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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 27.10.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 843/08
Rechtsgebiete: TV-Ä


Vorschriften:

TV-Ä § 12
1. Nach der Eingruppierungsregelung im TV-Ä ist derjenige Oberarzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

2. Dafür ist es nicht ausreichend, wenn der Arzt in der Vergangenheit in dienstlichen Unterlagen und Vorlesungsverzeichnissen als Oberarzt bezeichnet worden ist (Titularoberarzt).

3. Auch die Abwesenheitsvertretung des Chefarztes, soweit sie nicht mehr als 50 % der Arbeitszeit ausmacht, reicht hierfür nicht aus.


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2008 - 3 Ca 3431/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, seit wann die Klägerin die tariflichen Merkmale einer Tätigkeit als Oberärztin erfüllt und sie demzufolge in die Entgeltgruppe Oberarzt Ä3, Stufe 3 des mit dem Marburger Bund geschlossenen TV-Ä einzugruppieren ist und ihr daraus folgend Zulagen und Gehaltsdifferenzen zustehen.

Die am 28.05.1955 geborene Klägerin ist seit Januar 1992 bei dem beklagten Universitätsklinikum beschäftigt.

Die Klägerin ist nicht Mitglied im tarifschließenden Marburger Bund.

Das Zentrum für Chirurgische Zahn- Mund- und Kieferheilkunde, in dem die Klägerin arbeitet, steht unter der Leitung des Direktors, Prof. Dr. J...... Die Poliklinik, in der die Klägerin tätig ist, wird geleitet von Prof. Dr. W...... Mit Schreiben vom 17.11.1992 teilte Prof. Dr. W..... der Verwaltung der Beklagten mit, dass er die Klägerin ab dem 01.12.1992 mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Oberarztes beauftragen möchte. Mit Schreiben der Beklagten vom 05.02.1998 und 19.03.2001 wurde die Klägerin jeweils zur ersten Stellvertreterin des Direktors ihrer Klinik bestellt. Dasselbe erfolgte durch Schreiben vom 17.11.2005 (Bl. 35 d. A.) für die weitere Dauer von drei Jahren. In jenem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine ständige Vertretung, sondern um eine Abwesenheitsvertretung handele.

Ein von Prof. Dr. W..... unter dem 21.02.2005 erstelltes Aufgabentableau sieht folgende Aufgaben der Klägerin vor: "Vertretung des Direktors, Dienst-/Urlaubsplan, Kursorganisation, Examensvorbereitung, Transfusionsbeauftragte und Chargendokumentation, Spezialgebiet: Implantatsprechstunde".

Außerdem war die Klägerin zur Laserschutzbeauftragten bestellt worden und in der Lehre unter anderem als stellvertretende Prüferin für das zahnmedizinische Staatsexamen tätig.

Im Vorfeld des Inkrafttretens des hier streitgegenständlichen Tarifwerks ließ die Beklagte ihren Mitarbeitern ein Rundschreiben vom 15.08.2006 (Bl. 20 ff. d. A.) zukommen, das Hinweise für eine Zulagengewährung für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 31.10.2006 enthielt. Darin war ausgeführt, dass die Anwendung der Ärztetabelle für die Zulagenberechnung zwingend voraussetze, dass die Ärztin/der Arzt auch tatsächlich eine Wochenarbeitszeit von 42 Stunden leistet (Bl. 21 d. A.).

Zum 01.11.2006 trat der TV-Ä in Kraft. In ihm wurde die Entgeltgruppe Ä 3 - Oberärztin/Oberarzt wie folgt definiert:

"Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert."

Mit Schreiben vom 19.11.2006 (Bl. 67 d. A.) beantragte die Klägerin die Einstufung als Oberärztin und die Zahlung der Zulage bezüglich Oberarzteinstufung für die Monate Juli bis Oktober 2006 gemäß TV-Ä. Mit Schreiben vom 26.01.2007 (Bl. 97 d. A.) entgegnete die Beklagte daraufhin, dass aus den Nachweisungen der Klägerin nicht hervorgehe, wieviel Stunden sie gearbeitet habe. Das Schreiben solle als gegenstandslos betrachtet werden, wenn der Nachweis erfolge, dass die für die Zahlung der Zulage erforderlichen 42 Stunden gearbeitet worden seien.

