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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 864/07
Rechtsgebiete: TzBfG, BGB, MTV Systemgastronomie 2000, MTV Systemgastronomie 2007


Vorschriften:

TzBfG § 8
TzBfG § 9
BGB § 242
MTV Systemgastronomie 2000 § 6
MTV Systemgastronomie 2007 § 5
1. Der Arbeitgeber kann einem Verlängerungswunsch nach § 9 TzBfG nur entgegenhalten, dass er nach seinem unternehmerischen Organisationskonzept nur Teilzeitkräfte beschäftigen wolle, wenn es hierfür arbeitsplatzbezogene Erfordernisse gibt (Anschluss an BAG vom 15.08.2006, 9 AZR 8/06; BAG vom 13.02.2007, 9 AZR 575/05).

2. Die Behauptung eines Arbeitgebers der Systemgastronomie, sein unternehmerisches Organisationskonzept sehe es vor, im Servicebereich grundsätzlich nur Teilzeitkräfte zu beschäftigen, ist als lediglich vorgeschoben zu werten, wenn tatsächlich diverse mit einem Teilzeitvertrag ausgestattete Servicekräfte über lange Zeiträume gleichbleibend im Umfang von weit mehr als einer Vollzeitstelle eingesetzt werden.

3. Der Arbeitgeber kann dem Aufstockungsverlangen eines mit einem Teilzeitarbeitsvertrag ausgestatteten Arbeitnehmers nicht entgegenhalten, es fehle an einer freien Vollzeitstelle, wenn er den Arbeitnehmer an dessen eigenen sogenannten "Teilzeitarbeitsplatz" über 3,5 Jahre gleichbleibend mit durchschnittlich mehr als 184 Stunden/Monat beschäftigt hat.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 18.04.2007 in Sachen 9 Ca 5051/06 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, den Arbeitsvertrag des Klägers mit Wirkung zum 01.12.2006 von einer Teilzeitstelle in eine Vollzeitstelle umzuwandeln, und zwar mit der Maßgabe, dass die Mindestarbeitszeit des Klägers monatlich 170 Stunden beträgt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Forderung des Klägers auf Umwandlung seines Teilzeitarbeitsverhältnisses in eine Vollzeitstelle.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen dazu veranlasst haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 18.04.2007 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 21.06.07 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 20.07.07 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.09.07 am 24.08.07 begründen lassen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts seien die Voraussetzungen des § 9 TzBfG erfüllt. Die Beklagte könne nicht damit gehört werden, dass sie in ihrem Küchen- und Kassenbereich ausschließlich Teilzeitarbeitsstellen vorhalte. Die dem Arbeitgeber zustehende Organisationsfreiheit dürfe nämlich nicht dazu missbraucht werden, den in § 9 TzBfG eingeräumten Anspruch zu unterlaufen. Demnach müsste die Entscheidung, in bestimmten Bereichen grundsätzlich nur Teilzeitkräfte zu beschäftigen, durch arbeitsplatzbezogene Gründe gerechtfertigt werden können. Dies sei hier nicht der Fall, wie sich schon daran zeige, dass nicht nur er selbst, der Kläger, sondern auch zahlreiche andere Mitarbeiter im Arbeitsbereich des Klägers weit über ihre vertragliche Teilzeitverpflichtung hinaus praktisch als Vollzeitkräfte eingesetzt würden. Geschäftliche Stoßzeiten, wenn es sie denn tatsächlich gäbe, könnten somit keine Auswirkung auf die Einteilung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer haben. Im Gegenteil sprächen die langen Öffnungszeiten der Beklagten gerade dafür, Vollzeitarbeitnehmer zu beschäftigen, um die Personalfluktuation im Laufe des Tages in Grenzen zu halten und die Arbeitsabläufe nicht zu stören.

Die Beklagte widerspreche sich auch selbst, wenn sie in ihrem Lokal Plakate aufhänge, in denen das Publikum aufgefordert werde, sich "in diesem oder jedem anderen B Restaurant auf eine Stelle als Kassen-/Küchenkraft in Vollzeit, Teilzeit oder auf geringfügiger Basis" zu bewerben. Im Internet habe die Beklagte sogar per 26.06.2007 explizit fünf freie Vollzeitstellen "für die Fertigung und den Verkauf von Produkten, Kundenbedienung und Kassieren" angeboten.

