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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 7 Sa 828/01
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 65
HGB §§ 87 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 Sa 828/01

Verkündet am: 13.03.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.01.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Modemann und Kaulen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.03.2001 - 5 Ca 1654/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Provisionsanspruch des Klägers und Berufungsklägers.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Gründe, die das Arbeitsgericht Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 13.03.2001 Bezug genommen.

Das erstinstanzliche Urteil wurde dem Kläger am 20.06.2001 zugestellt. Er hat hiergegen am 19.07.2001 Berufung eingelegt und diese am 07.08.2001 begründet.

Der Kläger und Berufungskläger wiederholt seine Ansicht, dass die Arbeitsvertragsklausel, wonach mit Beendigung des Vertragsverhältnisses jedweder Anspruch auf Provision, auch wenn diese bereits erarbeitet sei, erlösche, nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Insbesondere könne ein solcher Rechtfertigungsgrund nicht darin gesehen werden, dass in den ersten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses Garantieprovisionen trotz Unterdeckung ausgezahlt worden seien. Die Wirksamkeit der verschiedenen Vertragsklauseln müsse bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses festgestanden haben. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch noch nicht klar gewesen, ob in den ersten sechs Monaten Unterverdienste niedergeschlagen werden müssten. Eine solche Feststellung könne nur bei einer ex-post-Betrachtung getroffen werden.

Weiterhin moniert der Kläger und Berufungskläger, dass die vom Arbeitsgericht herangezogene Entscheidung des BAG vom 20.07.1973 (AP Nr. 7 zu § 65 HGB) vom Sachverhalt her nicht einschlägig sei: So habe er zu Beginn seiner Tätigkeit für die Beklagte unstreitig ein neues Gebiet bearbeiten müssen und somit nicht von Leistungen eines Vorgängers profitieren können. Außerdem lägen Überhangprovisionen im Sinne der BAG-Rechtsprechung nur vor, wenn der Provisionsanspruch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehe, weil erst zu diesem Zeitpunkt das Geschäft ausgeführt werde.

Schließlich hat der Kläger zuletzt auch die Auffassung vertreten, dass die Vertragsklausel über das Erlöschen von Provisionsansprüchen nur bei arbeitgeberseitiger Kündigung gelte, da sie im Zusammenhang mit der Regelung aufgeführt sei, wonach das Vertragsverhältnis vom Leiter der Filialdirektion fristgemäß oder fristlos gekündigt werden könne. Auch sei nicht eindeutig erkennbar, dass die Vertragsklausel auch für im Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses schon erarbeitete Provisionen gelten solle. Schließlich sei der von der Beklagten und dem Arbeitsgericht hergestellte Zusammenhang mit der Regelung über die Niederschlagung von Unterverdiensten während der ersten sechs Vertragsmonate aus dem Vertrag selbst nicht erkennbar. Zumindest müsste daher zu seinen Gunsten die Regel eingreifen, dass Unklarheiten des Vertrages zu Lasten der Beklagten gingen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.03.2001, 5 Ca 54/01, abzuändern und die Beklagte/Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.838,43 DM brutto nebst 9,26 % Zinsen hieraus seit dem 18.12.2000 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und stellt nochmals heraus, dass auf Grund der arbeitsvertraglichen Regelung über die Zahlung einer Garantieprovision in den ersten sechs Vertragsmonaten Provisionsunterverdienste in einer Gesamthöhe von 15.109,54 DM zu Gunsten des Klägers und Berufungsklägers niedergeschlagen worden seien. Damit sei eine wesentlich weitergehende Kompensation erfolgt, als vom BAG in seiner Entscheidung vom 20.07.1973 gefordert; denn es sei nicht lediglich ein zu Beginn der Tätigkeit naturgemäß verzögerter Provisionszufluss ausgeglichen, sondern bewirkt worden, dass der Kläger nach Abschluss der Einarbeitungszeit völlig unbelastet von anzurechnenden Unterverdiensten seine Provisionen habe verdienen können. Gerade weil der Kläger nicht von Vorarbeiten irgendwelcher Vorgänger habe profitieren können, seien ansonsten auch aus der ex-ante-Sicht Verdienstausfälle zu befürchten gewesen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte verweist nunmehr auf eine Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 15.08.1997, 9 Sa 852/97 (Bl. 97 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Der Kläger hat die statthafte Berufung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist jedoch in der Sache unbegründet und rechtfertigt keine Abänderung des zutreffenden arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Auszahlung der von ihm zwar bis zum Arbeitsvertragsende am 30.09.2000 erarbeiteten, aber erst nach diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Restprovisionen, deren unstreitige Höhe der Klagesumme von 8.858,43 DM brutto entspricht. Einem entsprechenden Anspruch des Klägers steht die arbeitsvertragliche Klausel entgegen, wonach mit Beendigung des Vertragsverhältnisses jeder Anspruch auf Vergütung, insbesondere auch ein Anspruch auf Provision, erlischt. Diese Vertragsklausel ist rechtswirksam. Dem arbeitsgerichtlichen Urteil vom 27.03.2001 ist nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der tragenden Begründung beizutreten. Das Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz bietet Anlass zu folgenden Ergänzungen:

1. Der Einwand des Klägers, die Klausel über das Erlöschen von Vergütungsansprüchen mit Vertragsende gelte nur für den Fall arbeitgeberseitiger, nicht aber arbeitnehmerseitiger Kündigung, trifft nicht zu. Der Wortlaut der vertraglichen Formulierung ist eindeutig und unmissverständlich. Er stellt lediglich auf die "Beendigung des Vertragsverhältnisses" ab, ohne in irgendeiner Weise nach dem Grund oder Anlass der Beendigung zu differenzieren. Es besteht auch ersichtlich kein systematischer Zusammenhang zu der in dem Absatz davor geregelten Kündigungsbefugnis des Leiters der Filialdirektion. Dabei ist zu beachten, dass der Vertrag vom 18.12./22.12.1992 keine durchgängige zahlen- oder buchstabenmäßige Gliederung enthält, sondern - insbesondere auf dessen Seite 2 - nur eine Aneinanderreihung schreibtechnischer Absätze, die inhaltlich nicht zusammenhängende Einzelregelungen enthalten. Ein systematischer Auslegungszusammenhang ist daher in der vom Kläger gewünschten Weise nicht herstellbar.

2. Die Vertragsklausel über das Erlöschen von Vergütungsansprüchen mit Vertragsbeendigung kann auch nicht wegen inhaltlicher Unklarheit zu Gunsten des Klägers dahingehend ausgelegt werden, dass davon vor Vertragsbeendigung erarbeitete, aber lediglich noch nicht fällig werdende Provisionsansprüche nicht erfasst würden. Zum einen verwendet die Klausel nämlich die umfassende Formulierung, dass "jedweder" Anspruch erlischt. Zum anderen bedeutet gerade auch die ausdrückliche Verwendung des Begriffs "Erlöschen", dass selbst solche Ansprüche auf Vergütung hinfällig werden sollen, die dem Grunde nach bereits entstanden seien könnten.

3. Nach der vom Arbeitsgericht zu Recht herangezogenen, gefestigten BAG-Rechtsprechung ist eine Vereinbarung zwischen einem Arbeitgeber und einem auf Provisionsbasis tätigen angestellten Vertreter, durch die diesem bereits erarbeitete, aber erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werdende Provisionen abgeschnitten werden, dann rechtswirksam, wenn der Ausschluss der Provision durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist (BAG vom 20.07.1973, AP Nr. 7 zu § 65 HGB LS 1).

a. Dabei kann ein Ausgleich zu Gunsten des Angestellten, der als rechtfertigender sachlicher Grund genügt, z. B. darin liegen, dass dem Angestellten zu Beginn des Vertragsverhältnisses Provisionen aus den Geschäften gezahlt wurden, die sein Vorgänger zustande gebracht hatte, aber auch darin, dass der Angestellte zu Beginn des Vertragsverhältnisses eine Provisionsgarantie erhält, wenn diese in etwa den zu Beginn der Tätigkeit verzögerten Provisionszufluss ausgleicht (BAG a.a.O. LS 3 und 4).

b. Vorliegend hat der Kläger zwar zu Beginn des Vertragsverhältnisses keine Provisionen aus Geschäften eines Vorgängers erhalten, da er ein für die Beklagte neues Gebiet aufzubauen hatte und somit ein Vorgänger nicht vorhanden war. Stattdessen erhielt der Kläger jedoch auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen während der sechsmonatigen Einarbeitungszeit eine Provisionsgarantie, bei der von vornherein jedweder entstehende Provisionsunterverdienst vollständig niedergeschlagen wurde. Eine solche Regelung geht zu Gunsten des Klägers deutlich über den vom BAG geforderten bloßen Ausgleich eines zu Beginn der Tätigkeit verzögerten Provisionsflusses hinaus. Die Regelung über die sechsmonatige Provisionsgarantie bei gleichzeitiger vollständiger Niederschlagung jedweden Unterverdienstes stellte darüber hinaus auch einen angemessenen Ausgleich dafür dar, dass der Kläger, weil er ein neues Gebiet aufbauen musste, nicht an von einem Vorgänger erarbeiteten, auf ihn übergegangenen Provisionsansprüchen profitieren konnte.

