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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 5 TaBV 36/03
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 47 Abs. 4
Wird die Zahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats und des anzuwendenden Verfahren durch Tarifvertrag geregelt, so ist weder zwingend erforderlich, dass ein Wahlverfahren festgelegt wird noch dass die Wahl nach dem Prinzip der Verhältniswahlrechts erfolgt.
Tenor:

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin - Beteiligte zu 6) - wird als unzulässig verworfen.

2. Auf die Beschwerde der Beteiligte zu 4) und 5) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.01.2003 - 2 BV 54/02 - geändert.

Die Anträge der Beteiligten zu 1) - 3) werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Arbeitgeberin - Beteiligte zu 6) - ist ein bundesweit tätiges Unternehmen, in dem bei den Betriebsratswahlen im Jahre 2002 insgesamt 167 Betriebsräte gewählt wurden. Die Antragsteller zu 1), 2) und 3) sind Mitglieder von Betriebsräten in Betrieben in N . Bei den im Mai 2002 in den Betrieben des Unternehmens der Arbeitgeberin durchgeführten Betriebsratswahlen konkurrierten die Gewerkschaften ver.di, die Kommunikationsgewerkschaft D sowie die C G P und T um die zu vergebenden Betriebsratsmandate, wobei die zwei zuletzt genannten Gewerkschaften auch mit gemeinsamen Wahlvorschlagslisten antraten. Gemäß § 5 Abs. 2 des Tarifvertrages Nr. 458 vom 19.08.1994 in der Fassung des Tarifvertrages Nr. 58 vom 23.04.1999, abgeschlossen zwischen dem Vorstand der Arbeitgeberin und der D P (jetzt v ) - Bl.31 - 35 GA - wird die Zahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsrates im Unternehmen der Arbeitgeberin auf 66 begrenzt. Zur Bildung dieses Gesamtbetriebsrates wird in § 5 abweichend von der in § 47 Abs. 2 BetrVG enthaltenen Regelung festgelegt, dass die Gesamtbetriebsräte in insgesamt sechs Entsendungsbereichen gewählt werden. Gemäß § 5 Satz 1 dieses Tarifvertrages findet nach den Betriebsratswahlen in jedem Entsendungsbereich eine Versammlung statt, an der alle im Entsendungsbereich gewählten Betriebsratsmitglieder teilnehmen und deren Aufgabe es nach § 5 Abs. 6 Satz 1 des vorgenannten Tarifvertrages ist, die Mitglieder des Gesamtbetriebsrates und deren Ersatzmitglieder für den Entsendungsbereich zu bestellen. Hierzu heißt es in § 5 Abs. 6 Satz 2: "Die Entsendung der Betriebsratsmitglieder erfolgt durch Wahl mit einfacher Stimmenmehrheit." Die Entsendungsversammlung für den Entsendungsbereich N fand am 03. und 04.06.2002 statt. Hierbei wurden von den anwesenden 469 Betriebsratsmitgliedern, von denen 434 für die Gewerkschaft v , 32 der Gewerkschaft T und drei der C G P angehörten, wurden 14 Gesamtbetriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder gewählt, die sämtlich der Gewerkschaft v angehörten. Der Antragsteller zu 1) stellte in der Versammlung am 03.06.2002 den Antrag, die am 04.06.2002 stattfindenden Entsendungswahlen als Listenwahl nach dem Verhältniswahlrecht durchzuführen; dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Antragsteller zu 1) bis 3) haben mit einem am 17.06.2002 bei Gericht eingegangenen Antrag die Beschlüsse der Versammlung der Betriebsräte des Entsendungsbereichs N angefochten. Sie haben die Auffassung vertreten, dass ein von der Kommunikationsgewerkschaft D und der C G P und T vorgetragener Wahlvorschlag die konkrete Chance gehabt hätte, das 13. Gesamtbetriebsratsmandat sowie das 13. Ersatzmitgliedsmandat zu erlangen, sofern die Wahl der Gesamtbetriebsratsmitglieder dem Antrag des