Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.02.2007
Aktenzeichen: 4 TaBV 61/06
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 40 Abs. 1
BetrVG § 80 Abs. 3
Abgrenzung der Tätigkeit eines Rechtsanwalts zwischen Wahrnehmung der Interessen des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG und Tätigkeit als Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG.
Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.08.2006 - 2 BV 181/06 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Bestellung des Rechtsanwalts I , der den Antragsteller auch im vorliegenden Verfahren vertritt, als Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG im Umfang mit mindestens 5 Stunden á 150,00 € zuzustimmen.

Wegen des erstinstanzlichen Tatsachenvorbringens und des Verfahrensganges wird zunächst entsprechend § 69 ArbGG auf I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23.08.2006 den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 07.09.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am Montag, den 09.10.2006, Beschwerde eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 21.11.2006 begründet. Er wendet sich gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, die Vorgänge im Betrieb als Betriebsänderung einzuschätzen, sei unproblematisch und für den Antragsteller in jedem Falle erkennbar. Die Abgrenzung zwischen einer normalen Umstrukturierung und einer Betriebsänderung - so der Antragsteller - gehöre zu einer rechtlichen schwierigen Materie, welches nun wirklich keiner näheren Ausführung bedürfe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller neu gewählt worden sei und zwei der drei Mitglieder erstmalig im Gremium seien. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteller die weitgehenden Konsequenzen und zu treffenden Maßnahmen, welche eine Betriebsänderung für die Belegschaft und für den Betriebsrat mit sich bringe, bekannt seien. Hier seien Entscheidungshilfen von Nöten.

Fehlerhaft seien auch die Ausführungen der ersten Instanz, dass noch zu verhandelnde Auskunftsansprüche der Hinzuziehung eines Sachverständigen widersprächen. Dem Antragsteller hätten bestimmte Informationen vorgelegen. Dass diese nicht ausreichend gewesen seien, stehe auf einem anderen Blatt. Allein aus den schon vorliegenden Informationen sei der Antragsteller zu der Annahme gelangt, dass eine Betriebsänderung vorliegen könne. Der Antragsteller trägt sodann - rein informatorisch - zu den Maßnahmen der Antragsgegnerin nach dem Termin in erster Instanz und zu den Informationsansprüchen vor, um die es in dem von der ersten Instanz angesprochenen Verfahren gehe. Insoweit wird auf Blatt 153 - 157 der Akten Bezug genommen.

Zum Stundenumfang trägt der Antragsteller weiter vor, es sei nie beabsichtigt gewesen, dass der zu beauftragende Sachverständige nach B fahre. Insofern fielen auch keine Reisekosten oder sonstiges an.

Sofern das Arbeitsgericht vermisst habe, dass der Umfang hinreichend dargelegt sei, verweist der Antragsteller auf seinen Einschätzungsspielraum. Die Information werde mit ca. ein- bis zwei Stunden angesetzt, die Bearbeitung einschließlich der Fertigung eines Gutachtens mit zwei- bis drei Stunden, die Besprechung des Ergebnisses mit ein- bis zwei Stunden, die Minimalvariante bestehe daher aus ca. 4 Stunden, die Maximalvariante aus ca. 7 Stunden.

Mit Schriftsatz vom 02.01.2007 (Bl. 172 d. A.) trägt der Antragsteller weiter vor, sein Prozessbevollmächtigter habe seine Stundenaufstellung überprüft, dabei sei festgestellt worden, dass lediglich 4 Stunden dem Vorgang "Beratung des Betriebsrats wegen Betriebsänderung" eindeutig zuzuordnen sei. Wegen der Vielzahl der Verfahren und doppelter Einschlägigkeit bleibe es bei diesem Umfang. Doppelt einschlägig seien z. B. Besprechungen mit dem Antragsteller, Recherche von Unterlagen und Vorbereitungen von Schriftsätzen, die teilweise den gerichtlich verfolgten Informationsanspruch des Antragstellers beträfen.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.08.2006 - 2 BV 181/06 - abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Hinzuziehung des Sachverständigen Rechtsanwalt I , I zu vier Stunden á 150,00 € zuzüglich Umsatzsteuer zuzustimmen.

