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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 298/05
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, SGB III, SGB X


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 305 c
BGB § 307
BGB § 311
EGBGB Art. 229 § 5
SGB III § 143 a
SGB X § 115
1.) Zur Anwendung der sog. Unklarheitenregel auf eine in einem Formulararbeitsvertrag aus der Zeit vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform enthaltene Verfallklausel.

2.) Gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB sind die aufgrund der Schuldrechtsreform vom 26.11.2001 geltenden Regelungen des BGB im Rahmen des Dauerschuldrechtsverhältnisses "Arbeitsvertrag" auf alle diejenigen Ansprüche anzuwenden, die am 01.01.2003 noch nicht verfallen waren.

3.) Würde die Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechenden arbeitsvertraglichen Verfallklausel die Rechtsstellung des Arbeitnehmers im konkreten Fall verbessern, so ist die Unklarheitenregel des § 305 c BGB "umgekehrt" anzuwenden, d. h. es ist zu prüfen, ob die Arbeitsvertragsklausel bei der scheinbar arbeitnehmerfeindlichsten Auslegung wegen Verstoßes gegen ein Klauselverbot unwirksam wäre.

4.) Zur Auslegung einer Abrechnungsklausel in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.08.2004 in Sachen 16 Ca 5646/04 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den bereits zugesprochenen Betrag von 652,59 € hinaus weitere 3.720,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2004 und darüber hinaus Zinsen aus dem Betrag von 652,59 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 19.01.2004 bis 22.10.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsansprüche der Klägerin aus übergegangenem Recht.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, in ihrem Urteil vom 31.08.2004 die Klage überwiegend abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Köln mit Urteil vom 14.10.2004 in Sachen 4 Ca 5808/04 den Annahmeverzugsansprüchen des betroffenen Arbeitnehmers A für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis 30.06.2003 unter Abzug der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen, auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Teilansprüche in vollem Umfang stattgegeben hat, und dass dieses Urteil rechtskräftig ist, nachdem die Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hatte.

Das im vorliegenden Verfahren am 31.08.2004 verkündete Urteil wurde der Klägerin am 06.04.2005 zugestellt. Die Klägerin hat am 25.02.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.04.05 am 29.04.05 begründet.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die auf sie gemäß § 115 SGB X i. V. m. § 143 a SGB III übergeleiteten Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers A für die Zeit vom 01.08. bis 31.12.2002 zu Unrecht abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien diese Teilansprüche nicht aufgrund der in § 15 des Anstellungsvertrages der Parteien enthaltenen Verfallklausel verfallen. Die erste Stufe der Verfallklausel sei durch die Kündigungsschutzklage erfüllt worden. Die zweite Stufe der Verfallklausel setzte nach deren Wortlaut voraus, dass die Beklagte auf die in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegende Geltendmachung der Ansprüche geschwiegen hätte. Dies habe die Beklagte jedoch nicht getan, sondern im Kündigungsschutzprozess Klageabweisung beantragt und sich gegen die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung aktiv verteidigt.

Jedenfalls habe die Verfallfrist selbst in der ersten Stufe noch nicht zu laufen begonnen, da erst eine vom Arbeitgeber erteilte Abrechnung erforderlich gewesen wäre, um überhaupt den Lauf der Verfallfrist auszulösen.

Darüberhinaus, so die Klägerin, sei die Verfallklausel des § 15 Anstellungsvertrag aus Rechtsgründen unwirksam. Es treffe nicht zu, dass sich aus den Überleitungsvorschriften in Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB etwas anderes ergebe. Maßgeblich für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB in der heute geltenden Fassung auf die hier streitige arbeitsvertragliche Verfallklausel sei, ob die betreffenden Ansprüche am 01.01.2003 bereits verfallen gewesen wären.

