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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.09.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 547/08
Rechtsgebiete: LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW


Vorschriften:

LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW Ziff. 2.0.8
LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW Ziff. 2.0.11
LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW Ziff. 2.0.12
LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW Ziff. 2.0.15
LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW Ziff. 2.0.19
LohnTV Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW Ziff. 2.0.21
1. Zu den Voraussetzungen einer Eingruppierung in die Lohngruppe 2.0.19 des LohnTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in NRW.

2. Ist in einem Arbeitsvertrag von "übertariflichen, freiwilligen Zulagen" die Rede, so fällt darunter im Zweifel nicht eine sog. Objektzulage, die der Arbeitgeber deshalb zahlt, weil in einem bestimmten Bewachungsobjekt Aufgaben anfallen, die über das Anforderungsprofil der einschlägigen Eingruppierung hinausgehen. Als "übertariflich" sind vielmehr im Zweifel nur solche Zulagen anzusehen, die der Arbeitgeber zusätzlich zur tariflichen Vergütung für solche Tätigkeiten zahlt, die an sich schon durch den Tariflohn abgegolten sind.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2007 in Sachen 16 Ca 3578/07 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende Beträge zu zahlen:

1. für den Monat November 2006 142,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.06.2007;

2. für den Monat Dezember 2006 112,56 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.06.2007;

3. für den Monat Januar 2007 148,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.06.2007;

4. für den Monat Februar 2007 178,72 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.06.2007;

5. für den Monat März 2007 183,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.06.2007;

6. für den Monat April 2007 89,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.06.2007;

7. für den Monat Mai 2007 179,02 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.06.2007;

8. für den Monat Juni 2007 96,08 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.08.2007;

9. für den Monat Juli 2007 135,52 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.10.2007;

10. für den Monat August 2007 177,52 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.10.2007.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Differenzvergütungsansprüche der Klägerin für den Zeitraum November 2006 bis August 2007. Streitig sind dabei die zu treffende tarifliche Eingruppierung der Klägerin sowie der Anspruch auf Zahlung einer Objektzulage.

Die am 29.01.1959 geborene Klägerin ist seit dem 12.02.2003 bei der Beklagten beschäftigt, und zwar zunächst für die Zeit bis zum 11.02.2005 aufgrund befristeter Arbeitsverträge, in denen die Klägerin jeweils als "Empfangskraft" bezeichnet wurde (Bl. 145-148 d. A.), seit dem 12.02.2005 sodann aufgrund des unbefristeten Arbeitsvertrages vom 02.02.2005, in dem die Klägerin als "Sicherheitsmitarbeiterin" bezeichnet wird und auf dessen vollständigen Inhalt (Bl. 24 ff. d. A.) Bezug genommen wird. Die Klägerin ist Teilzeitmitarbeiterin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden.

Die Klägerin wurde zunächst in einem Objekt in B eingesetzt und erhielt hier einen Stundenlohn in Höhe von 7,99 € brutto zzgl. einer sogenannten Objektzulage in Höhe von 1,00 €/Stunde. Anschließend wechselte die Klägerin in das Objekt T GmbH in K , wo sie ebenfalls im Empfangsdienst eingesetzt wurde. Auf die objektbezogene Dienstanweisung der Beklagten, aus deren Ziffer 11 sich auch der dortige Aufgabenbereich der Klägerin ergibt, wird Bezug genommen (Bl. 123 ff. d. A.).

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Die Ziffern 2.0.1 bis 2.0.23 dieses LohnTV enthalten einen Eingruppierungskatalog, in dem bestimmte Tariflöhne bestimmten Tätigkeitsarten zugeordnet werden. Lohn nach Ziffer 2.0.11 LohnTV erhält ein "Sicherheitsmitarbeiter im Separatwachdienst, der den Dienst hauptsächlich in geschlossenen Objekten auszuführen hat und Separatwachmann im Pförtnerdienst". Nach Ziffer 2.0.15 LohnTV wird entlohnt ein "Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst, der sich von 2.0.11 und 2.0.12 dadurch abhebt, indem ihm verantwortlich Ein- und Ausgangskontrollen von Personen und Kraftfahrzeugen obliegen und von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann". Bezahlung nach Ziffer 2.0.19 kann schließlich beanspruchen ein "Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst, der sich von der Lohngruppe 2.0.15 dadurch abhebt, indem er im Empfangsdienst tätig ist und dem die Ein- und Ausgangskontrolle des Publikums sowie auch die Personalkontrolle der Dienststelle, Überwachungsfunktion von technischen Anlagen und die Bedienung der Telefonzentrale obliegt".

