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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.05.2006
Aktenzeichen: 7 (5) Sa 1584/05
Rechtsgebiete: GG, KSchG, BGB, TV Ratio Deutsche Telekom, MTV Telekom


Vorschriften:

GG Art. 2
GG Art. 9
GG Art. 12
KSchG § 1
KSchG § 2
BGB § 611
BGB § 613 a
BGB § 622
TV Ratio Deutsche Telekom § 3
TV Ratio Deutsche Telekom § 4
TV Ratio Deutsche Telekom § 5
TV Ratio Deutsche Telekom § 7
TV Ratio Deutsche Telekom § 11
MTV Telekom § 25
MTV Telekom § 26
1. Die nicht einvernehmlich erfolgende Versetzung eines Arbeitnehmers in den Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento der Deutschen Telekom ist nur im Wege der Änderungskündigung rechtswirksam möglich.

2. Soweit § 5 Abs. 1 TV Ratio vorsieht, dass nach Maßgabe der §§ 3 und 4 TV Ratio "identifizierte" Arbeitnehmer im Wege des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts in den Betrieb Vivento versetzt werden können, haben die Tarifvertragsparteien die ihnen zukommende tarifliche Regelungsmacht überschritten.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.08.2005, AZ 7 Ca 2131/04, abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Versetzung vom 27.11.2003 unwirksam ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung des Klägers in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V .

Der am 15.12.1957 geborene Kläger ist verheiratet und für ein Kind unterhaltsverpflichtet. In einem Sozialfragebogen vom 10.10.2003 hatte der Kläger angegeben, dass seine Ehefrau schwerbehindert und nicht erwerbstätig und seine Eltern pflegebedürftig seien.

Der Kläger steht seit dem 01.09.1972 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgängern. Der Kläger war zuletzt im Bereich Premium Front Office und Back Office der Privatkundenniederlassung West als Agent im Premium Back Office mit der Aufgabenträgernummer 22427 am Standort Köln tätig. Bei der PK NL West mit Sitz in Mönchengladbach handelt es sich um eine Organisationseinheit der Beklagten mit eigenem Betriebsrat.

Der Kläger war zuletzt in die Entgeltgruppe T 5 eingruppiert und gemäß § 26 MTV der D unkündbar.

Im Rahmen der zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat der Beklagten für das Jahr 2003 abgeschlossenen "Vereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan zur Umsetzung von Rationalisierungsvorhaben im Jahr 2003" (ZIA 2003) wurde festgelegt, dass bundesweit im Aufgabenbereich PFO/PBO (Aufgabengruppe 224) 936 Personalposten abzubauen seien. Mit der im Nachgang zum ZIA 2003 ergangenen Einzelanweisung vom 25.08.2003 wurde den acht bei der Beklagten gebildeten Privatkundenniederlassungen mitgeteilt, dass die PK NL West im Ressort PFO/PBO insgesamt 135,5 Personaleinheiten abzubauen habe. Dies soll nach Darstellung der Beklagten in der Klageerwiderung vom 12.08.2004 dazu geführt haben, dass im Bereich PBO KB, zu dem auch die für den Kläger einschlägige At-Nr. 22427 gehört, ein Personalabbau von 35,8 Personaleinheiten erforderlich gewesen sei, der sich durch kurzfristige Personalbestandsveränderungen auf 32,8 Personaleinheiten reduziert habe.

Die Beklagte schritt daraufhin zu einer "Identifizierung" im Sinne von § 3 des Tarifvertrages Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) in der Fassung vom 01.10.2003 durch eine Clearingstelle I gemäß § 4 TV Ratio. Auf den Inhalt der §§ 3 und 4 TV Ratio wird Bezug genommen.

Der Kläger gehörte zu den nach §§ 3 und 4 TV Ratio "identifizierten" Arbeitnehmern. Wegen der Einzelheiten des den Kläger betreffenden Identifizierungsverfahrens wird auf Seite 13 ff. der Klageerwiderung vom 12.08.2004 (Bl. 90 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gemäß § 3 des zuletzt maßgeblichen Arbeitsvertrages des Klägers vom 01.09.2001 (Bl. 64 f. d. A.) finden auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die für den Arbeitgeber geltenden, betrieblich - fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages lautet:

"Der Arbeitgeber behält sich vor, den Arbeitnehmer innerhalb des Unternehmens auch an einem anderen Ort zu beschäftigen, sowie ihm eine andere oder zusätzliche, seiner Eignung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen."

Mit Schreiben vom 27.11.2003 versetzte die Beklagte den Kläger auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 TV Ratio mit Wirkung zum 01.12.2003 in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V . § 5 TV Ratio über die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V lautet auszugsweise wie folgt:

Abs. 1: "Der nach den §§ 3 und 4 identifizierte Arbeitnehmer wird in die Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit (V ) versetzt. Diese Versetzung ist zumutbar und gleichwertig."

Abs. 3: "Bis zur Weitervermittlung auf einen dauerhaften Arbeitsplatz erfolgen vorübergehende Beschäftigungen, auch in Form der Zeit- bzw. Leiharbeit i. S. d. AÜG, innerhalb und außerhalb des Konzerns D . Die Beschäftigungseinsätze in Leih- und Zeitarbeit erfolgen im Regelfall wohnortnah und/oder berufsbezogen. Die bei vorübergehenden Beschäftigungen hierbei jeweils auszuübende Tätigkeit ist für den Arbeitnehmer zumutbar und gleichwertig; Einschränkungen können sich lediglich aus den Absätzen 4 bis 7 ergeben."

