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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.07.2009
Aktenzeichen: 7 Ta 137/09
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 11
RVG § 13
RVG Anlage 1 Teile 3 Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1
Die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr kommt nur in Betracht, wenn der Mandant die Geschäftsgebühr auch tatsächlich schuldet.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalt Hehemann als ehemaligem Prozessbevollmächtigten des Klägers hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 20.03.2009 in der Fassung des Nicht-Abhilfe-Beschlusses vom 15.04.2009 abgeändert:

Auf den Antrag des Beschwerdeführers in der Fassung des Schriftsatzes vom 30.01.2009 hin werden gegen den Kläger Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 338,85 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seitdem 20.12.2008 festgesetzt.

Gründe:

I. Der Beschwerdeführer wurde in einer Kündigungsschutzsache für den Kläger anwaltlich tätig. Bevor er Kündigungsschutzklage einreichte, hatte er auch außergerichtliche Aktivitäten in der Angelegenheit entfaltet. Das Verfahren endete in der Hauptsache durch einen im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht abgeschlossenen, rechtskräftig gewordenen Vergleich.

Mit Gebührenrechnung vom 14.10.2008 machte der Beschwerdeführer sodann gegenüber dem Kläger seine Rechtsanwaltsgebühren geltend. Dabei setzte er u. a. eine Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 487,50 EUR (1,3-facher Satz) sowie Reisekosten in Höhe von 21,- EUR und Tage- und Abwesenheitsgeld in Höhe von 20,- EUR jeweils zuzüglich MwSt. geltend. Auf die Verfahrensgebühr brachte er gemäß Vorbemerkungen 3 IV VV RVG die hälftige Geschäftsgebühr in Höhe von 243,75 EUR in Anrechnung.

Die Rechtsschutzversicherung des Klägers verweigerte die Übernahme der Geschäftsgebühr mit der Begründung, dass die vorgerichtliche Tätigkeit des Anwalts weder erforderlich noch zielführend gewesen und deshalb durch die Rechtsschutzzusage nicht gedeckt sei. Gleichwohl beließ die Rechtsschutzversicherung es bei der hälftigen Anrechnung auf die Verfahrensgebühr und erstattete auf diese somit nur 243,75 EUR. Außerdem wies die Rechtsschutzversicherung darauf hin, das Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder aufgrund der maßgeblichen Rechtsschutzbedingungen nicht erstattungsfähig seien.

Nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.11.2008 noch die volle Differenz zwischen dem von ihm ursprünglich errechneten Rechnungsbetrag und der tatsächlichen Erstattung der Rechtsschutzversicherung gegenüber dem Kläger geltend gemacht hatte, meldete er gegenüber dem Arbeitsgericht Bonn zuletzt mit Schriftsatz vom 30. Januar 2009 nur noch einen auf 338,85 EUR zuzüglich gesetzlicher Zinsen reduzierten Betrag zur Festsetzung an. Hierbei handelt es sich um die hälftige Verfahrensgebühr nach § 13 Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 243,75 EUR (0,65-facher Satz), die Reisekosten in Höhe von 21,- EUR und das Tage- und Abwesenheitsgeld in Höhe von 20,- EUR jeweils zuzüglich MwSt.

Der Kläger, nunmehr vertreten durch ein anderes Anwaltsbüro, wendet sich gegen die Festsetzung. Er macht sich den Einwand der Rechtsschutzversicherung gegen die Erstattungsfähigkeit der Geschäftsgebühr zu Eigen und behauptet, der Beschwerdeführer habe ohne Auftrag eine außergerichtliche Tätigkeit entfaltet. Er argumentiert, hätte sich der Beschwerdeführer auftragsgemäß verhalten, wäre keine außergerichtliche Gebühr angefallen und auch keine hälftige außergerichtliche Gebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen gewesen. Die Rechtsschutzversicherung hätte in diesem Fall die vollständige Vergütung bezahlt. Wenn nun die Rechtsschutzversicherung aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers den ausstehenden Betrag nicht mehr zahle, sei dem Mandanten ein Schaden entstanden. Mit diesem Schadensersatzanspruch rechne der Kläger gegenüber dem Restgebührenanspruch des Beschwerdeführers auf. Hierbei handele es sich um eine Einwendung außerhalb des Gebührenrechts. Der Beschwerdeführer sei daher auf den Klageweg zu verweisen.