Mit Schreiben vom 15.10.2007 (Bl. 34 d. A.) wurde die Klägerin mit Wirkung zum 15.09.2007 zur Oberärztin im Sinne von § 12 des geltenden TV-Ä bestellt. Ihr wurde die medizinische Verantwortung für die (Teil-)bereiche "Implantologie und Weiterbildung der Assistenten zum Erwerb der Facharztanerkennung" übertragen. Die Klägerin erhielt daraufhin die Vergütung der Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 1 in Höhe von 5.950,00 € brutto, und zwar rückwirkend ab dem 01.11.2006.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass sie rückwirkend seit dem 01.07.2006 als Oberärztin einzustufen und zu vergüten sei und ab dem 01.11.2006 Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 beanspruchen könne.

Zur Begründung hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei bereits länger als sieben Jahre als Oberärztin für die Beklagte tätig gewesen, so dass sie die Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 (Oberarztvergütung nach dem 7. Tätigkeitsjahr) verlangen könne. Die Klägerin sei seit 1992 sowohl in der Funktion als auch in der Bezeichnung als Oberärztin in der Poliklinik für Chirurgische Zahn- Mund- und Kieferheilkunde eingesetzt worden. Seit 1998 sei sie als erste Stellvertreterin für den Direktor der Klinik vom jeweiligen ärztlichen Direktor bestellt worden. Darüber hinaus habe sie seit 1997 als stellvertretende Prüferin in zwei Fächern für das zahnärztliche Staatsexamen fungiert.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Klägerin rückwirkend seit dem 01.07.2006 als Oberärztin einzustufen und zu vergüten ist und ab 01.11.2006 Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3, Stufe 3 des TV-Ä zu beanspruchen hat,

2. die Bruttonachzahlungsbeträge sind mit 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2006 zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Tarifbindung der Klägerin bezweifelt und in der Hauptsache geltend gemacht, die Klägerin habe bei Ausübung ihrer Arbeitstätigkeit bis September 2007 zumindest nicht mehr als 50 % medizinische Verantwortung im tarifrechtlichen Sinne getragen.

Durch Urteil vom 15.05.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, die Eingruppierungsvoraussetzungen des § 12 TV-Ä lägen nicht vor. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik oder Abteilung habe übertragen bekommen. Dazu sei zumindest die Aufsichtsfunktion über ärztliches oder nicht ärztliches Personal erforderlich. Die medizinische Verantwortung als Eingruppierungsmerkmal könne nicht allein die Verantwortung für eigene ärztliche Tätigkeit umfassen, da dies auch bei jedem Facharzt der Fall sei. Weder aus dem vorgelegten Aufgabentableau noch aus der Aufstellung der Klägerin in ihrem Geltendmachungsschreiben vom 19.11.2006 ergebe sich, dass die Klägerin eine Tätigkeit als Oberärztin im Sinne der tariflichen Merkmale ausgeübt habe.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung einlegen und begründen lassen.

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht habe in seinem Urteil verkannt, dass es nicht um die richtige Eingruppierung als Oberärztin gegangen sei, sondern darum, dass sie aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Oberärztin in Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 3 und nicht nur in Stufe 1 einzugruppieren sei. Das Gebiet, das der Klägerin zum 15.09.2007 als Oberärztin förmlich übertragen worden sei, habe die Klägerin schon seit 1992 wahrgenommen. Zu Unrecht gehe das erstinstanzliche Urteil davon aus, dass die Klägerin dabei keine Vorgesetztenfunktion ausgeübt habe. Das Gericht sei aufgrund der Offizialmaximme dazu verpflichtet gewesen, zur Vorlage weiterer Beweismittel auffordern, falls es die angebotenen Beweise nicht für ausreichend gehalten habe.

Zum Beleg ihrer Tätigkeit verweist die Klägerin auf die Bescheinigung von Prof. Dr. W..... vom 24.06.2008 (Bl. 116 d. A.) sowie auf die Aufstellungen, die sie als Anlage zum Schriftsatz vom 20.10.2008 zur Gerichtsakte gereicht hat.