Die Beklagte zahlte der Klägerin für ihren Einsatz im Empfangsdienst des Objektes T GmbH zunächst den Tariflohn der Ziffer 2.0.11 LohnTV, welcher in dem Zeitraum November 2006 bis April 2007 7,15 €/Stunde betrug, sowie zusätzlich eine sogenannte Objektzulage in Höhe von 1,12 €/Stunde.

Nachdem die Klägerin schriftlich für die Monate November 2006 bis Januar 2007 reklamiert hatte, dass ihr ihrer Ansicht nach der Lohn der Ziffer 2.0.19 LohnTV zustehe, welcher zum damaligen Zeitpunkt 8,59 €/Stunde betrug, zahlte die Beklagte der Klägerin für diese Monate je 0,32 € brutto/Stunde an Objektzulage nach, ohne jedoch den Stundenlohn als solchen zu erhöhen. Für Februar 2007 rechnete die Beklagte 114,5 Stunden mit einem Stundenlohn von 7,15 € zzgl. einer Objektzulage von 1,44 € ab, weitere 6,5 Stunden mit einem Stundenlohn von 8,59 €. Für März und April 2007 zahlte die Klägerin 8,59 € Stundenlohn und keine Objektzulage mehr.

Zum 01.05.2007 erhöhten sich die Tariflöhne, und zwar zu Ziffer 2.0.11 LohnTV auf 7,30 € brutto/Stunde, zu 2.0.19 LohnTV auf 8,77 €/Stunde.

Für Mai 2007 rechnete die Beklagte 128,5 Stunden mit einem Stundenlohn von 8,77 € ab, 27 Stunden mit einem Stundenlohn von 8,59 €. Für den Juni 2007 bezahlte die Beklagte 156,5 Stunden mit 9,33 €, weitere 6,5 Stunden mit 8,59 €. Ab Juli 2007 rechnete die Beklagte sodann einen Stundenlohn von 8,77 € ab. Eine Objektzulage zahlte die Beklagte weiterhin nicht mehr.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für ihre Tätigkeit beim T in Höhe des Tariflohns der Ziffer 2.0.19 des LohnTV und zusätzlich eine Objektzulage in Höhe von 1,12 € brutto/Stunde zu. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin daher die Nachzahlung der monatlichen Teilbeträge für den Zeitraum November 2006 bis August 2007 in Höhe der entsprechenden Differenz zu den tatsächlich abgerechneten Beträgen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie erfülle alle tariflichen Eingruppierungsvoraussetzungen der Ziffer 2.0.19 LohnTV. Darüber hinaus, so die Klägerin, zahle die Beklagte für jedes Einsatzobjekt eine spezifische sogenannte Objektzulage in je nach Objekt unterschiedlicher Höhe, durch die die besonderen, über die tarifvertraglich vorausgesetzten Grundanforderungen hinausgehenden Arbeitsanforderungen in den einzelnen Objekten abgegolten werden sollten. In dem Objekt T GmbH habe sie über die Anforderungen der Lohngruppe 2.0.19 LohnTV hinaus insbesondere folgende Sonderaufgaben zu verrichten gehabt:

"- Bedienung des EDV-Arbeitsplatzes (Informationsverarbeitung)

- Unterstützung bei Verwaltungsaufgaben und Schriftverkehr

- Unterstützung bei Mailingaktionen

- Bearbeitung von Kurier- und Postsendungen

- Messeberichte fertigen

- Kleines Catering, Kaffee und Tee vorbereiten".

Anlässlich der Zuweisung der Tätigkeit in dem Objekt T habe ihr die Beklagte die Zahlung der Objektzulage in Höhe von 1,12 € brutto/Stunde auch ausdrücklich mündlich zugesagt. Sie werde auch anderen dort tätigen Kolleginnen gezahlt.

