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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.11.2002
Aktenzeichen: 5 Sa 818/02
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 611
GG Art. 12
Vermögensbildung; Bindungsfrist; Altersversorgung
Die in einer Betriebsvereinbarung festgelegte Bindungsfrist von 5 Jahren, innerhalb der der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zum Zweck der Vermögensbildung und Alterssicherung zur Verfügung gestellte Mittel bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuzahlen hat, ist im Hinblick auf Art. 12 GG nicht zu beanstanden.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 818/02

Verkündet am: 21.11.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21.11.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rietschel als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Bierhoff und Becker

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.06.2002 - 2 Ca 12314/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erstattung eines Betrages von 18.680,-- DM (= 9.550,93 €) nebst Verzugszinsen. Hierbei handelt es sich um die Arbeitgeberanteile, welche die Klägerin im Rahmen eines in einer Betriebsvereinbarung geregelten Vermögensbildungsplans für die Zeit vom 01.04.1996 bis 30.08.2000 geleistet hat. In der im Dezember 1998 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung heißt es u.a. in § 8 Abs. 2, dass der Mitarbeiter die von der Arbeitgeberin gezahlte Gesamtleistung zurückzuerstatten hat, sofern die Teilnahme am Vermögensbildungsplan vor Ablauf der fünfjährigen Festlegungsfrist u.a. infolge einer Beendigungserklärung durch den Mitarbeiter oder eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Mitarbeiter oder die Klägerin beendet wird.

Nachdem der Beklagte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin fristgerecht zum 30.09.2000 gekündigt hatte, hat die Klägerin im Rahmen einer durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgericht vom 29.05.2001 - 16 Ca 882/01 - beendeten Zahlungsklage des Beklagten mit dem nunmehr geltend gemachten Rückerstattungsanspruch in Höhe von 18.680,-- DM vergeblich aufgerechnet. Das Arbeitsgericht hat in seiner Entscheidung die Prozessaufrechnung nicht durchgreifen lassen im Hinblick auf das Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB und mangels hinreichender Bestimmtheit, in welchem Umfang die Gegenansprüche des Klägers durch die Aufrechnung erloschen sind.

Im vorliegenden Verfahren hat das Arbeitsgericht der Klage durch ein am 28.06.2002 verkündetes Urteil stattgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die an sich statthafte, vom Beklagten frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage als zulässig und begründet angesehen. Das Berufungsgericht folgt der Entscheidung sowohl in der Begründung, die es sich zu Eigen macht, wie im Ergebnis. Das Arbeitsgericht hat zunächst zu Recht erkannt, dass die Klage, obwohl über die Prozessaufrechnung wegen der gleichen Forderung bereits rechtskräftig entschieden worden ist, gemäß § 322 Abs. 2 ZPO zulässig ist. Wird einer Klage rechtskräftig mit der Begründung stattgegeben, dass die Aufrechnung nicht rechtswirksam erklärt oder aus materiell rechtlichen Gründen nicht zulässig ist, so ist über die Gegenforderung nicht rechtskräftig entschieden, ihrer erneuten klageweisen Geltendmachung steht der Rechtskrafteinwand nicht entgegen (vgl. 'BGH NJW 1994, Seite 2770; NJW 1997, Seite 748; Zöller/Vollkommer, Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, § 322, Rdnr. 18).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin kann gemäß § 8 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung von Dezember 1998 (BV) die von ihr geleisteten Arbeitgeberanteile in - rechnerisch unstreitiger - Höhe von 18.680,-- DM bzw. 9.550,93 € vom Beklagten zurückverlangen. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der fünfjährigen Festlegungsfrist zum 30.09.2000 durch Kündigung gegenüber der Klägerin beendet. Die Festlegungsfrist begann gemäß § 6 Abs. 3 BV mit dem Inkrafttreten des Teilnahmeantrages des Beklagten, somit dem 01.04.1996 und endete damit erst am 31.03.2001. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten zum 30.09.2000 hatte gemäß § 8 Abs. 2 Ziffer 2 zur Folge, dass der Mitarbeiter die von der Klägern gezahlte Gesamtleistung zum Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung zurückzuerstatten hatte, während die von ihm selbst angesparten Vermögensbestandteile - je nach der von ihm gewählten Anlageform - in seinem Vermögen verblieb. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte vorgetragen, dass nach seinem Ausscheiden die Anteile an dem dbi-Mitarbeiterfonds, den der Beklagte als Anlageform gewählt hatte, von der Klägerin verkauft und der Überschuss an den Beklagten abzüglich der Arbeitgeberanteile ausgekehrt worden ist.

Die dem Grunde nach unstreitige, aus der Betriebsvereinbarung abzuleitende Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar will die Klägerin mit der Festlegungsfrist, wie sie selbst einräumt, eine Bindung des Arbeitsnehmers an das Unternehmen für die Dauer von mindestens 5 Jahren erreichen. Gleichwohl ist diese Bindungsfrist nicht mit den Bindungsfristen in Fällen sonstiger freiwilliger Leistungen des Arbeitgebers zu vergleichen, bei denen der Verbleib dieser Leistungen beim Arbeitnehmer an eine bestimmte Mindestbetriebstreue geknüpft wird.

