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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 379/05
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 3
GVG § 17 Abs. 2
ZPO § 302
Die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung macht den Erlaß eines Vorbehaltsurteils jedenfalls dann erforderlich, wenn die Aufrechnungsforderung zugleich Gegenstand einer Widerklage ist, die an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit verwiesen worden ist.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 13.01.2005 - 3 Ca 342/03 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.345,98 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2003 unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung mit den Gegenforderungen, die Gegenstand des Rechtsstreits bei dem Landgericht Bonn - 10 0 51/04 - sind, zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/3, der Beklagte zu 2/3.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe: I. Die Parteien streiten über rückständige Vergütungsansprüche des Klägers aus seiner Tätigkeit als Übungsleiter für den beklagten Sportverein für die Zeit von Januar 2000 bis Oktober 2002. Von der erneuten Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.01.2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zwischen den Parteien sei jedenfalls mit dem Eintritt des Klägers in den Vorstand des Beklagten ab Januar 2000 konkludent eine ehrenamtliche und damit unentgeltliche Übungsleitertätigkeit vereinbart worden. Etwaige Ansprüche seien auch verwirkt. Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 13.01.2005 zu verurteilen, an ihn 6.084,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 178,95 EUR seit dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. 1. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist. 2. Das Rechtsmittel hat auch teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis als Übungsleiter, das nach dem rechtskräftigen Teilurteil des Arbeitsgerichts zum 31.10.2002 beendet wurde, noch eine restliche Vergütung für 34 Monate in Höhe von 4.345,98 € zu. Wegen der Hilfsaufrechnung des Beklagten mit rechtswegfremden Gegenansprüchen war über die entscheidungsreife Klageforderung durch Vorbehaltsurteil nach § 302 Abs. 1 ZPO zu erkennen und der Rechtsstreit im Übrigen bis zur Entscheidung über die anderweitig anhängigen Gegenforderungen auszusetzen. Im Einzelnen gilt Folgendes: a. Der Kläger kann für seine Tätigkeit als Übungsleiter eine Vergütung von monatlich 127,82 € (früher 250,-- DM) für die Zeit von Januar 2000 bis einschließlich Oktober 2002 gemäß § 611 Abs. 1 BGB beanspruchen. Die ursprünglich 350,-- DM betragende Vergütung war aufgrund einer Änderungsvereinbarung der Parteien von Januar 1998 (Kopie Bl. 78 d.A.) auf 250,-- DM reduziert worden. Ob die Vereinbarung insgesamt (vereins-)rechtlich wirksam geworden ist, also auch bezüglich des bis Ende 1997 festgestellten Rückstands von 3.500,-- DM und der jährlichen Spendenbescheinigungen über 2.000,-- DM, mag dahinstehen. Jedenfalls müssen sich beide Seiten an der Vereinbarung bezüglich der verminderten Übungsleitervergütung ab Anfang 1998 nach § 242 BGB aus Gründen des Vertrauensschutzes festhalten lassen. Die jetzige Berufung auf eine Rechtsunwirksamkeit der damaligen Vereinbarung verstößt gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Denn die Vereinbarung ist insoweit auch tatsächlich umgesetzt worden, indem der Kläger ab Anfang 1998 regelmäßig 250,-- DM monatlich ausgezahlt erhielt. Die zugrunde gelegte Zahlungspflicht entspricht im Übrigen den Feststellungen einer vom Vorstand des Beklagten eingesetzten Arbeitsgruppe vom 10.04.2002 (Kopie Bl. 246 d.A.). In deren Bericht heißt es u.a.: "ab 01/1998 gilt: monatlich 250,-- DM plus Spendenquittung jährlich über 2.000,-- DM". Auch wenn diese Feststellungen den Beklagten nicht unmittelbar rechtlich binden können, so machen sie doch deutlich, dass sachkundige Vereinsmitglieder, u.a. der ehemalige Schatzmeister und der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, von einer Vergütungspflicht in diesem Umfang ausgegangen sind. Beide Seiten sind an die jahrelang praktizierte Vereinbarung vom Januar 1998 gebunden, wonach die Übungsleitervergütung bis auf weiteres nur mehr 250,-- DM betrug. Die Vergütung stand dem Kläger auch nach dem Eintritt in den Vorstand des Beklagten mit der Funktion als Schatzmeister ab Januar 2000 zu. Mit der Übernahme dieses Ehrenamts im Vorstand der Beklagten hat der Kläger keineswegs konkludent auf sein Ansprüche aus dem daneben weiter bestehenden Arbeitsverhältnis als Übungsleiter verzichtet, wie das Arbeitsgericht angenommen hat. Die Nichtzahlung der laufenden Vergütung erfolgte nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers wegen der finanziell schwierigen Lage des Beklagten. Im Hinblick auf seine eigene Vereinsmitgliedschaft und