Gemäß § 7 Abs. 1 TV Ratio ist die Beklagte verpflichtet, "den nach den §§ 3 und 4 identifizierten und von den Regelungen des § 5 erfassten Arbeitnehmern einen anderen gleichwertigen und zumutbaren Dauerarbeitsplatz innerhalb der D bzw. der Beteiligungsunternehmen nach Anlage 7 anzubieten (interne Vermittlung)."

Gemäß § 7 Abs. 3 TV Ratio bietet die Beklagte den nach §§ 3 und 4 identifizierten Arbeitnehmern außerdem auch zumutbare Dauerarbeitsplätze außerhalb der D bzw. der Beteiligungsunternehmen nach Anlage 7 zu TV Ratio an (externe Vermittlung).

§ 7 Abs. 4 TV Ratio bestimmt:

"Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, einen ihm angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz anzunehmen und sich ggf. einer Qualifizierungsmaßnahme zu unterziehen. Lehnt der Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme bei der D bzw. einem Beteiligungsunternehmen nach Anlage 7 ab, so verliert er die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag. Lehnt der Arbeitnehmer auch ein zweites zumutbares internes Vermittlungsangebot ab, so ist dies ein wichtiger Grund im Sinne des § 24 Abs. 4 und 26 MTV, der zu einer Kündigung führen kann. Lehnt der Arbeitnehmer ein zweites externes zumutbares Angebot ab, so verliert er die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag. Lehnt der Arbeitnehmer das dritte zumutbare externe Vermittlungsangebot ab, so ist dieses ein wichtiger Grund im Sinne des § 25 Abs. 4 und 26 MTV, der zu einer Kündigung führen kann. Derartige Einzelfälle sind einer von der V festzulegenden Stelle mitzuteilen, die eine Regelung des Einzelfalls mit der Tarifvertragspartei oder einer von ihr bestimmten Stelle vor Ablauf der Zwei-Wochenfrist herbei führt."

Gemäß § 11 Abs. 1 TV Ratio scheiden in der Zeit vom 01.10.1997 bis 31.12.2004 aus Anlass von Maßnahmen im Sinne von § 1 TV Ratio betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus. Dies schließt jedoch Änderungskündigungen nicht aus. Gemäß § 11 Abs. 2 b) TV Ratio gilt der Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen nicht für Arbeitnehmer, die ein zumutbares Arbeitsplatzangebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme ablehnen.

Auf den vollständigen Inhalt des TV Ratio, auch der hier nicht auszugsweise zitierten Vorschriften, in der Fassung vom 01.10.2003 wird Bezug genommen.

Am 10.12.2003 nahm der Kläger an einer Begrüßungsveranstaltung bei V teil. Am 07.01.2004 fand das Aufnahmegespräch bei der für ihn zuständigen Vermittlungsbetreuerin statt. Im Rahmen dieses Gespräches weigerte sich der Kläger, Merkblätter zu unterschreiben, aus denen sich ergibt, dass er daran interessiert sei, externe Zeitarbeit auszuführen, an Maßnahmen zur Suche nach dauerhaften externen Arbeitsplätzen teilzunehmen und an einer dauerhaften Vermittlung zu externen Behörden bzw. externen Arbeitgebern vermittelt zu werden. Mit Anwaltsschreiben vom 26.02.2004 (Bl. 251 f. d. A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, wandte sich der Kläger gegen die Versetzung, vertrat die Auffassung, dass "eine entsprechende Maßnahme allenfalls im Wege einer Änderungskündigung vorgenommen werden" könne und lies mitteilen, dass er "Tätigkeiten für V in Zukunft nur unter Vorbehalt ausüben" werde. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 30.03.2004 (Bl. 253 f. d. A.). Am 29.04.2004 ging die vorliegende Klage beim Arbeitsgericht Bonn ein und wurde der Beklagten am 03.05.2004 zugestellt.

Ab dem 02.06.2004 wurde der Kläger nach seiner Versetzung zu V erstmals beschäftigt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Versetzung in den Betrieb V sei wegen Eingriffs in den Kernbereich des Arbeitsvertrages unzulässig. Die dies zulassenden Regelungen des TV Ratio stellten eine Umgehung zwingender Regelungen des Kündigungsschutzrechts dar.

Unabhängig davon hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass die Beklagte auch die Vorschriften des TV Ratio selbst über die Durchführung der Versetzung in den Betrieb V verletzt habe. Die Auswahlentscheidung sei ferner grob fehlerhaft und willkürlich, da die beim ihm vorliegende besondere soziale Härte, die in der Schwerbehinderung seiner nicht berufstätigen Ehefrau und dem Vorhandensein pflegebedürftiger Eltern bestehe, nicht berücksichtigt worden sei. Ferner sei eine unzutreffende Leistungsbeurteilung zugrunde gelegt worden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Versetzung vom 27.11.2003 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, da der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei, habe ihr auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 TV Ratio das Recht zugestanden, den Kläger in den Betrieb V zu versetzen. Den Tarifvertragsparteien stehe die Möglichkeit zu, die Grenzen des Direktionsrechts zu bestimmen und einen Arbeitnehmer sogar auch in die Beschäftigungslosigkeit zu versetzen. Die auf den Kläger gefallene Auswahlentscheidung der Clearingstelle habe den tariflichen Vorgaben entsprochen und sei auch materiell nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht Bonn hat mit Urteil vom 18.08.2005 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 15.11.2005 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 13.12.2005 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.01.2006 am 30.01.2006 begründen lassen.