Die Beklagte hat sich demgegenüber darauf berufen, die Klägerin sei zutreffend in die Lohngruppe 2.0.11 LohnTV einzugruppieren. Die Eingruppierung in Ziffer 2.0.19 setze nämlich voraus, dass auch die Anforderungen der Gruppe 2.0.15 erfüllt würden. Dies sei jedoch nicht der Fall, da sie, die Beklagte, von der Klägerin keine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen könne, da diese keinen Bezug zu den Aufgaben der Klägerin im Objekt T hätten.

Bei der Objektzulage handele es sich um eine freiwillige übertarifliche Zulage, die entsprechend 2.4 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 02.02.2005 jederzeit widerrufen oder bei Tariferhöhungen angerechnet werden könnte.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 30.10.2007 Bezug genommen.

Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Klägerin am 22.04.2008 zugestellt, nachdem am 30.03.2008 die sogenannte 5-Monats-Frist des § 66 Abs. 1 ArbGG abgelaufen war. Die Klägerin hat am 25.04.2008 gegen das arbeitsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt und diese am 28.05.2008 begründet.

Die Klägerin hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass sie Lohn nach der Ziffer 2.0.19 des LohnTV beanspruchen könne, da sie auch die Tarifmerkmale der Ziffer 2.0.15 erfülle. Eine Ausbildung in Erster Hilfe habe sie im Dezember 2006 auf Verlangen der Beklagten bereits absolviert. Auch eine Ausbildung in Brand- und Katastrophenschutz könne die Arbeitgeberin von ihr verlangen, wie in Ziffer 2.0.15 LohnTV vorgesehen. Insbesondere treffe es auch nicht zu, dass ihre Tätigkeit im Empfangsdienst beim T keinerlei Bezug zur Thematik des Brand- und Katastrophenschutzes aufweise. So sei am Empfang des Nebengebäudes der T GmbH, in dem sie eingesetzt sei, ebenfalls eine Brandmeldeanlage installiert, in deren Bedienung sie auch durch Haustechniker und Mitarbeiter der Firma S eigens eingewiesen worden sei.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2007, Az.: 16 Ca 3578/07, nach den Schlussanträgen der Klägerin in erster Instanz zu entscheiden mit der Maßgabe, dass im Antrag zu 2) nicht 176,99 € brutto, sondern 112,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit verlangt werden.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Beklagte und Berufungsbeklagte bleibt bei ihrer erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung und Sachdarstellung, verteidigt das arbeitsgerichtlichen Urteil und tritt den Behauptungen der Klägerin entgegen, dass die Thematik des Brand- und Katastrophenschutzes an ihrer Einsatzstelle im Empfangsdienst der T GmbH relevant gewesen sei.

Auf die Einzelheiten der Berufungsbegründung, der Berufungserwiderung sowie der weiteren in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze der Klägerin vom 13.08. und 11.09.2008 sowie der Beklagten vom 29.08.2008 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde auch i. S. v. § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin ist begründet.

A. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten, der sich das Arbeitsgericht angeschlossen hat, erfüllte die Klägerin während ihres Einsatzes im Objekt T GmbH in vollem Umfang die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in Ziffer 2.0.19 LohnTV. Daraus folgt, dass sie für den Zeitraum November 2006 bis April 2007 einen tariflichen Stundenlohn von 8,59 € und für die Zeit von Mai 2007 bis zunächst August 2007 einen solchen in Höhe von 8,77 € beanspruchen konnte.

1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Klägerin aufgrund des für den Empfangsdienst im Objekt T GmbH geltenden Aufgabenkatalogs sämtlich diejenigen Eingruppierungsvoraussetzungen erfüllt, die in Ziffer 2.0.19 selbst niedergelegt sind, nämlich dass die Klägerin im Empfangsdienst tätig ist, ihr die Ein- und Ausgangskontrolle des Publikums und die Personalkontrolle der Dienststelle obliegt, ferner eine Überwachungsfunktion von technischen Anlagen und die Bedienung der Telefonzentrale.