Der Kläger macht weiter geltend, durch die von ihm geleistete durchgängige Mehrarbeit bis Anfang 2006 sei eine stillschweigende Vertragsänderung auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis zustande gekommen. Dass die Beklagte ihn, den Kläger, seit Frühjahr 2006 nur noch in dem dem schriftlichen Arbeitsvertrag entsprechenden Umfang als Teilzeitkraft einsetze, stelle ausschließlich eine Maßregelung seiner Person dar, weil er zum damaligen Zeitpunkt arbeitsgerichtliche Klagen gegen die Beklagte erhoben hätte. Dies hätten ihm der Restaurantleiter S und andere Mitarbeiter ausdrücklich bestätigt.

Außerdem meint der Kläger, auch weil einem anderen Mitarbeiter gekündigt worden sei, habe die Beklagte die Möglichkeit gehabt, seine vertragliche Teilzeitstelle in eine Vollzeitstelle umzuwandeln.

Ferner beruft sich der Kläger nunmehr ausdrücklich auch auf einen Anspruch aus § 6 Abs. 1 Ziff. 8 des MTV der Systemgastronomie, abgeschlossen zwischen der Gewerkschaft NGG und dem Bundesverband der Systemgastronomie e. V. Auch die Anspruchsvoraussetzungen dieser Tarifnorm lägen vor. Das Arbeitsgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, auf diese Anspruchsgrundlage abzustellen.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 18.04.2007, 9 Ca 5051/06, zu verurteilen, den Arbeitsvertrag des Klägers mit Wirkung zum 01.12.2006 von einer derzeitigen Teilzeitstelle in eine Vollzeitstelle umzuwandeln, und zwar mit der Maßgabe, dass die Mindestarbeitszeit des Klägers mindestens 170 Stunden beträgt;

hilfsweise hierzu,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis auf weiteres mit einer Mindestarbeitszeit von 170 Stunden monatlich zu beschäftigen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung einschließlich des Hilfsantrages zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, ein Anspruch des Klägers aus § 9 TzBfG sei nicht gegeben. Die Beklagte schließt sich den tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts insoweit an.

Die Beklagte wiederholt die Behauptung, dass es bei ihr bis heute keine freie Vollzeitarbeitsstelle im Arbeitsbereich des Klägers gegeben habe. Sie beschäftige nur vier Personen in Vollzeit, die ausschließlich im Management tätig seien. Die Ausführungen des Klägers zur angeblichen Kündigung eines anderen Arbeitnehmers seien unsubstantiiert und führten auch nicht zu einem Anspruch des Klägers auf Vollzeitbeschäftigung. In der Regel würden bei ihr nur Teilzeitarbeitskräfte eingestellt. Daran ändere auch der Plakataushang nichts, da es sich hierbei um ein von dem Franchisegeber vorgegebenes Standardplakat handele, welches in allen B -Restaurants aushänge und sich nicht auf das hier betroffene Restaurant beziehe, in welchem der Kläger tätig sei.

Weiter behauptet die Beklagte, die Arbeitszeit des Klägers sei im Jahr 2006 deswegen auf das vertraglich vereinbarte Maß reduziert worden, weil man mit den Arbeitsleistungen des Klägers nicht zufrieden gewesen sei. Eine Reduzierung sei auch deshalb geboten gewesen, weil der Kläger aufgrund seines Rückenleidens einer vollschichtigen Tätigkeit nicht mehr gewachsen (gewesen) sei.

Auf die von den Parteien erst- und zweitinstanzlich zur Akte gereichten Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs.2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers ist auch in der Sache begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, dass sein Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 01.12.2006 in eine Vollzeitstelle mit einer Mindestarbeitszeit von 170 Stunden monatlich umgewandelt wird. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 9 TzBfG i. V. m. § 242 BGB, ferner aus § 6 Abs. 1 Ziff. 8 des MTV Systemgastronomie vom 07.07.2000 bzw. § 5 Abs.4 MTV Systemgastronomie vom 15.10./23.10.2007 .