Der Kläger wendet sich gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, er habe der ihn betreffenden Versetzung zu V nicht hinreichend zeitnah widersprochen und sein Recht, die Unwirksamkeit der Versetzung feststellen zu lassen, somit verwirkt. Nach Ansicht des Klägers fehle es für eine solche Annahme sowohl am Zeit- wie auch am Umstandsmoment sowie daran, dass die Beklagte nicht vorgetragen habe, welche konkreten Dispositionen sie wegen des vermeintlichen Vertrauens darauf, dass der Kläger der Versetzung nicht (mehr) widersprechen werde, vorgenommen oder unterlassen habe.

Darüber hinaus hält der Kläger an seiner Ansicht fest, dass die Versetzung schon aus grundsätzlichen Erwägungen unwirksam sei. Die tarifvertragliche Gestaltung des Direktionsrechts, wie sie in § 5 TV Ratio enthalten sei, sei mit den Wertungen des § 2 KSchG nicht in Einklang zu bringen. Die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien finde ihre Grenze im entgegenstehenden Gesetzesrecht. Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestschutz des Arbeitnehmers stehe nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien, auch wenn diesen ein größerer Gestaltungsspielraum zustehen möge als den Arbeitsvertragsparteien selbst. Gleichwohl dürfe nicht in den durch die Kündigungsschutzvorschriften gesicherten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses durch tarifliche Regelung eingegriffen werden.

Letzteres sei durch die Versetzung zu V jedoch geschehen. Dies folge schon daraus, dass der Kläger im Betrieb V keinen Beschäftigungsanspruch habe. Dieser sei vielmehr ohne zeitliche Begrenzung oder tariflich näher festgelegter Höchstdauer suspendiert.

Durch die Versetzung werde sein Arbeitsverhältnis wesentlich und dauerhaft modifiziert. Lehne er ihm angebotene interne oder externe Arbeitsplätze ab, verliere er die Ansprüche aus den TV Ratio und riskiere insbesondere auch eine außerordentliche Kündigung. Scheitere eine interne Vermittlung auf einen gleichdotierten Arbeitsplatz, könne er auch ohne zeitliche Höchstbegrenzung auf einen Dauerarbeitsplatz mit geringerer Bezahlung versetzt werden. Bis ein dauerhafter Arbeitsplatz gefunden werde, sei er gegebenenfalls verpflichtet, Zeit- und Leiharbeit innerhalb und außerhalb des Konzerns durchzuführen. Durch die Versetzung zu V werde er, der Kläger letztlich dazu verpflichtet, aktiv an der Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses mitzuwirken.

In Anbetracht des Umstands, dass er, der Kläger verpflichtet werden solle, aktiv an der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mitzuwirken, habe die Beklagte auch die betrieblichen Gründe für die Versetzung schlüssig darlegen müssen, was nicht geschehen sei. Die vorgenommene Sozialauswahl sei anzuzweifeln. Schließlich werde durch die Versetzung zu V auch das für ihn maßgebliche Gehaltgefüge geändert.

Ergänzend beruft sich der Kläger auf Entscheidungen anderer Gerichte zu vergleichbaren Sachverhalten, nämlich des LAG Sachsen-Anhalt vom 28.06.2005, des LAG Brandenburg vom 30.06.2005 (- 9 Sa 79/05 -), des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 15.04.2004, des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.03.2004 (- 4 Ca 11364/03 -), des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.12.2004 (- 9 Ca 6510/04-) und des Arbeitsgerichts Eisenach vom 20.09.2005.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.08.2005, - 7 Ca 2131/04 - festzustellen, dass die Versetzung vom 27.11.2003 unwirksam ist.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte meint, es sei letztlich von einer einverständlichen Hinnahme der Versetzung durch den Kläger auszugehen, da er nicht zeitnah der Versetzung widersprochen habe. Die Versetzung sei für den Kläger nicht überraschend gekommen, da er bereits unter dem 10.10.2003 den vorbereitenden Sozialfragebogen ausgefüllt habe. Nach Zugang der Versetzungsmitteilung habe er an für V -Mitarbeiter bestimmten Veranstaltungen teilgenommen. Ob der Kläger im Rahmen des Vermittlungsgesprächs im Januar 2004 der Versetzung bereits mündlich widersprochen habe, sei für sie, die Beklagte nicht feststellbar, aber auch unerheblich, da die Vermittlungsmitarbeiterin im Betrieb V für einen solchen Widerspruch nicht die zuständige Ansprechperson gewesen sei. Auch in dem Anwaltsschreiben vom 26.02.2004 sei bei wohlwollendster Auslegung kein Widerspruch zu sehen. Darüber hinaus unterliege sein Begehren auch der Prozessverwirkung, da er bis zur Klageerhebung nahezu fünf Monate gewartet habe.

Darüber hinaus wendet sich die Beklagte gegen die Bedenken des Klägers zur materiellen Wirksamkeit der Versetzung. Sie macht geltend, dass den Tarifvertragsparteien im Rahmen des Artikel 9 Abs. 3 GG ein weiter Regelungsspielraum zustehe. Wie in einem Großunternehmen Personalbedarfsfragen, Rationalisierungsabläufe und deren möglichst gleichmäßige Umsetzung bei Absicherung einer größtmöglichen Zahl von Arbeitplätzen zu bewältigen seien, bedürfe der Einschätzung und Bewertung zahlreicher betrieblicher und außerbetrieblicher Umstände. Aufgrund der Kenntnisse und Erfahrungen der Tarifvertragsparteien sei zu vermuten, dass mit den Tarifregelungen von der Beurteilungsprärogative ein sachgerechter Gebrauch gemacht und ein angemessenes Ergebnis erzielt worden sei.

