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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 04.08.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 639/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 615 Satz 3
1. Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen - etwa aufgrund von Anforderungen seines Auftraggebers - vorübergehend nicht einsetzen, hebt dies die Vergütungspflicht des Arbeitgebers wegen § 615 Satz 3 BGB nicht auf.

2. Entstehen daher durch Anforderungen des Auftraggebers bei den Arbeitnehmern Zwangspausen, schuldet der Arbeitgeber auch für diese Zeiten die Vergütung.


Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.11.2007 - 6 Ca 1284/07 - wird teilweise abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 21,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2007 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 %.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die nicht tarifgebundene Klägerin ist bei der Beklagten, welche im Auftrag der B D Fluggastkontrollen im Verkehrsflughafen K /B durchführt, seit dem 01.01.2004 als Fluggastkontrolleurin beschäftigt.

Gemäß § 2 Ziff. 2 des Arbeitsvertrages besteht die Verpflichtung, "im monatlichen Durchschnitt 120 Stunden zu arbeiten, ..." wobei sich die Einzelheiten aus einem jeweiligen Diensteinsatzplan der Firma ergeben. In § 3 Ziff. 3 heißt es, dass als Überstunden die Arbeitszeit vergütet wird, "die über 195 Stunden pro Monat hinaus geht". Nach § 4 Ziff. 1 besteht im Kalenderjahr einen Erholungsurlaubsanspruch in einer 5-Tage-Woche von 20 Tagen.

§ 8 Ziff. 1 bestimmt, dass "alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis und solche, die mit dem Anstellungsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden".

Zwischen den Parteien besteht u. a. Streit über die Anwendbarkeit des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW vom 02.02.2000 (abgekürzt: MTV 2000) sowie des - ebenfalls mit Bekanntmachung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW vom 20. März 2007 mit Wirkung vom 01.01.2006 für allgemeinverbindlich erklärten - Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe vom 08.12.2005 ( MTV 2005), beide abgeschlossen von der Gewerkschaft ver.di Landesbezirk NRW und dem Bundesverband deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e. V., Landesgruppe NRW.

Die nicht gewerkschaftlich organisierte Klagepartei vertritt die Auffassung, dass auf das Arbeitsverhältnis der MTV 2000 kraft Nachwirkung anwendbar sei, während die Beklagte in diesem Verfahren meint, es finde statt dessen der MTV 2005 aufgrund seiner Allgemeinverbindlichkeit Anwendung oder der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen - in Kraft getreten zum 1.9.2005 - Anwendung.

Nach Ziff. 3.1.1 MTV 2000 ist auf den tariflichen Stunden-Grundlohn ein Mehrarbeitszuschlag von 25 % ab der 174. Monatsarbeitsstunde für die Lohngruppen 2.0.1 bis 2.0.10 zu zahlen. Nach Ziff. 5.3. wird als Urlaubsgeld und Weihnachtszuwendung an die Arbeitnehmer ein Leistungszuschlag gezahlt. Das Urlaubsgeld ist nach Ziff. 5.3.1 spätestens am 15. Juni zu zahlen, die Weihnachtszuwendung ist spätestens mit der Novemberabrechnung auszuzahlen, nach Ziff. 5.3.3 beträgt der Leistungszuschlag 2,75 % je Arbeitsstunde und errechnet sich

- für die Lohngruppe 2.0.1 bis 2.0.10 von der Lohngruppe 2.0.1, Taglohn

- für die Lohngruppe 2.0.11 bis 2.0.20 von der Lohngruppe 2.0.11, Taglohn.

Nach Ziff. 9.2 MTV 2000 beträgt der Urlaub 30 Werktage und erhöht sich gemäß Ziff 9.3 MTV 2000 auf 31 Werktage nach 2 Jahren ununterbrochener Betriebszugehörigkeit, auf 32 Werktage nach 4 Jahren, nach 6 Jahren auf 34 Werktage und nach 8 Jahren auf 36 Werktage.

