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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 181/04
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 12
ZPO § 21
ZPO § 23
ZPO § 29
ZPO § 35
ZPO § 38
EGBGB Art. 27
EGBGB Art. 30
HGB § 84
1. Die gewerberechtliche Abmeldung der hiesigen Niederlassung eines ausländischen Unternehmens steht der Annahme der internationalen Zuständigkeit des deutschen Gerichts gem. §§ 23 und/oder 29 ZPO nicht entgegen, wenn im Zeitpunkt der Klageerhebung am alten Standort noch Vermögen vorhanden ist und Abwicklungsarbeiten durchgeführt werden.

2. Ist streitig, ob der Mitarbeiter einer türkischen Bank als Arbeitnehmer im Sinne des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts oder als Beamter bzw. beamtenähnlicher "Verwaltungsangestellter" im Sinne des türkischen Rechts anzusehen ist, so entscheidet die Frage, das Recht welchen Staates anwendbar ist, zugleich über die Begründetheit der Klage.

3. Ein Arbeitsvertrag im Sinne von Art. 30 Abs. 2 EGBGB kann ausnahmsweise dann eine "engere Verbindung zu einem anderen Staat" aufweisen, wenn Vertragspartner eine ausländische Aktiengesellschaft ist, die sich zu 99.9 % im Eigentum des ausländischen Staates befindet.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.09.2003 in Sachen 6 Ca 4109/02 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob zwischen Ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist und ob dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz eines Versorgungsschadens zusteht.

Wegen des Sach- und Streitstandes I. Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 18.09.2003 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 15.01.2004 zugestellt. Er hat hiergegen am Montag, dem 16.02.2004 Berufung einlegen und diese am 15.03.2004 begründen lassen.

Der Kläger hält an der Auffassung fest, dass das Vertragsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten als Arbeitsvertragsverhältnis zu verstehen sei. Das Arbeitsgericht habe bei der Begründung des gegenteiligen Ergebnisses die Denkgesetze verletzt. Dass der Vertrag zwischen den Parteien Vorschriften enthalte, die mit dem Wesen eines Arbeitsvertrages unvereinbar seien, spreche für deren Rechtswidrigkeit bzw. Unwirksamkeit, nicht aber gegen die Qualifizierung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertragsverhältnis. Unerheblich sei auch, ob ein Mitarbeiter krankenversichert ist oder ob ein Arbeitgeber in anderer Weise für die Gesundheitsvorsorge des Arbeitnehmers aufkommt. Maßgeblich seien vielmehr die in § 84 Abs. 1 HGB niedergelegten Kriterien für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen. Der Kläger sei als Verwaltungsangestellter einer Bankfiliale den Weisungen seines Vorgesetzten, des Filialleiters unterworfen gewesen und somit weisungsabhängig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB. Auch die Vereinbarungen über eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden, ein Brutto-Monatsgehalt in Höhe von 5.000,-- DM, die Gewährung eines Jahresurlaubs und die Kündigung des Vertragsverhältnisses stellten Indizien für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses dar.

Zu seinem Antrag zu 2) macht der Kläger geltend, dass die Beklagte nach dem Abkommen über die soziale Sicherheit von Arbeitnehmern zwischen der Bundesrepublik D und der Republik T aus dem Jahre 1965 verpflichtet gewesen sei, ihn, den Kläger spätestens 5 Jahre nach Beginn seiner Tätigkeit in D bei der Sozialversicherung zu versichern.

Sein Vertragsverhältnis, so der Kläger weiter, sei auch nicht als dasjenige eines türkischen Beamten zu qualifizieren. Die beklagte Bank sei als Aktiengesellschaft privatwirtschaftlich organisiert. Auch aus der Gewerbeummeldung der Beklagten vom 12.10.1998 ergebe sich nicht, dass es sich bei der Beklagten um einen Staatsbetrieb handele. Auch sei der dort angegebene Tätigkeitsbereich "Finanzdienstleistungen" nicht im entferntesten staatlichem Handeln zuzuordnen.