Auch den Wertungen des Kündigungsschutzrechts sei hinreichend Rechnung getragen. Voraussetzungen und Auswahlregeln orientierten sich an den Maßstäben des Kündigungsschutzgesetzes. Zu beachten sei, dass die Mitarbeiterauswahl zur Versetzung nach V eine grundsätzlich andere Fragestellung betreffe, da es dabei nicht um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, sondern um dessen Fortsetzung bei weitest möglicher Bestandssicherung gehe. Die tariflichen Sicherungen gingen dabei weit über den gesetzlichen Standard hinaus. Die Wertung, dass der Kläger verpflichtet werde, aktiv an der Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses mitzuwirken, sei schlechterdings unerfindlich. Dass sich während einer vorübergehenden Phase der Qualifizierung und Beschäftigungsvermittlung auch Zeiten ohne unmittelbare Beschäftigung ergeben könnten, liege in der Natur der Sache und sei durch den Tarifzweck gedeckt. Entscheidend sei letztlich, dass die Versetzung nach V eben nicht über den Bestand des Arbeitsverhältnisses befinde.

Sie, die Beklagte habe auch im Einzelnen dargelegt, welche Veränderungen die Personalsituation im früheren Beschäftigungsbereich des Klägers erfahren habe. Wenn die Beklagte aus marktbedingten Gründen die Entscheidung getroffen habe, in dem Aufgabenbereich, in dem auch der Kläger tätig gewesen sei, insgesamt 936 Stellen zu reduzieren, habe der Kläger dies als unternehmerische Entscheidung, die weder willkürlich, noch offensichtlich unsachlich oder nicht umsetzbar sei, hinzunehmen. Auch das Clearingverfahren sei ordnungsgemäß abgelaufen und in seinem Rahmen seien die sozialen Komponenten sach- und tarifgerecht bewertet worden.

Ergänzend wird auf den vollständigen Inhalt der Klagebegründung, der Klageerwiderung sowie der weiteren Schriftsätze des Klägers vom 14.03.2006 und der Beklagten vom 12.04.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers hat auch Erfolg. Die mit Schreiben der Beklagten vom 27.11.2003 mit Wirkung zum 01.12.2003 vorgenommene Versetzung des Klägers von seiner Arbeitsstelle als Agent im Premium Office der Privatkundenniederlassung West in den Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb V ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts unwirksam.

Für die im Wege des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts einseitig vorgenommene Versetzungsanordnung fehlt es an einer tragfähigen Rechtsgrundlage.

1. Die Versetzung des Klägers zum Betrieb V kann nicht mit der in § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages in der Fassung vom 01.09.2001 enthaltenen Versetzungsklausel gerechtfertigt werden. Dies ist zwischen den Parteien letztlich unstreitig. Auch die Beklagte selbst hat sich nicht auf den arbeitsvertraglichen Versetzungsvorbehalt berufen.

a. § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages erlaubt es der Arbeitgeberin, dem Kläger "eine andere oder zusätzliche, seiner Eignung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen". Diese Arbeitsvertragsklausel berechtigt die Arbeitgeberin zu entsprechenden Versetzungen "innerhalb des Unternehmens".

b. Bei der Versetzung des Klägers in den Betrieb V geht es jedoch nicht darum, dass der Kläger in dem Betrieb, in den er versetzt wird, also bei V eine andere Tätigkeit als bisher verrichten soll, die seiner Eignung und seinen Fähigkeiten entspricht. Zweck der Versetzung in den Betrieb V ist vielmehr eine Weitervermittlung des Klägers auf einen anderen Arbeitsplatz innerhalb oder außerhalb des Unternehmens, ggf. die Qualifizierung des Klägers für solche anderweitigen Arbeitsplätze sowie die Überbrückung des Zeitraums bis zum Erfolg der Vermittlungsbemühungen, sei es durch die verschiedenartigsten Arbeitseinsätze innerhalb und außerhalb des Unternehmens, sei es auch in Form der Leiharbeit, oder auch durch Zeiten der Nichtbeschäftigung.

c. Stellte man stattdessen nicht auf die Verhältnisse während der Zeit der Zuweisung des Klägers zum Betrieb V ab, sondern auf das bei V angestrebte Vermittlungsziel, also die Zuweisung eines neuen Dauerarbeitsplatzes selbst, so bedarf es hierzu, sofern kein einvernehmliches Handeln der Parteien erfolgt, zumindest einer weiteren Versetzung, die vorliegend nicht in Rede steht. Abgesehen davon beschränkt § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags den Versetzungsvorbehalt ausdrücklich auf Tätigkeiten "innerhalb des Unternehmens", während die Vivento zugeordneten Mitarbeiter gerade auch auf Arbeitsplätze außerhalb des Unternehmens - sei es bei anderen Konzernunternehmen, sei es sogar außerhalb des Konzerns - sollen weitervermittelt werden können.

d. Abgesehen davon impliziert ein Versetzungsvorbehalt wie der in § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages enthaltene auch die Zuweisung einer neuen Tätigkeit, die sich auf dem Wertigkeitsniveau der arbeitsvertraglich vereinbarten bisherigen Tätigkeit bewegt (Küttner/Reinecke, Personalbuch 2005, Stichwort Versetzung, Rdnr. 6). Auch diese Versetzungsvoraussetzung kann vorliegend nicht festgestellt werden; denn der Einsatz des Klägers im Betrieb V ist nicht auf eine bestimmte Tätigkeit hin ausgerichtet, kann auch in Form der Leih- und Zeitarbeit erfolgen, von der es in § 5 Abs. 3 S. 2 TV Ratio nur heißt, dass diese "im Regelfall wohnortnah und/oder berufsbildbezogen" zu erfolgen hat, und kann schließlich sogar auch Zeiten der Nichtbeschäftigung beinhalten.