Ziff. 13 des MTV 2000 sieht vor, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis rückwirkend nur für einen Zeitraum von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden können.

In § 5 Ziff. 2 MTV 2005 ist ein Mindesturlaubsanspruch von mindestens 26 Werktagen vorgesehen, der sich ebenfalls nach längerer Beschäftigungsdauer erhöht; in § 8 MTV 2005 ist unter der Überschrift Besitzstandswahrung u.a. festgelegt, dass für Arbeitnehmer, deren Ansprüche sich zuvor nach MTV 2000 richteten, weiterhin uneingeschränkt die Ziffern 9.2 und 9.3 (Regelungen zur Urlaubsdauer) gelten.

Nach § 3 Z. 1 a) MTV 2005 wird ein Mehrarbeitszuschlag von 25 % nunmehr erst ab der 265. Monatsarbeitsstunde gezahlt.

Nach § 9 Ziff. 1 MTV 2005 erlöschen im laufenden Arbeitsverhältnis sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beiderseits drei Monate nach Fälligkeit, sofern sie nicht vorher unter Angaben von Gründen geltend gemacht werden.

In einer Protokollnotiz zum MTV 2005 haben die Tarifvertragsparteien am 8.12.2005 festgehalten, dass das bisher im MTV 2000 tarifierte Urlaubs- und Weihnachtsgeld ab April 2006 im Stundengrundlohn enthalten ist.

Die Geltung der MTV 2000 und MTV 2005 war u.a. Diskussionsthema auf Betriebsversammlungen im ersten Halbjahr 2006 am 27.3.2006 und im zweiten Halbjahr 2006 am 27.9.2006.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, soweit es erstinstanzlich erfolglos geblieben ist, weiter. Nachdem die Parteien die Urlaubsansprüche der Klägerin vergleichsweise geregelt haben, begehrt die Klägerin noch die Bezahlung von Breakstunden in Höhe von 21,46 €, das Weihnachtsgeld 2006 in Höhe von 308,58 €, das Urlaubsgeld 2007 in Höhe von 312,65 € und Überstundenzuschläge in Höhe von 38,86 €.

Die Klägerin macht hierzu geltend, dass die Ansprüche aus der nachwirkenden Geltung des MTV 2000 folgten.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 15.11.2007 - 6 Ca 1284/07 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 681,55 € nebst 5 Prozentpunkten an Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass im nunmehr geltenden MTV 2005 diese Ansprüche nicht mehr vorgesehen seien.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hatte nur hinsichtlich der geltend gemachten Breakstunden Erfolg und musste im übrigen zurückgewiesen werden.

I. Die Klägerin hat Anspruch auf Bezahlung der Breakstunden in Höhe von 21,46 €.

Die erkennende Kammer geht wie bereits das LAG Köln in seinem Urteil vom 23.8.2007 - 5 Sa 933/07 - davon aus, dass die von der Beklagten angeordneten Arbeitsunterbrechungen, die so genannten "Breakstunden" nach § 615 S.3 BGB zu vergüten sind, soweit sie von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerpartei substantiiert vorgetragen worden sind. Dazu ist es erforderlich, dass mindestens die Tage angegeben werden, an denen die Beklagte solche unbezahlte Arbeitspausen anordnet, damit die Beklagte an Hand der Dienstpläne dieses Vorbringen qualifiziert bestreiten kann.

Dass regelmäßig solche Pausen entstehen, wird von der Beklagten nicht bestritten. Die Beklagte gerät in diesen Fällen mit ihrer Verpflichtung, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zuzuweisen, in Verzug, § 295 BGB, weil sie kurzfristig und einseitig die Annahme der Arbeitsleistung aus Gründen ablehnt, die in ihrem Risikobereich liegen. Das Arbeitsangebot des im Betrieb anwesenden Arbeitnehmers, soweit dies nicht ohnehin nach § 296 BGB entbehrlich ist, liegt dabei schlüssig in dessen Anwesenheit am Arbeitsplatz und seiner zu vermutenden Bereitschaft , auch in der Pause zu arbeiten. Die Beklagte kann sich insoweit nicht auf ihr Recht berufen, u. a. die Zeit der Arbeit einseitig nach den betrieblichen Erfordernissen festzulegen, § 106 GewO.

