesskostenhilfe beizuordnen. Dahinstehen kann dabei, ob der Kläger Rechtsanwalt D vor dem Schreiben vom 08.10.2002 bereits darüber informiert hatte, dass es sich um einen Kleinbetrieb handele. Ebenso dahinstehen kann, inweiweit dieses für die Frage, ob man noch gegen die Kündigung vorgehen sollte, relevant war.

Selbst wenn schließlich Rechtsanwalt D die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht richtig berechnet haben sollte, und er auch von dessen Anwendbarkeit angesichts des Alters des Klägers (Student) hätte ausgehen müssen, so kann ein solcher möglicherweise vor Klageerhebung vorgekommener Fehler den Kläger nicht zu dem rüden Vorgehen im Schriftsatz vom 09.07.2003 berechtigen..

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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