Jedenfalls, so die Klägerin weiter, habe die Beklagte in dem im Verfahren Arbeitsgericht Köln 3 Ca 11857/03 am 19.01.2004 abgeschlossenen Widerrufsvergleich darauf verzichtet, sich auf Verfallklauseln zu berufen. Dies werde auch durch den Inhalt von Telefonaten belegt, die die Prozessbevollmächtigten beider Seiten in dem damaligen Verfahren noch während der Vergleichswiderrufsfrist miteinander geführt hätten. Von Seiten des Prozessbevollmächtigten des Klägers sei erklärt worden, dass dieser den Vergleich nur dann nicht widerrufen werde, wenn die Vergütungsansprüche des dortigen Klägers in der Folgezeit tatsächlich auch erfüllt würden. Dies sei durch den damaligen Anwalt der Beklagten für den Fall der Bestandskraft des Vergleichs ausdrücklich zugesagt worden. Dies bekräftige auch der Inhalt der e-mail der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 25.03.2004 (Anlage BB 7, Bl. 10 d. A.). Jede andere Auslegung des Vergleichs würde dazu führen, dass entgegen der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung überhaupt nichts mehr hätte abgerechnet und abgewickelt werden müssen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.08.2004 - 16 Ca 5646/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin über den bereits zugesprochenen Betrag von 652,59 ? hinaus weitere 3.720,96 ? nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2004 und darüber hinaus für einen Betrag von 652,59 ? Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 19.01.2004 bis 22.10.2004 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte ist der Ansicht, dass das Arbeitsgericht den Großteil der geltendgemachten Annahmeverzugsansprüche zurecht als verfallen gemäß § 15 des Anstellungsvertrages gewertet habe. Dies folge daraus, dass der Arbeitnehmer A die zweite Stufe der arbeitsvertraglichen Verfallfristen nicht gewahrt habe. Es sei praxisfern anzunehmen, die zweite Stufe der Verfallklausel sei so zu verstehen, dass sie nur bei bloßem Schweigen der Beklagten als Anspruchsgegnerin eingreifen solle. Die Verfallklausel sei auch wirksam. dies stehe seit der Entscheidung des BAG vom 25.05.2005 fest. Darin habe das BAG ausgeführt, dass auch nach der Schuldrechtsreform in Formulararbeitsverträgen zweistufige Ausschlussklauseln wirksam vereinbart werden könnten. Die vom BAG angenommene Mindestfrist für die gerichtliche Geltendmachung von 3 Monaten werde durch die hier zu beurteilende Ausschlussklausel eingehalten.

Es treffe auch nicht zu, dass die Fristen der Ausschlussklausel erst mit erfolgter Abrechnung zu laufen begännen.

Keinesfalls habe sie, die Beklagte, sich in dem Vergleich vom 19.01.2004 verpflichtet, die Gehaltszahlungen trotz Verfalls vorzunehmen. Anhaltspunkte dafür gebe es nicht. In den Verhandlungen vor Bestandskraft des Vergleichs sei die im Vergleich vereinbarte ordnungsgemäße Abwicklung zugesagt worden, nicht aber die Erfüllung bestimmter Zahlungsforderungen. Erst recht habe sie, die Beklagte, in dem Vergleich nicht auf die Geltendmachung von Verfallfristen verzichtet.

Im übrigen sei aus Rechtsgründen auf die Gehaltszeiträume bis Dezember 2002 nicht das neue, sondern das alte Schuldrecht anzuwenden.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie wurde im Sinne von § 66 Abs. 1 ArbGG innerhalb von 6 Monaten nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils eingelegt und innerhalb der gesetzeskonform verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

II. Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche des Arbeitnehmers A aus übergeleitetem Recht gem. § 115 SGB X i. V. m. § 143 a SGB III zu, weil die Klägerin an den Arbeitnehmer A Arbeitslosengeld zahlen musste und gezahlt hat, obwohl der Arbeitnehmer A in diesem Zeitraum aufgrund des Ergebnisses der zwischen ihm und der Beklagten geführten Kündigungsschutzprozesse noch in einem aktiven Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand und Vergütungsansprüche gegen diese hatte.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass ursprünglich entsprechende Ansprüche des Arbeitnehmers A gegen die Beklagte entstanden sind.

Auch die Höhe der auf die Klägerin übergeleiteten und nunmehr streitgegenständlichen Ansprüche ist unstreitig.

Die Parteien streiten vielmehr im vorliegenden Verfahren ausschließlich darum, ob die Ansprüche der Klägerin gem. § 15 des Anstellungsvertrages des Arbeitnehmers A mit der Beklagten verfallen sind oder nicht.

Das Berufungsgericht vermag die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach die Ansprüche der Klägerin für die Zeit bis zum 31.12.2002 gemäß § 15 des Anstellungsvertrages des Arbeitnehmers A mit der Beklagten verfallen seien, nicht zu teilen.

