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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 663/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
1. Verschafft eine Reisebüroangestellte Kunden des Reisebüros zu Lasten von Reiseveranstaltern durch wahrheitswidrige Angaben bei der Buchung unberechtigte Rabatte, so kann darin auch ein wichtiger Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch außerordentliche Kündigung liegen.

2. Maßgeblich sind jedoch stets die Umstände des Einzelfalls. Dabei spricht es insbesondere zugunsten der Arbeitnehmerin, wenn sie subjektiv im vermeintlichen Interesse ihrer Arbeitgeberin handelte, keinerlei persönlichen Vorteil aus ihrem Verhalten gezogen hat und der Arbeitgeberin kein Schaden entstanden ist.

3. Je länger potentielle Kündigungsgründe im Zeitpunkt ihrer Entdeckung zurückliegen, desto schwerer muss ihr Gewicht in objektiver und subjektiver Hinsicht ausfallen, um sich in der Gegenwart und Zukunft überhaupt noch auf das beiderseitige Vertrauensverhältnis auswirken zu können.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.05.2006 in Sachen 6 Ca 10261/05 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten vom 25.10.2005 und 21.12.2005 sowohl als außerordentliche fristlose Kündigungen wie auch als ordentliche fristgerechte Kündigungen rechtsunwirksam sind.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende Beträge zu zahlen:

- für den Monat November 2005 brutto 2.853,61 € abzüglich 1.101,90 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005;

- für den Monat Dezember 2005 brutto 2.853,61 € abzüglich 1.101,90 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006;

- als Weihnachtsgeld für das Jahr 2005 weitere 2.853,61 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005;

- für den Monat Januar 2006 brutto 2.853,61 € abzüglich 1.101,90 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2006;

- für den Monat Februar 2006 brutto 2.853,61 € abzüglich 1.101,90 € netto zuzüglich Zinsen ins Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2006.

Die weitergehende Berufung (Berufungsantrag Ziffer 5) wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im wesentlichen um die Rechtswirksamkeit zweier arbeitgeberseitiger Kündigungen sowie davon abhängige Zahlungsansprüche.

Wegen des Sach- und Streitstandes, welchen das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat, und wegen der Überlegungen, die das Arbeitsgericht dazu bewogen haben, die Kündigungsschutzanträge und die von der Rechtsbeständigkeit der Kündigungen abhängigen Zahlungsanträge abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Teilurteils vom 04.05.2006 Bezug genommen.

Das Teilurteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 26.06.2006 zugestellt. Sie hat hiergegen am 08.06. und 07.07.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 28.09.2006 am 26.09.2006 begründet.

Die Klägerin hält die beiden streitgegenständlichen Kündigungen sowohl als fristlose wie auch als ordentliche Kündigungen für unwirksam. Sie vertritt die Auffassung, die - in tatsächlicher Hinsicht weitgehend unstreitigen - Vorgänge bei der Einräumung eines Expedientenrabattes zu Gunsten der Kundin E in den Jahren 1999 und 2000 sowie zu Gunsten des Kunden S im Jahre 2001 beträfen nicht den Vertrauens- sondern den Leistungsbereich. Sie, die Klägerin, habe guten Glaubens und im ausschließlichen Interesse ihrer damaligen Arbeitgeberin gehandelt. Ihr Ziel sei es ausschließlich gewesen, die Bindung der Kunden E und S an die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin zu stärken. Hierzu begründet die Klägerin im Einzelnen, warum es sich aus ihrer Sicht bei der Kundin E und auch bei dem Kunden S um sogenannte Stammkunden gehandelt habe, die überdies in ihrem jeweiligen eigenen Bekanntenkreis auch als Multiplikatoren zu Gunsten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin aufgetreten seien.