Antragstellers vom 03.06.2002 entsprechend im Wege der Verhältniswahl durchgeführt worden wäre. Sie haben hierzu behauptet, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten die Mitglieder dieser beiden Gewerkschaften bei einem gemeinsamen Wahlvorschlag diesen auch in der Wahl geschlossen unterstützt. Sie haben ferner die Auffassung vertreten, der ablehnende Beschluss, die Wahlen im Wege der Verhältniswahl durchzuführen, stelle einen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften dar, da die Verhältniswahl als Grundprinzip des Betriebsverfassungsrechts angesehen werden müsse. Außer bei den Wahlen in Kleinbetrieben seien die Betriebsratswahlen regelmäßig im Wege der Verhältniswahl durchzuführen. Eine Änderung dieser Vorgabe könne nur durch Gesetz erfolgen. Das Gebot der Verhältniswahl habe verfassungsrechtlichen Rang, so dass davon auch durch Tarifvertrag nicht abgewichen werden könne. Die Antragsteller haben beantragt, die Beschlüsse der Versammlung des Entsendungsbereiches N der Betriebsräte der D P W N AG vom 04.06.2002 unter Tagesordnungspunkt 8 und Tagesordnungspunkt 9, mit der sie die Wahlen der Gesamtbetriebsratsmitglieder und der Ersatzmitglieder im Wege des Mehrheitsbeschlusses vorgenommen hat, für unwirksam zu erklären. Die Beteiligten zu 4), 5) und 6) haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie haben die Auffassung vertreten, der Gesamtbetriebsrat habe entsprechend der wirksamen tariflichen Regelung die Entsendung der Betriebsratsmitglieder im Wege der Mehrheitswahl vorgenommen. Die Entsendung von Mitgliedern des Betriebsrats in den Gesamtbetriebsrat erfolge grundsätzlich nach § 47 Abs. 2 BetrVG durch Beschluss, welcher gemäß § 33 BetrVG mit der Mehrheit der anwesenden Betriebsratsmitglieder erfolge. Da schon für den Entsendungsbeschluss nach § 47 Abs. 2 BetrVG das Mehrheitswahlrecht Anwendung finde, könne insoweit für eine tarifliche Regelung, die nach § 47 Abs. 4 BetrVG zulässig sei, nichts anderes gelten. Das Arbeitsgericht hat durch einen am 10.01.2003 verkündeten Beschluss auf die Anträge der Antragsteller die unter Tagesordnungspunkt 8 und Tagesordnungspunkt 9 von der Entsendungsversammlung am 04.06.2002 gefassten Beschlüsse, mit denen die Wahlen der Gesamtbetriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder im Wege des Mehrheitsbeschlusses vorgenommen worden sind, für unwirksam erklärt. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen darauf berufen, dass für die Wahl der Mitglieder zum Gesamtbetriebsrat ebenso wie für betriebsverfassungsrechtliche Wahlen das Verhältniswahlsystem als grundlegendes Prinzip des Betriebsverfassungsrechts Anwendung finde, die entgegenstehende Regelung im Tarifvertrag sei unwirksam. Wegen der Begründung der Entscheidung wird auf den Akteninhalt (Blatt 224 - 261 d. A.) sowie - in der mit Berichtigungsbeschluss vom 26.05.2003 (Blatt 268/269 GA) korrigierten Version (Blatt 270 - 286 GA) Bezug genommen. Die ursprüngliche Version ist dem Vertreter der Beteiligten zu 4) und 5) am 22.05.2003, der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 6) am 26.05.2003 zugestellt worden, die berichtigte Version des Beschlusses ist dem Vertreter der Beteiligten zu 5) am 27.05.2003 zugestellt worden, der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 6) am 02.06.2003. Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Arbeitgeberin, die diese schriftlich am 10.06.2003 beim Landesarbeitsgericht eingelegt und am 01.08.2003 schriftlich begründet hat. Ferner haben der Beteiligte O und der beteiligte Gesamtbetriebsrat (Beteiligte zu 4) und 5)) schriftlich beim Landesarbeitsgericht am 22.06.2003 Beschwerde eingelegt, die sie am 21.08.2003 - nach Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung bis zum 22.08.2003 - schriftlich begründet haben. Die Arbeitgeberin begründet die Beschwerde damit, dass es systematisch nicht zu begründen sei, dass die Entsendung der Betriebsratsmitglieder in den Gesamtbetriebsrat im Wege der Verhältniswahl erfolgen müsse. Durch das Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 47 BetrVG bringe der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern grundsätzlich im Wege der Mehrheitswahl erfolge, wie sich aus § 33 Abs. 1 BetrVG ergebe, jedenfalls aber aus der entsprechenden Regelung im Entsendungstarifvertrag. Hinsichtlich der Zulässigkeit ihrer Beschwerdebegründung vertritt die Arbeitgeberin die Auffassung, dass erst die Zustellung der vollständig abgefassten Version des Beschlusses vom 10.01.2003 eine Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt habe, da es sich bei der am 26.05.2003 zugestellten Fassung lediglich um eine "Arbeitsversion" gehandelt habe. Die Beteiligten zu 4) und 5) wiederholen und vertiefen ebenfalls ihre Auffassung, dass weder die tarifliche Regelung noch die gesetzliche Regelung in § 47 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 BetrVG gegen höherrangiges Recht verstießen. Nach beiden Vorschriften erfolge die Entsendung der Betriebsratsmitglieder durch Mehrheitsbeschluss bzw. Mehrheitswahl. Eine Regelungslücke enthalte § 47 Abs. 2 BetrVG nicht, jedenfalls sei eine tarifliche Regelung, die eine Entsendung im Wege der Mehrheits- statt der Verhältniswahl vorsehe, nicht unwirksam. Im Übrigen habe die Arbeitgeberin zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beteiligten zu 1) bis 3) lediglich die Durchführungsbeschlüsse zur Entsendung der Gesamtbetriebsratsmitglieder angegriffen haben, nicht aber die Wahl selbst, für die entsprechenden Anträge fehle, da es an einem Wahlanfechtungsantrag fehle, das Rechtsschutzbedürfnis. Die Beteiligten zu 4), 5) und 6) beantragen, den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.01.2003 - 2 BV 54/02 - aufzuheben und den Antrag der Beteiligten 1) bis 3) zurückzuweisen. Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags. Das Beschwerdegericht hat die Gesamtbetriebsratsmitglieder in der Beschwerdeinstanz am Verfahren beteiligt. II. 1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 6)) ist unzulässig. Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 10.01.2003 ist der Arbeitgeberin in seiner ursprünglichen Version am 26.05.2003 zugestellt worden. Die Beschwerde ist nicht in der gesetzlichen Frist begründet worden, so dass sie durch die Kammer als unzulässig zu verwerfen ist, § 89 Abs. 3 Satz 1 ArbGG. Die Frist für die Begründung der Beschwerde beträgt nach der gemäß § 87 Abs. 2 ArbGG entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 66 Abs. 1 Satz 2 zwei Monate und beginnt mit der Zustellung das in vollständiger Form abgefassten Beschlusses. Da der Beschluss - in vollständiger Form abgefasst und mit Rechtsmittelbelehrung versehen - der Arbeitgeberin bereits am 26.05.2003 zugestellt worden war, lief die Frist zur Beschwerdebegründung am 26.07.2003 ab, die am 02.08.2003 eingegangene Beschwerdebegründung ist daher nicht fristgerecht erfolgt. Soweit die Arbeitgeberin darauf verweist, dass die berichtigte Version des erstinstanzlichen Beschlusses erst am 02.06.2003 zugestellt worden ist, vermag das an der Fristversäumung nicht zu ändern. Die Zustellung eines Berichtigungsbeschlusses setzt grundsätzlich keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf, maßgeblich ist in der Regel die Zustellung der unberichtigten Fassung der Entscheidung ( vgl. Zöller/Vollkommer, 23. Auflage, § 319 ZPO, Rz. 25 m. N. aus der Rechtsprechung). Ausnahmsweise ist die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses dann für die Rechtsmittelfrist maßgebend, wenn die unberichtigte Fassung der Entscheidung nicht klar genug war, um eine Grundlage für die Entschließungen und das weitere Verhalten der Partei zu bilden (BGH NJW 1995, Seite 1033). Dies gilt etwa für die Fälle, in denen erst aus der Urteilsfassung hervorgeht, welche Partei beschwert ist, gegen wen das Rechtsmittel zu richten ist oder in denen das Ausmaß des Unterliegens aus der nicht berichtigten Fassung der Entscheidung nicht zu ersehen ist. Solche Fälle einer unklaren Entscheidungsgrundlage für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens liegen hier nicht vor. Vielmehr war bereits aus der nicht berichtigten Fassung des Beschlusses vom 10.01.2003 mit hinreichender Deutlichkeit zu ersehen, welche Entscheidung das Arbeitsgericht treffen wollte und wie es diese in den wesentlichen Punkten begründen wollte. Die Entscheidungsbegründung endet dort auf Blatt 12, vorletzter Absatz mit den Worten: "Hieraus ergibt sich die Begründetheit des Antrages." Wenn sich hieran unter dem Stichwort "Altversion" eine in wesentlichen Teilen mit dem ersten Teil der Gründe übereinstimmende Entscheidungsbegründung anschließt, die ebenfalls mit den Worten endet: "Hieraus ergibt sich die Begründetheit des Antrags" und hieran unmittelbar anschließend die Rechtsmittelbelehrung erteilt wird, so kann die Beschwerdeführerin nicht geltend machen, sie sei davon ausgegangen, es habe sich hierbei insgesamt nur um einen Entwurf oder "Arbeitsversion" in der Entscheidungsbegründung gehandelt. Vielmehr war aus der vollständigen und in sich schlüssigen Entscheidungsbegründung in der ursprünglichen Fassung der Entscheidung mit beigefügter Rechtsmittelbelehrung die Entscheidung und deren Begründung klar ersichtlich, zumal es offensichtlich war, dass der mit den Worten "Arbeitsversion" beginnende Teil der Gründe auf einem Korrekturfehler beruhen musste. Es handelte sich erkennbar nicht lediglich um einen Entscheidungsentwurf des Arbeitsgerichts, der Beschwerdeführerin war dadurch ohne weiteres eine hinreichende Grundlage dafür eröffnet, sowohl über die Einlegung wie die Durchführung des Rechtsmittels zu entscheiden.

2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 4) und 5) ist an sich statthaft, sie ist in gesetzlicher Form eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Anträge der Antragsteller sind zwar zulässig, aber unbegründet, sie sind daher entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts zurückzuweisen.

3. Die Anträge sind zulässig. Sie richten sich zwar ihrem Wortlaut nach gegen "Beschlüsse der Versammlung des Entsendungsbereichs Nordrhein-Westfalen", aus der weiteren Fassung des Antragswortlauts ist jedoch ersichtlich, dass zugleich bzw. in erster Linie die von der Entsendungsversammlung vorgenommenen Wahlen für unwirksam erklärt werden sollen. Damit genügen sie der Anforderung, dass sich der Antrag auf die Feststellung der Ungültigkeit der Wahl richten und damit eine Wiederholung anstreben oder eine Korrektur des Wahlergebnisses erreichen will (vgl. Richardi/Thüsing, 8. Auflage 2002, § 19 BetrVG, Rdnr. 50).

Die Anfechtungsfrist von 14 Tagen, § 19 Abs. 1 BetrVG analog, ist im Hinblick auf den am 17.06.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag gewahrt.