Schließlich habe die Beklagte selbst den Kläger seit 1999 vertraglich als "Idari Personel" bezeichnet, was auf einen Status als Angestellter hinweise.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 18.09.2003, 6 Ca 4109/02, zu verurteilen, festzustellen, das zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;

2. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des

Arbeitsgerichts Köln vom 18.09.2003, 6 Ca 4109/02, zu verurteilen, dem Kläger den Versorgungsschaden zu ersetzen, der durch die Nichtabführung von Rentenversicherungsbeiträgen entstehen wird.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte vertritt die Ansicht, dass das Arbeitsgericht zwar zu Recht die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers verneint, aber zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit bejaht habe. Sie, die Beklagte habe ihre operative Geschäftstätigkeit in K zum Ende März 2002 eingestellt. Damit habe im Zeitpunkt des Eingangs der vorliegenden Klage beim Arbeitsgericht Köln und erst recht im Zeitpunkt der Zustellung der Klage keine Niederlassung im Sinne des § 21 ZPO mehr in K bestanden. Zudem fehle es an einer funktional zuständigen Gerichtsbarkeit. Der Kläger sei, was die Beklagte mit umfangreichen Rechtsausführungen begründet, als türkischer Beamter zu qualifizieren. Als solcher habe er vor der türkischen Verwaltungsgerichtsbarkeit klagen müssen. Da dem Kläger eine solche Klagemöglichkeit grundsätzlich eröffnet sei, greife auch die sic-non-Rechtsprechung des BAG nicht ein, die für die Statusklagen freier Mitarbeiter entwickelt worden sei, welche keine andere Möglichkeit hätten, den Fortbestand ihrer Beschäftigung geltend zu machen, als durch eine Klage vor den Arbeitsgerichten.

Schließlich macht die Beklagte geltend, dass die Frage, ob der Kläger in einem Beamtenverhältnis oder in einem Arbeitsverhältnis tätig gewesen sei, unabhängig von der internationalen Zuständigkeit nach türkischem Recht entschieden werden müsse. Dem stünden auch die Regeln der Artikel 27, 30 EGBGB nicht entgegen. Insbesondere seien zwingende Vorschriften deutschen Rechts, aus denen ein noch bestehendes Vertragsverhältnis zwischen den Parteien gefolgert werden könne und von denen durch Rechtswahl türkischen Rechts nicht abgewichen werden könne, angesichts der Gesamtvorgänge nicht ersichtlich.

Ergänzend wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründung, der Berufungserwiderung sowie der weiteren Ausführungen des Klägers in den Schriftsätzen vom 19.10.2004 und 20.03.2006 sowie der Beklagten vom 17.04.2006 Bezug genommen. Ergänzend wird auch auf das vom Berufungsgericht informatorisch beigezogene Sachverständigengutachten Dr. R vom 18.12.2003 zum Verfahren Arbeitsgericht Köln 14 (1) Ca 7860/01 = LAG Köln 5 Sa 1427/04 hingewiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 18.09.2003 konnte jedoch keinen Erfolg haben. Die Klageanträge in ihrer in der Berufungsinstanz gestellten Form sind zwar zulässig, aber nicht begründet. Im Einzelnen:

A.1. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Arbeitsgericht Köln seine internationale Zuständigkeit für die vorliegende Klage zu Recht bejaht. Die Beklagte war zwar befugt, die Urteilsvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit auch in der Berufungsinstanz noch zu rügen (BAG, AP Nr. 13 zu § 38 ZPO, Internationale Zuständigkeit). Die Rüge greift aber nicht durch.

a. Die internationale Zuständigkeit folgt den Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Sie ist für ein deutsches Gericht zu bejahen, wenn ein allgemeiner oder ein besonderer Gerichtsstand nach den §§ 12 ff. ZPO gegeben ist.