Die Antragsgegnerin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Sie verweist darauf, dass der Antragsteller es seit August 2006 auf 11 Verfahren gebracht habe. Das vorliegende Verfahren sei auch in der Beschwerdeinstanz mutwillig. Der Antragstellerbevollmächtigte wolle einfach nur, mit möglichst vielen Gebührenansprüchen gegen die Antragsgegnerin ins Rennen gehen.

Im Übrigen habe der Antragsteller am 10.07.2006 erklärt, dass er in der geplanten Maßnahme eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG sehe.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.

Der Antragsteller will ausweislich der Antragsschrift die fehlende Zustimmung der Antragsgegnerin zur Bestellung seines Prozessbevollmächtigten als Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG für einen Umfang von 5 Stunden á 150,00 € zuzüglich Umsatzsteuer "zur Beratung wegen möglicherweise vorliegender Betriebsänderung" ersetzt haben.

Dazu nimmt er Bezug auf den Beschluss des Betriebsrats vom 18.07.2006 (Bl. 9 d. A.) und benennt als zu prüfende Sachverhalte:

- Die angebliche Planung der Antragsgegnerin, die Abteilung Abrechnung von B nach K zu verlegen;

- eine Planung der Beklagten, für den Kunden E die Hotline nach B zu verlegen, wodurch die Tätigkeit für ca. 3 Mitarbeiter zu 10 % entfalle;

- die Information, dass die Reklamation für den Kunden R nicht mehr in B erfolgen solle, sondern nach L verlagert werde. Die dafür in B erledigten Tätigkeiten ergäben eine Stelle;

- die Einführung einer neuen Software (CMS), die die Beklagte in einigen Niederlassungen eingeführt habe und die befürchten lasse, dass es zu einer niederlassungsweiten Einführung der Software komme, was zum Abbau entsprechender Arbeitsplätze in B führen könne;

- das Neukundengeschäft, das laut E-Mail vom 11.07.2006 von der Geschäftsführung übernommen werde. Mit dem Neukundengeschäft seien im Betrieb 6 Mitarbeiter beschäftigt. Im Durchschnitt seien davon ein- bis zwei volle Arbeitsplätze betroffen.

Diese Maßnahmen - so der Antragsteller in der Antragsschrift - könnten eine geplante Betriebsänderung darstellen. Die Planung zur Verlagerung des Bereichs Abrechnung sei unstreitig. Die geplanten weiteren Änderungen könnten das Bild der Planung einer Betriebsänderung "abrunden". Der Antragsteller wolle sich in die Lage versetzen, mit der Antragsgegnerin über die damit verbundene Personalplanung sowie Beschäftigungssicherung zu verhandeln und ihr Vorschläge zu unterbreiten. Hierfür sei ein externer Sachverständiger erforderlich. Die Materie sei umfangreich und kompliziert. Die Würdigung, ob eine Betriebsänderung vorliege oder nicht, bedürfe rechtlicher Unterstützung.

Der Anspruch auf Zustimmung zur Bestellung eines Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG besteht nicht.

1. Alle Begutachtungsgegenstände - bis auf die Verlegung der Abteilung Abrechnung von B nach K - sind nicht vom Beschluss des Betriebsrats vom 18.07.2006 gedeckt. Der Betriebsrat muss nämlich neben der Beauftragung eines Rechtsanwalts auch den Gegenstand der Beauftragung beschließen (so zu § 40 BetrVG: Fitting Rn. 32).

Im Beschluss vom 18.07.2006 ist im ersten Absatz überhaupt kein konkreter Gegenstand genannt, über den der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers als "Sachverständiger/Berater" hinzugezogen werden soll. Es ist nur eine Stundenzahl und ein Honorar genannt. Sofern man die Begründung zu dem Beschluss hinzuzieht, ist dort die geplante Verlegung der Abteilung Fakturierung von B nach K benannt. Alle anderen Gegenstände, auf die sich die Antragsschrift bezieht, sind in dem Beschluss des Betriebsrats auch nicht ansatzweise erkennbar.

