Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 151/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Die Erstattung einer Anzeige des Arbeitnehmers beim Amt für Arbeitsschutz wegen Verletzungen des ArbZG rechtfertigt jedenfalls dann keine fristlose Kündigung, wenn sie nicht auf der alleinigen Absicht beruht, den Arbeitgeber zu schädigen und wenn der Arbeitnehmer zuvor vergeblich versucht hat, den Arbeitgeber zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu veranlassen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 151/03

Verkündet am: 10.07.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 10.07.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rietschel als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Breuer und Grübnau

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 31.10.2002 - 1 Ca 1941/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Beklagten ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit im Ergebnis zutreffender Begründung der Klage stattgegeben. Im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung und in Ergänzung zu den Ausführungen des Arbeitsgerichts weist die Berufungskammer auf folgende nach seiner Auffassung maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte hin:

1) Die Klägerin klagt restliche Vergütung und Urlaubsabgeltung für die Zeit bis zum 28.02.2001 aus dem beendeten Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten ein. Auszugehen ist dabei zunächst von der vom Beklagten erteilten Lohnabrechnung für Februar 2002 (Bl. 33 GA), in der er der Klägerin einen Lohnanspruch von 658,04 € für einen halben Monat zuerkennt, ferner eine anteilige Sonderzahlung in Höhe von insgesamt 204,52 €, eine Urlaubsabgeltung für das Jahr 2001 für 2,5 Tage und für das Jahr 2002 für fünf Tage in Höhe von insgesamt 329,11 €. Von dem so errechneten Gesamtanspruch der Klägerin in Höhe von 1.191,67 € bringt der Beklagte die nach seiner Auffasung zu Unrecht gewährten und bezahlten Überstunden im Jahr 2001 in Höhe von 668,16 € in Abzug, so dass er einen der Klägerin zustehenden - und ihr auch gezahlten - Bruttolohn in Höhe von restlichen 523,41 € errechnet.

Die Klägerin errechnet ihre restliche Lohnforderung demgegenüber - unter Berücksichtigung der gezahlten 523,41 € - in der Weise, dass sie von einem Gehaltsanspruch für den gesamten Monat Februar 2002 in Höhe von 1.316,07 €

ausgeht, einem Anspruch auf Sonderzahlung von - gegenüber der Berechnung des Beklagten - lediglich 102,26 €

und einem Anspruch auf Urlaubsabgeltung für sieben Tage mit einem Betrag von (1.316,07 € ./. 22 x 7 =) 418,75 €

ergibt zusammen 1.837,08 € abzüglich gezahlter 523,41 € ergibt

1313,67 €, wie vom Arbeitsgericht zuerkannt. Der Berechnung der Klägerin und des Arbeitsgerichts ist aus folgenden Gründen zu folgen :

2) Ein Anspruch der Klägerin auf Sonderzahlung und Urlaubsabgeltung für 7 Tage besteht auch ohne Berücksichtigung einer etwaigen Rechtsunwirksamkeit der vom Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigung. Das folgt für die Sonderzahlung daraus, dass der Beklagte in seiner Abrechnung sogar einen höheren Betrag zugrunde legt; der Klägerin kann allerdings im Hinblick auf § 308 Abs. 2 ZPO nicht mehr zuerkannt werden, als sie selbst beantragt hat. Im Übrigen beruht der teilweise Anspruch der Klägerin auf Sonderzahlung auf § 9 Ziff. 9.4 des einschlägigen Manteltarifvertrages, wonach die Klägerin für das Kalenderjahr 2001 wegen des Ausscheidens aus dem Betrieb des Beklagten vor dem 01.04.2002 (lediglich) eine Sonderzahlung in Höhe von 200,-- DM bzw. 102,26 € beanspruchen kann.

Die Berechnung der Urlaubsabgeltung für sieben Tage mit dem Satz von 1/22 (= 59,82 €) entspricht den Bestimmungen des allgemein-verbindlichen Manteltarifvertrages für das Gaststätten- und Hotelgewerbe, der in § 7.7.3 festlegt, dass für Festentlohnte je Urlaubstag ein Betrag von 1/22 der Monatsvergütung zu zahlen ist.

