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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 7 Sa 700/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 331
BGB § 611
BGB § 615
1. Die abweisende Entscheidung über einen für die Dauer eines Kündigungsschutzprozesses gestellten Antrags auf tatsächliche Weiterbeschäftigung beinhaltet kein Präjudiz für etwaige Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers.

2. Ansprüche aus Annahmeverzug sind in einem Zahlungsantrag einzuklagen. Für einen Antrag auf Feststellung, dass der Arbeitgeber während eines in der Vergangenheit gelegenen Zeitraums verpflichtet gewesen sei, den Arbeitnehmer tatsächlich zu beschäftigen, fehlt regelmäßig ein Rechtsschutzinteresse.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 22.01.2004 in Sachen 1 Ca 1625/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Der Kläger macht in der Berufungsinstanz noch geltend, dass das Arbeitsgericht den erstinstanzlich für den Fall des Obsiegens mit seinem Kündigungsschutzantrag gestellten Antrag auf tatsächliche Weiterbeschäftigung zu Unrecht abgewiesen habe. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und der Gründe, die die erste Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, die vom Kläger angegriffene fristlose Kündigung der Beklagten vom 04.03.2003 für unwirksam zu erklären, den arbeitnehmerseitigen Weiterbeschäftigungsantrag jedoch abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 22. Januar 2004 Bezug genommen. Die Beklagte hat das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit sie dadurch beschwert ist, rechtskräftig werden lassen. Seit dem 01.08.2004 befindet sich der Kläger in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Der Klägervertretung wurde das arbeitsgerichtliche Urteil am 18.05.2004 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 18.06.2004 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 19.08.2004 am 16.08.2004 begründen lassen. Der Kläger macht geltend, das Arbeitsgericht habe den Weiterbeschäftigungsantrag zu Unrecht abgelehnt. Zwar könne die Beklagte jetzt, nachdem er, der Kläger, seit dem 01.08.2004 in die Ruhensphase der Altersteilzeit eingetreten sei, nicht mehr zur vertragsgemäßen Beschäftigung verurteilt werden. Es bedürfe allerdings der zweitinstanzlichen Feststellung, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung seinerzeit zumutbar gewesen sei, da ansonsten die Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug seit Ausspruch der Kündigung vom 04.03.2003 gefährdet seien. Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr, das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 22.01.2004 in Sachen 1 Ca 1625/03 teilweise abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger tatsächlich vertragsgemäß zu beschäftigen. Die Beklagte hat sich in der Berufungsinstanz nicht mehr zur Sache eingelassen. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wurde durch Zustellung einer Ladung am 25.08.2004 zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 15.12.2004 geladen. Für die Beklagte ist jedoch im Termin vom 15.12.2004 niemand erschienen. Das Berufungsgericht hat die Klägervertreterin auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des mit der Berufung angekündigten rückwärts gewandten Feststellungsantrags hingewiesen. Die Klägervertreterin hat gleichwohl beantragt, gegen die Beklagte mit dem Antrag aus dem Berufungsschriftsatz vom 13.08.2004 ein Versäumnisurteil zu erlassen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 22.01.2004 ist als solche zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Der Kläger war im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung durch die Abweisung des erstinstanzlichen Weiterbeschäftigungsantrags beschwert. Der Kläger hat die Berufung auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen bzw. gesetzeskonform verlängerten Fristen eingelegt und begründet. II. Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Die Restklage in Form des in der Berufungsinstanz nur noch gestellten rückwärts gewandten Feststellungsantrags ist unzulässig. Ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte konnte somit gemäß § 331 Abs. 2, 1. Halbs. ZPO nicht ergehen. Vielmehr war die Berufung gemäß § 331 Abs. 2, 2. Halbs. ZPO im Wege eines sogenannten unechten Versäumnisurteils zurückzuweisen. 1. Für den in der Berufungsinstanz nur noch streitgegenständlichen Antrag festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger tatsächlich vertragsgemäß zu beschäftigen, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Für die Vergangenheit kann ein etwaiger Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung nicht mehr verwirklicht werden. Aus den Verhältnissen der Vergangenheit ist auch ein Rückschluss auf die Verhältnisse in der Zukunft nicht möglich; denn unstreitig besteht seit dem 01.08.2004 schon deshalb kein Anspruch des Klägers auf tatsächliche Beschäftigung mehr, weil er mit diesem Zeitpunkt in die Freistellungsphase der Altersteilzeitvereinbarung eingetreten ist. 2. Wenn der Kläger glaubt, gegen die Beklagte Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geltend machen zu können, nachdem sich die ursprünglich zwischen den Parteien streitige Kündigung der Beklagten vom 04.03.2003 als unwirksam herausgestellt hat, so mag er die Beklagte auf Zahlung in Anspruch nehmen. Dies stellt den unmittelbaren, direkten und damit einfachsten Weg dar, auf dem alle Voraussetzungen eines solchen Zahlungsanspruchs rechtlich zu klären sind. Schon deshalb hat die Leistungsklage Vorrang vor einem Feststellungsantrag. Selbst wenn die Entscheidung über den vom Kläger gestellten Weiterbeschäftigungsantrag rechtliche Relevanz für die Beurteilung etwaiger Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug besäße, handelte es sich doch allenfalls um eine einzelne Vorfrage, zu der noch zahlreiche andere Anspruchsvoraussetzungen hinzukämen wie z. B. Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, bezogen auf konkrete Zahlungszeiträume, Erzielung von Zwischenverdienst oder dessen böswillige Unterlassung, Bezug von Arbeitslosengeld etc. Die isolierte Feststellungsentscheidung über eine einzelne dieser Vorfragen liefe somit auf die Erstattung eines bloßen Rechtsgutachtens hinaus. 3. Im Gegensatz zu Auffassung des Klägers kommt der vom Arbeitsgericht getroffenen ablehnenden Entscheidung über den vom Kläger gestellten Antrag auf tatsächliche Weiterbeschäftigung aber auch keine abschließende präjudizielle Bedeutung für etwaige Ansprüche des Klägers aus Annahmeverzug zu. a. Der Kläger hat vorliegend tatsächliche Weiterbeschäftigung in einem aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 04.03.2003 in seinem Fortbestand streitigen Arbeitsverhältnis verlangt, und zwar typischerweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Dieser vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelte Weiterbeschäftigungsanspruch im streitigen Arbeitsverhältnis, der sich nur auf die Dauer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses bezieht, beruht auf zwei Grundüberlegungen: Zum einen liegt dem die Erkenntnis zugrunde, dass der Arbeitnehmer aufgrund seines Persönlichkeitsrechts grundsätzlich im Arbeitsverhältnis nicht nur das Recht auf die finanzielle Gegenleistung beanspruchen, sondern auch verlangen kann, tatsächlich arbeiten zu dürfen. Zum andern soll der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis, dessen Bestand streitig ist, dann, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erstinstanzlich bejaht wird, auch das Recht haben, seine Arbeit tatsächlich wieder aufnehmen zu können, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass er ansonsten während eines unter Umständen lange andauernden Rechtsstreits dem Betrieb derart entfremdet wird, dass ein abschließendes positives Urteil über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erheblich entwertet würde. Gleichwohl können die Umstände des Einzelfalls auch die Einschätzung rechtfertigen, dass trotz erstinstanzlicher arbeitsgerichtlicher Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu müssen, ausnahmsweise überwiegt. b. Daraus folgt wiederum Zweierlei: Zum einen gewinnt die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Weiterbeschäftigungsantrag erst für die Zeit ab ihrer Verkündung Relevanz. Damit stimmt überein, dass das Arbeitsgericht seiner Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag auch die Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über die erstinstanzliche Entscheidung zugrunde zu legen hat. So ist beispielsweise ein Weiterbeschäftigungsantrag immer schon dann ohne weiteres abzuweisen, wenn der Arbeitgeber nachträglich eine weitere Kündigung ausgesprochen hat, die Gegenstand eines anderen Rechtsstreits ist, der erstinstanzlich noch nicht entschieden ist. c. Zum anderen beinhaltet die Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrags nicht mehr und nicht weniger, als dass der Arbeitgeber bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nicht verpflichtet ist, den Arbeitnehmer tatsächlich wieder im Betrieb arbeiten zu lassen. Dies kommt der Sache nach einem Recht zur einseitigen Freistellung von der Arbeit gleich, welches es im übrigen auch in einem in seinem Bestand unbestrittenen Arbeitsverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen geben kann. Ob es sich dabei dann jedoch um eine "bezahlte Freistellung" oder eine "unbezahlte Freistellung" handelt, ist eine ganz andere Frage, über die die bloße Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrages keine Aussage enthält und deren Antwort sich im Zweifel an dem Inhalt des rechtskräftigen Ergebnisses des Verfahrens über den Kündigungsschutzantrag zu orientieren haben wird. Hierüber ist abschließend jedoch im Annahmeverzugsprozess zu befinden. 4. Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich im übrigen auch, dass das arbeitsgerichtliche Urteil keineswegs so widersprüchlich erscheint, wie der Kläger glauben machen will. Das Arbeitsgericht hat sich vielmehr offensichtlich von der Überlegung leiten lassen, dass in Anbetracht des im Zeitpunkt der Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils relativ kurz bevorstehenden Eintritts des Klägers in die Freistellungsphase der Altersteilzeit das Interesse des Klägers, nunmehr nach Erlass des Urteils noch tatsächlich beschäftigt zu werden, ein geringeres Gewicht besaß als sonst in Kündigungsschutzprozessen üblich, und deshalb in Anbetracht der sonstigen Gesamtcharakteristik des Falles das Interesse der Beklagten an einer vorläufigen weiteren Nichtbeschäftigung bzw. Freistellung überwog. III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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