2. Nach der Systematik des Tarifvertrages ist die Eingruppierung in Ziffer 2.0.19 allerdings ausdrücklich als Heraushebung aus der Gruppe 2.0.15 konzipiert. Daraus folgt, dass nur derjenige Mitarbeiter die Eingruppierung in Ziffer 2.0.19 beanspruchen kann, der auch sämtliche Voraussetzungen der niedrigeren Gruppe 2.0.15 erfüllt. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist dies jedoch bei der Klägerin der Fall.

a. Bereits unstreitig ist, dass der Klägerin Ein- und Ausgangskontrollen von Personen und Fahrzeugen verantwortlich oblagen.

b. Jedoch auch das weitere Merkmal ist erfüllt, dass die Beklagte als Arbeitgeberin von der Klägerin "eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen" konnte.

aa. Soweit es um eine Ausbildung in Erster Hilfe geht, liegt dies schon deshalb auf der Hand, weil die Beklagte von der Klägerin eine solche Ausbildung tatsächlich verlangt und die Klägerin diese auch im Dezember 2006 tatsächlich absolviert hat. Es handelte sich dabei immerhin um einen zweitägigen Lehrgang, den ein externer Anbieter in den Räumen der Beklagten durchgeführt hat (vgl. Bl. 183 d. A.).

bb. Dass es sich dabei, wie die Beklagte ausführt, "lediglich um eine betriebsinterne Schulung gehandelt hat", ist ohne Belang. Ziffer 2.0.15 stellt keine speziellen Anforderungen an die dort erwähnte Ausbildung, weder was die Frage angeht, wer die Ausbildung veranstaltet, noch wer sie finanziert. Somit fällt unter Ziffer 2.0.15 LohnTV auch eine Ausbildung in Erster Hilfe oder in Brand- und Katastrophenschutz, die der jeweilige Arbeitgeber selbst anbietet und auch finanziert.

cc. Ebenso wenig - und dies verkennt die Beklagte insbesondere - stellt Ziffer 2.0.15 des LohnTV darauf ab, dass die fragliche Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz eine unabdingbar notwendige Voraussetzung dafür darstellt, dass der betreffende Arbeitnehmer eine bestimmte Tätigkeit überhaupt verrichten kann. Für eine solche Auslegung findet sich kein hinreichender Anhaltspunkt im Wortlaut der Tarifvorschrift und sie wird auch nicht durch Systematik oder Sinn und Zweck des Tarifzusammenhangs gefordert.

aaa. Hätten die Tarifvertragsparteien im Sinn gehabt, dass einen Tarifstundenlohn nach Ziffer 2.0.15 LohnTV nur derjenige Sicherheitsmitarbeiter sollte beanspruchen können, dessen dienstlicher Aufgabenbereich eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz zwingend voraussetzt, so hätte nichts näher gelegen, als dies in der entsprechenden Tarifnorm im Klartext zum Ausdruck zu bringen, zumal es im tariflichen Eingruppierungsrecht häufig vorkommt, dass eine Eingruppierung davon abhängen soll, dass eine bestimmte Tätigkeit eine bestimmte Ausbildung voraussetzt. Demgegenüber haben die Tarifvertragsparteien in Ziffer 2.0.15 LohnTV aber gerade nicht darauf abgestellt, dass eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz für eine Tätigkeit, die unter 2.0.15 fallen soll, zwingend erforderlich ist.

bbb. Darüber hinaus wird in Ziffer 2.0.15 auch nicht etwa verlangt, dass der Sicherheitsmitarbeiter über eine solche Ausbildung in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz tatsächlich verfügt, ja noch nicht einmal, dass der Arbeitgeber eine solche Ausbildung tatsächlich verlangt (hat). Auch die Tarifvertragsparteien des LohnTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen haben in ihrem Eingruppierungskatalog an anderer Stelle diffizile Unterscheidungen getroffen. So fallen unter 2.0.8 u. a. "Sicherheitsmitarbeiter, die auf Wunsch des Auftraggebers an einer Ausbildung gemäß Prüfungsordnung einer IHK teilnehmen sollen und eine Prüfung nach den Prüfungsordnungen bei einer IHK ablegen müssen", und im Weiteren wird in dieser Eingruppierungsgruppe danach unterschieden, ob der Mitarbeiter über die IHK Prüfung bereits verfügt oder ob dies nicht der Fall ist. In Ziffer 2.0.21 ist des Weiteren einzugruppieren eine "Fachkraft für Schutz und Sicherheit, die vom Arbeitgeber in einer Funktion eingesetzt wird, für die der Auftraggeber die abgeschlossene Fachausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit fordert". In Anbetracht solcher im Eingruppierungskatalog des LohnTV enthaltener feinsinniger Unterscheidungen ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien auch in Ziffer 2.0.15 die Formulierung ganz bewusst so gewählt haben, dass es nur darauf ankommt, dass der Arbeitgeber "eine Ausbildung in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann [Hervorhebung nur hier]".