b. Es kann dahingestellt bleiben, ob die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Köln im Zeitpunkt der Klageerhebung (noch) auf den Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 ZPO gestützt werden konnte, obwohl die Beklagte zuvor ihr Gewerbe zum 30.03.2002 abgemeldet hatte. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Köln folgt nämlich sowohl aus dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 ZPO wie auch aus dem Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 23 ZPO.

aa. Nach Artikel 2 des den Rechtsbeziehungen der Parteien zugrunde liegenden Vertrages ergibt sich, dass der Kläger seine Verpflichtungen aus dem Vertrag in K /D zu erbringen hatte. Aufgrund dieser eindeutigen vertraglichen Regelung spielt es für die Frage der Bestimmung des Erfüllungsorts keine Rolle, ob auf das vorliegende Vertragsverhältnis deutsches oder türkisches Recht anzuwenden ist. Zwar enthält Artikel 2 Abs. 3 des Vertrages der Parteien auch einen Versetzungsvorbehalt zugunsten der Beklagten. Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Vorbringen von diesem Versetzungsvorbehalt aber erst mit Wirkung zum 30.06.2002 Gebrauch gemacht. Sowohl im Zeitpunkt des Eingangs der Klage bei Gericht am 22.04.2002 als auch im Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 27.05.2002 war K somit weiterhin der Ort, an dem der Kläger seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen hatte.

bb. Ebenso ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt, dass sich in den vorgenannten Zeitpunkten auch noch Vermögen der Beklagten in K befunden hat. Ungeachtet der zum 30.03.2002 erfolgten Gewerbeabmeldung hat nicht nur der Kläger, sondern auch die Beklagte selbst vorgetragen, dass sie nach diesem Zeitpunkt in K noch Abwicklungsarbeiten vorgenommen und ihre von K aus geführten Konten zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschlossen hatte (Schriftsatz der Beklagten vom 27.06.2003, Seite 2). Insbesondere aber ist durch die Postzustellungsurkunde über die Zustellung der Klageschrift dokumentiert, dass die Beklagte noch am 27.05.2002 an der Anschrift ihrer K Niederlassung in der M 9 ein Geschäftslokal vorgehalten hat, so dass die Klageschrift einem dort tätigen Mitarbeiter/Repräsentanten der Beklagten persönlich übergeben werden konnte. Aufgrund des Umstands, dass der Kläger während des gesamten Vertragsverhältnisses mit der Beklagten bis zur Klageerhebung seine Tätigkeit in Deutschland zu verrichten hatte, weist der Rechtsstreit auch einen hinreichenden Inlandsbezug auf (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25.Aufl., § 23 Rdnr.1 m.w.N.).

2. Ebensowenig fehlt es entgegen der Auffassung der Beklagten an der "funktionalen" oder Rechtswegzuständigkeit des deutschen Arbeitsgerichts.

a. Die Rechtswegzuständigkeit folgt aus der sog. sic-non-Rechtsprechung des BAG (BAG NZA 1996, 1005; BAG BNZA 2001, 285; BAG NZA 2001, 341; ErfKomm/Koch, ArbGG, § 2 Rdnr.47 f. m.w.N.). Der Kläger möchte mit dem Feststellungsantrag zu 1.) den Vertragsstatus zwischen den Parteien dahin geklärt haben, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis im Sinne des deutschen Arbeitsrechts handelt. Die vom Kläger zur Stützung dieses Anspruchs vorgebrachten Tatsachen und Rechtsargumente sind doppelrelevant: Sie sind einerseits maßgeblich für die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, andererseits hängt von ihnen die Begründetheit des Klageanspruchs ab.

b. In solchen sic-non-Konstellationen reicht nach ständiger Rechtsprechung des BAG, der sich die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur angeschlossen hat, die bloße "Rechtsbehauptung" des Klägers aus, er sei Arbeitnehmer, um die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit zu begründen (BAG AP Nr. 1 und 2 zu § 2 ArbGG Zuständigkeitsprüfung; BAG, AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979; HWK-Ziemann, § 48 ArbGG, Rdnr. 26).

