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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.08.2003
Aktenzeichen: 7 Sa 497/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 195 a. F.
BGB § 196 Abs. 1 Ziff. 8 a. F.
BGB § 196 Abs. 1 Ziff. 9 a. F.
BGB § 611 a. F.
Eine Abfindung, die dazu dienen soll, die Nachteile auszugleichen, die durch einen betriebsbedingten Arbeitspatzverlust verursacht werden, unterliegt auch dann der allgemeinen 30-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 195 a. F. BGB und nicht der kurzen Verjährung gemäß § 196 I Nr. 8 u. 9 BGB a. F., wenn sie nicht in einem Sozialplan, sondern per Gesamtzusage oder individuell versprochen wird.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.12.2002 in Sachen 12 Ca 10111/01 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen zur Konkurstabelle angemeldeten Abfindungsanspruch des Klägers.

Der am 22.04.1940 geborene Kläger war seit September 1982 bei der Firma J B KG beschäftigt. Er wurde zuletzt als Kraftfahrer eingesetzt und verdiente 4.191,45 DM brutto monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund einer ordentlichen fristgerechten betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung vom 01.03.1995 mit Ablauf des 31.08.1995. Zusammen mit dem Kläger wurde auch den übrigen Arbeitnehmern der J B KG gekündigt. Am 02.05.1995 wurde über das Vermögen der J B KG (im folgenden "Gemeinschuldnerin" genannt) das Konkursverfahren eröffnet. Dieses war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht abgeschlossen. Der Kläger hatte gegen die ihn betreffende Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhoben. Soweit andere Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin fristgerecht Kündigungsschutzklagen erhoben hatten, sind diese seit 1995 unterbrochen.

Der Kläger wurde im Mai 1995 vom Konkursgericht aufgefordert, etwaige Forderungen bis zum 21.06.1995 zur Konkurstabelle anzumelden. Der Kläger reagierte hierauf zunächst nicht.

Am 12.12.1997 verstarb der Kaufmann A B , der Inhaber der Gemeinschuldnerin.

Am 07.06.1999 beantragte der Kläger beim zuständigen Gericht die Feststellung einer Abfindungsforderung in Höhe von 104.775,00 DM zur Konkurstabelle. Am 14.09.1999 trug das Amtsgericht in die Konkurstabelle ein, dass die Forderung vom Konkursverwalter bestritte werde. Unter dem 16.10.2001 erhob der Kläger die vorliegende Klage.

Der Kläger hat behauptet, im Februar 1995 habe er gerade in der Werkstatt gearbeitet, als er mit anderen Kollegen zusammen von dem Kaufmann A B in den Aufenthaltsraum gebeten worden sei. Dort habe dieser ihnen gesagt, sie sollten sich im Hinblick auf die zu erwartenden Kündigungen keine Sorgen machen. Geld sei genug da. Die Firma zahle eine Abfindung in Höhe von zwei Bruttogehältern pro Beschäftigungsjahr.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zusage des Inhabers der Gemeinschuldnerin könne nicht losgelöst von dem diesem damals möglicherweise schon bekannt gewesenen Umstand gesehen werden, dass ein Konkurs drohe. Der Inhaber der Gemeinschuldnerin sei wohl kurz vor Eröffnung des Konkursverfahrens noch davon ausgegangen, sein Unternehmen retten zu können. Jedenfalls sollten, ihm zufolge, noch ausreichend Vermögenswerte vorhanden sein, um die Arbeitnehmer, die im Rahmen der ungewissen wirtschaftlichen Entwicklung das Unternehmen möglicherweise verlassen mussten, für die Zukunft finanziell abzufedern. In diesem Zusammenhang solle nicht unerwähnt bleiben, dass der Inhaber der Gemeinschuldnerin sich auch sonst stets großzügig geriert habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Forderung des Klägers in Höhe von 104.775,00 DM zur Konkurstabelle festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die behauptete Abfindungszusage bestritten und sich im übrigen darauf berufen, dass die Forderung gemäß § 196 Abs. 1 Ziffer 8 und 9 BGB a.F. der zweijährigen Verjährungsfrist unterliege und folglich verjährt sei.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sch , D , T und Sch . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.12.2002 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 11.12.2002 hat das Arbeitsgericht Köln der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Beklagten am 04.04.2003 zugestellt. Dieser hat hiergegen am 30.04.2003 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 04.07.2003 - am 16.06.2003 begründet.