ccc. Auch in systematischer Hinsicht finden sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Zu beachten ist, dass Ziffer 2.0.15 zwei verschiedene Qualitätsanforderungen enthält, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. So enthält Ziffer 2.0.15 zum einen das Heraushebungsmerkmal aus den Gruppen 2.0.11 und 2.0.12, dass dem betreffenden Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst verantwortlich "Ein- und Ausgangskontrollen von Personen und Kraftfahrzeugen obliegen". Zum anderen wird eben festgelegt, dass der Arbeitgeber eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz "verlangen kann". Ein unmittelbarer inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Tätigkeitsmerkmal der verantwortlichen Ein- und Ausgangskontrolle einerseits, der erwähnten Ausbildung andererseits ist nicht erkennbar. Es handelt sich vielmehr um zwei selbständige Tarifmerkmale, deren Sinn und Zweck darin besteht, im Vergleich zu den niedrigeren Lohnstufen allgemein gestiegene Qualitätsanforderungen zu beschreiben, und zwar einmal im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit (Ein- und Ausgangskontrollen), zum anderen im Hinblick auf die Möglichkeit des Arbeitgebers, von einem Mitarbeiter dieser Eingruppierungsstufe ein gehobenes Qualifikationsprofil verlangen zu können.

dd. Es genügt somit für Ziffer 2.0.15, dass der Arbeitgeber von dem hierunter fallenden Sicherheitsmitarbeiter nach pflichtgemäßem Ermessen eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann, weil ihm dies für den zugewiesenen oder auch für zukünftig geplante Einsätze berechtigterweise sinnvoll erscheint. Dies kann, muss aber nicht darauf beruhen, dass der Auftraggeber eine entsprechende Qualifikation erwartet. Es würde z. B. auch bereits ausreichen, dass sich der Arbeitgeber von einer solchen Ausbildung seines Mitarbeiters eine gesteigerte Reputation gegenüber seinem Auftraggeber oder eine flexiblere Einsetzbarkeit seines Mitarbeiters, z. B. für Vertretungstätigkeiten, erhoffen kann.

ee. Dass eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie im Brand- und Katastrophenschutz für eine Mitarbeiterin, die im Empfangsbereich eines mehrstöckigen Bürogebäudes mit den aus Ziffer 11 der objektbezogenen Dienstanweisung vom 01.01.2001 hervorgehenden Aufgaben betraut ist, in allgemeiner Form als sinnvoll erscheinen kann, bedarf keiner näheren Darlegung und wird in besonderer Weise dadurch bestätigt, dass für den Einsatz der Klägerin neben der objektbezogenen Dienstanweisung auch die allgemeine Dienstanweisung der Beklagten für den Pforten- und Empfangsdienst Gültigkeit behält, in der es an herausgehobener Stelle zum "Ziel der Bewachung" heißt: "Es ist Aufgabe der W Sicherheitsmitarbeiter, das zugewiesene Objekt nach bestem Wissen und Können gegen Eigentumsdelikte, Hausfriedensbruch, Beschädigung, Feuer [Hervorhebung nur hier] und vor Verstößen gegen die betriebliche Ordnung zu schützen...".

ff. Es besteht für das Berufungsgericht somit kein Zweifel, dass auch das Tarifmerkmal aus Ziffer 2.0.15 LohnTV erfüllt ist, wonach die Beklagte von der Klägerin "eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen" können musste.

gg. Auch der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine Vereinbarung, die ein solches Verlangen ausgeschlossen hätte. Insbesondere befasst sich Ziffer 6 des Arbeitsvertrages und die diese Regelungen wiederum aufhebenden bzw. modifizierenden "Bemerkungen" hinter Ziffer 12 des Arbeitsvertrages nur mit Fragen der Kostenübernahme, nicht aber mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber welche Ausbildung von der Klägerin verlangen kann, auch wenn dies ggf. auf eigene Kosten des Arbeitgebers geschieht.

c. Die Klägerin konnte somit im Anspruchszeitraum durchgehend einen Stundenlohn nach Maßgabe der Tarifgruppe 2.0.15 verlangen. Der der Klägerin zustehende Stundenlohn betrug somit im Zeitraum November 2006 bis April 2007 8,59 € brutto, ab Mai 2007 bis August 2007 8,77 €.