3) Der Klägerin steht - entgegen der Auffassung des Beklagten - Vergütung für den gesamten Monat Februar zu, weil das Arbeitsverhältnis aufgrund fristgerechter Kündigung des Beklagten vom 24.01.2002 erst mit dem 28.02.2002 beendet worden ist. Die vom Beklagten unter dem 15.02.2002 ausgesprochene fristlose Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB mangels Vorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam. Nach der Rechtsprechung berechtigt eine Strafanzeige des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber diesen jedenfalls dann zur fristlosen Kündigung, wenn sie aus der alleinigen Motivation des Arbeitnehmers erstattet wird, den Arbeitgeber zu schädigen (vgl. BAG vom 04.07.1991 - 2 AZR 80/91; LAG Köln vom 07.01.2000 - 4 Sa 1273/99 = ZTR 2000, 278). Vorliegend hatte die Klägerin unstreitig am 14.01.2002 Anzeige beim Staatlichen Amt für Arbeitsschutz in Köln erstattet, welches sodann Ermittlungen im Betrieb des Beklagten angestellt hat, die laut Auskunft gegenüber der Klägerin vom 06.03.2002 (Bl. 69 GA) zu dem Ergebnis geführt haben, dass "Arbeitszeitüberschreitungen (§ 3 ArbZG) und nicht rechtzeitige Gewährungen von Ausgleichstagen (§ 11 Abs. 3 ArbZG) festgestellt" wurden. Damit ist zwar davon auszugehen, dass die Klägerin eine Anzeige beim Amt für Arbeitsschutz gegenüber dem Beklagten erstattet hat. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falls kann darin jedoch kein Umstand gesehen werden, der es dem Beklagten unzumutbar gemacht hätte, das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Beendigungstermin aufgrund fristgerechter Kündigung, d.h. bis zum 28.02.2002, fortzusetzen. Denn die Klägerin hatte, wie sie unbestritten vorgetragen hat, seit dem 15.11.2001 mehrfach bei dem Beklagten vergeblich die Einhaltung der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und insbesondere die Gewährung von Ausgleichstagen für Sonntagsarbeit innerhalb des im Gesetz festgelegten Ausgleichszeitraums (§ 11 Abs. 3 ArbZG) gefordert. Der Beklagte ist hierauf - zuletzt mit seinem Schreiben vom 02.01.2003 - nicht näher eingegangen. Angesichts der vorangegangenen vergeblichen Versuche der Klägerin, eine Einhaltung der Bestimmungen des § 11 Abs. 3 ArbZG auf gütlichem Wege mit dem Beklagten zu erreichen, erscheint es nachvollziehbar und verständlich, dass sie sich schließlich an die zuständigen staatlichen Stellen gewandt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin zu der Anzeige allein aus Rache für die ausgesprochene Kündigung entschlossen hätte. Denn die Kündigung ist erst am 24.01.2002 ausgesprochen worden. Die Anzeige ist demgegenüber laut Schreiben des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz bereits ab 14.01.2002 erfolgt, so dass schon angesichts des zeitlichen Ablaufs eine Racheaktion der Klägerin nicht in Betracht kommt.

Abgesehen davon war dem Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch deshalb zumutbar, weil eine Weiterbeschäftigung der Klägerin ohnehin nicht erforderlich gewesen wäre. Denn die Klägerin war zum Zeitpunkt der vom Beklagten am 15.02.2002 ausgesprochenen fristlosen Kündigung arbeitsunfähig geschrieben bis einschließlich 25.02.2002. Unter Berücksichtigung der der Klägerin unstreitig zustehenden mindestens sieben Urlaubstage konnte daher das Arbeitsverhältnis unter Beurlaubung der Klägerin und Freistellung bis zum ordentlichen Beendigungstermin am 28.02.2002 ohne tatsächliche Arbeitsleistung der Klägerin und damit ohne persönlichen Kontakt mit dem Beklagten abgewickelt werden.

