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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 3/08
Rechtsgebiete: ArbGGM, ZPO, GewO


Vorschriften:

ArbGGM § 68
ZPO § 301
ZPO § 538 Abs. 2
GewO § 108
1. § 68 ArbGG ist lex specialis zu § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, lässt die übrigen Zurückverweisungstatbestände des § 538 Abs. 2 ZPO, insbesondere § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO, aber unberührt.

2. Ein Klageantrag, Gehaltsabrechnungen "unter Berücksichtigung eines Bruttoeinkommens von 5.000,-- €" zu erteilen, ist hinsichtlich des vorgegebenen Betrages nicht teilbar. Eine Gehaltsabrechnung über einen Betrag von 2.000,-- € brutto stellt im Vergleich dazu nicht lediglich ein Minus, sondern ein Aliud dar. Es kann dabei dahinstehen, ob ein Klagebegehren solchen Inhalts überhaupt zulässig ist.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.08.2007 in Sachen 3 Ca 4632/06 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht Köln zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erteilung von Gehaltsabrechnungen bestimmten Inhalts sowie die Abführung pfändbarer Anteile am Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners für die Vergangenheit und Zukunft an den Kläger.

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn E F . Der Insolvenzschuldner ist bei der Beklagten beschäftigt, deren eingetragene Geschäftsführerin die Lebensgefährtin des Klägers ist. Offiziell ist der Insolvenzschuldner bei der Beklagten geringfügig beschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden bei einem monatlichen Entgelt von 400,00 €.

Der Kläger geht davon aus, dass der Insolvenzschuldner in Wirklichkeit faktischer Geschäftsführer der Beklagten und mindestens vollzeitbeschäftigt sei. Auch die genaue Art der Tätigkeit des Insolvenzschuldners bei der Beklagten ist streitig. Der Kläger unterstellt verschleiertes Arbeitseinkommen und geht davon aus, dass für die wirkliche Tätigkeit des Klägers für die Beklagte ein monatliches Gehalt in Höhe von mindestens 5.000,00 € branchenüblich angemessen sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Gehaltsabrechnung für den Schuldner E F , G , zu erteilen unter Berücksichtigung eines Bruttoeinkommens von € 5.000,00;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die sich aus der Gehaltsabrechnung ergebenden pfändbaren Anteile am Arbeitseinkommen des Schuldners E F , G , für die Monate März 2006 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2006, April 2006 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2006 und Mai 2006 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2006 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger künftig für die Dauer der Beschäftigung des Schuldners E F , G , monatlich, beginnend mit dem Monat Juni 2006, die sich aus der Gehaltsabrechnung ergebenden pfändbaren Anteile am Arbeitseinkommen zu zahlen;

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Behauptungen des Klägers über Art und Umfang der Tätigkeit des E F sowie die dafür zu zahlende angemessene Vergütung bestritten und dabei auch auf die eigene angespannte wirtschaftliche Situation sowie die geringe Vergütung der eingetragenen Geschäftsführerin verwiesen.

Mit Teilurteil vom 15.08.2007 hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Köln folgendes ausgeurteilt:

"1) Die Beklagte wird verurteilt, für E F eine Gehaltsabrechnung für die drei Monate März, April und Mai 2006 unter Zugrundelegung eines Bruttoeinkommens von 2.000,00 € zu erteilen;

2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die sich aus den Gehaltsabrechnungen ergebenden pfändbaren Anteile am Arbeitseinkommen des Herrn E F , G , für die Monate März 2006 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.04.2006, für April 2006 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.05.2006 und für Mai 2006 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.06.2006 zu zahlen.

3) Die Kosten des Rechtsstreits werden insoweit der Beklagten auferlegt.

4) Der Streitwert wird auf 2.307,00 € festgesetzt."

Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Teilurteils vom 15.08.2007 wird vollständig Bezug genommen.

Das Teilurteil vom 15.08.2007 wurde der Beklagten am 07.12.2007 zugestellt. Sie hat hiergegen am 02.01.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 07.03.2008 am 07.03.2008 begründet.

Die Beklagte und Berufungsklägerin wendet u. a. ein, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils nicht vorgelegen hätten.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.08.2007 in Sachen 3 Ca 4632/06 aufzuheben und die Klage, soweit darüber in dem Teilurteil entschieden worden ist, abzuweisen;

hilfsweise:

das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.08.2007 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Beklagten musste zur Aufhebung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Köln vom 15.08.2007 und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz führen.

