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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.07.2009
Aktenzeichen: 6 Ta 46/01
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 46 Abs. 2
ArbGG § 78 Abs. 1
ZPO § 3
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 924
ZPO § 936
ZPO § 567 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 611
BGB § 613
BGB § 626
BGB § 823
BGB § 1004
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 13.02.2001 - 2 Ga 14/01 - abgeändert:

1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Zwangsgeldes von 50.000,00 DM aufgegeben, den Antragsteller einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder als Leiter der Vertriebsdirektion M der CVAG und der NAV-AG innerhalb der Zweigniederlassung M nach Maßgabe des Dienstvertrages vom 12.02.1996 zu beschäftigen.

2. Der Antragsgegnerin wird ferner bei Meidung eines Zwangsgeldes von 50.000,00 DM aufgegeben, die Wiederbeschäftigung auf demselben Wege im Betrieb bekannt zu geben, der gewählt wurde, um die Mitarbeiter über die Freistellung des Antragstellers zu informierten.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

4. Der Beschwerdewert wird auf 45.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Parteien streiten über die Beschäftigung des Antragstellers im Rahmen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses.

Der Antragsteller ist aufgrund des Dienstvertrages vom 12.02.1996 (Kopie Bl. 11 ff. d. A.) als "Vertriebsdirekor" mit der Leitung der Vertriebsdirektion Makler gegen eine Vergütung von zuletzt 156.699,00 DM jährlich zuzüglich Bonifikation und Dienstwagen beschäftigt gewesen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Antragsteller leitender Angestellter im Sinne des BetrVG ist. Die Abteilung Maklervertrieb, der der Antragsteller als Leiter vorstand, besteht aus 13 angestellten Mitarbeitern.

Unter dem 05.02.2001 wurde der Antragsteller von seiner Leitungsaufgabe freigestellt, was seinen Mitarbeitern und den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern noch am selben Tag mitgeteilt wurde. Ebenfalls am 05.02.2001 wurde dem Antragsteller schriftlich angeboten, mit sofortiger Wirkung die Funktion eines Maklerbevollmächtigten der Zweigniederlassung München im Raum Nürnberg zu übernehmen. In dieser Funktion wäre er dem Leiter der Vertriebsdirektion Makler der Niederlassung München unterstellt und würde den Titel "Filialdirektor" tragen.

Die Antragsgegnerin informierte alle Mitarbeiter der Zweigniederlassung München und der Vertriebsdirektion Nürnberg über die Enthebung des Antragsteller aus seiner Position als Leiter der Vertriebsdirektion Makler mit Schreiben vom 06.02.2001 (Kopie Bl. 23 d. A.).

Mit Beschluss vom 13.02.2001 hat das Arbeitsgericht Köln die beantragte einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung und entsprechende Mitarbeiterinformation mangels hinreichenden Verfügungsgrundes zurückgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf Bl. 28 d. A. Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 21.02.2001, mit der der Antragsteller seine Anträge unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt.

Die Antragsgegnerin beantragt

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zum Hintergrund der Freistellung trägt sie vor, der Antragsteller sei bereits seit Jahren nicht in der Lage gewesen, die vorgegebenen Vertriebsziele zu erreichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die nach § 78 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 567 Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Verfügungsansprüche folgen im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung aus den §§ 611, 613, 242 BGB und im Hinblick auf die Beseitigung der Fehlinformation aus den §§ 823, 1004 BGB. Der Antragsteller hat im Rahmen des ungekündigten Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers ist die Kehrseite der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und letztlich aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers abzuleiten (vgl. BAG GS vom 27.02.1985 AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Die einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ist angesichts des Rechtscharakters der Beschäftigungspflicht als zumindest einer wesentlichen Nebenpflicht des Arbeitgebers aus den Arbeitsvertrag nur unter den Voraussetzungen des § 626 BGB als vorläufig milderes Mittel zu Vermeidung einer sofortigen außerordentlichen Kündigung zulässig (vgl. ErfK/Preis, § 6121 BGB Rdnr. 829). Die Antragsgegnerin hat mit der Beschwerdeerwiderung einen solchen Suspendierungsgrund nicht dargelegt. Allein der Hinweis auf die Nichterreichung der Vertriebsziele ist nicht geeignet, die für den Antragsteller einschneidende Maßnahme zu rechtfertigen. Auch die im Dienstvertrag enthaltene "umfassende Versetzungsklausel" vermag die Freistellung des Antragstellers nicht zu begründen. Danach hat sich die Antragsgegnerin vorbehalten, dem Antragsteller innerhalb ihres Unternehmens bei gleicher Vergütung - auch an einem anderen Ort - eine andere seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Eben das hat die Antragsgegnerin aber nicht getan. Sie hat den Antragsteller lediglich von seinen bisherigen Leitungsaufgaben entbunden, ohne hierfür einen zureichenden Grund zu haben. Ob der Arbeitsplatz, der dem Antragsteller in Nürnberg angeboten wurde, mit seinem bisherigen gleichwertig ist, kann für dieses Verfahren dahinstehen, wie die Antragsgegnerin insoweit zutreffend bemerkt hat.

Der Antragsteller hat auch einen Verfügungsgrund dargelegt und durch - ergänzende - eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht. Wegen der Befriedigungswirkung einer sogenannten Leistungsverfügung der vorliegenden Art sind allerdings besonders strenge Anforderungen zu stellen. Der Antragsteller hat darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er auf die sofortige Erfüllung seiner Ansprüche dringend angewiesen ist (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., § 940 Rdnr. 6 m.w.N.). Diesen Erfordernissen wird jedenfalls das Beschwerdevorbringen des Antragstellers gerecht.

Der Antragsteller hat insbesondere nachvollziehbar ausgeführt, dass die Versicherungsbranche sehr schnelllebig ist und sich häufig Produkte und deren Zusammensetzung ändern. Solange er nicht wieder auf seiner bisherigen Position beschäftigt wird, werden ihm die für seine berufliche Weiterentwicklung notwendigen Kenntnisse vorenthalten. Dies gilt auch und vor allem für die Veränderungen im Bestand der Maklerverbindungen, also im Bereich der Kundenbeziehungen. Je länger der Antragsteller von dem beruflichen Informationsfluss abgeschnitten ist, der untrennbar mit seiner Tätigkeit verbunden ist, desto schwieriger wird eine Wiederaufnehme seiner Arbeit nach einem etwa erfolgreichem Abschluss des bereits anhängigen Hauptsacheverfahrens sein. Ein effektiver Rechtsschutz ist unter diesen Umständen nur dadurch gewährleistet, dass der Antragsteller einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterbeschäftigt wird. Bei der gebotenen Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass der Verfügungsanspruch derzeit evident besteht (vgl. LAG Köln vom 14.06.1996 NZA 1997, 327 ff.).

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 3, 91 Abs. 1 ZPO.

IV. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nicht gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG). Auf die Möglichkeit des Widerspruchs nach den §§ 924, 936 ZPO wird hingewiesen. Der Widerspruch ist bei dem Arbeitsgericht zu erheben.

Ende der Entscheidung

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