Der Beklagte beanstandet, dass das Arbeitsgericht eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen habe. Zwar sei es zutreffend, dass sämtliche Zeugen übereinstimmend eine Abfindungszusage in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr bekundet hätten. Auffallend sei jedoch, dass sich die Bekundungen der Zeugen im wesentlichen auf diese "Kernaussage" beschränkt habe. An nähere Umstände und den genauen Inhalt der Zusage habe sich kein Zeuge erinnern können. Nicht ausreichend gewürdigt worden sei auch der Umstand, dass alle Zeugen ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang dieses "Musterverfahrens" hätten, da sie zum Teil selbst erhebliche Abfindungsansprüche zur Konkurstabelle angemeldet hätten.

Weiterhin macht der Beklagte geltend, dass die Forderung des Klägers gemäß § 196 Abs. 1, Nr. 8 und 9 BGB a.F. verjährt sei. Die Grundsätze der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.10.2001 über die Verjährung von Abfindungsansprüchen aus einem Sozialplan könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden.

Abgesehen davon, dass die Richtigkeit jener Entscheidung ohnehin zweifelhaft sei, bestehe bei der individualvertraglich zugesagten Abfindung sehr wohl jene Verdunkelungsgefahr, die das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf das Schriftformerfordernis bei Betriebsvereinbarungen für Sozialpläne verneint habe.

Darüber hinaus macht der Beklagte nunmehr auch geltend, dass die Ansprüche verwirkt seien. Nachdem der Kläger auf die Aufforderung des Konkursgerichts im Mai 1995, mögliche Ansprüche bis spätestens 21.06.1995 zur Konkurstabelle anzumelden, nicht reagiert gehabt habe, habe er, der Konkursverwalter nicht mehr mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis rechnen müssen. Auch das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment sei gegeben.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.12.2002 - 12 Ca 10111/01 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen Der Kläger verteidigt die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung.

Zutreffend habe das Arbeitsgericht seiner Entscheidung auch die Ausführungen des BAG in seiner Entscheidung vom 30.10.2001 zur Frage der Verjährung von Sozialplanansprüchen zu Grunde gelegt. Ebenso wie bei Sozialplanansprüchen habe auch im vorliegenden Fall die Zusage der Abfindungen eine zukunftsorientierte Funktion gehabt, indem sie dazu habe dienen sollen, Nachteile wegen einer nach dem Ablauf der Kündigungsfrist möglichen Zeit der Arbeitslosigkeit und späterer Verdiensteinbußen auszugleichen und abzumildern. Der Arbeitnehmer, dem vor Eröffnung eines Konkursverfahrens durch den späteren Gemeinschuldner seine künftige Absicherung zugesagt werde, müsse darauf vertrauen können, dass diese Zusage auch bei Durchführung des Konkursverfahrens berücksichtigt werde.

Der Anspruch sei auch nicht verwirkt. Er, der Kläger habe vier Jahre benötigt, um Licht in seine Angelegenheit zu bringen. Die Kündigungsschutzverfahren derjenigen Kollegen, die sich klageweise gegen ihre Kündigung gewehrt hätten, seien seit Beginn des Konkursverfahrens im Jahre 1995 unterbrochen. Die Arbeitnehmer seien über den Fortgang des Konkursverfahrens und den jeweiligen Sachstand nicht informiert worden. Abgesehen davon seien, wie sich aus der Konkursakte ergebe, bereits zum Stichtag 31.12.1995 Arbeitnehmerabfindungen in Höhe von 153.465,40 DM angemeldet gewesen. Dies zeige, dass es für den Beklagten nicht völlig überraschend gewesen sein könne, dass er sich Abfindungsansprüchen von Seiten der ehemaligen Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin ausgesetzt sehe. Zum damaligen Zeitpunkt habe auch der Inhaber der Gemeinschuldnerin noch gelebt. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass auch die Regelung des § 142 KO einer Verwirkung des Anspruchs entgegenstehe. Lasse das Gesetz die nachträgliche Anmeldung einer Konkursforderung bis zum Abschluss des Konkursverfahrens zu, scheide eine Verwirkung von vornherein aus.

