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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 844/05
Rechtsgebiete: KSchG, BErzGG


Vorschriften:

KSchG § 23 Abs. 1 S. 1
KSchG § 23 Abs. 1 S. 3
BErzGG § 21 Abs. 1
BErzGG § 21 Abs. 7
1.) Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2004 begonnen hat, ist der Schwellenwert von fünf Arbeitnehmern nach § 23 Abs. 1, S. 2 KSchG maßgeblich, sofern im Betrieb nicht ohnehin insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dabei können gemäß § 23 Abs. 1, S. 3, letzter HS KSchG stets aber nur solche Arbeitnehmer berücksichtigt werden, deren Arbeitsverhältnis ebenfalls vor dem 01.01.2004 begründet wurde.

2.) Es stellt noch keine rechtsmissbräuchliche Umgehung von § 23 Abs. 1, S. 2 KSchG dar, wenn der Arbeitgeber mehrere vor dem 01.01.2004 begründete befristete Arbeitsverhältnisse mit Befristungsende nach dem 01.01.2004 auslaufen lässt und stattdessen wenig später in entsprechender Anzahl Neu-Einstellungen vornimmt.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.05.2005 in Sachen 12 Ca 13313/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Beklagte betreibt in K eine Facharztpraxis für operative und konservative Orthopädie. Die am 19.05.1970 geborene Klägerin war seit dem 05.05.1995 in der Praxis des Beklagten als Arzthelferin beschäftigt. Ihr Verdienst betrug zuletzt ca. 2.450,00 € brutto monatlich.

Am 20.12.2004 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 31.03.2005.

Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung waren in der Praxis des Beklagten neben der Klägerin die ebenfalls vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen S , W , F , F , S und R und die teilzeitbeschäftigte Mitarbeiterin Freire als Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Ferner bestanden ruhende Arbeitsverhältnisse mit den sich in Erziehungsurlaub/Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerinnen L und H . Ferner verrichtete eine Frau B Schreibarbeiten (Arztbriefe, OP-Berichte, Gutachten u. ä.) in ihrem eigenen Büro gegen Rechnungsstellung für die Praxis des Beklagten. In der Praxis war ferner auch die Ehefrau des Beklagten, Frau Dr. A aktiv, welche als stille Gesellschafterin an der Praxis beteiligt ist.

Die Arbeitnehmerinnen F , F , S und R waren erst im Laufe des Jahres 2004 eingestellt worden. Andererseits hatten die auch schon am 31.12.2003 bei dem Beklagten vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen G , P und K mit Ablauf ihrer befristeten Arbeitsverträge am 30.04.2004, 30.06.2004 bzw. 14.06.2004 die Praxis verlassen. Schließlich hatte ein in der Praxis beschäftigter Arzt Dr. B aufgrund einer Eigenkündigung vom 14.11.2003 sein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zum 31.12.2003 beendet (vgl. Bl. 178 d. A.).

Wie aus dem vom Beklagten vorgelegten Verlängerungsvertrag vom 07.09.2004 (Bl. 179 f. d. A.) hervorgeht, ist das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin S aus dem Sachgrund der Vertretung der sich in Elternzeit befindlichen Mitarbeiterin L bis zum 21.01.2007 zweckbefristet. Nach Darstellung der Beklagten ist ferner auch das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin W zweckbefristet für die Dauer des Erziehungsurlaubs der Arbeitnehmerin H .

Gegen die Kündigung vom 20.12.2004 hat die Klägerin am 22.12.2004 die vorliegende Klage erhoben. Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigung des Beklagten sei gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass das Kündigungsschutzgesetz auf ihren Fall anwendbar sei. Die Übergangsregelung in § 23 Abs. 1 S. 2 u. 3 KSchG sei unter Vertrauensschutzgesichtspunkten bestandserhaltend auszulegen. Arbeitnehmer wie die Klägerin, die am 31.12.2003 bereits Kündigungsschutz nach dem alten Rechtszustand erworben gehabt hätten, behielten diesen nach Maßgabe des bisherigen Rechtes weiter ohne zeitliche Einschränkung. Sowohl am 31.12.2003 als auch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 20.12.2004 habe der Beklagte unstreitig mehr als 5 Arbeitnehmer/- innen beschäftigt. Richtigerweise seien dabei auch Frau B und die Ehefrau des Beklagten als Arbeitnehmerinnen mitzuzählen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.12.2004 nicht mit dem 31.03.2005 sein Ende gefunden hat;

den Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Arzthelferin bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass auf die streitige Kündigung die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes nicht anwendbar seien. Im Zeitpunkt der Kündigung seien weniger als 10 Arbeitnehmer/- innen beschäftigt gewesen. Von den im Zeitpunkt der Kündigung Beschäftigten seien einschließlich der Klägerin nur 3,5 mitzählende Arbeitskräfte auch bereits am 31.12.2003 Arbeitnehmer/- innen des Betriebs gewesen. Frau B und Frau Dr. A hätten zu keinem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis zur Praxis gestanden.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 04.05.2005 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Klägerin am 15.06.2005 zugestellt. Sie hat hiergegen am 21.06.2005 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 15.09.2005 am 06.09.2005 begründen lassen.

Die Klägerin bleibt bei ihrer Auffassung zur Auslegung des § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG. Unabhängig davon seien in dem Zeitpunkt der Kündigung am 20.12.2004 auch noch mehr als 5 "Alt"-Arbeitnehmer bei dem Beklagten beschäftigt gewesen. Frau B und Frau Dr. A seien nämlich als Vollzeitarbeitnehmerinnen mitzuzählen. Die Zeugin Dr. A sei seit Jahren mit der vollständigen Organisation und kaufmännischen Leitung der Praxis befasst gewesen und abgesehen von rein medizinisch-fachlichen Fragestellungen die erste Ansprechpartnerin für sie, die Klägerin, und ihre Kolleginnen gewesen. Die Zeugin B habe umfassend Korrespondenz und Schreibarbeiten für den Beklagten erledigt, was es fernliegend erscheinen lasse, dass sie auch für weitere Auftraggeber in nennenswertem Umfang Arbeiten erbringen könne.

Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, dass er jedenfalls die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes rechtsmissbräuchlich umgangen habe, indem er im Laufe des Jahres 2004 fast die halbe Belegschaft ausgewechselt habe. Sie gehe auch davon aus, dass nicht Frau W , sondern die Anfang 2004 eingestellte Frau F als Vertreterin für die in Erziehungsurlaub befindliche Frau H fungiere.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.05.2005 - 12 Ca 13313/04 - abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.12.2004 nicht mit dem 31.03.2005 sein Ende gefunden habe.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und führt aus, dass § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG nur so ausgelegt werden könne, dass der Kündigungsschutz der "Alt"-Mitarbeiter davon abhänge, ob weiterhin mehr als 5 solcher "Alt"-Mitarbeiter beschäftigt würden. Es liege auch kein Rechtsmissbrauch vor. Die im Jahre 2004 ausgeschiedenen Mitarbeiter seien aufgrund von Befristungen ausgeschieden und hätten selbst nicht den Wunsch gehabt, das Arbeitsverhältnis zu verlängern.

Frau Dr. A sei niemals als weisungsgebundene Arbeitnehmerin in der Praxis tätig geworden oder in den Praxisbetrieb eingegliedert gewesen. Sie sei auch niemals als Arbeitnehmerin geführt worden und habe niemals Gehalt bezogen. Frau B betreibe selbstständig ein eigenes Schreibbüro und erbringe für Rechnung für ihn, den Beklagten, Leistungen im Umfang eines Gegenwerts von monatlich zwischen 100,- € und 150,- €. Auch sie sei niemals weisungsabhängig in die Praxis eingegliedert gewesen.

Auf den weiteren Inhalt der von den Parteien in der Berufungsinstanz zu den Akten gereichten Schriftsätzen nebst ihren Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde im Rahmen der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin ist in der Sache unbegründet und konnte keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit der zutreffenden Begründung abgewiesen, dass die Klägerin sich nicht auf die Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes berufen könne, da der Betrieb der Beklagten die in § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 vorgeschriebenen Schwellenwerte im Zeitpunkt der Kündigung nicht erreicht.