Die Klägerin räumt ein, sich gegebenenfalls gegenüber den jeweiligen Reiseveranstaltern nicht korrekt verhalten zu haben. Ihre Arbeitgeberin habe sie jedoch nicht geschädigt oder gar betrogen. Zwar habe die unberechtigte Einräumung eines Expedientenrabattes zu Gunsten der Kundin E zu einem Provisionsausfall bei der Arbeitgeberin in Höhe von 17,19 € (beide Fälle zusammen) und im Falle S zu einem Provisionsausfall in Höhe von 5,74 € führen können. Zu bedenken sei aber, dass sie, die Klägerin, aufgrund der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Büroleitern eingeräumten Befugnisse selbständig berechtigt gewesen wäre, einen Rabatt in Höhe von 3 % auf den Gesamtreisepreis zu gewähren. Hätte sie hiervon Gebrauch gemacht, wäre der Provisionsausfall höher gewesen.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass den streitgegenständlichen Kündigungen in jedem Fall eine einschlägige und zeitnahe Abmahnung habe vorausgehen müssen. Maßgeblich komme es nämlich auf die Prognose an, ob die Arbeitgeberin damit rechnen könne, dass sie, die Klägerin, sich in Zukunft korrekt verhalten werde. Hiervon sei - unabhängig von dem Gesichtspunkt einer Abmahnung - auch schon allein deshalb auszugehen, weil die von der Beklagten jetzt zur Rechtfertigung ihrer Kündigungen herangezogenen Vorgänge schon viele Jahre zurücklägen und sie, die Klägerin, sich seitdem keinerlei weiterer einschlägiger Verfehlungen mehr schuldig gemacht habe.

Darüber hinaus macht die Klägerin geltend, dass die streitigen außerordentlichen Kündigungen auch wegen Verstoßes gegen § 626 Abs. 2 BGB scheitern müssten und die Heranziehung von derart lange Zeit zurückliegenden Kündigungsgründen für eine ordentliche Kündigung verwirkt seien.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.05.2006, 6 Ca 10261/05, aufzuheben und

1. festzustellen, dass die mit Schreiben der Beklagten vom 25.10.2005 ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam ist;

2. festzustellen, dass die mit Schreiben der Beklagten vom 25.10.2005 hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung zum 31.03.2006 unwirksam ist;

3. festzustellen, dass die mit Schreiben der Beklagten vom 21.12.2005 ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam ist;

4. festzustellen, dass die mit Schreiben der Beklagten vom 21.12.2005 ausgesprochene fristgerechte Kündigung zum 30.06.2006 unwirksam ist;

5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien unverändert fortbesteht;

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Gehalt für den Monat November in Höhe von brutto 2.853,61 € abzüglich 1.101,90 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen;

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Gehalt für den Monat Dezember 2005 in Höhe von brutto 2.853,61 € abzüglich 1.101,90 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen;

8. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.853,61 € brutto (Weihnachtsgeld 2005) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen;

9. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Gehalt für den Monat Januar 2006 in Höhe von brutto 2.853,61 € abzüglich 1.101,90 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2006 zu zahlen;

10. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Gehalt für den Monat Februar 2006 in Höhe von brutto 2.853,61 € abzüglich 1.101,90 € netto zuzüglich Zinsen ins Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2006 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Teilurteil und hält die angegriffenen Kündigungen nach wie vor für rechtswirksam. Sie begründet im Einzelnen, warum ihrer Auffassung nach die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt und die Kündigungsgründe nicht verwirkt seien. Die drei unstreitigen Fälle der Gewährung eines unerlaubten Expedientenrabattes stellten betrügerische unerlaubte Handlungen zu Lasten der Arbeitgeberin dar. Zumindest bestehe insoweit ein dringender Tatverdacht. Hierdurch sei der Arbeitgeberin auch finanzieller Schaden entstanden. Da die Klägerin bis heute keine Einsicht zeige, sei die Wiederholungsgefahr außerordentlich hoch und das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört. Bei ihrer Rechtsvorgängerin seien Rabattgewährungen durch Büroleiter nicht weiter routinemäßig überprüft worden. Hierauf habe sich die Klägerin verlassen. Dass die Rabatte nicht der Klägerin persönlich, sondern der Kundin E bzw. dem Kunden S zu Gute gekommen seien, ändere an dem Fehlverhalten nichts.

Die Beklagte bestreitet, dass es sich bei den Kunden E und S um Stammkunden gehandelt habe. Auch sei es für den Status eines Kunden irrelevant, wenn dessen Freunde ebenfalls Reisen buchen oder etwa eine Gruppe mit mehreren Personen in Urlaub fahre. Hier sei jeder Reiseteilnehmer und der von ihm verursachte Umsatz gesondert zu betrachten.

Ergänzend wird auf die weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung und der Berufungserwiderung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das arbeitsgerichtliche Teilurteil vom 04.05.2006 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 vorgeschriebenen bzw. nach Maßgabe dieser Vorschrift gesetzeskonform verlängerten Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin musste auch Erfolg haben.

