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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: 7 Sa 577/01
Rechtsgebiete: BetrVG, GG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 75
GG Art. 3
BGB § 242
Es widerspricht dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und erscheint willkürlich, wenn ein betriebsbedingt wegen Betriebsstilllegung gekündigter Arbeitnehmer in einem nach Ablauf der Kündigungsfrist und erfolgter Stilllegung abgeschlossenen Sozialplan nur deshalb von einer den gekündigten Arbeitnehmern zugesagten Abfindung ausgeschlossen wird, weil er lange nach Erhalt der betriebsbedingten Kündigung und zum gleichen Endzeitpunkt, wie in dieser vorgesehen, auch noch eine fristgerechte Eigenkündigung ausgesprochen hatte.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 Sa 577/01

Verkündet am: 19.12.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 24.10.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Voges und Lang

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 01.03.2001 (Az. 8 Ca 1806/99 d) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Sozialplananspruch auf Zahlung einer Abfindung zusteht.

Der am 12.08.1943 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 14.07.1976 bei der Gemeinschuldnerin als Arbeiter beschäftigt und verdiente ca. 3.800,00 DM brutto monatlich. Mit Schreiben vom 29.03.1999 kündigte die Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 31.10.1999 wegen einer zu diesem Datum geplanten Betriebsaufgabe. Ausweislich eines von der Gemeinschuldnerin vorgelegten Rückscheins ging das Kündigungsschreiben dem Kläger durch Übergabe an dessen Ehefrau am 31.03.1999 zu. Der Kläger erhob gegen die Kündigung am 14.04.1999 Kündigungsschutzklage, wobei unter anderem zunächst auch streitig war, ob das Kündigungsschreiben noch im Monat März zugegangen ist.

Am 27.08.1999 wurde seitens der späteren Gemeinschuldnerin Insolvenzantrag gestellt. Der jetzige Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Im September 1999 hatte der Kläger eine Arbeitsstelle bei einem anderen Arbeitgeber in Aussicht. Dieser wünschte jedoch, dass der Kläger diese Stelle bereits vor dem 31.10.1999 antreten solle. Der Kläger setzte sich mit der Gemeinschuldnerin, bzw. dem Beklagten in Verbindung, um eine vorzeitige Freigabe zu erreichen, wurde jedoch abschlägig beschieden. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 27.09.1999 eine Eigenkündigung. Das Kündigungsschreiben des Klägers hat folgenden Wortlaut:

"Betr.: Kündigung

Hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.10.1999.

P.S.: Da ich neue Arbeitsstelle habe, möchte ich die gerne früher antreten mit Ihrem Einverständnis. Hochachtungsvoll" (Bl. 45 d. A.).

Auch nachdem der Kläger ein Schreiben seines potentiellen neuen Arbeitgebers vom 05.10.1999 (Bl. 77 d. A.) vorgelegt hatte, in welchem ihm bescheinigt wird, dass er in dem anderen Unternehmen "sofort beschäftigt werden" könne, die Stelle "jedoch nicht bis 31.10.1999 verfügbar" sei, erteilte der Beklagte nicht die Zustimmung zu einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem 31.10.1999. Im Ergebnis erbrachte der Kläger sodann auch bis zum 31.10.1999 seine Arbeitsleistung für die Gemeinschuldnerin, soweit er nicht arbeitsunfähig krank geschrieben war.

Mit Wirkung zum 01.11.1999 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter benannt (Bl. 20 f. d. A.).

Ein Übernahmeangebot durch die Firma Detombay Kirchberg oder einer Auffanggesellschaft war dem Kläger seinerzeit nicht gemacht worden. Der Kläger war nach dem 31.10.1999 zunächst für ca. vier Wochen arbeitslos, da die Stelle, die er in Aussicht gehabt hatte, anderweitig besetzt worden war. Etwa vier Wochen später ergab sich durch Ausscheiden eines anderen Mitarbeiters für den Kläger doch noch die Möglichkeit, bei dem neuen Arbeitgeber anzufangen.

Am 14.02.2000 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat der Gemeinschuldnerin einen Sozialplan. Dessen Geltungsbereich ist in § 1 wie folgt beschrieben:

"Dieser Sozialplan gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer/innen (ohne die leitenden Angestellten) der Firma August Detombay GmbH, die bis zum 31.10.1999 in einem Arbeitsverhältnis standen und die aufgrund der Betriebsstilllegung aus dem Betrieb ausscheiden und nicht von der Firma D K oder der Auffanggesellschaft übernommen wurden.