1. In dem für die Beurteilung grundsätzlich maßgebenden Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung, also am 20.12.2004, beschäftigte der Betrieb des Beklagten nicht mehr als 10 Arbeitnehmer. Dies gilt selbst dann, wenn man den Behauptungen der Klägerin folgen könnte, wonach auch Frau B und Frau Dr. A als Arbeitnehmerinnen mitzuzählen wären. Ohne die Zeuginnen B und Dr. A waren am 20.12.2004 nur 7,5 Arbeitnehmer für den Beklagten tätig, nämlich neben der halbtagsbeschäftigten Mitarbeiterin F , die vollzeitbeschäftigte Klägerin und die ebenfalls vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen S , W , F , F , S und R .

2. An dem Tatbestand, dass im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bei dem Beklagten nicht mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG beschäftigt waren, ändert auch der Umstand nichts, dass zu diesem Zeitpunkt - und auch heute noch - zusätzlich noch zwei ruhende Arbeitsverhältnisse der sich in Erziehungsurlaub/Elternzeit befindlichen Mitarbeiterinnen L und H bestanden. Unstreitig wird die Mitarbeiterin L nämlich vorübergehend durch die in Vertretungsbefristung beschäftigte Mitarbeiterin S ersetzt, die Mitarbeiterin H entweder durch die Arbeitnehmerin W (so die Behauptung der Beklagten) oder durch die Arbeitnehmerin F (so die Behauptung der Klägerin). Werden die Arbeitsplätze der sich in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerinnen jedoch durch gemäß § 21 Abs. 1 BErzGG sachlich befristet beschäftigte Vertreterinnen besetzt, so sind bei der Ermittlung der Zahlen der Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG die sich in Elternzeit befindlichen Mitarbeiterinnen nicht mitzuzählen. Dies ergibt sich aus § 21 Abs. 7 BErzGG.

3. Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes könnte sich für die Klägerin somit nur aus § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG ergeben.

a. An dem in § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG erwähnten Stichtag 31.12.2003 waren im Betrieb des Beklagten unstreitig mehr als 5 Arbeitnehmerinnen beschäftigt. § 23 Abs. 1 S. 3 letzter HS KSchG bestimmt jedoch, dass diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat, bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG bis zur Beschäftigung von in der Regel 10 Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet einerseits, dass für die Klägerin, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2004 begonnen hat, der Schwellenwert von 5 Arbeitnehmern nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG maßgeblich ist, sofern im Betrieb nicht insgesamt mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Andererseits dürfen nach dem eindeutigen und sprachlich nicht anders auslegbaren Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 3 letzter HS KSchG dabei aber nur solche Arbeitnehmer berücksichtigt werden, deren Arbeitsverhältnis ebenfalls bereits vor dem 01.01.2004 begründet wurde (ebenso: Bader NZA 2004, 66; HWK/Pods/Quecke, § 23 KSchG, Rdnr. 11 f.; KR - Weigand, § 23 KSchG, Rdnr. 33 b, 33 c, 33 f; APS - Moll, § 23 KSchG, Rdnr. 32 f.; a. A.(ohne Begründung): Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, § 23 KSchG, Rdnr. 27 c). Richtig ist zwar, dass nach der Übergangsregelung in § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG diejenigen Arbeitnehmer, die am 31.12.2003 unter Zugrundelegung des alten Rechtszustandes Kündigungsschutz genossen, diesen auch nach Anhebung des Schwellenwerts für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ohne zeitliche Begrenzung behalten, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sich die am 31.12.2003 bestehenden Verhältnisse hinsichtlich der an diesem Stichtag Beschäftigten nicht auf eine Zahl von nicht mehr als 5 Arbeitnehmern sinkt.