Nach den Informationen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist derzeit mit einer Konkursquote von ca. 75 % zu rechnen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis und in der Begründung zutreffend stattgegeben. Die Angriffe des Berufungsklägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil könne nicht zum Erfolg führen.

Auf Grund der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der Kaufmann A B als Inhaber der späteren Gemeinschuldnerin dem Kläger und anderen Arbeitnehmern im Februar 1995 bei einem von ihm initiierten Treffen der Belegschaft im Aufenthaltsraum zugesagt hat, eine Abfindung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern pro Jahr der Beschäftigung zu zahlen im Hinblick auf eine damals im Raum stehende betriebsbedingte Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Würdigung der erhobenen Beweise ist nicht zu beanstanden.

Es ist zwar richtig, dass sich der Text der Zeugenaussagen auf das Wesentliche beschränkt. In Anbetracht des Umstands, dass die Zeugen über Vorgänge zu berichten hatten, die im Zeitpunkt der Beweisaufnahme fast schon acht Jahre zurücklagen, ergibt sich dennoch ein relativ anschauliches und in sich stimmiges Gesamtbild. So hat sich ergeben, dass zwei der vier Zeugen nicht bei dem vom Kläger behaupteten Treffen im Aufenthaltsraum dabei waren, sondern von dem Kaufmann B in ihrem Büro aufgesucht wurden und dort eine inhaltlich gleichlautende Abfindungszusage erhielten. Dabei haben die beiden Bürokräfte ausgesagt, dass Herr B ihnen mitgeteilt habe, dass er gerade vom Aufenthaltsraum im Lager käme und den dortigen Mitarbeitern eine gleichlautende Zusage gemacht habe. Diese Vorgehensweise spricht ebenso dafür, dass es sich um eine verbindlich gemeinte Zusage handelte, wie der Umstand, dass der Kaufmann B sich auch auf eine bestimmte Höhe der Abfindung festlegte. Die Zusage passt auch in das vom Kläger gezeichnete Bild, dass sich der Kaufmann Adolf B auch in der Vergangenheit stets als äußerst großzügig geriert habe.

Schließlich gewinnt auch die von den Zeugen wiedergegebene Angabe, es sei genug Geld da, vor der späteren und sich jetzt abzeichnenden Entwicklung des Konkursverfahrens einen neuen Stellenwert: Nach Angaben des Beklagten als Konkursverwalter ist nach dem jetzt erreichten Stand des Konkursverfahrens mit einer Quote von 75 % zu rechnen (!).

Das Arbeitsgericht hat bei seiner Beweiswürdigung auch bedacht, dass die Zeugen als mitbetroffene Arbeitnehmer tendenziell ein eigenes Interesse am Ausgang des vorliegenden "Musterverfahrens" haben können. Im Bewusstsein dieser Möglichkeit hat das Arbeitsgericht gleichwohl von den Zeugen den Eindruck gewonnen, dass sie glaubwürdig seien. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass immerhin vier Zeugen unabhängig von einander inhaltlich übereinstimmende Angaben gemacht haben.

Die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellende verbindliche Abfindungszusage des Kaufmanns A B beinhaltet somit einen Anspruch in Höhe von rechnerisch unstreitigen 104.775,00 DM (= 53.570,61 EUR), der dem Kläger zustand, nachdem er auf Grund betriebsbedingter Kündigung vom 01.03.1995 zum 31.08.1995 seinen Arbeitsplatz bei der Gemeinschuldnerin verloren hatte.