Denn eine am gleichen Tag angeordnete (unbezahlte) Arbeitsunterbrechung für den Zeitraum von 1 Stunde oder mehr entspricht nicht mehr billigem Ermessen, da sie mit wesentlichen und zwingenden Grundsätzen des Arbeitsrechts unvereinbar ist. Der Arbeitnehmer hat in diesen Fällen nicht die Möglichkeit, die Arbeitspause, die allein aus betrieblichen Gründen und nicht wegen der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes erforderlich ist, sinnvoll zu nutzen und gestalten.

Mit der Anordnung von Breaks verlagert der Arbeitgeber in unzulässiger Weise sein Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer. Denn der Arbeitgeber trägt nach der in § 615 Satz 3 BGB vorgesehenen Risikoverteilung das Wirtschaftsrisiko. Kann er den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen - etwa aufgrund von Anforderungen seines Auftraggebers - vorübergehend nicht einsetzen, hebt dies die Vergütungspflicht nicht auf.

Zur Rechtfertigung kann sich die Beklagte nicht auf die Betriebsvereinbarung vom 12.12.2006 berufen. Diese sieht zwar unbezahlte Pausen vor. Zum Umfang dieser Pausen enthält die Betriebsvereinbarung hingegen keine Aussagen. In § 5 dieser Betriebsvereinbarung heisst es insoweit u.a.:

" Unter sechs Stunden Gesamtstunden Arbeitsleistung pro Diensttag wird keine Pause erfolgen."

Damit ist eine deutliche Parallele zu § 4 ArbZG gezogen, wonach erst ab einer Arbeitszeit von sechs Stunden eine im voraus feststehende Pause von 30 Minuten erfolgen muss. Der Betriebsvereinbarung kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass sie den Arbeitgeber zu längeren als den in § 4 ArbZG vorgesehenen unbezahlten Ruhepausen ermächtigen sollte. Die diesen Rahmen deutlich übersteigenden Zwangspausen und die dadurch eintretende Vergütungsminderung sind jedenfalls nicht durch die Betriebsvereinbarung vom 12.12.2006 legitimiert.

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld 2006 und Urlaubsgeld 2007 und Mehrarbeitsvergütung.

Denn die von Klägerseite geltend gemachte Anspruchsgrundlage, der MTV 2000, ist durch den nachfolgenden MTV 2005 ersetzt worden. Dieser sieht die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Mehrarbeitszuschläge ab der 173 Stunde, nicht mehr vor.

1. Unter Übernahme der Rechtsauffassung und der Begründung des Urteils des LAG Köln vom 23.8.2007 - 5 Sa 490/07 - ist auch die erkennende Kammer der Auffassung, dass die Manteltarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in NRW Anwendung finden. Dafür sprechen die folgenden Überlegungen.