1. Gemäß § 9 TzBfG hat der Arbeitnehmer, der über einen Teilzeitarbeitsvertrag verfügt und dementsprechend beschäftigt wird, aber eine Aufstockung seiner Arbeitzeit wünscht, einen Anspruch darauf, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bevorzugt berücksichtigt zu werden. § 9 TzBfG gibt dem teilzeitbeschäftigen Arbeitnehmer allerdings keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber für ihn einen Arbeitsplatz mit einem höheren Arbeitszeitkontingent extra schafft, der im unternehmerischen Organisationskonzept nicht vorgesehen ist. Es stellt nämlich grundsätzlich einen Bestandteil der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit dar, den Arbeitskräfteeinsatz zu organisieren und den vorhandenen Arbeitskräftebedarf nach eigenem Gutdünken auf Voll- und Teilzeitarbeitsstellen zu verteilen.

2. Die unternehmerische Entscheidungsfreiheit findet jedoch wie stets so auch hier ihre Grenze im allgemeinen Willkürverbot. Ferner ist sie dann nicht zu beachten, wenn die Berufung hierauf seitens des Arbeitgebers offensichtlich nur vorgeschoben ist.

3. Nach der neuesten Rechtsprechung des BAG (Urteile vom 15.08.2006, 9 AZR 8/06 und vom 13.02.2007, 9 AZR 575/05) findet die arbeitgeberseitige Organisationshoheit im Anwendungsbereich des § 9 TzBfG ferner dort ihre Grenze, wo ihre konkrete Art der Ausübung dazu führt, den in § 9 TzBfG vorgesehenen Rechtsanspruch des Teilzeitarbeitnehmers zu unterlaufen.

Dies ist insbesondere dann zu beachten, wenn der Arbeitgeber dem Wunsch eines Arbeitnehmers mit Teilzeitarbeitsvertrag nach Vollzeitbeschäftigung entgegenhält, er habe die Entscheidung getroffen, in seinem Betrieb oder in einem bestimmten Arbeitsbereich desselben ausschließlich Teilzeitkräfte zu beschäftigen.

Das BAG führt hierzu aus:

"Für den Anwendungsbereich des § 9 TzBfG bestehen keine Bedenken, wenn der Arbeitgeber für die ausschließliche Einrichtung von Teilzeitstellen arbeitsplatzbezogene Gründe geltend machen kann... Dagegen ist dem Arbeitgeber nicht überlassen, ob er generell nur Teilzeitstellen oder nur Vollzeitstellen einrichtet. Vielmehr ist hierfür das Vorliegen arbeitsplatzbezogener Gesichtspunkte unerlässlich. Insoweit berühren sich der Verringerungsanspruch des § 8 TzBfG und der Verlängerungsanspruch des § 9 TzBfG. Denn der Arbeitgeber kann den Verringerungsanspruch eines Arbeitnehmers nicht mit dem bloßen Hinweis darauf abwehren, er wünsche keine Herabsetzung der Arbeitszeit. Er braucht hierfür betriebliche Gründe. Das heißt, sobald ein Arbeitnehmer eine Verringerung verlangt und es keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe gibt, ist die Arbeitszeit entsprechend zu verringern. Aus einem bisherigen Arbeitsplatz mit 30- oder 40-Stundenwoche wird ein solcher mit 10 oder 20 Stunden. Die verbleibende Restarbeitszeit wäre zu verteilen. Dabei geht es nicht darum, dem Arbeitgeber die Gestaltungsmöglichkeit zu nehmen, nach seinem Ermessen den Beschäftigungsbedarf festzulegen. Der gesetzlich eingeräumte Anspruch auf Berücksichtigung von Verlängerungswünschen kann aber - insoweit greift auch die Richtlinie 77/81 EG des Rates vom 15.12.1997 - nicht dadurch unterlaufen werden, dass ohne Rücksicht auf arbeitsplatzbezogene Erfordernisse ausschließlich Teilzeitstellen mit einem ganz bestimmten Stundenmaß eingerichtet werden." (BAG vom 15.08.2006 - 9 AZR 8/06 - I 5 b).