Das Arbeitsgericht hat in seinem Teilurteil vom 04.05.2006 die außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigungen vom 25.10. und 21.12.2005 zu Unrecht als rechtswirksam angesehen und die von der Unwirksamkeit dieser Kündigungen abhängigen Zahlungsansprüche der Klägerin folgerichtig, aber ebenfalls rechtsirrig abgewiesen.

1. Ebenso wie die Klägerin und Berufungsklägerin legt das Berufungsgericht den arbeitsgerichtlichen Urteilstenor ("die Feststellungsklage wird abgewiesen") dahin aus, dass damit die im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils aufgeführten Klageanträge zu 1) bis 5) abgewiesen werden sollten. Ebenfalls geht das Berufungsgericht mit der Berufungsklägerin davon aus, dass sich Ziffer 3) des arbeitsgerichtlichen Urteilstenors auf die Klageanträge zu 7) bis 11) gemäß Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils bezieht.

2. Im Ausgangspunkt hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass die streitigen Kündigungen aus Oktober und Dezember 2005 von der Beklagten als der "richtigen" Arbeitgeberin der Klägerin ausgesprochen wurden. Der Betriebsübergang von der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf diese ist unstreitig zum 01.01.2005 in tatsächlicher Hinsicht vollzogen worden. Ob der Rechtsübergang im Zeitpunkt des Ausspruchs der streitigen Kündigung bereits in den öffentlichen Registern eingetragen war, ist unerheblich. Auf diesen Gesichtspunkt ist die Klägerin in der Berufungsinstanz auch nicht zurückgekommen.

3. Aus der Sicht des Berufungsgerichts kann dahinstehen, ob die außerordentliche Kündigung vom 25.10.2005 im Sinne vom § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig ausgesprochen wurde.

a. Der Arbeitgeberin ist einzuräumen, dass bei beabsichtigtem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung die Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers zu den Kündigungsvorwürfen regelmäßig von den arbeitgeberseitigen Obliegenheiten zur ordnungsgemäßen Sachverhaltsaufklärung gedeckt ist. Die der Klägerin von der Beklagten gesetzte Stellungnahmefrist endete vorliegend am 18.10.2005, somit nicht mehr als eine Woche vor Ausspruch der streitigen Kündigung.

b. Andererseits ist der Klägerin einzuräumen, dass zwischen den von der Beklagten zur Rechtfertigung der streitigen Kündigungen herangezogenen Sachverhalten und deren nach der Behauptung der Beklagten "zufälligen" Entdeckung im September 2005 ein extrem langer Zeitraum verstrichen ist. Ob sich hieraus indessen bereits Bedenken gegen die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB herleiten lassen, bedarf keiner vertieften Erörterung.

4. Für die streitige außerordentliche Kündigung vom 25.10.2005 fehlt es nämlich bereits an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Es liegen keine Tatsachen vor, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles der Beklagten unzumutbar machen würden, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

a. Die Klägerin hat im Jahre 1999 und im Jahre 2000 der Kundin E bei der Buchung von jeweils einer Pauschalreise einen sogenannten Expedienten- rabatt zukommen lassen, welcher nach den Bedingungen der betroffenen Reiseveranstalter nur an "Expedienten", also an Mitarbeiter des betreffenden Reisebüros, hätte gewährt werden dürfen. Die Klägerin hat gegenüber den Reiseveranstaltern in den entsprechenden Buchungsunterlagen den Eindruck erweckt, bei der Kundin E handele es sich um eine solche "Expedientin", was in Wirklichkeit nicht der Fall war. Der Kundin E sind dadurch Rabattvorteile in Höhe von 169,95 DM bzw. 166,20 DM zugeflossen. Nach der nachvollziehbaren und von der Beklagten im Einzelnen auch nicht beanstandeten Berechnung der Klägerin sind ihrer damaligen Arbeitgeberin dadurch Provisionen im Gesamtumfang von 33,62 DM (= 17,19 €) entgangen.

b. Da der vorstehende Sachverhalt zwischen den Parteien unstreitig ist, bleibt für die Würdigung der streitigen Kündigung als sogenannte Verdachtskündigung von vornherein kein Raum.

