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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 385/07
Rechtsgebiete: BGB, BAT


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 305 c
BGB § 611
BAT
Zur Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel und zur Anwendung von § 305 c BGB auf eine solche.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.01.2007 in Sachen 4 (1) Ca 3435/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger für das Jahr 2006 eine Jahressonderzahlung/ein Weihnachtsgeld als Pflichtanspruch zusteht, der in einer Einmalzahlung im Monat November 2006 zu erfüllen gewesen wäre, oder ob es sich insoweit um eine freiwillige Leistung des Beklagten handelt und diese auch, wie vom Beklagten zuletzt praktiziert, beginnend ab November 2006 in zwölf monatlichen Raten erbracht werden kann.

Der Kläger ist seit dem 01.07.1997 bei dem Beklagten als Altenpfleger beschäftigt. Wegen des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 5 ff. d. A. verwiesen.

Seit 1997 bis zunächst zum Jahr 2002 bezahlte der Beklagte mit der Novemberabrechnung eine volle Jahressonderzuwendung/ein volles Weihnachtsgeld in Anlehnung an die einschlägigen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Erstmals für das Jahr 2004 ging der Beklagte dazu über, den Jahresbetrag in zwölf monatliche Teilbeträge aufzuspalten, die er ab dem Monat November 2004 zahlte. Für das Jahr 2004 nahm der Kläger dies hin. Ab dem Jahr 2005 ging der Beklagte des weiteren dazu über, in die Novemberabrechnung folgenden Text aufzunehmen: "Bezüglich der Sonderzuwendung gilt zukünftig folgende Regelung: Die Zahlung erfolgt freiwillig. Die Zahlung der ersten Rate(n) begründet keinen Anspruch auf die weiteren Raten."

Für das Jahr 2005 setzte sich der Kläger gegen die geänderte Praxis des Beklagten (Ratenzahlung/Freiwilligkeitsvorbehalt) erfolgreich zur Wehr. Auf die Entscheidungsgründe des den Parteien bekannten rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15.09.2006, 11 Sa 542/06, wird Bezug genommen.

Trotz der zu seinen Ungunsten ergangenen rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln hielt der Beklagte auch für das Kalenderjahr 2006 unverändert an seiner Ratenzahlungspraxis fest und nahm in die Novemberabrechnung 2006 erneut die Passage über die Zahlung als freiwillige Leistung auf.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass ihm auch die Jahressonderzuwendung/das Weihnachtsgeld 2006 als verpflichtende, im November 2006 fällige Einmalzahlung zusteht. Der Kläger hat auch auf das einschlägige rechtskräftige Berufungsurteil für das Jahr 2005 verwiesen. Die Höhe seines Anspruchs hat er mit 82,14 % seiner in Anlehnung an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes bemessenen Septembervergütung 2006 beziffert und sich von dem Gesamtbetrag die im Zeitpunkt der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bereits gezahlten Raten für November und Dezember 2006 abziehen lassen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.794,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 17.01.2007 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Das arbeitsgerichtliche Urteil ist dem Beklagten am 08.02.2007 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 08.03.2007 Berufung einlegen und diese am Osterdienstag, dem 10.04.2007 begründen lassen.

Der Beklagte meint, aufgrund der Regelung in § 15 des Arbeitsvertrages der Parteien habe die vom Kläger für sich reklamierte betriebliche Übung nicht entstehen können. Nach § 15 Arbeitsvertrag seien Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages nämlich nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart würden, was unstreitig in Bezug auf das Weihnachtsgeld nicht geschehen sei.

Jedenfalls sei eine frühere betriebliche Übung durch die seit dem Jahr 2004 erfolgende gegenläufige betriebliche Übung, die Weihnachtsgratifikation nunmehr in zwölf Teilbeträgen auszuzahlen, wieder aufgehoben worden. Der Kläger habe der zwölfmaligen Auszahlung solcher Teilbeträge für 2004 nicht widersprochen.

Ferner stehe der bereits im Jahre 2005 in die Novemberabrechnung aufgenommene und in der Novemberabrechnung 2006 wiederholte Freiwilligkeitsvorbehalt dem Anspruch des Klägers entgegen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Beklagtenvertreter in Übereinstimmung mit dem Klägervertreter angegeben, dass aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit wohl davon auszugehen sei, dass der Beklagte im Laufe des Jahres 2007 weitere Ratenzahlungen auf das Weihnachtsgeld 2006 erbracht habe, definitive Angaben könnten aber hierzu nicht gemacht werden. Der Klägervertreter hat klargestellt, dass er solche etwaigen weiteren Ratenzahlungen bei der gegebenenfalls notwendig werdenden Vollstreckung eines entsprechenden Titels in Abzug bringen werde.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 17.01.2007 ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde fristgerecht im Sinne des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Der Beklagte schuldete dem Kläger auch die Jahressonderzahlung/das Weihnachtsgeld 2006 als Einmalzahlung, fällig mit der Abrechnung für den Monat November 2006.

Der Anspruch ist durch eine jahrelange gleichförmige betriebliche Übung entstanden, die eine entsprechende konkludente Vertragsänderung zur Folge hatte.

Eine einzelarbeitsvertraglich vereinbarte einfache Schriftformklausel, wie sie auch in dem Formular-Arbeitsvertrag der Parteien enthalten ist, kann nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer Vertragsergänzung aufgrund betrieblicher Übung auch konkludent abbedungen werden.

Eine gegenläufige betriebliche Übung, die den ursprünglichen Vertragszustand wiederherstellen soll, wird - nicht anders, wie das bei der betrieblichen Übung selbst auch der Fall ist - erst nach dreijähriger, vom Arbeitnehmer unwidersprochen hingenommener gegenläufiger Praxis wirksam.

Schließlich kann ein arbeitsvertraglicher Anspruch, und sei er auch erst im Laufe des Vertragsverhältnisses aufgrund betrieblicher Übung entstanden, nicht durch einen einseitig erklärten späteren Freiwilligkeitsvorbehalt außer Kraft gesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer diesem, wie dies hier rechtzeitig geschehen ist, widerspricht.

Die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs ist im vorliegenden Verfahren unstreitig. Der Beklagte als für etwaige weitere, im erstinstanzlichen Urteil noch nicht berücksichtigte Teilerfüllungsleistungen darlegungspflichtige Partei hat nicht vorgetragen, dass weitere Ratenzahlungen auf den Anspruch 2006 definitiv erbracht worden sind. Demnach waren von dem titulierten Anspruch hier keine weiteren Abzüge vorzunehmen. Diese wären gegebenenfalls erst im Rahmen einer Zwangsvollstreckung zu beachten.

Die hier nochmals in Kürze skizzierte Rechtslage ist dem Beklagten seit dem rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15.09.2006 in Sachen 11 Sa 542/06 hinlänglich bekannt. Auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Entscheidungserhebliche neue Einwände, die nicht auch schon im Vorprozess, betreffend das Jahr 2005, berücksichtigt worden wären, hat der Beklagte nicht vorgebracht. Der Beklagte musste daher erneut antragsgemäß verurteilt werden.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt ersichtlich nicht vor.

Ende der Entscheidung

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