2. Die Versetzung des Klägers in den Betrieb V ist jedoch auch nicht durch § 5 Abs. 1 TV Ratio gerechtfertigt. Indem die Tarifvertragsparteien in § 5 Abs. 1 TV Ratio angeordnet haben, dass der nach Maßgabe der §§ 3 und 4 TV Ratio "identifizierte" Arbeitnehmer im Wege des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts in den Betrieb V versetzt werden kann, haben sie die ihnen zukommende tarifliche Regelungsmacht überschritten. Das Berufungsgericht schließt sich insoweit den Ausführungen des LAG Brandenburg in seinem Urteil vom 30.06.2005, ZIP 2006, 392 ff., an.

a. Zwar steht den Tarifvertragsparteien aufgrund Artikel 9 Abs. 3 GG grundsätzlich das Recht zu, das arbeitgeberseitige Direktionsrecht näher zu definieren (vgl. z. B. BAG vom 10.07.2003, AP TV AL II § 9 Nr. 6). Die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien findet jedoch ihre Grenze in entgegenstehendem Gesetzesrecht (BAG vom 25.02.1998, - 7 AZR 641/96 -; BAG vom 31.07.2002, - 7 AZR 140/01 -). In Fragen des Bestandsschutzes von Arbeitsverhältnissen, der sich auch auf den Schutz von Vertragsbedingungen vor einseitigen Eingriffen des Arbeitgebers erstreckt, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Mindestschutz der Arbeitnehmer unverzichtbar. Dieser aus Artikel 12 Abs. 2 GG und Artikel 2 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht hat der staatliche Gesetzgeber durch den Erlass des Kündigungsschutzgesetzes Rechnung getragen. Dementsprechend muss eine tarifvertragliche Gestaltung des Direktionsrechts mit den Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere mit den Wertungen des § 1 Abs. 3 KSchG und des § 2 KSchG in Einklang stehen (LAG Brandenburg, ZIP 2006, 393; KR-Rost, 7. Auflage, § 2 KSchG Rz. 54 a ff.; APS/Künzel, 2. Auflage, § 2 Rz. 99). Ein tarifvertraglich begründetes Leistungsbestimmungsrecht darf nicht zur Umgehung oder Ausschaltung zwingender Kündigungsschutzbestimmungen führen, die auch einen Schutz vor grundlegenden Änderungen der Arbeitsbedingungen beinhalten (LAG Brandenburg a. a. O.; vgl. auch BAG AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge Papierindustrie). In den kündigungsschutzrechtlich gesicherten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses darf aufgrund einer tariflichen Regelung nicht eingegriffen werden (BAG vom 16.12.2004, - 6 AZR 658/03; LAG Brandenburg ZIP 2006, 394).

b. Die Versetzung des Klägers in den Betrieb V führt zu einer nachhaltigen und grundlegenden Veränderung im Kernbereich der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten des Klägers.

aa. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts kann bei der Überprüfung der Rechtswirksamkeit der streitigen Versetzung nicht zwischen der Maßnahme der Versetzung nach § 5 Abs. 1 TV Ratio als solcher und etwaigen weiteren, nach erfolgter Versetzung vorzunehmenden Direktionsmaßnahmen der Beklagten unterschieden werden, wie z. B. die Zuweisung eines Leiharbeitseinsatzes oder auch die vorübergehende Nichtbeschäftigung. Für die Entscheidung über die Wirksamkeit der Versetzungsmaßnahme ist darauf abzustellen, welche Möglichkeiten und weiteren Direktionsbefugnisse dem Arbeitgeber aufgrund der Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers zum Betrieb V eingeräumt werden. Es ist auf den Zuschnitt der Rechte und Pflichten eines dem Betrieb V zugehörigen Arbeitnehmers abzustellen, so wie er sich aus Wortlaut und Intention der Regelungen des TV Ratio ergibt. Räumt der Tarifvertrag dem Arbeitgeber gegenüber den dem Betrieb V angehörigen Arbeitnehmern grundsätzlich das Direktionsrecht ein, z. B. externe Arbeiten als Leiharbeitnehmer verrichten zu lassen, so gehört diese Befugnis zu den charakteristischen Merkmalen des Versetzungsergebnisses und ist bei der Überprüfung der Wirksamkeit der Versetzungsmaßnahme in Rechnung zu stellen.

bb. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob § 5 Abs. 1 TV Ratio bereits deshalb als mit den Kerngrundsätzen des § 2 KSchG unvereinbar anzusehen ist, weil der Beklagten gegenüber den im Betrieb V angesiedelten Arbeitnehmern auch das Recht eingeräumt wird, diese vorübergehend, jedoch für einen nicht näher definierten Zeitraum, beschäftigungslos zu lassen (so Arbeitsgericht Düsseldorf vom 10.03.2004, 4 Ca 11364/03). Allerdings ist nicht zu verkennen, dass diese Befugnis bereits einen schwerwiegenden Eingriff in den Grundbestand der Arbeitnehmerrechte im bisherigen Arbeitsverhältnis darstellt.