Da die Klägerin die tariflichen Voraussetzungen einer Oberarzttätigkeit seit mehr als sieben Jahren erfülle, seien alle Voraussetzungen für die Eingruppierung in Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 3 gegeben. Mit dem erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Zahlungsantrag verlangt die Klägerin zum einen die nicht gezahlte Zulage für die Monate Juli bis Oktober 2006 in Höhe von 1.300,00 € pro Monat. Ferner hat sie zunächst als Differenz zwischen Stufe 3 und Stufe 1 des TV-Ä eine monatliche Zahlung in Höhe von 1.000,00 € begehrt, hat diese Forderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 27.10.2008 auf 850,00 € pro Monat reduziert (Differenz zwischen Stufe 3 - 6.800,00 € - und Stufe 1 - 5.950,00 €).

Die Klägerin beantragt unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.05.2008 - 3 Ca 3431/07 -

1. festzustellen, dass die Klägerin rückwirkend ab dem 01.07.2006 als Oberärztin einzustufen und nach der Entgeltgruppe Oberarzt Ä 3 Stufe 3 des TV-Ä zu vergüten und rückwirkend ab 01.11.2006 in diese Entgeltgruppe einzugruppieren ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Monate Juli bis Oktober 2006 jeweils einen Bruttobetrag von 1.300,00 € und für die Monate ab November 2006 jeweils einen Bruttobetrag von 850,00 € nachzuzahlen und die Nachzahlungsbeträge mit 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Erst ab dem 15.09.2007 erfülle die Klägerin die tariflichen Merkmale der Entgeltgruppe Ä 3, so dass sie folgerichtig in Stufe 1 der Entgeltgruppe Ä 3 einzugruppieren sei. Vor dem 15.09.2007 sei es niemals zu einer Übertragung der medizinischen Verantwortung an die Klägerin gekommen. Die Klägerin habe nicht dargetan, wie sie in der Zeit vor dem 15.09.2007 medizinische Verantwortung im Sinne der tarifrechtlichen Bestimmung mindestens 50 % ihrer regelmäßigen Arbeitszeit ausgeübt haben wolle. Insbesondere habe die Klägerin nicht vorgetragen, dass ihr Fachärzte (wann, wer, in welcher Form?) unterstellt gewesen seien. Auch die Voraussetzungen der Entgeltgruppe Ä 3, 2. Alternative seien vor dem 15.09.2007 nicht erfüllt gewesen. Insbesondere könne die "Implantatsprechstunde" nicht als Spezialfunktion im Tarifsinne angesehen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Implantatsprechstunde nur alle 14 Tage am Dienstagnachmittag in der Zeit von 14:00 Uhr bis 17:15 Uhr stattfinde. Selbst unter Hinzurechnung entsprechender Vor- und Nachbereitungszeiten einschließlich der Bearbeitung der Anfragen von Assistenten sei hierfür keinesfalls ein Zeitaufwand von 50 % oder mehr der Arbeitszeit der Klägerin erforderlich.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin vor dem 15.09.2007 die tariflichen Merkmale einer Oberarzttätigkeit nicht erfüllte.

I. Der Feststellungsantrag, der Antrag zu 1., mit dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sie rückwirkend seit dem 01.07.2006 als Oberärztin einzustufen und nach der Entgeltgruppe Oberarzt Ä 3 Stufe 3 des TV-Ä zu vergüten sei, ist nicht begründet.

1. Auf die tarifliche Eingruppierungsvorschrift des § 12 TV-Ä kann sich die Klägerin nicht berufen, weil von einer Tarifbindung vor dem 15.09.2007 nicht ausgegangen werden kann.

Eine Bindung an den Tarifvertrag ist grundsätzlich nur gegeben, wenn sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer tarifgebunden sind. Dies setzt nach § 3 Abs. 1 TVG voraus, dass der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Arbeitnehmervereinigung ist. Der TV-Ä ist auf Arbeitnehmerseite vom Marburger Bund abgeschlossen worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 27.10.2008 ist jedoch unstreitig geworden, dass die Klägerin nicht Mitglied dieses tarifschließenden Verbandes ist. Eine unmittelbare Tarifgebundenheit kraft Verbandsmitgliedschaft scheidet damit aus.