Nicht mit unter den Sozialplan fallen die Mitarbeiter/innen, die den Betrieb vor dem 31.10.1999 freiwillig verlassen, bzw. selbst gekündigt haben." (Bl. 49 - 54 d. A.)

Das Sozialplanvolumen wurde auf 120.000,00 DM begrenzt. Die Abfindung berechnet sich nach einem Punktsystem. Dem Sozialplan war eine Namensliste beigefügt, in dem elf anspruchsberechtigte Personen mit den jeweils ihrer Punktzahl entsprechenden Abfindungsbeträgen aufgeführt sind. Der Name des Klägers befindet sich nicht auf dieser Liste.

Der Kläger hat von seinem ursprünglichen Kündigungsschutzantrag Abstand genommen und statt dessen die Forderung nach Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm wie allen anderen betroffenen Mitarbeitern, die wegen der Betriebsstilllegung zum 31.10.1999 ausgeschieden seien, ein Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan zustehe. Mit seiner Eigenkündigung habe er lediglich seinem Wunsch, vorzeitig auszuscheiden zu können, Nachdruck verleihen wollen. Insbesondere nachdem diesem Wunsch nicht stattgegeben worden sei, könne seine Eigenkündigung nicht als Grund für einen Ausschluss von Sozialplanansprüchen herangezogen werden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass dem Kläger ein Anspruch auf eine Abfindung nach dem Sozialplan für das Insolvenz- verfahren der Firma A D vom 14.02.2000 zusteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass dem Kläger keine Sozialplanabfindung zustehe, da Mitarbeiter, die kraft Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden seien, nicht unter den Geltungsbereich des § 1 des Sozialplanes fielen.

Mit Urteil vom 01.03.2001 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 02.05.2001 zugestellt. Dieser hat am 23.05.2001 hiergegen Berufung eingelegt und sie am 07.06.2001 begründet.

Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass der Kläger aufgrund seiner Eigenkündigung nicht anspruchsberechtigt sei. Dies stehe auch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang; denn der Kläger sei nicht arbeitgeberseitig zu seiner Eigenkündigung veranlasst oder bestimmt worden. Der Beklagte beruft sich auf das Parallelverfahren LAG Köln 11 Sa 1501/00, in welchem in einem gleichgelagerten Fall der klägerische Sozialplananspruch rechtskräftig abgewiesen und der Nichtzulassungsbeschwerde nicht stattgegeben worden sei.

Der Beklagte beantragt nunmehr,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 01.03.2001 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, dass ihm nach Sinn und Zweck des Sozialplanes ebenfalls eine Abfindung gezahlt werden müsse. Er behauptet darüber hinaus, nachdem ihm erstmals mitgeteilt worden sei, dass man ihn arbeitgeberseitig trotz seiner Aussicht auf eine neue Stelle nicht vor dem 31.10.1999 gehen lassen wolle, habe er sich an den Betriebsrat gewandt. Es sei der Betriebsrat gewesen, der ihm den Rat gegeben habe, zur Untermauerung seines Wunsches nach vorzeitigem Ausscheiden die fragliche Eigenkündigung auszusprechen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst ihren Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

In der Sache selbst konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

1. Das Begehren des Klägers auf Feststellung, dass ihm aus dem Sozialplan vom 14.02.2000 ein Abfindungsanspruch zusteht, ist zulässig. Insbesondere war es nicht erforderlich, dass der Kläger eine bezifferte Zahlungsklage erhebt. Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger dem Grunde nach ein Sozialplananspruch zusteht. Dagegen ist für den Fall, dass diese Frage zu bejahen wäre, die Methode zur Berechnung der dem Kläger nach § 2 des Sozialplans zustehenden Abfindung unstreitig. Andererseits sieht der Sozialplan als Gesamtvolumen einen Festbetrag vor, so dass eine Interdependenz zwischen der Höhe eines dem Kläger zustehenden Abfindungsanspruchs und den Abfindungsansprüchen aller anderen unter den Sozialplan fallenden Mitarbeiter besteht. Dies bedeutet, dass mit der Bejahung eines Anspruches zugunsten des Klägers auch alle übrigen Abfindungsansprüche neu berechnet werden müssen. Es besteht keine Notwendigkeit, den vorstehenden Streit der Parteien mit diesem Rechenwerk zu belasten, da die Berechnungsmethoden unstreitig sind und von dem Beklagten als einer Partei kraft Amtes angenommen werden kann, dass dieser die Abfindungen korrekt berechnet wird.

2. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Dem Kläger steht gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und darüber hinaus gemäß § 242 BGB eine nach Maßgabe von § 2 des Sozialplans zu berechnende Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes zu.

a. Allerdings sollte der Kläger nach dem Willen der den Sozialplan abschließenden Betriebspartner nicht unter den Geltungsbereich des Sozialplans fallen. Zwar gibt der Wortlaut des § 1 des Sozialplans insoweit keinen eindeutigen Aufschluss; denn die in § 1 Satz 2 Sozialplan enthaltene Bestimmung derjenigen Mitarbeiter/innen, die nicht unter den Sozialplan fallen sollen, bedarf der Auslegung. So erscheint es der Berufungskammer ohne weiteres denkbar, den Wortlaut von § 1 Satz 2 des Sozialplanes so auszulegen, dass von den Mitarbeitern, die selbst gekündigt haben, nur diejenigen von den Wohltaten des Sozialplans ausgenommen werden sollten, die zu einem Endtermin vor dem 31.10.1999 selbst gekündigt hätten. Indessen bedarf diese Frage keiner Vertiefung, da eine solche Auslegung dem Willen der Betriebspartner, die die entsprechende Sozialplanklausel formuliert haben, offensichtlich nicht entspricht. Dies ergibt sich aus der dem Sozialplan beigefügten Anlage, in welcher der Personenkreis, der durch die Sozialplanabfindung begünstigt werden soll, abschließend aufgezählt ist. Der Kläger des vorliegenden Verfahrens ist in dieser Anlage jedoch ebenso wie der Kläger des im wesentlichen gleichgelagerten Parallelverfahrens 11 Sa 1501/00 nicht genannt.

b. Der von den Betriebspartnern demnach gewollte Ausschluss des Klägers von den Leistungen gemäß § 2 des Sozialplans ist jedoch nicht rechtens.

aa. Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Das begründet zu allererst eine entsprechende Bindung der Betriebsparteien an diese Grundsätze für ihre eigenen Regelungen (BAG NZA 1991, 692 ff.). Hierbei ist der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz der wichtigste Unterfall der Behandlung nach Recht und Billigkeit: Ob eine Regelung für einen Arbeitnehmer billig oder unbillig ist, zeigt sich in erster Linie daran, wie er im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern behandelt wird (BAG a. a. O.; BAG AP Nr. 45 und 46 zu § 112 BetrVG 1972; BAG EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 55). Der von den Betriebspartnern vereinbarte Inhalt eines Sozialplans muss immer dem Normzweck von § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entsprechen, welcher darin besteht, die wirtschaftlichen Nachteile zu mildern, die den Arbeitnehmern in Folge der geplanten Betriebsänderung entstehen (BAG NZA 1991, 692 ff.).

bb. Vorliegend haben die Betriebsparteien im Sozialplan vom 14.02.2000 den Kläger ohne sachlichen Grund von den in § 2 des Sozialplans vorgesehenen Leistungen ausgeschlossen, nur weil er lange nach Erhalt einer entsprechenden betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung sein Arbeitsverhältnis nochmals fristgerecht selbst gekündigt hat, und zwar zu exakt demselben Endzeitpunkt, zu dem auch die arbeitgeberseitige Kündigung ausgesprochen worden war.

aaa. Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach entschieden, dass es mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein kann, wenn die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Ansprüchen auf eine Abfindung in einem Sozialplan zwischen Arbeitnehmern unterscheiden, denen in Folge der Betriebsänderung gekündigt worden ist und solchen, die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet haben (BAG NZA 1996, 271 ff.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt laut der BAG-Rechtsprechung jedoch dann, wenn die Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlasst worden ist. In einem solchen Fall sind gekündigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmer, die aufgrund einer Eigenkündigung ausgeschieden sind, gleich zu behandeln (BAG a. a. O.; BAG NZA 1995, 489 ff.). Bei der Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist jedoch zu beachten, dass in allen vom Bundesarbeitsgericht bisher zu entscheidenden Fällen die betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich aufgrund ihrer Eigenkündigung, bzw. eines Aufhebungsvertrages aus den Arbeitsverhältnissen ausgeschieden waren, ohne dass es überhaupt zum Ausspruch einer betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung gekommen war.