1. Auch unabhängig von der Geltung der durch die Schuldrechtsreform geänderten gesetzlichen Regelungen über sog. Allgemeine Geschäftsbedingungen ist § 15 des Anstellungsvertrages des Arbeitnehmers A mit der Beklagten wegen perplexer Unverständlichkeit als rechtlich unwirksam anzusehen.

a. Unabhängig von der Geltung der durch die Schuldrechtsreform reformierten Normen über Allgemeine Geschäftsbedingungen war allgemein anerkannt, dass Unklarheiten in Regelungen, die ein intellektuell oder wirtschaftlich überlegener Vertragspartner in einem von ihm vorformulierten Vertragswerk seinem Vertragspartner vorgegeben hat, zu Lasten des Verwenders gehen.

Die Voraussetzung des wirtschaftlich überlegenen Vertragspartners findet sich regelmäßig in Arbeitsverhältnissen wieder, bei denen, wie hier, die Arbeitsverträge vom Arbeitgeber vorformuliert sind.

b. § 15 des Anstellungsvertrages des Arbeitnehmers Anklam mit der Beklagten ist sprachlich derart missglückt, dass die Regelung schlechthin unverständlich ist. Gerade eine arbeitsvertragliche Verfallklausel muss für den Arbeitnehmer verständliche Handlungsanweisungen enthalten, um ihn in die Lage zu versetzen, zwischen den Vertragspartnern möglicherweise streitige Einzelansprüche rechtserhaltend einer inhaltlichen gerichtlichen Klärung zuzuführen. Welche existenzielle wirtschaftliche Bedeutung dabei die dem Regime einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel unterliegenden Ansprüche haben können, dokumentiert nicht zuletzt auch der vorliegende Fall, nahmen doch die vom Arbeitnehmer A selbst gegenüber der Beklagten geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche, bei denen sich grundsätzlich die- selben Rechtsfragen stellten wie im vorliegenden Verfahren, den Umfang eines fast vollständigen Jahresgehalts ein.

aa. Nach dem reinen Wortlaut des § 15 Arbeitsvertrag handelt es sich gar nicht um eine zweistufige Ausschlussklausel; denn formal grammatisch gesehen findet sich in dem Satz nur ein Prädikat und dies lautet "einzuklagen". Das heißt: Nach dem Wortlaut von § 15 Anstellungsvertrag muss der Arbeitnehmer von vorneherein sämtliche sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Ansprüche binnen einer Frist von zwei Monaten einklagen.

bb. Selbst wenn man davon ausgeht, es sei in Wirklichkeit gemeint und auch für einen juristischen Laien noch erkennbar, dass alle Ansprüche zunächst nur in einfacher Form, und sei es mündlich, geltend gemacht werden müssen, so stellt sich dann jedoch die weitere Frage, was zu geschehen hat, wenn der Vertragspartner einer solchen Geltendmachung widerspricht.

Nach dem Wortlaut des § 15 Anstellungsvertrag hätte der Anspruchssteller seine Rechte nur "im Falle des Schweigens auf die Geltendmachung" einzuklagen.

An dieser Stelle vertreten bereits die in den vorliegenden Fall involvierten Juristen unterschiedliche Auffassungen über die Auslegung der Ausschlussklausel. Während der Klägervertreter mit achtenswerten Gründen die Ansicht vertritt, dass in dieser Beziehung die wörtliche Auslegung der Ausschlussklausel durchaus einen nachvollziehbaren Sinn ergibt, meint der Beklagtenvertreter, dass die Klausel stillschweigend dahingehend ergänzt werden müsse, dass die Notwendigkeit, streitige Ansprüche einzuklagen, selbstverständlich auch dann bestehe, wenn der Anspruchsgegner ausdrücklich widersprochen habe. Bedenkt man, dass nach allgemeinem arbeitsrechtlichen Standard in der Erhebung einer Kündigungsschutzklage zugleich die einfache Geltendmachung solcher Annahmeverzugsansprüche liegt, die von der Wirksamkeit der streitigen Kündigung abhängig sind, so bedeutet konsequenterweise bereits der arbeitgeberseitige Abweisungsantrag in der Kündigungsschutzklage auch die aktive Verneinung etwaiger Annahmeverzugsansprüche, so dass in einem solchen Fall von einem "Schweigen auf die Geltendmachung" nicht mehr die Rede sein kann.

cc. Die nächste, nach dem Wortlaut des § 15 Anstellungsvertrag keineswegs eindeutig zu beantwortende Frage lautet, wann "im Falle des Schweigens auf die Geltendmachung" nun die dreimonatige Klagefrist zu laufen beginnt - oder gar bereits zu laufen begonnen hat, bzw. wie lang die Klagefrist in Wirklichkeit dauert.