Mit Beschluss vom 20.03.2009, bekräftigt durch Nichtabhilfebeschluss vom 15.04.2009, hat der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht Bonn die Festsetzung des zuletzt vom Beschwerdeführer begehrten Betrages verweigert und den Beschwerdeführer auf den Klageweg verwiesen.

II. Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 20.03.2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 15.04.2009 ist zulässig und begründet.

1. Dem Beschwerdeführer steht gegenüber dem Kläger zunächst ein Anspruch auf Reisekosten in Höhe von 21,- EUR gemäß Nr. 7003 VV RVG sowie ein Anspruch auf ein Tage- und Abwesenheitsgeld in Höhe von 20,- EUR gemäß Nr. 7005, Nr. 1 VV RVG jeweils zuzüglich MwSt. zu. Daran kann der Umstand, dass diese Positionen von dem Rechtsschutzvertrag des Klägers nicht gedeckt sein mögen, nichts ändern. Einwände gegen diese Positionen, gleich ob gebührenrechtlicher und nicht gebührenrechtlicher Art, hat der Beschwerdegegner auch zu keinem Zeitpunkt artikuliert.

2. Darüber hinaus war aber auch die zweite Hälfte der Verfahrensgebühr gemäß § 13 Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 243,75 EUR (0,65-facher Satz) zuzügl. MwSt. zugunsten des Beschwerdeführers festzusetzen. Die Einwände, die der Beschwerdegegner hiergegen erhoben hat, sind in sich widersprüchlich und damit obsolet. Sie sind nicht geeignet, den Beschwerdeführer auf der Grundlage des § 11 Abs. 5 RVG auf den Klageweg zu verweisen.

a. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass aufgrund der Bearbeitung des Kündigungsschutzmandats durch den Beschwerdeführer eine volle Verfahrensgebühr gemäß § 13 Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 487,50 EUR (1,3-facher Satz) entstanden ist.

b. Der Beschwerdegegner verkennt offenbar, dass der Beschwerdeführer zuletzt, anders als noch in seinen Rechnungsschreiben an den Kläger vom 14.10. und 05.11.2008, eine Geschäftsgebühr nicht mehr verlangt und - dementsprechend folgerichtig - nur noch die Zahlung der vollen, ungekürzten Verfahrensgebühr geltend macht.

c. Der Einwand des Beschwerdegegners, der Beschwerdeführer habe seinen Anwaltsvertrag verletzt, da er, angeblich ohne dazu beauftragt gewesen zu sein, auch außergerichtliche Aktivitäten entfaltet habe, mag zwar für sich betrachtet nicht-gebührenrechtlicher Natur sein. Er richtet sich der Sache nach aber nicht gegen die vom Kläger im vorliegenden Verfahren nur noch in Ansatz gebrachte Verfahrensgebühr, sondern gegen die Geschäftsgebühr.

d. Der Einwand des Klägers geht somit gegenüber dem Festsetzungsbegehren des Beschwerdeführers in doppelter Weise ins Leere: Zum einen macht der Beschwerdeführer gar keine Geschäftsgebühr mehr geltend. Zum anderen hätte die Berechtigung des Einwands des Beschwerdegegners gegen den Ansatz der Geschäftsgebühr gebührenrechtlich gerade die zwingende Folge, dass der Beschwerdeführer zu Recht die volle Verfahrensgebühr in Ansatz bringt; denn wenn der Mandant im Ergebnis eine Geschäftsgebühr nicht schuldet, kann eine Geschäftsgebühr auch nicht anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden.

Mit anderen Worten: Ein vermeintlicher Schadensersatzanspruch des Klägers kann und darf nicht dazu führen, dass dieser sich im Ergebnis besser stünde, als wenn der Beschwerdeführer das von dem Beschwerdegegner eingeforderte rechtmäßige Alternativverhalten an den Tag gelegt hätte und für ihn von vornherein außergerichtlich nicht tätig geworden wäre.

e. Der berechtigte Anspruch des Beschwerdeführers auf die volle Verfahrensgebühr kann im Übrigen auch nicht daran scheitern, dass die Rechtsschutzversicherung des Klägers der Ansicht ist, insoweit nicht eintreten zu müssen.

f. In einer solchen Konstellation eines in sich widersprüchlichen Einwands des Beschwerdegegners kann der Beschwerdeführer nicht auf den Klageweg verwiesen werden.

g. Demnach war die Gebührenfestsetzung so vorzunehmen, wie sie zuletzt beantragt war.

III. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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