c. Die Beklagte leitet aus vorstehend geschildertem unstreitigen Sachverhalt die rechtliche Würdigung her, sie sei von der Klägerin in strafrechtlich relevanter Weise betrogen worden. Diese Würdigung der Beklagten, der das Arbeitsgericht gefolgt ist, ist jedoch in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht aus mehreren Gründen fernliegend.

aa. Zum einen kann die Beklagte schon deshalb nicht selbst Opfer eines von der Klägerin in den Jahren 1999 und 2000 begangenen Betruges gewesen sein, weil sie erst seit dem 01.01.2005 Arbeitgeberin der Klägerin ist. Für die Beurteilung der damaligen Vorgänge kommt es somit ausschließlich auf die Verhältnisse an, die damals bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgelegen haben.

bb. Bezieht man zum anderen aber die Einlassung der Beklagten, die Klägerin habe sie darüber getäuscht, dass es sich bei der Kundin E um eine Expedientin gehandelt habe, auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten als damalige Arbeitgeberin der Klägerin, so impliziert dieser Vorwurf, dass die damalige Arbeitgeberin ihre eigenen Mitarbeiter nicht gekannt hätte. Hätte sie diese ihre eigenen Mitarbeiter nämlich gekannt, hätte sie von der Klägerin nicht darüber "getäuscht" werden können, dass es sich bei Frau E ebenfalls um eine dieser Mitarbeiterinnen handeln sollte. Die Behauptung, ein Arbeitgeber, auch wenn es sich um ein großes Unternehmen handelt, kenne seine eigenen Mitarbeiter nicht, erscheint dem Berufungsgericht so erstaunlich, dass sie zumindest einer eingehenden Erläuterung bedurft hätte. Diese hat die Beklagte - und ihr folgend auch das Arbeitsgericht - nicht geliefert.

5. Allerdings hatte die Klägerin durch die unrichtige Angabe in den Buchungsunterlagen, dass es sich bei der Kundin E um eine Expedientin handele, den jeweiligen Reiseveranstalter getäuscht und diesen dazu veranlasst, der Kundin E einen Rabatt zu gewähren, der ihr nach den einschlägigen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters nicht zugestanden hätte. Bei den betroffenen Reiseveranstaltern handelt es sich um ständige Geschäftspartner der Arbeitgeberin der Klägerin. Auch Verfehlungen gegenüber einem ständigen Geschäftspartner der Arbeitgeberin können, insbesondere wenn sie in Ausübung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit erfolgen, das Vertrauensverhältnis zum eigenen Arbeitgeber bis hin zu einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beeinträchtigen, insbesondere dann, wenn dadurch die Geschäftsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Geschäftspartner gestört werden und dem Arbeitgeber auf diese Weise auch ein eigener Schaden entsteht.

In dieser Hinsicht hätte das Verhalten der Klägerin, der Kundin E unberechtigte Expedientenrabatte zu verschaffen, somit grundsätzlich geeignet sein können, einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung auch durch die Arbeitgeberin der Klägerin darzustellen.

Bei der Würdigung eines solchen zur Rechtfertigung einer Kündigung herangezogenen Sachverhalts sind nach der Vorgabe des Gesetzes jedoch alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Umstände des vorliegenden Einzelfalles bedingen, dass es vorliegend zur Überzeugung des Berufungsgerichts der Beklagten keineswegs unzumutbar erscheint, die Klägerin weiter zu beschäftigen. Dies ergibt sich insbesondere aus folgenden Gesichtspunkten:

a. Es ist der Klägerin nicht zu widerlegen, dass sie bei der Gewährung des Expedientenrabattes an Frau E subjektiv ausschließlich im vermeintlichen Geschäftsinteresse ihrer Arbeitgeberin handelte.

aa. Unstreitig hatte die Klägerin keinerlei eigenen wirtschaftlichen Vorteil aus der Rabattgewährung. Auch ein irgendwie gearteter Vorteil immaterieller Art ist nicht ersichtlich.

bb. Die Gewährung von Rabatten dient im Geschäftsleben üblicherweise als "Lockvogel", aber auch der Festigung von Kundenbeziehungen. Die Klägerin hat spätestens in der Berufungsbegründung im einzelnen substantiiert dargelegt, dass es sich bei Frau E um eine "gute Kundin" des Reisebüros der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin handelte, die vor wie nach dem Jahre 1999 und 2000 an zahlreichen in dem Reisebüro der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin gebuchten Reisen teilgenommen hat. Auch wenn dies teilweise als Mitglied einer Reisegruppe geschehen seien mag, so führt doch die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung selbst wörtlich aus, dass, wenn eine Gruppe mit mehreren Personen in den Urlaub fährt, " jeder Reiseteilnehmer gesondert zu betrachten und an dem von ihm verursachten Umsatz und Reisepreisen zu messen" ist.