Eine einzelvertragliche Einbeziehung des Tarifvertrages würde eine entsprechende vertragliche Abrede der Parteien voraussetzen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Parteien zunächst auf das Arbeitsverhältnis den BAT angewandt haben und die Klägerin nach BAT vergütet worden ist. Durch das Inkrafttreten des mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen TV-L einerseits und des mit dem Marburger Bund abgeschlossenen TV-Ä andererseits ist Tarifpluralität entstanden. Soweit sich die Klägerseite darauf beruft, dass die Beklagte durch das Bestellungsschreiben zur Oberärztin vom 15.10.2007 (Bl. 34 d. A.) die Geltung des TV-Ä für das Arbeitsverhältnis anerkannt habe, kann diesem Schreiben ein Bindungs- und Einbeziehungswille nur für die Zeit ab dem 15.09.2007 entnommen werden. Eine Willenserklärung, die bisher vereinbarte Geltung des BAT rückwirkend durch eine Bindung an den TV-Ä zu ersetzen, kann dem Schreiben nicht entnommen werden.

2. Unabhängig von der vorstehend erörterten fehlenden Tarifbindung scheitert der Anspruch der Klägerin daran, dass sie die Eingruppierungsmerkmale des § 12 TV-Ä vor dem 15.09.2007 nicht erfüllt hat.

a) Die Voraussetzungen des § 12 Entgeltgruppe Ä 3, 1. Alternative TV-Ä sind für die Zeit vor dem 15.09.2007 nicht gegeben. Nach dieser tariflichen Vorschrift ist Oberarzt derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

aa) Aufgrund dieser Vorschrift ist zunächst klargestellt, dass allein die Bezeichnung als Oberarzt für die Erfüllung der tariflichen Eingruppierungsmerkmale nicht ausreichend ist. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass vor Inkrafttreten des TV-Ä zum 01.11.2006 eine Vielzahl von Ärzten den Titel "Oberarzt" geführt hat. Dieser Titel hatte jedoch keinerlei Eingruppierungsrelevanz (s. Anton, ZTR 2008, S. 184 ff.). Dementsprechend ist aus der Tatsache, dass die Klägerin vor dem 15.09.2007 bereits den Titel Oberärztin geführt hat, nichts abzuleiten. Die Tarifvertragsparteien haben in einer Protokollerklärung hierzu festgehalten:

"Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31.10.2006 die Bezeichnung Oberärztin/Oberarzt führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin bzw. Oberarzt nach § 12 TV-Ä zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren."

Hieraus ist ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass aufgrund der tarifvertraglichen Neudefinition der Oberarzttätigkeit es in einer Vielzahl von Fällen dazu kommen würde, dass Oberärzte, die bisher den Titel Oberarzt geführt hatten, gleichwohl nicht die nunmehrigen tariflichen Eingruppierungsmerkmale für eine Oberarzttätigkeit nach § 12 TV-Ä erfüllen würden. Aus diesem Grund kann auch nichts aus der Tatsache abgeleitet werden, dass die Klägerin in Vorlesungsverzeichnissen und anderen Unterlagen der Beklagten als Oberärztin bezeichnet worden ist. Denn diese in Unkenntnis des wesentlich später zustande gekommenen Tarifvertrages gewählte Bezeichnung kann nichts dafür hergeben, dass mit dieser Bezeichnung die Festlegung verbunden wäre, dass die Klägerin die Voraussetzungen der wesentlich später in Kraft getretenen tarifvertraglichen Oberarztdefinition erfüllen würde.

bb) Die von der Klägerin vorgetragenen Tätigkeiten, die sie vor dem 15.09.2007 ausgeübt hat, erfüllen nicht das Tarifmerkmal eines "Teil- oder Funktionsbereichs". Nach § 12 TV-Ä müsste es sich um Arbeiten handeln, die mindestens zur Hälfte die auszuübende Tätigkeit ausmachen. Dabei hat die Arbeitnehmerseite die Darlegungs- und Beweislast (s. LAG Düsseldorf, Urt. v. 21.02.2008 - 15 Sa 1617/07).

Die von der Klägerin geschilderten Tätigkeitsbereiche können nicht als Teil- oder Funktionsbereiche gewertet werden, die mehr als die Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin ausmachen.

Bereits vor Inkrafttreten des TV-Ä ist das Merkmal des Funktionsbereichs in dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren BAT (s. Vergütungsgruppe I b/I a Fallgruppe 4 BAT) definiert. Ausweislich der Protokollnotiz Nr. 5 zu Teil I der Anlage 1 a zum BAT wurde dabei auf wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets abgestellt. Demgegenüber war der Begriff Teilbereich bisher überhaupt nicht tarifvertraglich definiert. Aus dem Begriff folgt, dass zumindest eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit und eine eigene räumliche und personelle Ausstattung vorhanden sein muß.