B. Darüber hinaus konnte die Klägerin während ihres Einsatzes als Empfangsmitarbeiterin beim T GmbH zusätzlich zu dem Tarifstundenlohn der Gruppe 2.0.19 auch die für dieses Objekt von der Beklagten gezahlte Objektzulage in Höhe von 1,12 €/Stunde beanspruchen.

1. Zwar ist im Arbeitsvertrag der Parteien ein Anspruch der Klägerin auf die Zahlung der sogenannten Objektzulage nicht ausdrücklich erwähnt. Eine entsprechende Vereinbarung ist zwischen den Parteien jedoch konkludent zustande gekommen. Die Klägerin hat mit Aufnahme ihrer Tätigkeit im Empfangsdienst der T GmbH die entsprechende Objektzulage in Höhe von 1,12 €/Stunde gewährt erhalten und ihre dortige Tätigkeit zu diesen finanziellen Bedingungen geraume Zeit fortgeführt. Selbst nachdem die Klägerin für den Zeitraum ab November 2006 für sich einen höheren Stundenlohn reklamierte, hat die Beklagte zunächst noch die Objektzulage weitergezahlt und vorübergehend sogar auf 1,44 €/Stunde erhöht.

2. Die Zahlung einer Objektzulage an die Klägerin steht im Einklang mit einer allgemeinen, über das Arbeitsverhältnis der Klägerin hinausgehenden Übung, je nach dem Anforderungsprofil bestimmter Einsatzobjekte unterschiedliche Objektzulagen für die Tätigkeiten in einzelnen Objekten in spezifischer Höhe auszuwerfen.

a. Diese Handhabung der Beklagten stimmt mit den Darlegungen der Klägerin überein, wonach die Objektzulage für das Objekt T GmbH gerade deshalb gezahlt wurde, weil die Klägerin hier über die Grundaufgaben der Tarifgruppe 2.0.19 hinaus - der Vereinbarung der Beklagten mit ihrer Auftraggeberin entsprechend - verschiedene Sonderaufgaben zu erfüllen hatte. Während das sogenannte kleine Catering wohl noch den durch die Zahlung der tariflichen Vergütung der Gruppe 2.0.19 abgedeckten Grundaufgaben des Empfangsdienstes zugeordnet werden kann, hatte die Klägerin jedoch unstreitig darüber hinausgehend noch folgende Sonderaufgaben zu verrichten:

- Bedienung des EDV-Arbeitsplatzes (Informationsverarbeitung)

- Unterstützung bei Verwaltungsaufgaben und Schriftverkehr

- Unterstützung bei Mailingaktionen

- Bearbeitung von Kurier- und Postsendungen

- Messeberichte fertigen.

Die vorgenannten Tätigkeiten gehen über den Grundbestand der tariflichen Tätigkeiten eines Sicherheitsmitarbeiters der Tarifgruppe 2.0.19 deutlich hinaus.

b. Der Zusammenhang zwischen der Zahlung der Objektzulage und den dem Kundenauftrag entsprechend zu verrichtenden Sonderaufgaben ist von der Beklagten nicht, schon gar nicht substantiiert bestritten worden.

3. Dient aber die sogenannte Objektzulage unmittelbar der Vergütung der Sonderaufgaben, die über die typischen Aufgaben eines Sicherheitsmitarbeiters der Vergütungsgruppe 2.0.19 hinausgehen und somit mit dem dafür ausgewiesenen Tariflohn nicht abgedeckt sind, so steht die Objektzulage im direkten Gegenseitigkeitsverhältnis zu den von der Klägerin zu erbringenden Arbeitspflichten und kann damit nicht einseitig von der Arbeitgeberin widerrufen werden.

a. Es handelt sich somit zwar um eine "übertarifliche Zulage", der aber auch eine "übertarifliche" Aufgabenverpflichtung gegenübersteht.