b. Der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ist bei näherer Betrachtung auch kein Schaden, nicht einmal ein geringfügiger, entstanden.

aa. Zwar sind der Rechtsvorgängerin der Beklagten vordergründig durch die Buchungen der Klägerin Provisionen im Umfang von 17,19 € entgangen. Dem steht aber gegenüber, dass die Klägerin nach den bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gegebenen Verhältnissen berechtigt gewesen wäre, aus eigener Machtvollkommenheit Rabatte im Umfang von bis zu 3% auf den Reisepreis zu gewähren. Anders als bei den vom Reiseveranstalter ausgelobten Expedientenrabatten wären solche vom Reisebüro selbst gewährten Rabatte im Zweifel auch in vollem Umfang zu dessen eigenen Lasten gegangen. Auch hierin wird die Einlassung der Klägerin plausibel, sie habe subjektiv im vermeintlichen Interesse ihres Arbeitgebers handeln wollen. Hinzu kommt der bereits erwähnte Vorteil, der in der Stärkung der Kundenbeziehung zur Kundin und deren Bekanntenkreis bestand.

bb. Ein Schaden ist der Arbeitgeberin der Klägerin letztlich auch nicht durch die Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehung zu den Reiseveranstaltern entstanden. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die betroffenen Reiseveranstalter A bzw. N aufgrund der Vorfälle der Jahre 1999 und 2000 Sanktionen gegenüber der Beklagten bzw. ihrer Vorgängerfirma eingeleitet oder auch nur angedroht hätten. Nach der eigenen Darstellung der Beklagten hat es die Firma N nicht einmal für nötig befunden, als Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts der Beklagten die von dieser erbetenen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

c. Des weiteren erscheint es entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts bei der Würdigung der Umstände des Einzelfalls sehr wohl von erheblicher Bedeutung, dass die der Klägerin angelasteten Vorfälle zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits extrem lange, nämlich, wenn man den Vorfall S noch mit einbezieht, zwischen 4 und 6 Jahren zurücklagen.

aa. Ein verständiger, objektiv abwägender, billig und gerecht denkender Arbeitgeber wird bei Verfehlungen der vorliegenden Art sehr wohl im Hinblick auf die Auswirkungen auf das beiderseitige Vertrauensverhältnis danach unterscheiden, ob es sich um aktuelle Verhaltensweisen des betreffenden Arbeitnehmers handelt, oder ob die entsprechenden Vorfälle bereits lange Zeit zurückliegen. Je länger die arbeitsvertraglichen Verstöße zurückliegen, desto schwerer muss das Gewicht der Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht ausfallen, um sich in der Gegenwart und der Zukunft überhaupt noch auf das beiderseitige Vertrauensverhältnis auswirken zu können. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass z. B. auch Abmahnungen mit fortschreitender Zeit ihre Bedeutung verlieren und in dem weiteren Arbeitsverhältnis keine Rolle mehr spielen dürfen, je länger der abgemahnte Vorwurf zurückliegt.

bb. Bei alledem ist entgegen der gegenteiligen Annahme des Arbeitsgerichts davon auszugehen, dass sich die Klägerin jedenfalls seit dem Vorfall mit dem Kunden S im Jahre 2001 keinerlei einschlägige Verstöße mehr hat zu Schulden kommen lassen. Es stellt eine grobe Verkennung der Darlegungs- und Beweislast in einem Kündigungsschutzprozess dar, der Klägerin die Beweislast dafür aufbürden zu wollen, dass ihr während eines bestimmten Zeitraums keine Verfehlungen mehr anzulasten wären. Dies gilt vorliegend um so mehr, als nicht einmal die Beklagte selbst konkrete Vermutungen in dieser Richtung angedeutet hat, obwohl davon auszugehen ist, dass ein sorgfältig handelnder Arbeitgeber im Vorfeld von Kündigungsentscheidungen, wie sie hier zu treffen waren, die ihm möglichen Überprüfungen insoweit vorgenommen haben wird.