Bezeichnenderweise hat die Beklagte noch erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die streitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach § 15 des Anstellungsvertrages "im Falle des Schweigens auf die Geltendmachung innerhalb einer Frist von drei Monaten nach ihrer Entstehung {Hervorhebung nur hier} gerichtlich eingeklagt werden" müssen. Folgt man dieser erstinstanzlichen Auslegung der Beklagten, so hätte die in § 15 des Arbeitsvertrages vorgesehene Klage der Beklagten, so hätte die in § 15 des Arbeitsvertrages vorgesehene Klagefrist deutlich weniger als einen Monat betragen; denn nach Ablauf der zweimonatigen Frist zur einfachen Geltendmachung müsste ja noch eine - in der Ausschlussklausel wiederum nicht näher definierte (!) - Frist des Schweigens abgewartet werden. Zweitinstanzlich vertritt die Beklagte dagegen nunmehr die Auffassung, § 15 des Anstellungsvertrages sei so auszulegen, dass die Klagefrist selbst drei Monate betrage. Auch hier bleibt jedoch die Frage offen, wann endgültig von einem "Schweigen" des Anspruchsgegners auszugehen ist, und selbst wenn man dies außer Acht lässt, wäre nach der zweitinstanzlichen Auslegung der Verfallklausel seitens der Beklagten die dreimonatige Klagefrist auf die zweimonatige Geltendmachungsfrist zu addieren, so dass der Verfall der Ansprüche erst fünf Monate nach ihrer Entsehung eintreten könnte.

c. Eine von der Beklagten als wirtschaftlich überlegener Vertragspartnerin des Arbeitnehmers A vorgegebene Arbeitsvertragsklausel, die derartige Unsicherheiten und Unklarheiten hervorruft, kann schon nach der bis zum 31.12.2002 geltenden Rechtslage nicht als wirksam anerkannt werden.

2. Selbst wenn man jedoch der Auffassung nicht folgte, dass die Verfallklausel des § 15 Arbeitsvertrag von vornherein und in Gänze unwirksam war, so wäre sie dann jedoch aufgrund der vorstehenden Überlegungen zunächst nach der für den Arbeitnehmer günstigeren Variante geltungserhaltend auszulegen.

Dies hätte zur Folge, dass sich an eine mit der Entstehung des Anspruchs beginnende zweimonatige einfache Geltendmachungsfrist eine dreimonatige gerichtliche Geltendmachungsfrist anschlösse. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die ältesten hier streitgegenständlichen Ansprüche, die aus dem Monat August 2002 stammen, am 01.01.2003 noch nicht verfallen gewesen wären.

Die Auslegung der Übergangsregelung in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBBG ergibt jedoch, dass die aufgrund der Schuldrechtsreform vom 26.11.2001 geltenden Regelungen des BGB im Rahmen des Dauerschuldrechtsverhältnisses Arbeitsvertrag auf alle diejenigen Ansprüche anzuwenden ist, die am 01.01.2003 noch nicht verfallen waren.

3. Nach der ab 01.01.2003 anzuwendenden Gesetzeslage scheitert die Wirksamkeit der Ausschlussklausel in § 15 des Anstellungsvertrages jedoch bereits an § 305 c Abs. 2 BGB i.V. m. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

a. Bei den arbeitsvertraglichen Regelungen, die die Beklagte in ihrem Anstellungsvertrag mit ihrem Arbeitnehmer A verwendet hat, handelt es sich unstreitig um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305, 311 BGB.

b. Gemäß § 305 c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders, wobei nach ständiger Rechtsprechung das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gilt.

c. Gemäß § 305 c BGB gilt Folgendes:

Da die Unwirksamkeit des § 15 des Anstellungsvertrages die Rechtstellung des Arbeitnehmers verbessern würde, ist die Unklarheitenregelung umgekehrt anzuwenden, d. h. es ist zu prüfen, ob die Arbeitsvertragsklausel bei der scheinbar arbeitnehmerfeindlichsten Auslegung wegen Verstoßes gegen ein Klauselverbot unwirksam wäre. Die engste d. h. die arbeitnehmerfeindlichste Auslegung einer zweiten Stufe der in § 15 Anstellungsvertrag enthaltenen Verfallklausel entspräche derjenigen, die die Beklagte in erster Instanz vertreten hat, nämlich dass die Verfallklausel eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs innerhalb von (weniger als) einem Monat nach erfolgloser Geltendmachung vorsähe. Eine weniger als dreimonatige Frist allein für die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs verstößt jedoch nach der neuesten Rechtsprechung des BAG gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 BGB (BAG NZA 2005, 1111 ff.)

Auch unter diesen Gesichtspunkten käme somit eine Anwendung der Verfallklausel des § 15 Anstellungsvertrag nicht in Betracht.

4. Unabhängig von den vorstehenden Überlegungen scheitert zur Überzeugung des Berufungsgerichts die Anwendbarkeit der arbeitsvertraglichen Verfallklausel aber auch bereits am Inhalt des Vergleichs, den die Beklagte mit dem betroffenen Arbeitnehmer A in dem Verfahren Arbeitsgericht Köln 3 Ca 11857/03 am 19.01.04 geschlossenen hat.

a. Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung, geht es bei der Auslegung des Vergleiches vom 19.01.2004 nicht um die Frage, ob dieser in Bezug auf die Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers A einen eigenständigen Schuldgrund geschaffen hätte. Es geht vielmehr nur um die Frage, ob die Beklagte sich vor dem Hintergrund des Vergleichsinhalts auf eine in § 15 des Anstellungsvertrages der Parteien enthaltene arbeitsvertragliche Ausschlussfrist berufen kann.

b. Dies ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts nicht der Fall.

aa. Wenn sich die Beklagte in einem am 19.01.2004 abgeschlossenen Vergleich dem Arbeitnehmer A gegenüber verpflichtet, das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2003 nicht nur vertragsgemäß abzuwickeln, sondern auch abzurechnen, so schließt dies aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls die Annahme aus, den gemeinsamen Vorstellungen der vergleichsschließenden Parteien könne es entsprochen haben, dass in Wirklichkeit gar nichts mehr abzurechnen sei. Dabei ist zu bedenken, dass von der wirtschaftlichen Bedeutung her die Vereinbarung in Ziffer 2 des Vergleichs entscheidendes Gewicht für die Parteien haben musste. Die in Ziffer 3 des Vergleichs vereinbarte Abfindung in Höhe von 2.000,00 ? machte im Ergebnis nicht einmal 10 % der in Rede stehenden Annahmeverzugsansprüche aus. Hätte die Beklagte unter der in Ziffer 2 des Vergleichs enthaltenen Regelung auch verstehen wollen, dass ggf. nichts mehr abzurechnen sei, so hätte dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls eindeutig klargestellt werden müssen.

bb. Der Inhalt der e-mail des damaligen Beklagtenvertreters vom 25.03.2004 an den Klägervertreter bestätigt diese Sicht der Dinge. Im Vorfeld hatte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen angedroht, falls "die Abfindungszahlung sowie die Abwicklung und Abrechnung des Arbeitsverhältnisses" nicht binnen bestimmter Fristen erfolgen sollte. Wenn der Beklagtenvertreter hierauf antwortet, er rege an, die - für die Abfindungszahlung irrelevante - Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers an die Mandantin zu übersenden, und dann weiter ausführt: "Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sollten nicht erforderlich werden, wenn doch, bitte ich um kurze Mitteilung, damit ich auf unsere Mandantschaft einwirken kann", so wäre eine solche Äußerung schlechterdings nicht erklärbar, wenn nicht auch auf Seiten der Beklagten das Bewusstsein vorhanden gewesen wäre, dass entsprechend Ziffer 2 des Vergleichs tatsächlich noch Ansprüche des Klägers abgerechnet und abgewickelt werden mussten.

5. Den streitgegenständlichen Ansprüchen der Klägerin aus übergegangenem Recht des Arbeitnehmers A steht somit die in § 15 des Anstellungsvertrages vereinbarte Verfallklausel nicht entgegen.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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