c. Dieser Rechtsprechung liegt neben prozessrechtsmethodischen Überlegungen nicht zuletzt der Gedanke zugrunde, dass die Problematik, ob ein Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, sinnvollerweise von derjenigen Gerichtsbarkeit geklärt werden sollte, die zu dieser Problematik von ihrer Funktion her die größte Sachnähe besitzt. Wenn die Beklagte dem entgegenhält, dem Kläger stünde es doch frei, etwaige Ansprüche aus dem beiderseitigen Vertrag vor einem türkischen Verwaltungsgericht geltend zu machen, so will die Beklagte für die Frage der Rechtswegzuständigkeit lediglich ihre eigene Rechtsmeinung an die Stelle derjenigen des Klägers setzen. Maßgeblich für die Rechtswegfrage ist jedoch das Begehren der Klagepartei, zumal dieser auch sonst das Wahlrecht zwischen mehreren in Frage kommenden Gerichtsständen zukommt, wie z.B. § 35 ZPO zeigt.

3. Die zur Entscheidung in der Berufungsinstanz gestellten Klageanträge begegnen auch keinen sonstigen Zulässigkeitsbedenken.

a. Soweit der Kläger in dem Antrag zu 1) aus dem Schriftsatz vom 15.03.2004 formuliert hat, "die Beklagte wird ... verurteilt, festzustellen, dass ...", handelt es sich offensichtlich um ein Redaktionsversehen; es ist davon auszugehen, dass der Kläger in Wirklichkeit nicht eine Feststellung der Beklagten, sondern eine Feststellung des Gerichts begehrt.

b. Den vom Arbeitsgericht vorgebrachten Zulässigkeitsbedenken gegen die vergangenheitsbezogene Feststellung eines Arbeitsverhältnisses hat der Kläger in der Berufungsinstanz dadurch Rechnung getragen, dass er die Vergangenheitsbezogenheit aus seinem Antrag eliminiert hat.

4. Mit dem Klageantrag zu 2) macht der Kläger einen Schadensersatzanspruch geltend, den er aus einer von ihm angenommenen Verletzung die Beklagte treffender arbeitsvertraglicher Pflichten herleiten will. Für die Rechtswegzuständigkeit für diesen Antrag gilt somit das zum Antrag zu 1) Gesagte entsprechend.

B.1. Der Klageantrag zu 1) ist jedoch in der Sache unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsvertragsverhältnis in dem vom Kläger gemeinten Sinn.

a. Der Kläger stützt seinen vermeintlichen Feststellungsanspruch auf die Grundsätze des deutschen Arbeitsrechts und auf deutsche Gesetzesnormen wie § 84 Abs. 1 HGB. Die Begründetheit des klägerischen Feststellungsbegehren setzt somit voraus, dass auf das Vertragsverhältnis der Parteien im materiellen Sinne deutsches (Arbeits-)Recht anzuwenden ist und dass die Anwendung der Normen und Grundsätze des deutschen Arbeitsrechts ergibt, dass das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre.

b. Für den Erfolg des Klagebegehrens fehlt es jedoch bereits an der ersten Grundvoraussetzung: Auf das Vertragsverhältnis der Parteien ist kein deutsches (Arbeits-)Recht, sondern türkisches Recht anzuwenden.

aa. Trifft die Rechtsauffassung der Beklagten zu, wonach es sich bei dem Vertragsstatus des Klägers um denjenigen eines Beamten oder zumindest einer beamtenähnlichen Person türkischen Rechts handelt, welches dem öffentlichen Dienstrecht zuzuordnen wäre, so wäre türkisches Recht anzuwenden, weil es nach den Grundsätzen des internationalen Verwaltungsrechts darauf ankäme, dass dem türkischen Staat die Verwaltungshoheit über das fragliche Dienstverhältnis zukäme.