Das Berufungsgericht teilt auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Abfindungsanspruch des Klägers entgegen der Auffassung des Beklagten und Berufungsklägers nicht verjährt ist. Insoweit ist nämlich, wie das Arbeitsgericht im Anschluss an die Entscheidung des BAG vom 30.10.2001 in Sachen 1 AZR 65/01 angenommen hat, auf die allgemeine, 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. abzustellen. Dagegen findet die kurze, zweijährige Verjährungsfrist der § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB keine Anwendung.

In der vom Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidung des BAG vom 30.10.2001 (NZA 2002, 449 ff.) hat das BAG darauf abgestellt, dass die in § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB a.F. geregelten kurzen, zweijährigen Verjährungsfristen sich zunächst auf Vergütungsansprüche im engeren Sinne wie Lohn und Gehalt beziehen, die ein Äquivalent für die erbrachte Arbeitsleistung darstellten. Darüber hinaus erfassten sie auch alle Ansprüche, die in einem weiteren Sinne Arbeitsentgelt oder sonstige regelmäßig nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistungen beträfen. Voraussetzung sei jedoch stets, dass solche Ansprüche Lohn- oder Gehaltscharakter besitzen, also eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellten. Hierzu zählten zum Beispiel Umsatzprovisionen, Akkordlöhne, Naturallöhne, Provisionen und Tantiemen, aber auch Karenzentschädigungen sowie Ansprüche auf Auslagenersatz und Vorstellungskosten.

Diese Voraussetzungen seien jedoch bei einer Sozialplanabfindung nicht erfüllt. Diese stelle kein Äquivalent für eine erbrachte Arbeitsleistung dar. Sie folge zwar aus dem Arbeitsverhältnis, jedoch sei ihr Zweck auf die durch die Betriebsänderung verursachte künftige Lage des Arbeitnehmers bezogen. Dem stehe auch die pfändungsrechtliche Behandlung von Sozialplanabfindungen als Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 ZPO nicht entgegen. Bei dem Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan stehe vielmehr die Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion im Vordergrund. Wie § 112 Abs. 1 BetrVG zeige, dienten Sozialplanabfindungen dem Ausgleich oder der Milderung der Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer Betriebsänderung zukünftig entstehen. Die Sozialplanleistung solle für die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer eine Überbrückungshilfe bis zu einem neuen Arbeitsverhältnis oder längstens bis zum Bezug von Altersruhegeld darstellen. Die zukunftsorientierte Funktion der Sozialplanabfindung, Nachteile wegen einer nach dem Ablauf der Kündigungsfrist möglichen Zeit der Arbeitslosigkeit oder Beschäftigung in einem schlechter bezahlten Arbeitsverhältnis auszugleichen oder zu mildern, stehe einem Lohn- oder Gehaltscharakter der Sozialplanabfindung im Sinne von § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB a.F. entgegen. Die Sozialplanabfindung werde nicht für einen bestimmten Zeitraum der Arbeitsleistung gezahlt. Sie werde auch nicht durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses verdient. Sie diene nicht dem Zweck, geleistete Arbeit zusätzlich zu entgelten, nicht dem Zweck, nicht erhaltene Vergütung zu ersetzen oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis entstandenen Schaden auszugleichen. Sie falle trotz der weiten Definition des Arbeitsentgelts in § 14 Abs. 1 SGB IV auch nicht unter die Beitragspflicht zur Sozialversicherung. Der Anspruch stehe nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zu der in einem bestimmten Zeitabschnitt erbrachten Arbeitsleistung.

Es handele sich insbesondere auch nicht um ein Geschäft des täglichen Lebens, das häufig vorkomme und deshalb eine baldige Klärung der Rechtslage erfordere, weil sonst eine in kurzer Zeit eintretende Verdunkelung zu befürchten sei. Bei der Sozialplanabfindung bestehe nicht die typische Gefahrenlage, die Anlass für die Einführung der kurzfristigen Verjährungsfrist gewesen sei (BAG a.a.O.).