Sowohl für Funktionsbereiche wie für Teilbereiche ist zudem zusätzlich erforderlich, dass dem Arzt die medizinische Verantwortung übertragen worden ist.

Hiervon ausgehend ist zunächst festzuhalten, dass die organisatorischen Arbeiten, auf die die Klägerin sich beruft, die tariflichen Voraussetzungen nicht erfüllen. So ist die Erstellung aller Dienstpläne weder die Übernahme eines Funktions- oder Teilbereichs, noch wird damit medizinische Verantwortung übertragen. Gleiches gilt für Ausbildungs- und Prüfungstätigkeiten. Denn durch die Mitwirkung an Ausbildung und Prüfung ist der Klägerin nicht ein abgrenzbarer Funktions- oder Teilbereich übertragen worden. Nicht als abgrenzbarer Funktions- oder Teilbereich kann es auch gewertet werden, wenn ein Arzt anderen Ärzten im Rahmen seiner Fachkompetenz als Ansprechpartner und mit beratender Funktion zur Verfügung steht (ebenso LAG Düsseldorf, Urt. v. 21.02.2008 - 15 Sa 1617/07).

Soweit sich die Klägerin darauf beruht, dass sie den Klinikdirektor vertreten habe, muss darauf hingewiesen werden, dass es sich nach den ausdrücklichen Festlegungen in dem Übertragungsschreiben vom 17.11.2005 (Bl. 35 d. A) um eine Abwesenheitsvertretung handelte. Sie kam also nur zum Tragen bei Abwesenheit des Klinikdirektors.

Dass der Klinikdirektor mehr als 50 % der Arbeitszeit abwesend gewesen wäre und von der Klägerin hätte vertreten werden müssen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Klägerin kann sich ferner nicht auf ihre Beauftragung als Laserschutzbeauftragte und Transfusionsbeauftragte berufen. Abgesehen davon, dass bereits zweifelhaft ist, ob diese Tätigkeiten als Teil- oder Funktionsbereiche angesehen werden könne, fehlt es jedenfalls daran, dass ein zeitlicher Umfang der diesbezüglichen Tätigkeit von mehr als 50 % der Arbeitszeit nicht ersichtlich ist.

Schließlich lässt sich aus den von der Klägerin in ihrer Tätigkeitsaufstellung aufgeführten Vorbereitung, Planung und Leitung von schwierigeren Operationen nicht die Erfüllung der tarifvertraglichen Anforderungen ableiten, denn schwierigere Operationen und die Anleitung von dabei mitwirkenden Assistenzärzten stellen allein keinen abgrenzbaren medizinischen Funktions- oder Teilbereich dar.

Unabhängig vom Vorstehenden scheitert der Anspruch der Klägerin darüber hinaus daran, dass ihr vor dem 15.09.2007 die medizinische Verantwortung für die von ihr angeführten Bereiche nicht übertragen worden ist.

Die Klägerin hat insoweit geltend gemacht, sie habe die Tätigkeiten, die sie aufgrund des Übertragungsschreibens vom 15.10.2007 (Bl. 34 d. A.) übertragen bekommen habe, auch schon vor diesem Termin ausgeübt. Nach der tarifvertraglichen Regelung reicht aber die Ausübung einer Tätigkeit nicht aus. Hinzu kommen muss, dass dem Arzt die medizinische Verantwortung übertragen worden ist. Mit dem Akt der Übertragung der Verantwortung geht einher, dass der Arzt ab dem Inkrafttreten des Übertragungsaktes voll verantwortlich, berichts- und rechenschaftspflichtig ist. Dies bedeutet insbesondere, dass der Betreffende im Rahmen seiner Verantwortung nicht nur für eigenes sondern auch für Fehlverhalten der ihm unterstellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustehen hat. Diese gesteigerte Verantwortlichkeit, die sich ggf. auch in einem strengeren Haftungsmaßstab niederschlagen kann, stellt eine zusätzliche Belastung dar, für die die höhere Oberarztvergütung ein Ausgleich ist. Diese gesteigerte Verantwortlichkeit, die durch den Übertragungsakt entsteht, hat die Klägerin aber erst ab dem Wirksamwerden der Übertragung zum 15.09.2007 getragen.