Ein wesentlicher Unterschied der im Vermögensbildungsplan vorgesehenen Festlegungsfrist gegenüber Bindungs- und Rückzahlungsklauseln bei vom Arbeitgeber gewährten Gratifikationen und Fortbildungskosten besteht vorliegend schon darin, dass über die vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen der Betriebsvereinbarung über den Vermögensbildungsplan erbrachten Leistungen während der Bindungsfrist nicht frei verfügt werden kann, weil sie für diesen Zeitraum ihrer Zweckbestimmung nach zunächst angespart werden sollen . Dagegen wird über vom Arbeitgeber gezahlte Sonderzuwendungen oder Gratifikationen ebenso wie erbrachte Fortbildungskosten in der Regel sofort verfügt, so dass diese dem Arbeitnehmer regelmäßig bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zur Verfügung stehen und eine Rückzahlungsverpflichtung aus seinen sonstigen Einkünften oder seinem Vermögen bestritten werden muss. Insofern ist die in der Bindungsfrist liegende, die freie Arbeitsplatzwahl des Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 12 Abs. 1 GG tangierende Bindung in den genannten Fällen regelmäßig erheblich einschneidender als im vorliegenden Fall, bei dem dem Arbeitnehmer nach eigener Kündigung vor Ablauf der Bindungsfrist lediglich die vom Arbeitgeber zur Vermögensbildung geleisteten Anteile nicht endgültig verbleiben. Hierin liegt keine übermäßige und unzumutbare Erschwerung des Grundrechtes des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen, auch wenn man die Bindungsdauer von 5 Jahren berücksichtigt.

Für die zulässige Bindungsdauer ist nach Auffassung des Berufungsgerichts in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung nicht nur die Höhe der erbrachten Leistungen und die damit bezweckte Betriebsbindung, sondern vor allem der Zweck der auf Grund der Betriebsvereinbarung Vermögensbildungsplan erbrachten Leistungen zu berücksichtigen. Dieser besteht nach § 1 BV darin, "durch regelmäßige Eigenleistungen des Mitarbeiters mit finanzieller Unterstützung durch die Gesellschaft Vermögen zu bilden, das bei den unvorhersehbaren Entwicklungen im Leben eines jeden Mitarbeiters und im Alter erhöhte Sicherheit und größere Unabhängigkeit bietet". Diese Zwecksetzung der betrieblichen Leistungen lässt eine längerfristige Bindung als angemessen und zweckmäßig erscheinen, weil nur bei einer längeren Festlegung und Bindungsdauer unabhängig von der Anlageform Beträge angespart werden können, die zu einer Bildung von Vermögen, welches im Alter größere Unabhängigkeit und erhöhte Sicherheit bietet, führen. Eine ähnliche Zielsetzung findet sich im übrigen in zahlreichen Gesetzen mit ähnlicher Zweckbestimmung, z.B. den Vermögensbildungsgesetzen, bei denen ebenfalls innerhalb bestimmter Fristen über die vom Staat gewährten Zuschüsse, wie Arbeitnehmersparzulage etc. vom Begünstigten nicht verfügt werden darf. Auch die vom Arbeitsgericht angestellte Überlegung, dass der Gesetzgeber eine Alterssicherung des Arbeitnehmers durch Betriebsrente von einer bestimmten Mindestbetriebszugehörigkeit abhängig macht, welche Voraussetzung für die Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft ist, kann in diesem Zusammenhang wegen der Nähe der in der Betriebsvereinbarung geregelten Zweckbestimmung zur betrieblichen Altersversorgung berücksichtigt werden. Insbesondere ist auch die der Vorschrift des § 1 b Abs. 1 S. 1 BetrAVG zugrunde liegende Wertung, wonach eine Versorgungsanwartschaft erst bei fünfjährigem Bestand einer Versorgungszusage unverfallbar wird, wegen der gleichartigen Zielrichtung der Leistungen aus dem Vermögensbildungsplan und der Leistungen betrieblicher Altersversorgung gerechtfertigt. Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass das Rückzahlungsverlangen der Klägerin gegen § 242 BGB verstößt, weil die Klägerin Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Beklagten gegeben hat. Soweit der Beklagte hierzu - erstmals in seiner Berufungsbegründung vom 24.09.2002 - vorgetragen hat, ist dieses Vorbringen unsubstantiiert. Der Beklagte trägt in seiner Berufungsbegründung lediglich vor, dass der von ihm im Einvernehmen mit der Klägerin durchgeführte Auslandsaufenthalt im Jahr 2000 zunächst hinsichtlich der Kosten für eine Auslandskrankenversicherung und der Abrechnung von Auslandsreisen als Dienstreisen jedenfalls bis Mitte August 2000 nicht klar geregelt und eine verbindliche Regelung der Vertragsdaten von der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegt worden sei. Die von ihm daraus gezogene Folgerung, dass die weitere Finanzierung der Auslandstätigkeit des Beklagten damit "völlig ungesichert" gewesen sei, wobei gleichzeitig klargewesen sei, dass eine Tätigkeit des Beklagten bei der Klägerin in Deutschland nicht mehr in Betracht komme, ist jedoch mangels Darlegung näherer Einzelheiten nicht nachvollziehbar.

Soweit der Beklagte hierzu mit einem Schriftsatz vom 18.11.2002, bei Gericht eingegangen am 19.11.2002, weitere Einzelheiten vorgetragen hat, kann dies Vorbringen gemäß § 67 Abs. 4 S. 2 ArbGG nicht berücksichtigt werden. Zweifellos wäre der Beklagte ohne weiteres in der Lage gewesen, die im Schriftsatz vom 18.11.2002 vorgetragenen Umstände, die von der Klägerin bestritten wurden, schon in erster Instanz oder jedenfalls spätestens in der Berufungsbegründungsschrift vorzubringen, zumal wenn man berücksichtigt, dass die streitige Forderung als Aufrechnungsforderung bereits Gegenstand des Vorprozesses der Parteien gewesen ist. Die Verspätung des Vorbringens beruht daher auf grobem Verschulden des Beklagten bzw. seines Prozessbevollmächtigten, sie würde zudem nach freier Überzeugung des Berufungsgerichts zu einer Verzögerung des Verfahrens führen.

Die Berufung des Beklagten musste nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

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