Diese Grundsätze zum Charakter einer Sozialplanabfindung, denen sich das Berufungsgericht inhaltlich anschließt, können nach Auffassung des Berufungsgerichts auch auf die hier in Rede stehende, außerhalb eines Sozialplans abgegebene Abfindungszusage übertragen werden.

Auch hier bestand der Sinn und Zweck der Abfindungszusage, wie sich aus den Aussagen der Zeugen, aber auch aus den zeitlichen Zusammenhängen der Firmengeschichte hervorgeht, in einer Absicherung der Belegschaft für den damals als unmittelbar bevorstehend erwarteten Fall eines Zusammenbruchs des Unternehmens und des damit verbundenen Wegfalls seiner Arbeitsplätze. Wenn der Kaufmann A B von der Zeugin T mit den Worten zitiert wird, "wir sollten uns keine Sorgen machen", so waren damit Sorgen um die Zukunft der jeweiligen Arbeitnehmer angesprochen.

Auch die außerhalb eines Sozialplans zugesagte Abfindung zum Ausgleich für die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnis verbundenen Nachteile ist wie die Sozialplanabfindung sozialversicherungsfrei.

Auch mit ihr werden nicht irgendwelche Leistungen in der Vergangenheit belohnt, wie schon der Umstand zeigt, dass allen Arbeitnehmern eine nach gleichen Bemessungsfaktoren bezifferte Abfindung zugesagt wurde.

Daran ändert letztlich auch der Umstand nichts, dass sich die Höhe der zugesagten Abfindungen an der Betriebszugehörigkeitsdauer der einzelnen Arbeitnehmer orientiert. Insbesondere liegt hierin gerade kein markanter Unterschied zur typischen Sozialplanabfindung; denn auch bei Abfindungen, die in Sozialplänen zugesagt werden, entspricht es weit verbreiteter Übung, deren absolute Höhe zumindest auch an der Dauer der zurückgelegten Betriebszugehörigkeit zu orientieren. Diese auch und gerade in Sozialplänen weit verbreitete Übung folgt nicht, wie es vordergründig den Anschein haben könnte, dem Gedanken, dass der ausscheidende Arbeitnehmer für jedes Jahr, das er im Betrieb zurückgelegt hat, zusätzlich "belohnt" werden soll. Es entspricht vielmehr einem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden, die Arbeitnehmer, die von einem betriebsbedingten Arbeitsplatzverlust betroffen sind, für die zukünftige Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses um so besser abzusichern, je größer der soziale Besitzstand war, den sie mit dem Arbeitsplatzverlust verloren haben; denn je größer der verlorene soziale Besitzstand war, desto geringer erscheint die Chance, in Zukunft nochmals einen adäquaten Ersatz zu finden. Außerdem dient die Bemessung der Höhe einer Abfindung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit auch der Rechtssicherheit, indem sie das Bedürfnis nach klaren und leicht durchschaubaren und nachvollziehbaren Bemessungskriterien befriedigt. Diese die Bemessung der Höhe der Abfindung betreffenden Überlegungen ändern jedoch nichts an dem zuvörderst in der Zukunftssicherung bestehenden Sinn und Zweck solcher Leistungen.

Auch bei einer außerhalb eines Sozialplans erfolgten Abfindungszusage handelt es sich um alles andere als ein "Geschäft des täglichen Lebens". Schon die individuelle Abfindungszusage gegenüber einem einzelnen betriebsbedingt ausscheidenden Arbeitnehmer stellt kein "Geschäft des täglichen Lebens" im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses dar, weil sie immer nur aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen wird. Erst recht gilt dies wie hier für eine der gesamten Belegschaft oder zumindest einer Vielzahl von Arbeitnehmern gegenüber abgegebenen Zusage, deren Anlass in nicht mehr und nicht weniger als dem befürchteten unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch des Unternehmens bestand.