cc. Nach Auffassung des Berufungsgerichts wiegt der Umstand schwerer, dass der Arbeitgeberin gemäß § 5 Abs. 3 TV Ratio gegenüber den in V angesiedelten Arbeitnehmern das Direktionsrecht eingeräumt wird, diese auch in Leih- und Zeitarbeit innerhalb und außerhalb des Konzerns Deutsche Telekom einzusetzen, wobei der Tarifvertrag lediglich vorgibt, dass solche Beschäftigungseinsätze "im Regelfall wohnortnah und/oder [!] berufsbildbezogen" zu erfolgen haben. Wie nicht zuletzt § 613 a Abs. 6 BGB zeigt, soll in einem bestehenden Arbeitsverhältnis eine Auswechslung des Arbeitgebers nicht gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers erfolgen können. Bei einem Einsatz eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer wird zwar nicht die Arbeitgeberstellung als solche auf einen fremden Arbeitgeber übertragen, wohl aber die Befugnis, im Arbeitsalltag das arbeitgeberseitige Direktionsrecht auszuüben. Die Ausübung des Direktionsrechts stellt jedoch eine der wesentlichsten Ausprägungen der Arbeitgeberstellung dar. Auch in arbeitssoziologischer Hinsicht erscheint die Tätigkeit als Leiharbeitnehmer grundlegend anders strukturiert als die eines "normalen" Arbeitnehmers, der seine Tätigkeit im Rahmen einer von seinem Vertragsarbeitgeber organisierten Betriebsgemeinschaft zu erbringen hat. Für einen Arbeitnehmer, dessen arbeitsvertraglich geregelte Rechte und Pflichten darauf gerichtet sind, seine Tätigkeit für und im Unternehmen des Vertragsarbeitgebers zu verrichten, stellt die Erweiterung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts dahingehend, dass fortan auch die Zuweisung von unternehmensexterner Leiharbeit möglich sein soll, einen Eingriff in den Grundbestand seiner Rechte dar.

dd. Des weiteren erhält die Arbeitgeberin die Befugnis, die in V beschäftigten Arbeitnehmer zur Teilnahme auch an solchen Qualifizierungsmaßnahmen zu verpflichten, die gerade nicht der (Weiter-) Qualifizierung des Arbeitnehmers für seine bisherige, arbeitsvertraglich geregelte Tätigkeit oder wenigstens eine andere mögliche Tätigkeit im Unternehmen seines Vertragsarbeitgebers dienen.

c. Entscheidend erscheint aber letztlich Folgendes:

aa. Erklärtes Ziel der Zuweisung eines Arbeitnehmers zum Betrieb V ist die Vermittlung des betroffenen Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz als bisher und - soweit diesem Ziel dienend - die (Weiter-) Qualifizierung des Arbeitnehmers. Dieses Vermittlungsziel, dem die gesamte Gestaltung des Einsatzes eines Arbeitnehmers im Betrieb V untergeordnet ist, beschränkt sich jedoch gerade nicht auf Arbeitsplätze im Unternehmen des Vertragsarbeitgebers, sondern bezieht sich gleichrangig auch auf die Vermittlung in anderen Unternehmen des Konzerns, die sogenannten Beteiligungsunternehmen nach Anlage 7, und darüberhinaus sogar auf externe Arbeitsplätze außerhalb des Konzerns.

bb. Die gesetzlichen Regelungen des Kündigungsschutzes sind jedoch nach bisherigem Verständnis teilweise betriebsbezogen, teilweise unternehmensbezogen ausgestaltet, jedenfalls aber - abgesehen von der hier nicht gegebenen Ausnahme eines vertraglich vereinbarten Konzernarbeitsverhältnisses - jedenfalls nicht konzernbezogen. Kündigungsschutzrechtlich handelt es sich somit nicht nur bei der Vermittlung auf konzernfremde Arbeitsplätze im Sinne von § 7 Abs. 3 TV Ratio, sondern auch auf Arbeitsplätze eines anderen Konzernunternehmens (Beteiligungsunternehmens nach Anlage 7) i. S. v. § 7 Abs. 1 TV Ratio in Wirklichkeit um eine externe Vermittlung.

cc. Die erfolgreiche Vermittlung auf einen Arbeitplatz bei einem externen Arbeitgeberunternehmen hat zugleich den Verlust des Arbeitsplatzes beim Vertragsarbeitgeber zur Folge. Gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 TV Ratio ist der V -Arbeitnehmer verpflichtet, einen ihm angebotenen zumutbaren anderen Arbeitsplatz anzunehmen und sich ggf. einer Qualifizierungsmaßnahme zu unterziehen. Lehnt der V -Arbeitnehmer ein den Regeln des TV Ratio entsprechend als zumutbar geltendes Angebot oder auch nur eine entsprechende Qualifizierungsmaßnahme ab, so hat dies nach § 7 Abs. 4 S. 2 ff. TV Ratio abgestufte Sanktionen zur Folge, die mit dem Verlust der Ansprüche aus dem TV Ratio beginnen, sich über den Verlust des besonderen Kündigungsschutzes für langjährig beschäftigte Mitarbeiter nach § 26 MTV fortsetzen und schließlich dazu führen können, dass ein zur Kündigung führender wichtiger Grund im Sinne von § 25 Abs. 4, 26 MTV vorliegen kann. Damit korrespondiert, dass gemäß § 11 Abs. 2 b) TV Ratio Arbeitnehmer, die ein zumutbares Arbeitsplatzangebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme ablehnen, von dem in § 11 Abs. 1 TV Ratio niedergelegten Verbot betriebsbedingter Kündigungen ausgenommen werden.