4. Die Grundkonstellation des § 9 TzBfG besteht darin, dass ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes mit einem größeren Arbeitszeitvolumen begehrt.

a. Der vorliegende Fall unterscheidet sich hiervon (nur) dadurch, dass der Kläger bereits an seinem eigenen Arbeitsplatz von Beginn des Arbeitsverhältnisses an über Jahre in dem gewünschten Umfang einer Vollzeitarbeitskraft beschäftigt worden ist, der Arbeitgeber sich jedoch weigert, die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprechend anzupassen und den diesbezüglichen Wunsch des Klägers nunmehr dadurch konterkariert, dass er im Mai 2006 dazu übergegangen ist, den Kläger plötzlich nur noch im Umfang der Vereinbarungen des schriftlichen Arbeitsvertrages zu beschäftigen.

b. Die Interessenlage ist jedoch im Wesentlichen gleich. Einerseits hat vorliegend der Kläger in Anbetracht der Entwicklung ab Mai 2006 ein berechtigtes Interesse daran, seine arbeitsvertragliche Situation entsprechend den zuvor jahrelang tatsächlich praktizierten Verhältnissen zu konsolidieren. Andererseits könnte der Arbeitgeber auch in der Grundkonstellation des § 9 TzBfG dem Anspruch eines Teilzeitbeschäftigten nach dieser Vorschrift nicht lediglich dadurch gerecht werden, dass er ihm mehr oder minder regelmäßig Mehrarbeit zuweist.

5. Im vorliegenden Fall handelt die Beklagte bereits im Sinne von § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, wenn sie dem Begehren des Klägers nach Umwandlung seines Arbeitsvertrages in eine Vollzeitstelle entgegenhält, in dem Einsatzbereich des Klägers habe sie weder in der Vergangenheit noch jetzt freie Vollzeitstellen zur Verfügung. Die von der Beklagten angeführte organisatorische Entscheidung, Vollzeitkräfte nur im Management zu beschäftigen, nicht aber im übrigen Betriebsbereich, ist offensichtlich nur vorgeschoben. Selbst wenn dies jedoch nicht der Fall wäre, könnte eine solche Entscheidung vorliegend nicht durch arbeitsplatzbezogene Merkmale gerechtfertigt werden.

Im Einzelnen:

a. Die den Behauptungen der Beklagten folgende Wertung des Arbeitsgerichts, dass es im Bereich der sog. Rotationskräfte in der Vergangenheit wie auch gegenwärtig an einem freien Vollzeitarbeitsplatz im Betrieb der Beklagten gefehlt habe, wird der wahren Sachlage nicht gerecht.

aa. Die Beklagte hatte dem Kläger in dem Formulararbeitsvertrag vom 23.08.2002 zwar nur einen Beschäftigungsumfang einer Teilzeitkraft mit durchschnittlich mindestens 30 Wochenstunden zugesichert, ihn aber von Anfang an für ca. dreieinhalb Jahre im Umfang einer Vollzeitkraft und weit darüber hinaus tatsächlich eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien begann Ende August 2002. Für September 2002 liegen keine Zahlen vor. Wie sich aus den vom Kläger vorgelegten Abrechnungen der Beklagten selbst jedoch ergibt, betrug die durchschnittliche Monatsarbeitszeit des Klägers im 4. Quartal 2002 183,83 Stunden und sodann über den gesamten Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2005 hinweg durchschnittlich 184,57 Stunden pro Monat, davon im Kalenderjahr 2004 allein sage und schreibe 209 Stunden monatlich. Auch im Januar und Februar 2006 wurde der Kläger im Umfang einer Vollzeitkraft beschäftigt.

bb. Erst im Mai 2006 ging die Beklagte sodann ebenso plötzlich wie dauerhaft dazu über, den Kläger nur noch im Umfang der zugesagten durchschnittlich ca. 30 Wochenstunden zu beschäftigen und zu vergüten.

cc. Die über dreieinhalb Jahre hinweg praktizierten tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsplatz des Klägers widerlegen die Behauptung der Beklagten, sie halte in ihrem Betrieb außerhalb des Managements keine Vollzeitarbeitsstellen vor. Dies gilt um so mehr, als der Kläger unwidersprochen vortragen konnte, dass neben ihm auch zahlreiche andere Mitarbeiter außerhalb des Managementbereiches zwar nur mit Teilzeitarbeitsverträgen ausgestattet waren oder sind, aber tatsächlich in weit darüber hinaus gehendem, vergleichbarem Umfang wie er selbst eingesetzt worden sind bzw. werden.