Handelt es sich bei einer derartigen Abfindungszusage gerade nicht um einen in einem Arbeitsverhältnis alltäglich vorkommenden Vorgang, so ist auch die sog. Verdunkelungsgefahr bei weitem nicht mit derjenigen zu vergleichen, wie sie bei Ansprüchen auf häufig oder regelmäßig wiederkehrende Leistungen besteht, die typischerweise unter § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB a.F. zu subsumieren sind. Wenn das BAG in seiner Entscheidung vom 30.10.2001 unter anderem auch darauf abgestellt hat, dass bei Sozialplanabfindungen nicht im gleichen Maße eine "Verdunkelungsgefahr" zu befürchten sei wie bei den typischerweise unter § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB a.F. zu subsumierenden arbeitsvertraglichen Leistungen, so hat es dabei nicht in erster Linie auf das bei Sozialplänen als Betriebsvereinbarungen bestehende Schriftformerfordernis abgestellt, sondern darauf, dass es sich bei Sozialplanabfindungen nicht um ein Geschäft des täglichen Lebens handele. Auch hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall aber nicht von der Konstellation einer Sozialplanabfindung.

Entgegen der in der Berufungsinstanz vorgebrachten Ansicht des Beklagten und Berufungsklägers hat der Kläger den ihm zugesagten Abfindungsanspruch auch nicht verwirkt.

Wie der Beklagte im Grundsatz zutreffend ausführt, kann ein Anspruch verwirken, wenn der Berechtigte gegenüber dem Verpflichteten den Eindruck erweckt, dass er seinen Anspruch nicht mehr geltend machen werde (sog. Umstandsmoment) und ihn dann tatsächlich über einen erheblichen Zeitraum nicht verfolgt (sog. Zeitmoment) (BAG NZA 2001, 966 f.).

Vorliegend fehlt es jedoch am Umstandsmoment der Verwirkung.

1. Dieses kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht darin gesehen werden, dass der Kläger seinen Abfindungsanspruch nicht schon auf die Aufforderung des Konkursgerichts im Mai 1995 bis zu dem vom Konkursgericht gesetzten Termin 21.06.1995 zur Tabelle angemeldet hatte. Eine Abfindung, die dazu dient, die Nachteile auszugleichen, welche nach einem bevorstehenden Arbeitsplatzverlust zu befürchten sind, wird, sofern nichts Besonderes bestimmt ist, im Zweifel im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aber erst mehrere Monate nach dem vom Konkursgericht festgesetzten Anmeldetermin. Überdies stellt die vom Konkursgericht festgesetzte Anmeldefrist keine Ausschlussfrist dar, wie die Norm des § 142 KO zeigt, wonach es möglich ist, Ansprüche noch bis zum Schlusstermin des Konkursverfahrens nachträglich anzumelden.

2. Während des sich nun entwickelnden und ungewöhnlich lange hinziehenden Konkursverfahrens hat der Kläger keine Handlung begangen und kein Verhalten an den Tag gelegt, das bei dem beklagten Konkursverwalter das Vertrauen hätte begründen können, der Kläger werde jedenfalls keine Ansprüche mehr zur Konkurstabelle anmelden. Wie der Verlauf der seit 1995 ausgesetzten Kündigungsschutzverfahren zeigt, trat vielmehr in den Beziehungen zwischen den Arbeitnehmern und dem Beklagten ein Stillstand ein. Wie der Kläger unwidersprochen vortragen konnte, erhielten die Arbeitnehmer keine Informationen über den Fortgang des Konkursverfahrens. Wenn der Kläger bei diesen Rahmenbedingungen sich hinsichtlich seines Abfindungsanspruchs dann bis zur Anmeldung im Jahre 1999 auch seinerseits in Schweigen hüllte, so mag damit zwar ggf. das Zeitmoment für die Annahme einer Verwirkung erfüllt sein können. Da jedoch im Ergebnis kein Umstandsmoment festgestellt werden kann, das geeignet war, bei dem Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen, kann der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung auch unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung vom Konkursverwalter nicht wirksam bestritten werden.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG bestand Anlass, die Revision zuzulassen, da die Frage zu klären ist, ob die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 30.10.2001 über die Verjährung von Sozialplanabfindungen aufgestellt hat, auch für die Verjährung von Abfindungsansprüchen außerhalb eines Sozialplans Anwendung finden.

Ende der Entscheidung

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