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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.04.2009
Aktenzeichen: 5 Ta 89/09
Rechtsgebiete: AGG


Vorschriften:

AGG § 22
1. Für einen Anspruch aus § 15 AGGG ist eine hinreichende Erfolgsaussicht gegeben, wenn ausreichende Indizien im Sinne des § 22 AGG für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung vorgetragen sind.

2. Trägt eine schwangere Arbeitnehmerin vor, dass ihr befristetes Arbeitsverhältnis nach Mitteilung der Schwangerschaft nicht verlängert worden ist, während die befristeten Arbeitsverhältnisse aller vergleichbaren Arbeitnehmer verlängert worden sind, liegen ausreichende Indiztatsachen für eine Umkehr der Beweislast gemäß § 22 AGG vor.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bonn vom 13.03.2009 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt R in vollem Umfang ratenfrei bewilligt.

Gründe:

I. Die Klägerin begehrte Prozesskostenhilfe für eine zunächst im Entwurf, später durch Schriftsatz vom 26.03.2009 unmittelbar anhängig gemachte Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gemäß § 15 AGG.

Die Klägerin war aufgrund befristeten Vertrages seit dem 27.12.2007 befristet bis zum 31.12.2008 für die Beklagte, die ein Bewachungs- und Sicherheitsunternehmen betreibt, tätig. Sie war eingesetzt im Objekt der K Bankengruppe, A in B .

In einem am 07.11.2008 durchgeführten Personalgespräch mit den Verantwortlichen der Beklagten, in dem es um die Verlängerung bzw. Nichtverlängerung des befristeten Arbeitsvertrages der Klägerin ging, überreichte die Klägerin ein ärztliches Schwangerschaftsattest vom 06.11.2008, das als errechneten Geburtstermin den 18.05.2009 bescheinigte.

Die Beklagte machte geltend, die Entscheidung zur Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses sei bereits vor Beginn des Personalgesprächs gefallen gewesen.

Die Klägerin macht geltend, sie habe bereits einige Tage zuvor den Objektleiter am 27.10.2008 auf die Schwangerschaft hingewiesen. Während die befristeten Arbeitsverträge aller anderen am Objekt eingesetzten Mitarbeiter verlängert worden seien, habe die Beklagte nur ihren Arbeitsvertrag unter Berufung auf die vereinbarte Befristung beenden wollen.

Durch Beschluss vom 13.03.2009 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wegen fehlender Aussicht auf Erfolg. Ein Schadensersatz bzw. Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG bestehe nur, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin Indizien, die eine Benachteiligung vermuten ließen, vortrage und unter Beweis stelle. Obwohl der entscheidungserhebliche Vortrag der Klägerin von der Beklagten bestritten werde, habe diese keinerlei Beweis für ihren Vortrag angeboten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende streitgegenständliche sofortige Beschwerde der Klägerseite. Auf einen mangelnden Beweisantritt könne die ablehnende Entscheidung nicht gestützt werden, da das Arbeitsgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 448 ZPO die Klägerin als Partei vernehmen müsse. Zudem habe die Klägerin ausreichend Indizien vorgetragen, schon deshalb, weil die Beklagte nicht bestreite, dass sämtliche befristeten Arbeitsverträge der im dem Objekt der K in B beschäftigten Arbeitnehmer verlängert worden seien, nur das der Klägerin nicht.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Rechtssache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und fristgerecht gemäß § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden.

2. In der Sache ist die sofortige Beschwerde begründet. Für die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gemäß § 15 AGG besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht.

a) Für eine Benachteiligung trägt zwar grundsätzlich der Benachteiligte die Beweislast. Ihm kommt aber die Beweislastregelung in § 22 AGG zugute. Wenn danach im Streitfall eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung solcher Indizien anzulegen, da es nicht erforderlich ist, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss auf eine Benachteiligung zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung besteht (s. BAG, Urt. v. 24.04.2008 - 8 AZR 257/07, NZA 2008, S. 1351).

Dabei ist eine Gesamtbetrachtung aller Indizien vorzunehmen (BAG a. a. O.).

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Entscheidung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis nicht verlängern zu wollen, jedenfalls in demselben Gespräch mitgeteilt worden ist, in dem die Klägerin eine ärztliche Schwangerschaftsbescheinigung überreicht hat. Bereits dieses zeitliche Zusammentreffen begründet angesichts der Konstellation im vorliegenden Fall ein Indiz im Sinne des § 22 AGG. Denn die Beklagte hat zwar geltend gemacht, sie habe den Entschluss, das Arbeitsverhältnis nicht zu verlängern, bereits vor Beginn des Gesprächs gefasst, hierzu jedoch keinerlei nachvollziehbare und im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf detaillierte Angaben gemacht, aus denen ersichtlich wäre, wann und von wem diese Entscheidung getroffen worden sein soll. Zudem hat die Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen, dass sie ihre Schwangerschaft bereits am 27.10.2008 dem Objektleiter W mitgeteilt hat und hat hierfür als Beweis Vernehmung des Zeugen W sowie Vernehmung der Klägerin als Partei angeboten. Schließlich ist ein entscheidendes Indiz, dass alle anderen befristeten Arbeitsverträge außer dem der Klägerin unstreitig verlängert worden sind. Angesichts dessen hat die Beklagte gemäß § 22 AGG die Beweislast dafür, dass hierfür Überlegungen der sozialen Auswahl maßgebend gewesen sein sollen, zumal die Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen hat, dass die von der Beklagten benannte Mitarbeiterin H nur ausnahmsweise und allenfalls als Ersatzkraft in dem K -Objekt eingesetzt worden war.

Für die Klage besteht daher hinreichende Aussicht auf Erfolg.

b) Die Prozesskostenhilfe war im Hinblick auf die glaubhaft gemachten Arbeitslosengeldbezüge und im Hinblick auf die bevorstehende Geburt des Kindes der Klägerin und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen ratenfrei zu bewilligen.

Ende der Entscheidung

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