bbb. Vor diesem Hintergrund muss es betrachten werden, wenn das Bundesarbeitsgericht das von ihm geprägte Kriterium der "Veranlassung" in der Entscheidung vom 19.07.1995 (NZA 1996, 271 ff.) dahingehend definiert hat, dass eine Veranlassung "nur dann vorliege, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden" (LS 3). Wie aus Satz 2 des o. a. angesprochenen Leitsatzes sowie aus der Begründung des Urteils hervorgeht, wollte das Bundesarbeitsgericht damit die Abgrenzung treffen zu solchen Fällen, in denen der Arbeitgeber lediglich auf eine unsichere Lage des Unternehmens oder auch in allgemeiner Form auf notwendig werdende Betriebsänderungen hingewiesen und in diesem Zusammenhang gegebenenfalls auch den Rat erteilt hat, sich eine neue Stelle zu suchen. Eine positive Definition des Kriteriums der "Veranlassung" hat das Bundesarbeitsgericht dagegen in seiner Entscheidung vom 20.04.1994 (NZA 1995, 489 ff.) gegeben, und zwar wie folgt: "Ein Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung ist in der Regel nur dann durch die geplante Betriebsänderung veranlasst, wenn der Arbeitgeber diese zumindest in den Umrissen dargelegt und den betreffenden Arbeitnehmer darauf hingewiesen hat, dass auch in dem Bereich, in dem er tätig ist, ein möglicherweise auch ihn betreffender Personalabbau zu erwarten ist" (vgl. ferner BAG v. 17.4.1996 10 AZR 560/95 unter II 3 c). Dies bedeutet: Hätte die Gemeinschuldnerin dem Kläger im März 1999 mitgeteilt, dass sie eine Betriebsstilllegung beabsichtige und dass von dieser Betriebsstilllegung auch er betroffen sein werde, und hätte der Kläger dann, ohne dass es überhaupt zum Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung gekommen wäre, selbst gekündigt, so wäre diese Kündigung als vom Arbeitgeber "veranlasst" im Sinne der Definition des BAG anzusehen gewesen. Eine noch konkretere Mitteilung, dass der Arbeitsplatz des Klägers von einer Betriebsstilllegung betroffen sein werde, als der tatsächlich geschehene Ausspruch einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung ist aber nicht denkbar.

ccc. Diese Überlegungen zeigen nach Auffassung der Berufungskammer, dass in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, in welcher eine arbeitnehmerseitige Eigenkündigung einer bereits erfolgten arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung nachfolgt, eine grammatikalische Auslegung der Kriterien "Veranlassung" oder "zur Eigenkündigung bestimmt" nicht weiterhelfen.

cc. Vielmehr ist nach dem Sinn und Zweck zu fragen, der es rechtfertigen könnte, im Falle einer Betriebsänderung einen Arbeitnehmer, der eine Eigenkündigung ausgesprochen hat, von Sozialplanleistungen auszunehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat in den verschiedenen Entscheidungen zum Thema verschiedene sachliche Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit Eigenkündigung aufgezeigt. Keiner dieser sachlichen Rechtfertigungsgründe trifft auf den vorliegenden Fall zu.

aaa. So hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 19.07.1995 unter anderem darauf abgestellt, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe könne, sich die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsänderung nicht aus der Hand nehmen zu lassen und selbst zu bestimmen, welche Arbeitnehmer er unter Umständen überhaupt oder noch eine gewisse Zeit benötigt und behalten möchte. Dieser Gesichtspunkt kann vorliegend schon deshalb keine Ungleichbehandlung rechtfertigen, da der Kläger zu exakt demselben Endzeitpunkt gekündigt hat wie die Gemeinschuldnerin. Zwar hat der Kläger ausgeführt, Motivation für seine Eigenkündigung sei letztlich gewesen, seinem Wunsch nach vorzeitigem Ausscheiden Nachdruck zu verleihen. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob eine Ungleichbehandlung sachlich dann gerechtfertigt gewesen wäre, wenn es tatsächlich - mit Zustimmung des Beklagten - zu einem vorzeitigen Ausscheiden des Klägers, d. h. zu einem Ausscheiden vor dem 31.10.1999 gekommen wäre. Diese Frage erübrigt sich, da der Beklagte die Zustimmung hierzu de facto nicht erteilt hat und der Kläger bis zum letzten Tag der arbeitgeberseitig gewählten Kündigungsfrist im Arbeitsverhältnis geblieben ist und auch gearbeitet hat, soweit er nicht krank geschrieben war. Ebenso wenig hat der Beklagte etwa dem Kläger zu irgend einem Zeitpunkt die Rücknahme der arbeitgeberseitig ausgesprochenen Kündigung angeboten oder auch nur eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über den 31.10.1999 hinaus angetragen.

bbb. In anderen Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Betriebspartner bei Aufstellung von Sozialplänen in der Regel nur prognostizieren könnten, welche wirtschaftlichen Nachteile die betroffenen Arbeitnehmer durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes erleiden (BAG NZA 1995, 489 ff.). In der Regel könnten die Betriebspartner davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die von sich aus ihr Arbeitsverhältnis beenden, dies nur dann tun, wenn sie bereits eine neue Stelle gefunden haben (BAG a. a. O.). Auch dieser Gesichtspunkt ist nicht geeignet, den Kläger von Sozialplanansprüchen auszunehmen.