dd. Daraus ergibt sich zugleich, dass das Organisationskonzept, auf das sich die Beklagte beruft, nur vorgeschoben ist: Zwar vermeidet es die Beklagte, die Mitarbeiter außerhalb des Managementbereiches mit Vollzeitarbeitsverträgen auszustatten. In arbeitsorganisatorischer Hinsicht verteilt sie den in ihrem Betrieb außerhalb des Managementbereiches bestehenden Arbeitskräftebedarf aber so, dass etliche Mitarbeiter regelmäßig und dauerhaft in einem Umfang, der der Arbeitszeitverpflichtung einer Vollzeitkraft entspricht und sogar noch darüber hinausgeht, eingesetzt werden.

ee. Hierzu passt ins Bild, dass die Beklagte, wie der Kläger mit Schriftsatz vom 04.03.2008 dokumentiert hat, zum 26.06.2007 für ihren Betrieb fünf freie Vollzeitstellen "für die Fertigung und den Verkauf von Produkten, Kundenbedienung und Kassieren" angeboten hat (Bl. 232 d. A.).

b. Die faktische Vollzeitstelle, auf der der Kläger selbst bereits seit dem Jahr 2002 beschäftigt wird, existiert auch über den Monat Mai 2006 hinaus fort.

aa. Zwar hat die Beklagte den Kläger seit diesem Zeitraum nur noch in dem arbeitsvertraglich vereinbarten Mindestumfang einer Teilzeitkraft mit 30 Wochenstunden arbeiten lassen.

bb. Der vom Kläger hergestellte Zusammenhang zwischen dieser Zäsur mit den zum damaligen Zeitpunkt vom Kläger erhobenen arbeitsgerichtlichen Maßnahmen erscheint jedoch auch für einen außenstehenden Dritten evident.

cc. Die von der Beklagten für diesen plötzlichen zeitlichen Einschnitt im Umfang des Arbeitseinsatzes des Klägers vorgebrachten Alternativbegründungen erscheinen dagegen weder plausibel, noch auch nur ansatzweise hinreichend substantiiert.

dd. Wenn die Beklagte allerdings anführt, sie habe den Kläger ab Mai 2006 deshalb nur noch in geringerem Umfang beschäftigt, weil sie mit seinen Arbeitsleistungen nicht mehr zufrieden gewesen sei, bzw. - so an anderer Stelle - weil der Kläger aufgrund seines Rückenleidens "der Belastung einer vollschichtigen Tätigkeit nicht mehr gewachsen" gewesen sei (so wörtlich im Schriftsatz der Beklagten vom 24.01.2008), so bestätigt die Beklagte damit gerade, dass sie den Kläger, wenn dieser ihrer Meinung nach in seinen Leistungen nicht nachgelassen hätte oder in seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt gewesen wäre, auch über den Monat Mai 2006 hinaus im bisherigen vollschichtigen Umfang hätte einsetzen können und eingesetzt hätte !

c. Der Kläger hat seinen Wunsch auf Umwandlung seines Arbeitsvertrages in eine Vollzeitstelle unstreitig mehrfach, zuletzt mit Anwaltsschreiben vom 27.07.2006, gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht. Entgegen den Behauptungen der Beklagten und entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts hätte die Beklagte diesem Wunsch damals wie auch später ohne Änderung ihrer betriebinternen Arbeitsorganisationsstruktur entsprechen können. Dies ergibt sich aus der dreieinhalbjährigen tatsächlichen Beschäftigung des Klägers im Umfang einer Vollzeitkraft, aus der eigenen Argumentation der Beklagten zu den Gründen der Umstellung im Mai 2006 und zuletzt wieder aus der vom Kläger beigebrachten Internetanzeige zum 26.06.2007.

d. Selbst wenn jedoch die Beklagte - was, wie soeben aufgezeigt, tatsächlich nicht der Fall ist - in ihrem Betrieb für die Arbeitsbereiche außerhalb des Managements die Entscheidung getroffen und auch praktiziert hätte, die hier anfallende Arbeit nur im Umfang von Teilzeitkontingenten auf die Arbeitnehmer zu verteilen, wäre eine solche Entscheidung als rechtlich nicht akzeptable Umgehung des § 9 TzBfG zu werten, da sie durch arbeitsplatzbezogene Merkmale nicht gerechtfertigt werden könnte (hierzu BAG a. a. O.).