a. Die Bestimmungen des allgemeinverbindlichen MTV 2000 waren im Jahr 2005 gemäß § 5 Abs. 4 TVG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Die Fluggastkontrolle an Verkehrsflughäfen wird vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages erfasst, der nach Ziffer 1 fachlich für "alle Betriebe des Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes sowie für alle Betriebe, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben, ..." gilt. Dass es sich bei der Durchführung von Sicherheitskontrollen an Flughäfen um die Durchführung von Kontroll- und Ordnungsdiensten in dem entsprechenden Betriebsbereich handelt, ergibt sich schon aus einer am Wortlaut orientierten Auslegung. Darüber hinaus ist aus zahlreichen tariflichen Regelungen der am Abschluss des MTV 2005 beteiligten Tarifparteien ersichtlich, dass diese die Kontrolldienste an Flughäfen den Kontroll- und Ordnungsdiensten im Sinne von Z. 1 zuordnen. So heißt es in dem von den gleichen Tarifparteien abgeschlossenen Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 21.09.2005, dass dieser "die bestehenden manteltarifvertraglichen/entgelttarifvertraglichen Regelungen des Wach- und Sicherheitsgewerbes..." ersetzt. Im Überleitungstarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 21.09.2005 heißt es u. a. in § 2, dass "an den Verkehrsflughäfen...Branchentarifverträge oder Regelungen in Flächentarifverträgen des Wach- und Sicherheitsgewerbes mit der Gewerkschaft ver.di" existieren. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht dargelegt, welche Tarifverträge hier gemeint sein könnten, wenn nicht (u. a.) der für das Land NRW geltende MTV 2000. Ein zusätzliches Argument hierfür ergibt sich aus den ebenfalls von den gleichen Tarifparteien abgeschlossenen Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Nordrhein-Westfalen vom 12.04.2005, der im Anhang ausdrücklich die Vergütungen für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen mit der Bezeichnung "Entgeltgruppen I, II, III" geregelt werden. Auch hier heißt es unter Ziffer 1 des Lohntarifvertrages, dass der fachliche Geltungsbereich für alle "Betriebe, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben,..." gilt, so dass durch die Anhangsregelung die Auffassung der Tarifparteien deutlich wird, dass sie die Durchführung von Sicherheitskontrollen an Verkehrsflughäfen als Kontroll- und Ordnungsdienste im Sinne der Definition des fachlichen Geltungsbereichs in Ziffer 1 des Lohntarifvertrages ansehen.

Für die Zeit nach dem 01.09.2005 gilt der MTV 2000 auf das Arbeitsverhältnis nach § 4 Abs. 5 TVG kraft Nachwirkung. Der MTV 2000 ist mit dem 28.02.2005 außer Kraft getreten (vgl. Bekanntmachung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW v. 15.01.2007, BAnz. 2007, S. 299). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG wirken die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, auch wenn die Allgemeinverbindlichkeit mit dessen Ablauf gemäß § 5 Abs. 5 S. 3 TVG endet, gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch gegenüber Nichttarifgebundenen (Außenseitern) nach (BAG, Urteil vom 25.10.2000 - 4 AZR 212/00 - , AP Nr. 38 zu § 4 TVG Nachwirkung).

b. Die Nachwirkung wurde durch den spezielleren - nur für die Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen geltenden - Tarifvertrag vom 21.09.2005 nicht beendet, da dieser von den Tarifparteien des MTV 2000 abgeschlossene Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Klagepartei wegen fehlender Tarifbindung nicht anzuwenden ist. Eine die Nachwirkung beendende andere Abmachung kann nur eine solche sein, die auf das jeweilige Arbeitsverhältnis Anwendung findet (BAG v. 14.02.1991 - 8 AZR 166/90 - AP TVG § 3 Nr.10; BAG v. 27.11.1991 - 4 AZR 211/91 - AP Nr. 22 zu § 4 TVG Nachwirkung).

Der MTV 2000 wurde jedoch ab dem 01.01.2006 durch den MTV 2005 abgelöst, welcher von den gleichen Tarifparteien abgeschlossen wurde und nach § 1 den gleichen Geltungsbereich erfasst wie der MTV 2000 nach dessen Z. 1. Dafür, dass die Tarifparteien eine Einschränkung dieses Geltungsbereichs im Hinblick auf den am 21.09.2005 vereinbarten spezielleren Tarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vornehmen wollten, ist aus dem Tarifvertrag selbst und auch aus den sonstigen Umständen nichts ersichtlich. Hätten die Tarifparteien eine solche Einschränkung des Geltungsbereichs beabsichtigt, hätte es nahe gelegen, diese in § 1 des Tarifvertrags vom 08.12.2005 aufzunehmen, was nicht der Fall ist. Im Übrigen sprechen die in dem MTV 2005 enthaltenen Regelungen, die auf den MTV 2000 Bezug nehmen (Protokollnotiz vom 08.12.2005, § 8), ebenso wie die in § 11 MTV 2005 ausgesprochene Absicht der Tarifparteien, die Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrags herbeizuführen, dafür, dass die Tarifparteien im Interesse der Kontinuität der tariflichen Regelungen den MTV 2000 - soweit er noch galt - durch den MTV 2005 ersetzen wollten.