bb. Auch nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch die Anwendbarkeit türkischen Rechts auf das Vertragsverhältnis der Parteien.

aaa. Gemäß Artikel 27 Abs. 1 S. 1 und 2 EGBGB unterliegt der Vertrag mit Auslandsbezug dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl kann dabei auch konkludent erfolgen, wenn sie sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergibt.

bbb. Nach dem Inhalt des die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmenden Vertrages haben die Parteien ihr Vertragsverhältnis türkischem Recht unterstellt. Dies folgt insbesondere aus den Artikeln 16 - 18 des Vertrages. Darin akzeptiert der Kläger, "dass er den Bestimmungen des Regierungsdekrets kraft Gesetzes mit der Nr. 399 unterliegt und dass diese Bestimmungen auch bei ihm angewendet werden". Artikel 17 bestimmt, dass, soweit der Vertrag selbst oder das Regierungsdekret kraft Gesetzes mit der Nr. 399 keine Regelungen getroffen hat, die Vorschriften der Personalverordnung und Satzung der Institution Anwendung finden. Bei der Institution handelt es sich um die Hauptverwaltung der Beklagten, wie aus Artikel 1 des Vertrages hervorgeht, welche ihren Sitz ebenfalls in der T hat. Auch bei den "Vorschriften der Personalverordnung und Satzung der Institution" handelt es sich somit um Regelungen türkischen Rechts. Aber auch zahlreiche weitere Bestimmungen des Vertrages, so Artikel 3, Artikel 8, Artikel 9, Artikel 10, Artikel 11 oder Artikel 15 des Vertrages treffen Bezugnahmen auf diverse türkische Gesetzesvorschriften.

ccc. Gemäß Artikel 30 Abs. 1 EGBGB darf bei Arbeitsverträgen im Sinne dieses Gesetzes die Rechtswahl der Parteien jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen desjenigen Rechts gewährt würde, das nach Artikel 30 Abs. 2 EGBGB mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre.

ddd. Wie die Beklagte selbst einräumt, wäre nach der sog. autonomen Begriffsbildung infolge der Rechtsprechung des EuGH ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Artikel 30 Abs. 1 EGBGB schon dann anzunehmen, wenn jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Diese für die Zwecke des sog. Kollisionsrechts zu verwendende Begriffsbildung trifft auf das Vertragsverhältnis der Parteien auch nach der Auffassung der Beklagten selbst zu.

eee. Gemäß Artikel 30 Abs. 2 EGBGB unterliegen Arbeitsverträge im Sinne der o.g. Definition mangels einer Rechtswahl dem Recht desjenigen Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Kläger hat seine vertragliche Arbeitsleistung für die Beklagte vereinbarungsgemäß stets in K /D verrichtet.

fff. Artikel 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB greift jedoch dann nicht ein, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. Dies ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts vorliegend der Fall. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger seine vertragsgemäße Arbeitsleistung vereinbarungsgemäß stets in D erbracht hat, dass er auch in D eingestellt wurde und seine Vergütung in D-Mark erhielt, weist das zwischen den Parteien begründete Vertragsverhältnis aufgrund der Vertragsgestaltung und der Gesamtumstände wesentlich stärkere Bezüge zum türkischen als zum deutschen Recht auf.

a. So ist der Vertrag der Parteien zwar in D abgeschlossen worden, weist als Vertragspartner des Klägers jedoch ausdrücklich die Hauptverwaltung der Beklagten mit Sitz in der Türkei aus.

b. Die Vertragssprache der Parteien ist T .

c. Aufgrund Artikel 2 des Vertrages, aber auch aufgrund der in dem Vertrag in Bezug genommenen Vorschriften türkischer Beamtengesetze bestand eine jederzeitige Versetzbarkeit des Klägers von dem in Artikel 2 des Vertrages vereinbarten Erfüllungsort K in die T .

d. Bei sämtlichen Kollegen des Klägers an seiner Arbeitsstätte in D handelte es sich, wie der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht mitgeteilt hat, um Personen, die aus der T zur Arbeitsleistung nach Deutschland entsandt waren.