b. Unter den "übertariflichen, freiwilligen Zulagen" i. S. v. § 2.4 des Arbeitsvertrages der Parteien können aber nur solche übertariflichen Zulagen verstanden werden, die der Arbeitgeber über seine aus dem Tarifvertrag folgende Verpflichtung hinaus für solche Tätigkeiten zahlt, die "an sich" bereits durch den Tariflohn abgegolten sind. Dies ist vorliegend hinsichtlich der Objektzulage gerade nicht der Fall. Die Objektzulage fällt daher nicht unter 2.4 des Arbeitsvertrages und stellt keine "freiwillige" Zulage in diesem Sinne dar.

c. Damit stimmt im Übrigen überein, dass die Beklagte die Objektzulage in ihren Lohnabrechnungen nicht - und, soweit ersichtlich, ebenso wenig auch an anderer Stelle -als eine unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehende Zulage deklariert hat.

4. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass dem Anspruch der Klägerin auf die Objektzulage auch das in Ziffer 12.3 S. 1 des Arbeitsvertrages enthaltene einfache Schriftformerfordernis nicht entgegensteht. Seit jeher ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass mündliche oder konkludente Vereinbarungen der Parteien, die im Arbeitsleben über geraume Zeit auch tatsächlich praktiziert werden, im Zweifel auch die konkludent vereinbarte Aufhebung des einfachen Schriftformerfordernisses für diesen Fall enthalten.

5. Auf die Frage, ob die arbeitsvertraglichen Regelungen in Ziffer 2.4 und 12.3 des Arbeitsvertrages einer AGB-rechtlichen Überprüfung bedurften und dieser standhalten könnten, kommt es somit nicht an (vgl. z.B. BAG NZA 2007, 87 ff.).

C. In Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 30.10.2007 kann die Klägerin somit von der Beklagten folgende Differenzvergütungen beanspruchen:

1. Für den Monat November 2006 eine Stundenlohndifferenz in Höhe von 142,80 € brutto, für den Monat Dezember 2006 eine solche in Höhe von 112,56 € brutto und für den Monat Januar 2007 eine Stundenlohndifferenz in Höhe von 148,96 € brutto.

2. Für Februar 2007 kann die Klägerin eine Stundenlohndifferenz in Höhe von 171,44 € brutto verlangen sowie eine nicht gezahlte Objektzulage für 6,5 Stunden in Höhe von insgesamt 7,28 €, insgesamt somit 178,72 € brutto.

3. Für März 2007 steht zugunsten der Klägerin die Objektzulage für 163,5 Stunden, also 183,12 € offen, für April 2007 die Objektzulage für 80 Stunden also 89,60 € brutto. Für Mai schuldet die Beklagte noch die Objektzulage für 155,5 Stunden, also 174,16 € brutto sowie darüber hinaus eine Stundenlohndifferenz für 27 Stunden, für die die Beklagte fehlerhaft statt 8,77 € nur 8,59 € abgerechnet hat, also weitere 4,86 € und insgesamt für diesen Monat 179,02 €.

4. Im Juni 2007 hat die Beklagte für 156,5 Stunden einen überobligatorischen Stundenlohn von 9,33 € gezahlt, für 6,5 Stunden dagegen einen zu niedrigen Stundenlohn in Höhe von 8,59 € (statt richtig 8,77 €). Andererseits hat die Beklagte auch für diesen Monat keinerlei Objektzulage erbracht. Richtigerweise standen der Klägerin für 163 Stunden je 8,77 € brutto Stundenlohn und je 1,12 € Objektzulage zu. Im Vergleich zu dem tatsächlich insgesamt abgerechneten Betrag ergibt sich eine Differenz zugunsten der Klägerin in Höhe von 96,08 € brutto.

5. Für den Monat Juli 2007 kann die Klägerin schließlich noch Objektzulage in Höhe von 135,52 € und für August 2007 in Höhe von 177,52 € beanspruchen.

6. Die vorstehend erörterten rechnerischen Zusammenhänge sind, soweit ersichtlich zwischen den Parteien unstreitig.

7. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzugs.

III. Aus den vorgenannten Gründen war das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.10.2007 abzuändern und der Klage in dem in der Berufungsinstanz geltenden Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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