c. Verfehlt erscheint auch der Einwand des Klägers, dass die Gegenüberstellung des tatsächlich entstandenen Unterverdienstes von 15.109,54 DM mit dem auf Grund der Vertragsbeendigung zum 30.09.2000 für den Kläger entstehenden Provisionsverlust in Höhe von 8.838,43 DM auf einer systemwidrigen ex-post-Betrachtung beruhe. Da keine der Parteien Gegenteiliges vorgetragen hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger in der sechsmonatigen Einarbeitungszeit bei Vertragsbeginn seine vertraglichen Pflichten in der damals von ihm zu erwartenden Art und Weise ordnungsgemäß erfüllt hat. Gleichwohl hat er in nur sechs Monaten einen Unterverdienst in unstreitiger Höhe von 15.109,54 DM produziert. Aus diesen Umständen resultiert die evidente tatsächliche Vermutung, dass der Unterverdienst im wesentlichen durch die besonderen Verhältnisse beim Aufbau eines für die Beklagte neuen Gebietes bedingt war. Dies bedeutet aber zugleich, dass auch schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses damit zu rechnen war, dass ein nicht unerheblicher Unterverdienst entstehen könnte, der sodann auf Grund der vertraglichen Regelungen über die Provisionsgarantie für die Beklagte verloren sein würde. Zwar können die exakten Zahlen naturgemäß erst ex post gegenübergestellt werden. Dass jedoch die Vertragsregelung über die Garantieprovision während der sechsmonatigen Einarbeitungszeit geeignet sein könnte, einen etwaigen Provisionsverlust bei Vertragsende auszugleichen, war, wie aufgezeigt, bereits bei Vertragsabschluss und somit bei ex-ante-Betrachtung absehbar. Nur darauf kommt es an. Dabei ist auch zu beachten, dass nach der einschlägigen BAG-Rechtsprechung kein vollständiger Verlustausgleich garantiert sein muss, sondern entstehende Nachteile "in etwa" ausgeglichen werden sollen (vgl. BAG a.a.O. LS 4).

d. Ebensowenig kommt es auf die vom Kläger problematisierte Bestimmung des Begriffs "Überhangprovision" an. Die einschlägige BAG-Rechtsprechung gilt vielmehr für alle Provisionsansprüche, die der angestellte Vertreter durch seine Tätigkeit während des laufenden Vertragsverhältnisses bereits - vollständig - erarbeitet hat, die aber erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden (vgl. BAG a.a.O. LS 1).

e. Als verfehlt erweist sich schließlich auch der vom Kläger erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Einwand, die Beklagte könne sich nicht auf eine in der Garantieprovision liegende sachliche Rechtfertigung berufen, da die Verbindung dieser beiden Klauselkomplexe so ungewöhnlich sei, dass der Kläger nicht damit habe rechnen müssen, zumal die Vertragsklauseln auch an unterschiedlicher Stelle in die Vertragsurkunde aufgenommen seien. Der Kläger verkennt dabei, dass die einschlägige Rechtsprechung des BAG zur Rechtswirksamkeitskontrolle entsprechender Provisionsausschlussklauseln in ihrem Kern darauf abstellt, ob "eine solche Absprache nach Billigkeitsmaßstäben der Sache nach gerechtfertigt ist" (BAG AP Nr. 7 zu § 65 HGB unter I 2 b). Das BAG unterzieht dabei im Rahmen seiner Rechtsprechung den Arbeitsvertrag eines solchen Provisionsangestellten einer Kontrolle darauf hin, ob er in Anbetracht einer Provisionsausschlussklausel einen Ausgleich zu Gunsten des Angestellten enthält. Dabei betont das BAG, dass viele unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten für einen angemessenen Ausgleich denkbar sind (BAG AP Nr. 7 zu § 65 HGB unter III 1). An welcher Stelle der Vertragsurkunde eine solche als Ausgleich für eine Provisionsverlustklausel geeignete Regelung steht - und ob sie überhaupt in die Vertragsurkunde mit aufgenommen ist -, ist dabei ersichtlich unerheblich, wenn sie nur ihrerseits rechtswirksam vereinbart ist und sich der Ausgleichscharakter gedanklich herstellen lässt. Dass eine Provisionsgarantie als Ausgleich für eine Provisionskürzung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommt, ist dabei allein schon aus einer mehr als dreißig Jahre alten höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein bekannt (BAG a.a.O.).

f. Die hier gegebene vertragliche Regelung über die Provisionsgarantie zu Beginn des Vertragsverhältnisses der Parteien stellt somit ohne weiteres einen Ausgleich in dem vom BAG geforderten Umfang für den Verlust von erst nach Vertragsbeendigung fällig werdenden Provisionsansprüchen dar, der geeignet ist, die Vertragsklausel über den Provisionsverlust bei Vertragsbeendigung sachlich zu rechtfertigen.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben, da die Entscheidungen des Arbeitsgerichts wie des Berufungsgerichts auf einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhen, die auch für den vorliegenden Fall einschlägig ist.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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