1. Der Anfechtungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Wahl der Gesamtbetriebsratsmitglieder ist auf der Grundlage des Tarifvertrages Nr. 458 vom 19.08.1994 (in der Fassung des Tarifvertrags Nr. 58 vom 23.04.1999) wirksam erfolgt. Nach § 5 Abs. 6 Satz 2 dieses Tarifvertrages erfolgt die "Entsendung der Betriebsratsmitglieder ... durch Wahl mit einfacher Stimmenmehrheit". Die angefochtenen Wahlen der Entsendungsversammlung vom 04. und 05.06.2003 haben unstreitig diesem im Tarifvertrag geregelten Wahlverfahren entsprochen. Da im Tarifvertrag betriebliche bzw. betriebsverfassungsrechtliche Fragen geregelt werden, gilt der Tarifvertrag - unabhängig davon, dass er nur von der im Unternehmen mehrheitlich vertretenen Gewerkschaft abgeschlossen worden ist - für alle Betriebe der Arbeitgeberin, § 3 Abs. 2 TVG. Die Regelungsbefugnis der Tarifparteien hinsichtlich des Wahlverfahrens ergibt sich aus § 47 Abs. 4 BetrVG. Dort ist zwar grundsätzlich nur geregelt, dass durch Tarifvertrag die Mitgliederzahl des Gesamtbetriebsrats abweichend von Absatz 2 Satz 1 geregelt werden kann. Wird jedoch wie im vorliegenden Fall für die 167 vorhandenen Betriebe des Unternehmens statt einer Zahl von über 300 Gesamtbetriebsratsmitgliedern, wie sie sich aus der gesetzlichen Regelung in § 47 Abs. 2 BetrVG ergeben würde, eine erheblich geringere Zahl von Gesamtbetriebsratsmitgliedern - vorliegend 66 - in dem Tarifvertrag festgelegt, so ergibt sich daraus zugleich, dass nicht mehr die einzelnen Betriebsräte die Entscheidung über die Entsendung der Gesamtbetriebsratsmitglieder treffen können, sondern ein übergeordnetes Gremium, an dem die einzelnen Betriebsräte zu beteiligen sind. Insoweit ergibt sich die Regelungskompetenz für die Tarifparteien hinsichtlich der Bildung des Gesamtbetriebsrats durch eine Entsendungsversammlung wie im vorliegenden Fall sowie eine Aufteilung der Entsendungskompetenz auf verschiedene Regionalbereiche ebenfalls aus dem Tarifvertrag als unmittelbar im Zusammenhang mit der verminderten Mitgliederzahl stehenden Annexkompetenz.

Das auf diese Weise geschaffene, für die Entsendung der verringerten Anzahl von Gesamtbetriebsratsmitgliedern zuständige Gremium könnte - wenn ein bestimmtes Wahlverfahren nicht geregelt ist, wofür nach dem Gesetz keine zwingende Notwendigkeit besteht - die Entsendung der Gesamtbetriebsratsmitglieder durch einfachen Beschluss vornehmen. Insoweit gilt grundsätzlich nichts anderes als für den Einzelbetriebsrat, welcher nach § 47 Abs. 2 BetrVG Mitglieder des Gesamtbetriebsrats "entsendet". Für diese Entsendung gilt nach ganz überwiegender Auffassung das Mehrheitsprinzip, welches für die Beschlussfassung von Betriebsräten gemäß § 33 BetrVG grundsätzlich maßgeblich ist (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, 21. Auflage 2002, § 47, Rn. 36; ErfK/Eisemann, 2. Auflage 2001, § 47 BetrVG Rn. 15). Wird demgegenüber durch Tarifvertrag wie vorliegend nicht die Entsendung durch einfachen Beschluss des Entsendungsgremiums, sondern durch Wahl geregelt, so ist zunächst fraglich, ob die durch § 47 Abs. 4 BetrVG eröffnete Regelungskompetenz, die ausdrücklich nur die Regelung einer abweichenden Mitgliederzahl durch Tarifvertrag erlaubt, auch eine solche Regelung zulässt. Ist dies nicht der Fall, so verbleibt es ohnehin bei dem dann für das Entsendungsgremium anwendbaren, aus einer entsprechenden Anwendung von § 33 BetrVG folgenden Mehrheitsprinzip. Im Übrigen spricht entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nichts dafür, dass die Entsendung, wenn sie anders als im Beschlusswege erfolgen würde, im Wege der Verhältniswahl durchzuführen ist. Eine im Wege der Auslegung oder Analogie auszufüllende Regelungslücke