1. Das Berufungsgericht ist aus verfahrensrechtlichen Gründen an einer Sachentscheidung gehindert. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.08.2007 in vorliegender Sache leidet an einem Mangel, der die Zurückverweisung des Rechtsstreits in die erste Instanz erfordert.

a. Zwar bestimmt § 68 ArbGG, dass wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts die Zurückverweisung des Rechtsstreits grundsätzlich unzulässig ist. Insoweit ist § 68 ArbGG als lex specialis zu § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anzusehen.

b. Die übrigen Zurückverweisungstatbestände des § 538 Abs. 2 ZPO bleiben jedoch von § 68 ArbGG unberührt. Insbesondere ist auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO zulässig und geboten, wenn das Arbeitsgericht ein Teilurteil erlassen hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 301 ZPO vorgelegen hätten (LAG Rheinland-Pfalz vom 10.07.1997, LAGE § 68 ArbGG 1979 Nr. 4; LAG Köln vom 25.04.1997, MDR 1997, 1132; LAG Düsseldorf vom 13.08.1987, LAGE § 611 BGB Abmahnung Nr. 8; LAG Frankfurt vom 20.09.1999, NZA-RR 2000, 413; HWK-Kalb, 3. Aufl., § 68 ArbGG Rdnr. 11). In den Fällen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO bedarf es gemäß § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO für die Zurückverweisung auch keines Parteiantrages, der hier aber sogar in Form des Hilfsantrages der Beklagten und Berufungsklägerin gegeben ist.

c. Die Voraussetzungen des § 301 ZPO für den Erlass eines Teilurteils lagen in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation gleich aus mehreren Gründen nicht vor:

aa. Zum einen ist der Streitgegenstand, über den das Arbeitsgericht im Wege des Teilurteils entschieden hat, nicht teilbar.

aaa. Der Kläger verlangt vorliegend in einer Art Stufenklage in erster Linie die Erteilung von Gehaltsabrechnungen bestimmten Inhalts, nämlich "unter Berücksichtigung eines Bruttoeinkommens von 5.000,00 €". Das Arbeitsgericht hat in dem angegriffenen Teilurteil die Beklagte verurteilt, Gehaltsabrechnungen für die Monate März, April und Mai 2006 "unter Zugrundelegung eines Bruttoeinkommens von 2.000,00 €" zu erteilen.

bbb. Dies beruht aber nicht etwa darauf, dass das Arbeitsgericht der Auffassung wäre, dass für den Anspruchszeitraum endgültig von keinem höheren Einkommen des Insolvenzschuldners bei der Beklagten als 2.000,00 € brutto monatlich auszugehen sei. Vielmehr geht aus den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Teilurteils, dort Seite 6, hervor, dass das Arbeitsgericht seinem Teilurteil nur eine vorläufige Einschätzung des streitigen Umfangs - und wohl auch der streitigen Art - der Tätigkeit des Insolvenzschuldners bei der Beklagten zugrunde gelegt hat. Es führt insoweit aus: "Das Gericht hält daher derzeit eine Tätigkeit im Umfang von 15 - 20 Stunden als nachvollziehbar und schlüssig vorgetragen, die für derartige Tätigkeiten vom Schuldner E F aufgewendet wurden in den jeweiligen drei Monaten. Ob es Indizien dafür gibt, dass er tatsächlich vollschichtig für den Betrieb der Beklagten tätig gewesen ist und ist, und als Immobilienmakler auftritt und ob er in den Folgemonaten ebenso tätig gewesen ist und aufgetreten ist, bedarf weiteren spezifizierten Sachvortrags des Klägers".

ccc. Das Arbeitsgericht beabsichtigte somit im Zeitpunkt des Erlasses des Teilurteils, dem Kläger weiteren spezifizierten Sachvortrag dazu zu ermöglichen, dass der Insolvenzschuldner E F vollschichtig für den Betrieb der Beklagten tätig war und ist und dass er dabei als Immobilienmakler auftrat und auftritt. Damit bleibt für das Arbeitsgericht offen, ob nicht auch für die Monate März, April und Mai 2006 von einer höheren Vergütung als lediglich 2.000,00 € brutto auszugehen sein wird.

ddd. Gelangte das Arbeitsgericht aber im weiteren Verlauf des Rechtsstreits zur Überzeugung, dass der Insolvenzschuldner für die Beklagte z. B. in vollschichtigem Umfang als Arbeitnehmer tätig geworden ist, läge es in der Konsequenz der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, der Beklagten nunmehr die Erteilung von Gehaltsabrechnungen abzuverlangen, die von einem entsprechend höherem Gehalt auszugehen hätten.