dd. Aus den vorstehend angesprochenen Verhältnissen folgt:

Wenn der V -Arbeitnehmer tarifvertraglich verpflichtet sein soll, auch Vermittlungsangebote an ein fremdes, wenn auch konzernangehöriges Unternehmen und sogar Vermittlungsangebote an ein konzernfremdes Unternehmen anzunehmen, überdies an Maßnahmen teilzunehmen, die ihn erst für die Vermittlung auf solche Arbeitsplätze außerhalb des Unternehmens seines Vertragsarbeitgebers qualifizieren, so ist mit der Versetzung eines Arbeitnehmers der Beklagten in deren Betrieb V zugleich dessen Verpflichtung konstituiert, aktiv an der Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses mitzuwirken. Dies hat bereits das Arbeitsgericht Mönchengladbach in seiner Entscheidung vom 15.04.2004 (3 Ca 75/04) zutreffend festgestellt.

Eine Versetzung zu V berührt somit nicht nur den inhaltlichen Kernbereich des Arbeitsvertragsverhältnisses, sondern grundlegend auch die kündigungsschutzrechtliche Stellung des Arbeitnehmers. Die Versetzung zu V birgt die unmittelbare Gefahr eines betriebsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes im bisherigen Arbeitsvertragsunternehmen.

d. Dem kann in kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht nicht entgegen- gehalten werden, dass für eine Versetzung in den Betrieb V aufgrund des in §§ 3, 4 TV Ratio geregelten Identifizierungsverfahrens ohnehin nur solche Arbeitnehmer in Betracht kommen, deren bisheriger Arbeitsplatz bereits betriebsbedingt in Wegfall geraten ist, und dass andererseits diese Arbeitnehmer nur und erst dann entlassen werden können, wenn ihnen ein nach den Kriterien des TV Ratio zumutbarer Alternativarbeitsplatz, und sei es ein solcher außerhalb des bisherigen Arbeitgeberunternehmens, angeboten werden kann.

aa. Das Berufungsgericht verkennt nicht das Grundanliegen der Tarifvertragsparteien des TV Ratio, aufgrund großflächiger Rationalisierungsmaßnahmen unvermeidlich erscheinende betriebsbedingte Entlassungen möglichst zu vermeiden oder durch die Verpflichtung der Arbeitgeberin zum Angebot eines aufgrund festgelegter Kriterien zumutbar erscheinenden Alternativarbeitsplatzes außerhalb des bisherigen Arbeitgeberunternehmens so sozialverträglich wie möglich zu gestalten.

bb. Da aber eine Versetzung in den Betrieb V nicht nur zu einer Vermittlung auf einen anderen Arbeitsplatz im Unternehmen des bisherigen Vertragsarbeitgebers führen kann und soll, sondern ebensogut zu einer Vermittlung auf einen Arbeitsplatz außerhalb des Arbeitgeberunternehmens innerhalb oder außerhalb des Konzerns, also zu einem Arbeitsplatzverlust im kündigungsschutzrechtlichen Sinne, sind bei einer solchen Versetzung kündigungsschutzrechtliche Mindeststandards einzuhalten. Dies bedingt, dass eine solche Versetzung zwingend nur entweder im Einvernehmen mit dem betroffenen Arbeitnehmer oder im Rahmen einer Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG ausgesprochen werden kann.

cc. Nur dadurch wird sichergestellt, dass der betroffene Arbeitnehmer seinen betriebsbedingten Arbeitsplatzverlust klageweise anhand der Maßstäbe des § 1 KSchG überprüfen, zugleich aber auch von der ihm gesetzlich in § 2 S. 1 KSchG eingeräumten Möglichkeit der Annahme der Vertragsänderung unter Vorbehalt Gebrauch machen kann.

dd. Ferner wird dadurch sichergestellt, dass derart gravierende Einschnitte in das bisherige Arbeitsverhältnis nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist im Rahmen der Regeln des § 622 BGB vorgenommen werden können.

ee. Die Überprüfung der Einhaltung der Maßstäbe des § 1 KSchG ist dabei durch das Gesetz den unabhängigen staatlichen Arbeitsgerichten zugewiesen. Daher können die kündigungsschutzrechtlichen Bedenken dagegen, die Versetzung in den Betrieb V einseitig im Wege arbeitgeberseitigen Direktionsrechts vornehmen zu können, nicht durch den Hinweis auf das in §§ 3, 4 TV Ratio vorgesehene Identifizierungs- bzw. Clearingverfahren beseitigt werden. So haben die Tarifvertragsparteien selbst in der Protokollnotiz zu § 3 TV Ratio festgehalten, dass es sich bei der in § 3 Abs. 3 und 4 TV Ratio vorzunehmenden Auswahlentscheidung nicht um eine Sozialauswahl im Sinne des § 1 KSchG handele. Die dem Identifizierungsverfahren zugrunde liegende Methodik stimmt auch in wesentlichen Punkten nicht mit dem Grundsatz der Sozialauswahl überein, wie er in § 1 Abs. 3 KSchG nach bisherigem Verständnis festgelegt ist. Nach der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialauswahl haben die in § 1 Abs. 3 S.2 KSchG angesprochenen Leistungskriterien nämlich nur eine Korrektivfunktion, während nach dem Identifizierungsverfahren des TV Ratio Leistungsaspekte gleichgewichtig zur (Vor-) Auswahl der in den Betrieb V zu versetzenden Arbeitnehmer beitragen.