b. Am 20.12.2004 waren bei dem Beklagten jedoch nicht mehr als 5 Arbeitnehmerinnen tätig, deren Arbeitsverhältnis auch schon am 31.12.2003 bestanden hatte, nämlich außer der Klägerin nur noch die beiden vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen S und W sowie die halbtagsbeschäftigte Mitarbeiterin F . Unterstellt man zu Gunsten der Klägerin, dass deren Behauptung richtig ist, wonach nicht die Mitarbeiterin W , sondern die erst im Januar 2004 eingestellte Mitarbeiterin F als nach § 21 Abs. 1 BErzGG zweckbefristete Vertreterin der sich in Erziehungsurlaub/Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin H fungiert, so wäre wegen § 21 Abs. 7 S. 2 BErzGG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 3 letzter HS KSchG zusätzlich die Mitarbeiterin H mitzuzählen, sodass dann von 4,5 "Alt"-Arbeitnehmerinnen auszugehen wäre, sodass auch dann der für die Klägerin maßgebliche Schwellenwert von fünf noch nicht überschritten würde.

c. Entgegen der Annahme der Klägerin wird der Schwellenwert von fünf "Alt"-Arbeitnehmerinnen auch nicht dadurch überschritten, dass sowohl am 31.12.2003 als auch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Zeugen B und Dr. A ebenfalls für die Praxis des Beklagten tätig waren. Der Sachvortrag der Klägerin reicht nämlich nicht aus, um annehmen zu können, dass Frau B und Frau Dr. A als Arbeitnehmerinnen tätig waren.

aa. Was die Tätigkeit der Frau B für den Betrieb des Beklagten angeht, so hat der Beklagte substantiiert dargelegt, dass Frau B in einem von ihr selbständig betriebenen Schreibbüro in Auftragsarbeit bestimmte Arten von Schriftverkehr für die Praxis des Beklagten erledigt hat und diese einmal monatlich zu Stückpreisen in Rechnung gestellt hat, wobei durchschnittliche Rechnungsbeträge zwischen 100,- € und 150,- € die Regel waren. Diesem substantiierten Sachvortrag ist die Klägerin in keiner Weise ausreichend entgegengetreten. Sie hat nichts vorgetragen, aus dem hervorginge, dass die Zeugin B entgegen der Behauptung des Beklagten nicht in einem eigenen Büro tätig war, sondern in den Räumen der Praxis in deren Organisation und Geschäftsbereich integriert war und wie eine Arbeitnehmerin weisungsabhängige Arbeiten verrichten musste. Aus dem Sachvortrag der Klägerin ergibt sich keinerlei konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die von der Zeugin B praktizierte, vom Beklagten durch Vorlage einzelner Rechnungen dokumentierte Abrechnungsmethode nicht den tatsächlichen rechtlichen Vertragsverhältnissen entsprach, sondern in Wirklichkeit gleichwohl ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hätte.

bb. Ebenso reicht der Sachvortrag der Klägerin nicht aus, um von einer Arbeitnehmerstellung der Frau Dr. A ausgehen zu können.

Bei dieser Zeugin handelt es sich bekanntlich um die Ehefrau des Beklagten, die unstreitig gesellschaftsrechtlich an der Praxis beteiligt ist. Arbeitet ein Ehegatte in dem Betrieb seines Partners mit, so kann dies auf den unterschiedlichsten rechtlichen Grundlagen beruhen: Es kann sich um eine Mitarbeit handeln, die allein durch die familiäre Verbundenheit der Parteien geprägt ist, es kann sich um ein vollgültiges Arbeitsverhältnis handeln, bei dem für den Arbeitnehmer-Ehegatten Sozialversicherungsbeiträge und oft auch ein Gehalt gezahlt werden. Ist der mitarbeitende Ehegatte überdies in irgendeiner Form gesellschaftsrechtlich als Teilhaber des Betriebes über die rein familienrechtliche Bindung hinaus an dessen wirtschaftlichen Erfolg und Misserfolg unmittelbar beteiligt, so kann es sich auch um eine Mitarbeit handeln, die der Ehegatte-Mitgesellschafter in Erfüllung formeller oder informeller Gesellschafterpflichten erbringt.