Vorstandstätigkeit sah er dann zunächst davon ab, seine Forderungen gerichtlich durchzusetzen, legte jedoch weiter Wert auf eine "Gesamtlösung". Dies veranlasste den Vorstand in seiner Sitzung vom 28.03.2002, die Arbeitgruppe u.a. zur Klärung des "Sachverhalts einzusetzen. Mit Rücksicht auf diesen Geschehensablauf kann von einem Verzicht des Klägers oder einer Verwirkung der Ansprüche keine Rede sein. Es fehlt jedenfalls an dem neben dem Zeitablauf notwendigen Umstandsmoment, welches bei dem Anspruchsgegner das Vertrauen darauf begründet, der Anspruchsberechtigte werde dauerhaft auf die Durchsetzung seiner Ansprüche verzichten. Die Einsetzung und der Bericht der Arbeitsgruppe des Beklagten belegen das Gegenteil. Darin heißt es u.a.: "Es besteht immer noch ein Nachzahlungsanspruch zugunsten von dessen Höhe noch ermittelt worden muss". Auf ein Vertrauen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, kann sich der Beklagte daher nicht berufen, zumal er regelmäßig die Zuschüsse für die Übungsleitertätigkeit des Klägers beim Landessportbund beantragt hat. Die weitergehende Klage, der eine monatliche Vergütungsforderung von 350,-- DM zugrunde liegt, ist nach dem Ausgeführten unbegründet. Ob und inwieweit dem Kläger Nachzahlungsansprüche für die Zeit vor Januar 2000 zustehen, war nicht zu entscheiden. b. Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Weitergehende Zinsen stehen dem Kläger nicht zu, weil der Beklagte erst mit Klageerhebung am 05.06.2003 in Verzug geraten ist. Bis zu diesem Zeitpunkt muss von einer stillschweigend vereinbarten Stundung der Ansprüche ausgegangen werden, nämlich von dem Hinausschieben der Fälligkeit der Forderungen bei weiter möglicher Erfüllbarkeit (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Auflage, § 271 Rdnr. 5). Denn der Kläger hat nach seinem eigenen Vorbringen zunächst bewusst von einer Geltendmachung seiner Ansprüche abgesehen, um dem Beklagten wegen der schwierigen Finanzlage entgegenzukommen. c. Über die Hilfsaufrechnung des Beklagten mit Gegenforderungen von insgesamt 10.754,71 €, die auch Gegenstand der an das Landgericht Bonn verwiesenen Widerklage sind, konnte das Berufungsgericht derzeit nicht entscheiden. Denn die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden, weder unbestrittenen noch rechtskräftig zuerkannten Forderung ist unzulässig und macht den Erlass eines Vorbehaltsurteils erforderlich (vgl. OLG Dresden, 12.04.2000 - 6 U 3646/99 - JURIS). Etwas anderes lässt sich auch nicht aus § 17 Abs. 2 GVG entnehmen. Danach entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Die Aufrechung ist kein "rechtlicher Gesichtspunkt" in diesem Sinne, sondern ein selbstständiges Gegenrecht, das dem durch die Klage bestimmten Streitgegenstand einen weiteren selbstständigen Gegenstand hinzufügt. Gegen eine erweiternde Auslegung von § 17 Abs. 2 GVG spricht, dass die Problematik der Aufrechnung mit rechtswegfremden Gegenforderungen bei der Änderung der §§ 17 ff. GVG durch das 4. VwGO-Änderungsgesetz vom 17.12.1990 seit langem bekannt war, aber die Gesetzesmaterialien allein die Fälle alternativer und kumulativer Klagebegründungen durch verschiedene Anspruchsgrundlagen behandeln (BAG, 23.08.2001 - 5 AZB 3/01 - NZA 2001, 1158; vgl. ferner Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 302 Rz. 11; Zöller/Gummer, § 17 GVG Rz. 10 m.w.N.). Die Entscheidungszuständigkeit folgt auch nicht aus § 2 Abs. 3 ArbGG. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen auch dann für eine nicht unter die Tatbestände der Absätze 1 und 2 des § 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeit zuständig, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Damit kann zwar die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts auch für die Entscheidung über eine zur Aufrechnung gestellte rechtswegfremde Gegenforderung begründet werden (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 14.09.1994 - 2 Ta 75/94 - LAGE ArbGG 1979 § 2 Nr. 18). Das gilt jedoch nicht, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in die ausschließliche Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit fällt (vgl. BAG, 23.08.2001 - 5 AZB 3/01 - NZA 2001, 1158). Gleiches muss gelten, wenn die Aufrechnungsforderung zugleich Gegenstand einer Widerklage ist, die an ein Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit verwiesen worden ist. Wegen der Gefahr divergierender Entscheidungen muss in einem solchen Fall durch Vorbehaltsurteil im Sinne von § 302 ZPO erkannt werden. Nach der rechtskräftigen Entscheidung des zuständigen Zivilgerichts über die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen muss dann gegebenenfalls das Nachverfahren durchgeführt werden. II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO. III. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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