c. Gegen die Einbeziehung des Arbeitsverhältnisses der Klagepartei in den Anwendungsbereich des MTV 2005, die durch Bekanntmachung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung vom 20.03.2007 rückwirkend erfolgte, bestehen keine Bedenken. Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Rückwirkung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die davon betroffenen Personen damit rechnen mussten (BAG v. 25.09.1996 - AP Nr. 30 zu § 5 TVG; BAG v. 11.10.2006 - 4 AZR 486/06 AP Nr. 24 zu § 4 TVG Rückwirkung). Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn durch den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag ein früherer Tarifvertrag abgeändert oder erneuert wird, der ebenfalls allgemeinverbindlich war wie im vorliegenden Fall. Erst recht gilt das, wenn der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag - wie vorliegend in § 11 MTV 2005 - eine Bestimmung darüber enthält, dass die Tarifparteien eine Allgemeinverbindlichkeit durch gemeinsamen Antrag erwirken wollen (vgl. BAG v. 25.09.1995 a. a. O.).

d. Der Argumentation der Klägerseite, aus der Rechtsprechung des BAG zur Tarifeinheit folge, dass der Manteltarifvertrag für die Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen den MTV 2005 verdrängt habe und deshalb für die nichtorganisierten Arbeitnehmer der MTV 2000 kraft Nachwirkung weiter gelte, vermag das Landesarbeitsgericht nicht zu folgen.

aa. In dem Urteil vom 14.6.1989 - 4 AZR 200/89 - (AP Nr. 16 zu§ 4 TVG Tarifkonkurrenz) geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass im Falle einer Tarifkonkurrenz nach dem Grundsatz der Tarifeinheit der speziellere Tarifvertrag anzuwenden ist. So will das Bundesarbeitsgericht nicht nur dann vorgehen, wenn hinsichtlich beider kollidierender Tarifverträge doppelseitige Tarifbindung vorliegt, sondern auch dann, wenn nur Tarifpluralität vorliegt, wenn hinsichtlich des einen Tarifvertrages Arbeitnehmer und Arbeitgeber tarifgebunden sind, hinsichtlich des anderen Tarifvertrages nur der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Auch dann sei der Grundsatz der Spezialität anzuwenden und die Tarifkollision sei auf der Ebene des Betriebes und nicht auf der Ebene des einzelnen Arbeitsverhältnisses zu lösen. Begründet wird dies damit, dass allein die betriebseinheitliche Anwendung des sachnäheren Tarifvertrages gegeignet sei, Schwierigkeiten zu vermeiden, die dadurch entstünden, dass mehrere Tarifverträge in einem Betrieb Anwendung fänden.

Ungeachtet der erheblichen Kritik, die diese Auffassung im überwiegenden Teil der Literatur gefunden hat (siehe Wank in Wiedemann TVG 7. Auflage § 4 Rz. 285 ff m.w.N.) würde sich aus der Anwendung dieses Ansatzes nichts für den klägerischen Anspruch herleiten lassen. Fraglich ist bereits, ob der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen der speziellere gegenüber dem MTV 2005 wäre. Grundlegende inhaltliche Widersprüche zwischen beiden Tarifverträgen sind nicht festzustellen. Zudem hat auch das zum MTV 2005 gehörende Tarifwerk durch eine eigene Entgeltgruppe für Fluggastkontrolleure den Geltungsanspruch für Fluggastkontrolleure - abgeschlossen durch dieselben Tarifvertragsparteien - untermauert.