Konkrete und belastbare Anhaltspunkte dafür, dass sich die Mitarbeit der Frau Dr. A in der Praxis des Beklagten gerade als diejenige einer "normalen" Arbeitnehmerin erweist und nicht auf der Basis einer der denkbaren anderen Varianten erbracht wird, hat die Klägerin ebenfalls nicht vorgetragen. So kann der Hinweis der Klägerin, Frau Dr. A übe in nicht- medizinischen Belangen die volle organisatorische und kaufmännische Leitung der Praxis aus und sei erste Ansprechpartnerin für die Beschäftigten gewesen, gerade auch darauf hindeuten, dass Frau Dr. A ihrerseits eine Arbeitgeberfunktion ausübte und eben nicht als weisungsabhängige Arbeitnehmerin tätig wurde.

cc. Selbst wenn man entgegen der wohl noch herrschenden Meinung nicht den Arbeitnehmer als beweisbelastet dafür ansieht, dass der für ihn maßgebliche Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG überschritten wird, sondern mit der im Vorbringen befindlichen gegenteiligen Auffassung davon ausgeht, dass der Arbeitgeber das Nichterreichen des Schwellenwertes zu beweisen hat, so hat der Arbeitnehmer doch nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast einen substantiierten Tatsachenvortrag zu leisten, der in sich schlüssig für die Annahme spricht, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eine bestimmte Person in dem Betrieb des Arbeitgebers als Arbeitnehmer beschäftigt war. Der Sachvortrag der Klägerin über die Rolle der Frau Dr. A in der Praxis des Beklagten enthält jedoch keine aussagekräftigen Indizien dafür, dass die Ehefrau des Beklagten gerade nicht als Mit-Arbeitgeberin und auch nicht lediglich als aus familiärer Verbundenheit mitarbeitende Angehörige, sondern als "normale" Arbeitnehmerin in der Praxis tätig wurde.

4. Schließlich kann im vorliegenden Fall die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu Gunsten der Klägerin auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen Umgehung des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG durch den Beklagten hergeleitet werden.

a. Zwar ist grundsätzlich die Gefahr einer "Flucht aus dem Kündigungsschutz" gegeben. Ihr kann jedoch durch eine entsprechende Anwendung des in § 162 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedankens entgegengetreten werden (HWK/Pods/Quecke, § 23 KSchG, Rdnr. 12).

b. Vorliegend kann jedoch darin, dass der Beklagte die drei im Laufe des Jahres 2004 auslaufenden befristeten Arbeitsverträge der Mitarbeiterinnen G , P und K nicht verlängert hat, kein in diesem Sinne treuwidriges Verhalten gesehen werden. Bedenkt man, dass wirksam befristete Arbeitsverhältnisse mit Ablauf des Befristungszeitraums selbst dann auslaufen, wenn eine zum gleichen Zeitpunkt ausgesprochene Kündigung aufgrund bestehender Sonderschutzrechte unheilbar nichtig wäre (z. B. im Rahmen des Mutterschutzes, der Elternzeit etc.), so kann die Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages für sich allein den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs nicht erfüllen. Es kommt somit nicht darauf an, ob die im Jahre 2004 aufgrund Befristungsablaufs ausgeschiedenen Mitarbeiterinnen des Beklagten selbst keine weitere Beschäftigung wünschten oder ob die Entscheidung zur Nichtverlängerung vom Beklagten ausging.

c. Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass es durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen könnte, wenn nach dem vorstehend angewandten gesetzlichen Modell der Regelung in § 23 Abs. 1 S. 2 u. 3 KSchG der von Arbeitnehmern in kleineren Betrieben am 31.12.2003 bestehende Bestandsschutz aufgrund einer Personalfluktuation im Betrieb verloren gehen kann (hierzu Quecke, RdA 2004, 104 f.; HWK/Pods/Quecke § 23 KSchG, Rdnr. 12).

Demnach erweist sich die arbeitsgerichtliche Entscheidung, die die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu Gunsten der Klägerin verneint hat, als richtig.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Einem Antrag der Klägerin entsprechend war nach der Auffassung des Berufungsgerichts auf der Grundlage von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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