e. In Artikel 10 des Anstellungsvertrages haben die Parteien das Recht der sozialen Sicherheit der T für den Kläger vereinbart und sowohl was die Rentenversicherung als auch die Krankheitsvorsorge angeht, im Vertragsalltag auch praktiziert.

f. Der Kläger besitzt neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit.

g. Maßgeblich kommt schließlich hinzu, dass der Kläger in D als Bediensteter eines öffentlichen Arbeitgebers der T tätig wurde (zu diesem Gesichtspunkt: Palandt/Heldrich, Artikel 30 EGBGB Rdnr. 8 m.w.N.). Zwar wurde die Privatisierung der Beklagten, die ursprünglich ein unmittelbares Staatsunternehmen darstellte, eingeleitet und die Beklagte im hier interessierenden Zeitraum in der privatrechtlichen Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben. Der Kläger war somit nicht unmittelbar Bediensteter des türkischen Staates. Unstreitig befand und befindet sich der türkische Staat jedoch im Besitz von 99,9 % der Aktienanteile des beklagten Unternehmens. Der türkische Staat hat somit alleinigen Einfluss auf die Unternehmens- und Geschäftspolitik der Beklagten. Er hat diese allein zu verantworten. Für die Belange des in Artikel 30 EGBGB zu beachtenden ordre public hat daher ein derart staatsnahes Unternehmen wie dasjenige der Beklagten einem unmittelbar öffentlich-rechtlich konstituierten Arbeitgeber gleichzustehen.

h. Dies gilt um so mehr, als nach dem Recht der T Institutionen wie die Beklagte Angestellte (Idari Personel) beschäftigen, deren Status dem eines einem Beamten weitgehend gleichgestellten Angestellten im öffentlichen Dienst gleichkommt. Zur näheren Erläuterung wird auf Ziffer 4. des vom Berufungsgericht informatorisch beigezogenen Sachverständigengutachtens Dr. R vom 18.12.2003 hingewiesen. Auf Seite 11 dieses Gutachtens führt der Gutachter aus, dass zumindest für die Zeit bis zum Ablauf der Übergangsfrist für die Privatisierung öffentlicher Wirtschaftsunternehmen wie der Beklagten, also bis zum 31.12.2002, "der Gesetzgeber grundsätzlich vom Status eines öffentlich- rechtlichen Bediensteten solcher Mitarbeiter ausgeht".

Aufgrund der besonderen Nähe des beklagten Unternehmens zu dem türkischen Staat als seinem 99,9%-igen Aktieninhaber weist das Vertragsverhältnis der Parteien eine engere Verbindung zum türkischen Staat auf, auch wenn der Kläger in Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten durchgehend in D gearbeitet hat.

cc. Da somit auf das Vertragsverhältnis der Parteien deutsches (Arbeits-) Recht keine Anwendung findet, kann der Kläger mit seinem Feststellungsanspruch, der auf die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des deutschen Arbeitsrecht gerichtet ist, keinen Erfolg haben.

2. Zugleich ergibt sich, dass auch der Klageantrag zu 2) keinen Erfolg haben kann, da dessen Begründung darauf aufbaut, dass die Beklagte durch Nichtabführung von Beiträgen zur deutschen Sozialversicherung gegenüber dem Kläger eine Arbeitsvertragsverletzung begangen habe. In welcher Weise die Beklagte jedoch verpflichtet war, für die soziale Sicherheit des Klägers zu sorgen, richtet sich auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung der Parteien nach türkischem Recht.

Unabhängig davon hat der Kläger ohnehin nicht hinreichend vorgetragen, dass selbst für den Fall, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, Beiträge zur deutschen Sozialversicherung für den Kläger zu entrichten, bereits feststünde, dass bei dem Kläger zukünftig ein Versorgungsschaden eintreten werde.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist vorliegend nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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