besteht, wenn der Tarifvertrag wie im vorliegenden Fall das Wahlverfahren regelt, nicht. Die vom Arbeitsgericht getroffene Unterscheidung zwischen Organisationsentscheidungen des Betriebsrats, die insbesondere der Besetzung von Organen der Betriebsverfassung dienen und sonstigen Beschlüssen des Betriebsrats sowie die Auffassung, dass nur die letzteren Beschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip des § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfolgen könnten, findet im Gesetz keinen Niederschlag. Schon die Annahme des Arbeitsgerichts, dass das Verhältniswahlsystem ein grundlegendes und für alle Bereiche des Betriebsverfassungsrechts durchgängig maßgebliches Prinzip sei, vermag nicht zu überzeugen. Denn für einen erheblichen Teil der Betriebsratswahlen, nämlich für die Betriebsratswahlen in Betrieben mit in der Regel fünf bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern, darüber hinaus in Betrieben bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern, sofern dies vom Wahlvorstand und dem Arbeitgeber vereinbart ist, erfolgt die Wahl "nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl", (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, § 14a Abs. 1, 5 BetrVG in der Fassung der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes aus dem Jahre 2001). Anders als nach der früheren Gesetzesfassung hat daher die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes dazu geführt, dass bereits die Wahlen zum Betriebsrat zu einem nicht unerheblichen Teil nach dem Mehrheitswahlprinzip durchgeführt werden und nicht nach dem Verhältniswahlprinzip. Soweit für die Besetzung von Ausschlüssen eine Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu erfolgen hat, wie es in § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG und entsprechend auch für vom Gesamtbetriebsrat gebildete Ausschüsse auf Grund der Verweisungsvorschrift des § 51 Abs. 1 BetrVG geregelt ist, ergibt sich daraus jedenfalls kein durchgängiges und grundlegendes Prinzip der Verhältniswahl im Betriebsverfassungsrecht. Entsprechendes gilt für die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Dass insoweit eine gesonderte Wahl von Ersatzmitgliedern im Wege der Mehrheitswahl grundsätzlich nicht zulässig ist, weil dadurch der bei der Wahl bestehende Listenschutz unterlaufen würde (BAG vom 25.04.2001, AP Nr. 8 zu § 25 BetrVG 1972), ergibt sich auch daraus, dass für diesen speziellen Fall das Verhältniswahlprinzip ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Grundsätzlich ist der Schutz von Minderheiten nur in dem Umfang, in dem er durch ausdrückliche gesetzliche Regelung gewährleistet ist, zu verwirklichen. Für eine darüber hinausgehende Anwendung des Verhältniswahlprinzips in allen nicht ausdrücklich geregelten Bereichen des Betriebsverfassungsrechts ist angesichts der unterschiedlichen Regelungsgegenstände, in den einmal das Mehrheitsprinzip und einmal das Verhältniswahlprinzip vorherrschen, im Betriebsverfassungsrecht kein Raum. Erst recht gilt dies für den vorliegenden Fall, wo das Betriebsverfassungsrecht den Tarifparteien die Möglichkeit einer eigenständigen Regelung eröffnet, sofern man davon ausgeht, dass § 47 Abs. 4 BetrVG auch die Regelung des Wahlverfahrens durch die Tarifparteien zulässt. In diesem Fall können die Tarifparteien von ihrer Regelungskompetenz in der Weise Gebrauch machen, dass sie sich für die Anwendung eines der beiden Prinzipien - im vorliegenden Fall des Verhältniswahlprinzips - entscheiden und dieses ausdrücklich vorschreiben. Nach allem musste der Antrag der Antragsteller unter Aufhebung der Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

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