aa. Die Einlassung der Beklagten, die Verteilung der Arbeit auf Teilzeitkräfte sei wegen der in ihrem Betrieb üblichen "Stoßzeiten" geboten, erscheint gänzlich unsubstantiiert. Weder lässt sich die Beklagte näher dazu ein, wann und in welchem Umfang solche "Stoßzeiten" gegeben sein sollen, noch erläutert sie, aufgrund welcher Überlegungen wegen solcher "Stoßzeiten" die ausschließliche Beschäftigung von Teilzeitkräften naheliegt. Ohnehin schweigt sie sich dazu aus, nach welchem organisatorischen Schema der Geschäftsbetrieb während der teilweise extrem langen Öffnungszeiten des Lokals generell aufrecht erhalten wird.

bb. Vor allem zeigen die tatsächlichen Gegebenheiten, nämlich die Art des Einsatzes des Klägers über dreieinhalb Jahre hinweg und ein entsprechender Einsatz etlicher Kollegen des Klägers, dass eine solche angebliche Organisationsentscheidung tatsächlich nicht praktiziert wurde und wird.

cc. Das angebliche Fehlen einer freien Vollzeitstelle steht dem Begehren des Klägers auf Aufstockung seines arbeitsvertraglichen Arbeitszeitumfangs auf eine Vollzeitstelle somit nicht entgegen.

e. Die Vertragsänderung ist auch rückwirkend zulässig (BAG vom 23.01.2007, 9 AZR 393/06; BAG vom 24.09.2003, 5 AZR 282/02; BAG vom 09.11.2006, 2 AZR 509/05).

f. Der Kläger hat seinen Verlängerungswunsch auch geraume Zeit vor dem jetzt begehrten Änderungstermin geltend gemacht.

g. Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass der Kläger auf eine Mindestarbeitsverpflichtung im Umfang von 170 Monatsstunden abstellt. Gemäß § 3 Ziff. 1 Abs. 1 MTV Systemgastronomie vom 07.07.2000 beträgt der tarifliche Umfang der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft in der Systemgastronomie sogar 173 Stunden.

6. Neben § 9 TzBfG i. V. m. § 242 BGB folgt der Anspruch des Klägers auch aus § 6 Abs. 1 Nr. 8 MTV Systemgastronomie vom 07.07.2000 (gleichlautend jetzt § 5 Abs.4 MTV Systemgastronomie vom 15./23.10.2007).

a. Die Anwendbarkeit des MTV Systemgastronomie auf das Arbeitsverhältnis der Parteien hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2007 ausdrücklich unstreitig gestellt. Soweit ersichtlich sind beide Parteien tarifgebunden.

b. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht erstinstanzlich offen gelassen, ob die Voraussetzungen dieser tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage erfüllt sind. Auf welche Anspruchsgrundlage ein bestimmtes Rechtsschutzbegehren rechtlich zu stützen ist, ist dem Anspruchsteller im Zweifel gleichgültig, es sei denn, er nimmt explizit eine entsprechende Einschränkung vor, iura novit curia ! Eine solche gewollte Einschränkung kann nicht allein dem Umstand entnommen werden, dass der Kläger in seinem Klageantrag nur § 9 TzBfG zitiert, nicht jedoch die tarifliche Anspruchsgrundlage.

c. Wie dem auch sei:

aa. Jedenfalls in der Berufungsinstanz beruft sich der Kläger ausdrücklich auch auf die Anspruchsgrundlagen des MTV Systemgastronomie.

bb. Die Voraussetzungen dieser Tarifnorm sind auch erfüllt. Die "vereinbarte Wochenarbeitszeit" ist im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23.08.2002 mit "durchschnittlich mindestens 30 Stunden" angegeben. Auf Anordnung der Beklagten hat der Kläger indessen regelmäßig Arbeit, die über die vereinbarte Wochenarbeitszeit weit hinausging, geleistet, und zwar nicht nur, wie der Tarifvertrag verlangt, über einen Zeitraum von 3 Monaten, sondern über einen Zeitraum von nahezu dreieinhalb Jahren. Der Ausnahmetatbestand des § 6 Abs.1 Nr.8 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2000 (bzw. § 5 Abs.4 Satz 2 MTV Systemgastronomie 2007) liegt ersichtlich nicht vor.

cc. Der Kläger hat daher nunmehr auch einen tarifvertraglichen Anspruch auf entsprechende Neugestaltung des Arbeitsvertrages.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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