All diese Umstände sind nach Auffassung des Berufungsgerichts maßgeblich dafür, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 15.02.2002 nicht wirksam ausgesprochen werden konnte, das Arbeitsverhältnis wurde daher nicht vor dem 28.02.2003 beendet.

4) Soweit der Beklagte sich auf Gegenforderungen wegen angeblich zuviel gezahlter Überstunden beruft, kommt es nach Auffassung des Berufungsgerichts auf die Frage, inwieweit tatsächlich im Jahr 2001 Überzahlungen bzw. der Klägerin nicht zustehende Zahlungen für Überstunden erfolgt sind, nicht an. Die Aufrechnung mit Gegenforderungen scheitert insoweit nämlich schon an § 394 BGB i.V.m. § 850 c ZPO. Nach § 394 BGB findet die Aufrechnung gegen eine Forderung nicht statt, soweit die Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist. Unpfändbar sind nach § 850 c bei monatlicher Vergütung jedenfalls Nettobeträge bis zur Höhe von 939,99 €, wenn man davon ausgeht, dass keine weiteren Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers bestehen. Der Beklagte hat jedoch in der für die Geltendmachung der Einbehaltung maßgeblichen Abrechnung lediglich einen Lohn der Klägerin in Höhe von 862,56 € errechnet, von dem er die angeblich zuviel geleisteten Überstunden mit 668,16 € abzieht. Auf diese Abrechnung, die mit einem Endbetrag von 523,41 € schließt, beruft sich der Beklagte auch mit Schriftsatz vom 03.07.2002, darin wird ferner hinsichtlich der "zuviel abgerechneten 102,26 €" (Jahressonderzahlung), die Aufrechnung mit etwaigen Gegenforderungen erklärt, während im Übrigen der Abrechnungsbetrag von 668,16 € einfach "abgezogen" werden soll. Sofern man in der "Anlage zur Lohnabrechnung Februar 2002 (Bl.33 GA)" sowie in dem Schriftsatz vom 03.07.2002 Aufrechnungserklärungen im Sinne der §§ 387, 389 BGB sieht, können sie sich allenfalls auf die vom Beklagten in der Abrechnung erwähnten Forderungen von insgesamt 862,56 € beziehen, von denen sodann der Überstundenbetrag in Höhe von 668,16 € in Abzug gebracht wurde. Demgegenüber ist eine Aufrechnungserklärung weder konkludent noch ausdrücklich hinsichtlich der von der Klägerin im Schriftsatz vom 07.08.2002 geltend gemachten - und letztlich zuerkannten - 1.313,67 € brutto (abzüglich des angerechneten Arbeitslosengeldes in Höhe von 58,29 €) im Verlaufe des Prozesses nicht abgegeben worden, insbesondere hat die Prozessbevollmächtigte des Beklagten auch im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 10.03.2003 nicht die Aufrechnung erklärt, sondern lediglich die Auffassung geäußert, dass der Beklagte berechtigt gewesen sei, gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin für den Monat Februar 2002 den Betrag der zuviel gezahlten Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 668,16 € "in Abzug zu bringen". Der Aufrechnung stünde im übrigen in jedem Fall entgegen, dass es sich bei der der Klägerin zustehenden Gesamtlohnforderung um eine Bruttoforderung handelt und der Beklagte nicht den nach § 394 BGB unpfändbaren und damit aufrechenbaren Nettobetrag errechnet hat: Der Beklagte trägt die Darlegungslast dafür, dass eine Aufrechnung gegen den gemäß § 850 Abs.1 ZPO nur nach Maßgabe des § 850 a bis 850 i ZPO pfändbaren Anspruch des Klägers auf Lohn und Urlaubabgeltung das Erlöschen oder den teilweisen Untergang dieser Forderungen nach § 389 BGB bewirkt hat, dieser Verpflichtung hat sie nicht genügt (vgl. BAG v. 05.12.2002 - 6 AZR 569/01).

Nach allem musste die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

Zurück