Zum einen haben die Betriebspartner im vorliegenden Fall keine solche Prognose treffen müssen, weil sie den Sozialplan erst im Februar 2000, also lange nach Ablauf der Kündigungsfristen der betriebsbedingten Kündigungen aufgestellt haben. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplanes war für die Betriebspartner somit erkennbar, welche Arbeitnehmer bis dahin welche Nachteile tatsächlich erlitten hatten.

Zum anderen unterscheidet der Sozialplan generell nicht danach, ob die von der Betriebsstilllegung betroffenen Arbeitnehmer nach dem 31.10.1999 bei dritten Arbeitgebern ein Anschlussarbeitsverhältnis gefunden haben oder nicht. Nur diejenigen, die "von der Firma D K oder der Auffanggesellschaft übernommen wurden", sollten nach § 1 Satz 1 des Sozialplans insoweit keine Leistungen erhalten.

Im übrigen war der Kläger nach dem 31.10.1999 auch tatsächlich für einen Übergangszeitraum arbeitslos.

ccc. Mit dem Hinweis, der Kläger habe aufgrund seiner Eigenkündigung nicht die im Sozialplan vorausgesetzte Betriebstreue bewiesen, setzt sich der Beklagte schließlich in einen diametralen Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten und dem ihm zurechenbaren Verhalten der Gemeinschuldnerin. Er verhält sich damit seinerseits treuwidrig. Schließlich waren es die Gemeinschuldnerin und der Beklagte, die den seit 1976 beschäftigten Kläger daran gehindert haben, betriebstreu zu bleiben, indem sie ihm eine betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgesprochen, diese aufrechterhalten und deren Rechtswirksamkeit einschließlich der gewählten Kündigungsfrist bis zuletzt vehement verteidigt haben. Insbesondere aufgrund des zuletzt genannten Gesichtspunktes wäre es auch unerheblich, wenn der Kläger - was nicht vorgetragen ist - im Zeitpunkt des Ausspruchs seiner Eigenkündigung noch von der rechtsirrigen Vorstellung ausgegangen wäre, die Kündigungsfrist der arbeitgeberseitigen Kündigung sei zu kurz bemessen worden und liefe richtigerweise noch bis zum 30.11.1999.

dd. Indem mit dem Beklagten davon auszugehen ist, dass die arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung rechtswirksam war, und nachdem der Beklagte einem vorzeitigem Ausscheiden des Klägers vor dem 31.10.1999 nicht zugestimmt hatte. ist die vom Kläger zum 31.10.1999 ausgesprochene Eigenkündigung im Ergebnis ohne irgendeine eigenständige Bedeutung geblieben. Vor diesem Hintergrund ist ein sachlicher Grund dafür, den Kläger von den Leistungen des Sozialplanes auszunehmen, nicht erkennbar. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte die beklagte Partei keinen tieferen Grund für die Ungleichbehandlung angeben. Sie erscheint daher willkürlich.

Die Sachlage stellt sich letztlich ähnlich dar, wie vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 15.01.1991 (NZA 1991, 692 ff.) unter II 3 gekennzeichnet

: "Letzten Endes bedeutet hier die Differenzierung nach Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkündigung nichts anderes als eine Bestrafung des Arbeitnehmers, der sich umgehend um einen neuen Arbeitsplatz bemüht und so ehrlich ist, seinem bisherigen Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, wenn er eine neue Arbeitsmöglichkeit gefunden hat."

Vorliegend kommt jedoch noch hinzu, dass der Arbeitnehmer sogar die erste sich ihm bietende neue Arbeitsmöglichkeit notgedrungen ausgeschlagen hat, um bis zum Ende der noch laufenden Kündigungsfrist der Gemeinschuldnerin vertragstreu bleiben zu können.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht, soweit ersichtlich, bislang zur Frage des Ausschlusses von Sozialplanansprüchen bei Eigenkündigung keine Fallkonstellation zu entscheiden hatte, in der eine arbeitnehmerseitige Eigenkündigung einer betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung nachfolgte, und die vorliegende Entscheidung von der Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts in einem im wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalt abweicht, war nach Auffassung der Berufungskammer gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 2 ArbGG die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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