2. Auch im Übrigen aber ist der Antrag des Betriebsrats deshalb zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 BetrVG nicht vorliegen. Der jetzige Prozessbevollmächtigte sollte nämlich nicht als Sachverständiger im Sinne dieser Vorschrift beauftragt werden.

Ob ein Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Interessen des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG oder als Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG beauftragt wird, hängt von der Art seiner Tätigkeit ab. Auch Rechtskenntnisse können Fachkenntnisse nach § 80 Abs. 3 BetrVG sein. Entscheidend ist, ob der Anwalt vom Betriebsrat zumindest auch zur Vorbereitung eines Rechtsstreits, zur Wahrung und Verteidigung von Rechten des Betriebsrats oder allein deshalb beauftragt wird, um ihm notwendige Rechtskenntnisse zu vermitteln, die er - unabhängig von einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber - für seine Betriebsratsarbeit benötigt oder die für ihn zur Bewältigung von Ausnahmesituationen erforderlich sind (BAG 12.08.1982 - 6 ABR 95/79). Nach § 40 BetrVG richtet sich die Kostentragungspflicht ferner, wenn ein Verfahren vor einer Einigungsstelle ausgetragen werden soll (Fitting § 80 BetrVG Rn. 86). § 40 BetrVG ist auch dann einschlägig, wenn es sich um eine Beratung des Betriebsrats in einer konkreten Konfliktlage handelt, die eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber vermeiden soll (BAG 15.11.2000 EZA § 40 BetrVG 1972 Nr. 92). Die Grenze zur Tätigkeit als Sachverständiger wird erst überschritten, wenn es um die Erstellung eines Rechtsgutachtens geht, das losgelöst von konkreten Konfliktfällen Handlungsalternativen für den Betriebsrat aufzeigen soll (Fitting § 80 BetrVG Rn. 86).

a) Was die Verlegung der Fakturierung anbelangt, so wird in dem Beschluss des Betriebsrats vom 18.07.2006 Rechtsanwalt Z "zugleich beauftragt, mit der Geschäftsleitung in Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu treten. Dazu zählt auch die Anrufung der Einigungsstelle. Sollte die Geschäftsleitung nicht an der Einsetzung der Einigungsstelle mitwirken oder keine Einigung über den Vorsitzenden und die Anzahl der Beisitzer erzielt werden, wird Herr Z beauftragt, die fehlende Einigung gerichtlich ersetzen zu lassen."

Damit war eine konkrete Konfliktlage gegeben. Es sollte gegebenenfalls die Einigungsstelle angerufen werden und darüber ein gerichtliches Verfahren geführt werden. Soweit mit dieser Tätigkeit eine rechtliche Prüfung und eine Beratung des Betriebsrats verbunden gewesen ist, lag das Hauptgewicht in der Wahrnehmung der Rechte des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber (vgl. BAG 12.08.1982 a. a. O.).

b) Auch unabhängig davon, dass die weiteren in der Antragsschrift genannten Gegenstände der Beratung von dem Beschluss des Betriebsrats nicht umfasst waren (oben 1.), so ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers, dass auch hier die Klärung einer konkreten Konfliktsituation prägend sein sollte: Der Antragsteller meint nämlich, diese geplanten Änderrungen könnten das Bild der Planung einer Betriebsänderung "abrunden". Er verweist zugleich darauf, dass die Antragsgegnerin keinen ernsthaften Versuch gemacht habe, die aus der Sicht des Betriebsrats geplante Betriebsänderung zu beraten und Lösungen in Form von Interessenausgleich und Sozialplan zu finden. Er, der Betriebsrat, solle sich in die Lage versetzen, mit der Antragsgegnerin über die mit dem geplanten Maßnahmen, von denen diverse Arbeitsplätze betroffen seien, zu verhandeln.

Insoweit zielte die vom Antragsteller angestrebte Beratung zu den weiteren Gegenständen ersichtlich ebenfalls darauf, eine - zumindest außergerichtliche - Auseinandersetzung mit der Antragsgegnerin zu führen.

Ende der Entscheidung

Zurück