eee. Es liegt jedoch anhand der zu beachtenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen unmittelbar auf der Hand, dass in diesem Fall die bereits ausgeurteilte Erteilung einer Gehaltsabrechnung auf der Basis eines Gehalts von 2.000,00 € brutto monatlich nicht lediglich durch Erteilung einer weiteren Abrechnung über z. B. weitere 3.000,00 € brutto monatlich ergänzt werden könnte. Mit anderen Worten: Die Erteilung einer Gehaltsabrechnung über 2.000,00 € brutto für einen bestimmten Monat stellt kein Minus, sondern ein Aliud dar gegenüber einer Gehaltsabrechnung auf der Basis von 5.000,00 € brutto für denselben Monat.

bb. Des Weiteren durfte schon nach dem eigenen rechtlichen Überlegungsansatz des Arbeitsgerichts ein Teilurteil schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil die noch offen gelassene Schlussentscheidung des Arbeitsgerichts u. a. von derselben rechtlichen Vorfrage abhängt wie das Teilurteil, nämlich ob der Insolvenzschuldner für die Beklagte als Immobilienmakler tätig wurde. So will das Arbeitsgericht, wie aus der oben zitierten Passage seiner Entscheidungsgründe hervorgeht, dem "weiteren spezifizierten Sachvortrag des Klägers" ausdrücklich auch die Frage überlassen, "ob es Indizien dafür gibt, dass" der Insolvenzschuldner ... "als Immobilienmakler auftritt". Hiervon ist das Gericht, soweit aus den Entscheidungsgründen im Übrigen ersichtlich, bei Erlass des Teilurteils aber offenbar schon ausgegangen. Gelangte das Arbeitsgericht bei Fortsetzung des Rechtsstreits später zu einer gegenteiligen Einschätzung, wären Teilurteil und späteres Schlussurteil widersprüchlich (vgl. auch BAG vom 23.03.2005, NZA 2006, 1062; LAG Köln vom 09.09.2005, 4 Sa 325/05).

2. Bei der Fortsetzung des Rechtsstreits in erster Instanz wird das Arbeitsgericht zunächst auch zu überprüfen haben, ob die vorliegende Klage überhaupt zulässig ist. Hiergegen bestehen schwerwiegende Bedenken.

Der klagende Insolvenzverwalter geht offensichtlich davon aus, dass der Insolvenzschuldner bei der Beklagten verschleiertes Arbeitseinkommen erzielt, und möchte die insoweit pfändbaren Differenzbeträge zur Insolvenzmasse ziehen. Um dies zu erreichen, sind die im vorliegenden Verfahren bisher gestellten Klageanträge nicht zielführend. Für die bisher gestellten Klageanträge dürfte es daher an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen.

a. Zum einen steht dem Kläger mit der Erhebung einer Zahlungsklage ein direkter Weg zur Verfügung. Es ist davon auszugehen, dass dem Kläger als Insolvenzverwalter des Schuldners E F dessen steuer- und sozialversicherungsrechtlich relevante persönliche Daten bekannt sind. Daher wäre der Kläger ohne Weiteres selbst in der Lage, auf der Basis des von ihm unterstellten Festgehalts von 5.000,00 € brutto monatlich die monatlich pfändbaren und an ihn abzuführenden Beträge zu berechnen.

b. Zum anderen ist der vom Kläger vorliegend eingeschlagene Weg ersichtlich ungeeignet, um das beabsichtigte Ziel zu erreichen. Ungeachtet der materiell-rechtlichen Frage, ob es in Anbetracht von Sinn und Zweck einer Entgeltabrechnung überhaupt einen Anspruch auf Erteilung einer Gehaltsabrechnung mit einem bestimmten Inhalt geben kann, gehört es weder zu dem gesetzlich vorgeschriebenen noch zu dem im Arbeitsleben üblichen Inhalt einer Arbeitsentgeltabrechnung, die jeweilige Höhe der pfändbaren Gehaltsbestandteile auszuweisen. Wegen des gesetzlichen Mindestinhalts einer Entgeltabrechnung wird auf § 108 GewO hingewiesen. Selbst nach Erteilung einer Gehaltsabrechnung über den gewünschten Bruttobetrag müssten somit noch dieselben Rechenoperationen durchgeführt werden, die auch zur Vorbereitung einer bezifferten Zahlungsklage anzustellen sind.

III. Die Kostenentscheidung bleibt dem fortzusetzenden erstinstanzlichen Verfahren vorbehalten.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel daher nicht statthaft.

Ende der Entscheidung

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