Auf das Schreiben von Prof. Dr. W..... vom 17.11.1992 (Bl. 70 d. A.) kann sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen. Denn abgesehen davon, dass in diesem Schreiben Prof. Dr. W..... bei der Verwaltung die Bitte äußert, dass er u. a. die Klägerin mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Oberarztes "beauftragen möchte", und hierauf offenbar keine definitive Antwort der Klinikleitung erfolgt ist, ist festzuhalten, dass in jenem Schreiben jedenfalls nicht die zusätzliche medizinische Verantwortung übertragen worden ist.

Die 1. Alternative des § 12 TV-Ä, Entgeltgruppe Ä 3 erfüllt die Klägerin folglich nicht.

2. Auch die 2. Alternative des § 12 TV-Ä, Entgeltgruppe Ä 3 ist nicht gegeben. Danach ist Oberarzt der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert. Die Klägerin beruft sich insoweit auf die von ihr durchgeführte Implantatsprechstunde, später Mundschleimhautsprechstunde. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass es sich bei der Implantatsprechstunde um eine Spezialfunktion handeln würde, für die, wie es der Tarifvertrag voraussetzt, erfolgreich eine abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung erforderlich wäre.

Unterstellt man dies zugunsten der Klägerin, mangelt es jedenfalls daran, dass der zeitliche Umfang dieser Tätigkeit weit unter 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit der Klägerin liegt. Denn es ist unstreitig, dass die Implantatsprechstunde nur alle zwei Wochen am Dienstag jeweils von 14:00 Uhr bis 17:15 Uhr durchgeführt worden ist. Selbst unter Hinzurechnung von Vor- und Nachbereitungszeiten sowie entsprechenden Beratungen von Assistenzärzten wird eine Inanspruchnahme von 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit nicht realistisch.

Insgesamt sind daher die tarifvertraglichen Anforderungen für eine Eingruppierung als Oberärztin für die Zeit vor dem 15.09.2007 nicht erfüllt.

II. Der Zahlungsantrag der Klägerin hatte ebenfalls keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Zulage in Höhe von 1.300,00 € als Differenz aus der Oberarztbezahlung zur Facharztbezahlung (6.800,00 € - 5.500,00 €) für die Monate Juli bis Oktober 2006. Zum einen scheitert dieser Anspruch bereits daran, dass die Klägerin, wie dargestellt, nicht als Oberärztin eingruppiert werden kann. Zum anderen ist der Anspruch auch deshalb nicht gegeben, weil Voraussetzung hierfür gewesen wäre, dass die Klägerin über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus mindestens 42 Stunden pro Woche gearbeitet hätte. Hierauf war sowohl in dem Rundschreiben der Beklagten (Bl. 20 ff. d. A.) als auch in dem Schreiben vom 26.01.2007 (Bl. 97 d. A.) hingewiesen und um entsprechende Nachweise gebeten worden. Diese sind nicht beigebracht worden.

2. Keinen Erfolg hatte die Zahlungsklage schließlich hinsichtlich der zuletzt geltend gemachten Vergütungsdifferenz von 850,00 € für die Monate ab November 2006.

a. Soweit die Klage auf Erbringung künftiger Leistungen gerichtet wird, ist sie bereits unzulässig gemäß § 257 ZPO. Nach dieser Bestimmung setzt die Klage auf eine künftig fällige Geldforderung voraus, dass diese nicht von einer Gegenleistung abhängig ist. Die Leistung von Arbeitsentgelt hängt jedoch von der Erbringung von der Gegenleistung, der Ableistung der vertraglich geschuldeten Arbeit, ab.

b. Unabhängig hiervon ist die Zahlungsklage insgesamt unbegründet. Denn die Klägerin erfüllt, wie dargelegt, die tarifvertraglichen Merkmale für eine Vergütung als Oberärztin erst seit dem 15.09.2007. Sie befindet sich daher nicht im siebten Tätigkeitsjahr, wie dies Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 3 voraussetzt, sondern erst im ersten Tätigkeitsjahr, so dass ihr die Vergütung nach Stufe 1 der Entgeltgruppe Ä 3 zusteht.

III. Insgesamt hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Kammer hat die Revision zugelassen im Hinblick darauf, dass noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen zur Auslegung des TV-Ä vorliegen.

Ende der Entscheidung

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