ff. Bezeichnenderweise hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren die Auffassung vertreten, dass sie die betriebsbedingten Gründe für die den Kläger treffende Versetzungsmaßnahme nicht in gleicher Weise darzulegen habe, wie die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Dementsprechend genügt der Sachvortrag der Beklagten zu der betriebsbedingten Versetzung des Klägers in den Betrieb V auch nicht den Anforderungen an einen Sachvortrag, aus dem sich die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung im Sinne von § 1 Abs.2 KSchG ergeben soll. Die Beklagte hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt vorzutragen, dass sie die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, im Bereich PFO/PBO bundesweit 936 Personalposten abzubauen, dass dies zur Reduzierung von 135,5 Personaleinheiten im Ressort PFO/PBO bei der Privatkundenniederlassung West geführt habe und danach wiederum im Arbeitsbereich des Klägers 32,8 Personaleinheiten einzusparen gewesen seien. Es ist zwar richtig, dass unternehmerische Entscheidungen betriebsbedingter Art nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von den Arbeitsgerichten nur auf Willkür oder grobe Unsachlichkeit hin überprüft werden können. Zugleich verlangt das Bundesarbeitsgericht aber ebenso in ständiger Rechtsprechung, dass die Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen auf den Arbeitsplatz des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers sehr wohl nachvollziehbar darzulegen und von den Arbeitsgerichten auf ihre Stimmigkeit hin zu überprüfen sind (z.B. BAG BB 1997, 260). Insgesamt belegt somit schon der eigene Sachvortrag der Beklagten, dass an die betriebsbedingten Gründe für eine Versetzung in die Vermittlungseinheit V im Vergleich zu einer betriebsbedingten Kündigung ein deutlich verminderter Überprüfungsstandard zugrunde gelegt wird, obwohl durch die betriebsbedingte Versetzung zu V die betriebsbedingte Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zum bisherigen Arbeitsvertragsunternehmen unmittelbar in die Wege geleitet sein kann.

gg. Das Berufungsgericht verkennt keineswegs, dass es für einen Arbeitnehmer, der von einem betriebsbedingten Arbeitsplatzverlust betroffen ist, einen erheblichen Vorteil darstellt, erst dann und nur dann entlassen zu werden, wenn ihm bei einem Fremdunternehmen ein nach festgelegten Kriterien als zumutbar anzusehender Alternativarbeitsplatz angeboten werden kann. Andererseits bleibt aber auch zu bedenken, dass nach bisherigem kündigungsschutzrechtlichen Verständnis die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung nicht allein damit begründet werden kann, dass der bisherige Arbeitgeber dem zu entlassenden Arbeitnehmer eine zumutbare Arbeitsstelle bei einem anderen Arbeitgeber zu vermitteln bereit ist.

e. Aus alledem folgt:

Eine arbeitsrechtliche Maßnahme, die, auch wenn sie grundsätzlich von einer sozial höchst anerkennenswerten Motivation begleitet ist, so tief in den inhaltlichen Kernbestand eines Arbeitsvertragsverhältnisses eingreift und den kündigungsschutzrechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses so unmittelbar berührt wie eine Versetzung eines Arbeitnehmers der Beklagten in deren Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb V , gebietet es der grundrechtlich begründete Bestands- und Inhaltsschutz eines Arbeitsverhältnisses, dass eine solche Maßnahme, wenn sie nicht im beiderseitigen Einvernehmen getroffen werden kann, nur im Wege einer Änderungskündigung im Sinne von § 2 KSchG möglich ist.

3. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger schließlich sein Recht, die Unwirksamkeit der streitigen Versetzung vom 27.11.2003 geltend zu machen, auch nicht verwirkt.

Hierfür fehlt es insbesondere bereits am Umstandsmoment. Der Kläger hat nicht etwa an einem ihm aufgrund einer Versetzung zugewiesen Alternativarbeitsplatz geraume Zeit klaglos gearbeitet, die ihm neu übertragenen arbeitsvertraglichen Pflichten geraume Zeit klaglos erfüllt und auf diese Weise bei seinem Arbeitgeber den Eindruck erweckt, er werde gegen die Versetzungsmaßnahme entgültig keine Einwände mehr erheben. Nach der hier streitigen Versetzung zu V ist der Kläger unstreitig erstmals ab dem 02.06.2004, also bereits einige Zeit nach Klageerhebung, zur Arbeitsleistung überhaupt herangezogen worden. Zuvor hat er nur sporadisch an einzelnen Begrüßungs-, bzw. Aufnahmeveranstaltungen teilgenommen und hierbei bereits im Januar klare Einwände gegen die Konsequenzen der Versetzungsmaßnahme erhoben, indem er sich geweigert hat, bestimmte Merkblätter zu unterschreiben. Das Anwaltsschreiben vom 26.02.2004, in dem der Kläger hat formulieren lassen, dass nach seiner Meinung "eine solche Versetzungsmaßnahme nicht möglich ist", stellt überdies einen unmissverständlichen Widerspruch gegen die Versetzung dar, den die Beklagte, wie ihr Antwortschreiben vom 30.03.2004 belegt, auch als solchen verstanden hat. Es ist daher nicht ersichtlich, aufgrund welchen Umstandes die Beklagte das Vertrauen gewonnen haben soll, dass der Kläger sich endgültig nicht mehr gegen die Versetzung wehren werde.

Demnach musst die Berufung des Kläger erfolgreich sein.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG war die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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