d. Wie von der Klägerin zutreffend referiert kommt es nach der neuesten Rechtsprechung des BAG (2 AZR 21/05 vom 12.01.2006) bei der Würdigung verhaltensbedingter Kündigungen vor allem darauf an, ob ein verständiger Arbeitgeber mit der Wiederherstellung der für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlichen Vertrauensbasis rechnen kann. In Anbetracht der dargelegten Umstände des Einzelfalls erscheint dies vorliegend zur Überzeugung des Berufungsgerichts unbedingt der Fall, zumal es sich bei der Klägerin, wie das Zwischenzeugnis vom 15.07.2002 zeigt, schon in der Vergangenheit um eine hervorragend beurteilte Mitarbeiterin handelte. Ungeachtet des Umstandes, dass die unberechtigte Einräumung von Expedientenrabatt an die Kundin E zu Lasten der jeweiligen Reiseveranstalter auch einen Arbeitsvertragsverstoß der Klägerin beinhaltete, kann hieraus aus den vorstehend entwickelten Gründen kein hinreichendes Interesse der Beklagten abgeleitet werden, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit sofortiger Wirkung zu beenden.

6. Auch als ordentliche Kündigung ist die Kündigung der Beklagten vom 25.10.2005 dementsprechend rechtsunwirksam. Aus den dargestellten Gründen ist es der Beklagten zumutbar, die Klägerin auch über den Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen. Ein dringendes verhaltensbedingtes Erfordernis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ist nicht anzuerkennen.

7. Entsprechendes gilt schließlich auch für die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2005. Auch diese ist sowohl als außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB wie auch als ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG rechtsunwirksam.

a. Zwar stellte auch hier die unberechtigte Vermittlung eines Expedientenrabattes zu Gunsten des Kunden S eine Arbeitsvertragsverfehlung der Klägerin dar. Auch hier gelten aber ohne weiteres die oben zur Kündigung vom 25.10.2005 entwickelten, die Klägerin entlastenden Gesichtspunkte entsprechend.

b. Es kommt auch im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten nicht erschwerend hinzu, dass die Klägerin den Vorfall S angeblich zu vertuschen gesucht hätte. Für das diesbezüglich von der Beklagten angeführte Indiz hat die Klägerin bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 15.03.2006 (dort Seite 7) eine nicht widerlegte Erklärung abgegeben. Auf der anderen Seite kommt im Falle S zu Gunsten der Klägerin noch hinzu, dass sie darauf verweisen konnte, dass der Kunde ohne den ihm gewährten Rabatt den Flug nicht gebucht hätte.

8. Bei alledem kann die Beklagte schließlich auch nicht damit gehört werden, dass die Klägerin sich bis zuletzt uneinsichtig und verstockt gezeigt hätte.

Sowohl schriftsätzlich wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin eingeräumt, dass es sich bei der Gewährung von Expedientenrabatten zu Gunsten der Kunden E und S und zu Lasten der jeweiligen Reiseveranstalter bzw. im Falle des Kunden S des jeweiligen Flugveranstalters aus heutiger Sicht um unkorrekte und letztlich nicht zu billigende Verhaltensweisen gehandelt habe. Die Klägerin hat sich lediglich gegen den Vorwurf gewehrt, sie habe ihre Arbeitgeberin betrügen wollen. Dies ist jedoch nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu beanstanden.

9. Sind somit die streitigen Kündigungen vom 25.10. und 21.12.2005 insgesamt rechtsunwirksam, stehen der Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges die Gehälter für den Zeitraum November 2005 bis Februar 2006 abzüglich jeweils erhaltender Arbeitslosengeldes sowie das Weihnachtsgeld 2005 zu. Für den Fall der unterstellten Unwirksamkeit der Kündigungen hat die Beklagte hiergegen auch keine Einwendungen dem Grunde oder der Höhe nach mehr erhoben.

10. Für den Feststellungsantrag zu 5) bestand allerdings nach wie vor kein Rechtsschutzbedürfnis. In diesem Punkt besteht Übereinstimmung mit der Einschätzung des Arbeitsgerichts. Da die Klägerin über die streitigen Kündigungen vom 25.10. und 21.12.2005 hinaus mit keinem weiteren von der Beklagten verursachten Beendigungstatbestand konfrontiert ist, war der Feststellungsantrag zu 5) rechtlich überflüssig und damit unzulässig.

III. Die Kostenentscheidung war dem noch ausstehenden Schlussurteil vorzubehalten.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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