Vor allem aber würde der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen, soweit er wirklich der speziellere Tarifvertrag wäre, aufgrund des Ansatzes der BAG-Entscheidung vom 14.6.1989 einheitlich für alle Arbeitnehmer des Betriebes der Beklagten gelten. Denn es soll gerade erreicht werden, dass nur ein Tarifvertrag betriebseinheitlich gilt. Aus dem Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen ergibt sich aber kein mit der Klage geltend gemachter Anspruch.

bb. Nach der Entscheidung des BAG vom 25.10.2000 - 4 AZR 212/00 - (NZA 2001, 1146) entsteht eine Nachwirkung gegenüber nicht tarifgebunden Arbeitnehmern auch nach Ablauf der Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages. Diese Nachwirkung wird durch einen nicht für allgemeinverbindlich erklärten Folgetarifvertrag nicht beendet. Anders ist es hingegen, wenn auch der Folgetarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird. Das Bundesarbeitsgericht stellt insoweit darauf ab, dass die Nachwirkung gemäß § 4 Absatz 5 TVG nur durch eine Abmachung beendet werden kann, die auf das jeweilige Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Durch einen nicht oder noch nicht für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag könne die Nachwirkung deshalb nicht beendet werden. (BAG 25.10.2000 - 4 AZR 212/00, NZA 2001, 1146 ff unter 2 a der Gründe).

Daraus folgt aber unmittelbar, dass die Nachwirkung beendet werden kann durch einen für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag, da die Allgemeinverbindlichkeit zur beiderseitigen Tarifbindung und damit zur Anwendung des Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis führt. Diese Konstellation ist hier gegeben, denn der Folgetarifvertrag des MTV 2000, der MTV 2005 ist - wenn auch rückwirkend - für allgemeinverbindlich erklärt worden.

cc. Schließlich ist nach der Entscheidung des BAG vom 15.11.2006 - 10 AZR 665/05 - (NZA 2007, 448) keine Tarifkonkurrenz gegeben, wenn sich ein kraft Tarifbindung geltender Tarifvertrag und ein nur noch kraft Nachwirkung geltender Tarifvertrag gegenüberstehen. Ein allgemeinerer Tarifvertrag tritt grundsätzlich als "andere Abmachung" im Sinne des § 4 Absatz 5 TVG an die Stelle des nachwirkenden Tarifvertrages (BAG, aaO, Leitsatz 2). Insofern geht der für allgemein verbindlich erklärte Tarifvertrag einem nur kraft Nachwirkung geltenden Tarifvertrag vor. Demzufolge ist der MTV 2005 durch seine Allgemeinverbindlichkeitserklärung an die Stelle des MTV 2000 getreten.

2. Insgesamt ergibt sich, dass aus der von der Klägerseite angeführten Rechtsprechung keine Anspruchsgrundlage für den klägerischen Anspruch herleiten lässt. Hinsichtlich der Mehrarbeitszuschläge bestand im übrigen aus einem weiteren Grund kein Anspruch aus dem MTV 2000.

Zwar ist nach Z.3.1.1 MTV 2000 für die Lohngruppen 2.0.1 bis 2.0.10 des Lohntarifvertrages ein Mehrarbeitszuschlag von 25 % zu zahlen; die Tätigkeit der klagenden Partei fällt jedoch nicht unter eine der in § 3 Z. 1.1 MTV 2000 genannten Lohngruppen.

III. Insgesamt hatte die Berufung nur zum kleineren Teil Erfolg und musste im Übrigen zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Die Revision konnte nicht - wie von der Klägerseite angeregt - zugelassen werden, da kein Fall von Divergenz vorlag und eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache nicht angenommen werden konnte, nachdem eine höchstrichterliche Klärung insbesondere durch die BAG-Entscheidung vom 15.11.2006 ( - 10 AZR 665/05, NZA 2007, 448 ff) vorlag, wonach ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag als andere Abmachung im Sinne des § 4 Absatz 5 TVG an die Stelle eines nachwirkenden Tarifvertrages tritt.

Ende der Entscheidung

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