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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: 7 Ta 162/08
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 114
GVG § 17 a
1. Wird eine beim Arbeitsgericht erhobene Klage gemäß § 17 a GVG in den Rechtsweg der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwiesen, so ist grundsätzlich auch nur das Gericht, an das verwiesen wurde, für die Entscheidung über einen mit der Klage verbundenen PKH-Antrag zuständig.

2. Kommt der Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO endgültig zum Stillstand, bevor ein Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Rechtskraft erlangt hat, hat ausnahmsweise das Arbeitsgericht über den PKH-Antrag zu entscheiden, wenn dieser im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens bescheidungsreif war und dem Antragsteller wegen der Vermögenslosigkeit seines Prozessgegners eine Aufnahme des Verfahrens nicht zumutbar ist.

3. Auch in einem solchen Fall darf bei der Prüfung der Erfolgsaussichten i.S.v. § 114 ZPO nicht auf die Unzulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs abgestellt werden.


Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin vom 06.05.2008 hin wird der PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.04.2008 abgeändert:

Der Klägerin wird für das Verfahren Arbeitsgericht Köln 17 Ca 11748/05 Prozesskostenhilfe in vollem Umfang unter Beiordnung von Rechtsanwalt v mit der Maßgabe bewilligt, dass die Klägerin aufgrund ihrer glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit keinen eigenen Beitrag zu den Kosten zu leisten hat.

Gründe:

I. Die Parteien schlossen zum 01.10.2005 eine Zusatzvereinbarung zu einem bereits bestehenden Handelsvertretervertrag. Danach sollte die Klägerin fortan im Innendienst tätig sein und hierfür ein Fixum in Höhe von 1.900,00 € brutto monatlich beziehen. Zum 01.01.2006 war die Prüfung der Übernahme in ein Angestelltenverhältnis avisiert (Bl. 9 d. A.).

Ab dem 22.11.2005 war die Klägerin nach eigenem Bekunden arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 09.12.2005 kündigte die Beklagte das bestehende Vertragsverhältnis fristlos. Mit der am 15.12.2005 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Hauptsacheklage begehrte die Klägerin in erster Linie die Feststellung, "dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch fristlose Kündigung vom 09.12.2005 erloschen ist". Außerdem verlangte sie für die Zeit vom 22.11. bis 31.12.2005 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wobei sie sich auf die Regeln des Entgeltfortzahlungsgesetzes berief. Zur Begründung machte die Klägerin unter Angabe verschiedener Einzelheiten geltend, dass zwischen den Parteien entgegen dem schriftlichen Vertragsinhalt bereits ab dem 01.10.2005 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.

Gleichzeitig mit der Klageerhebung beantragte die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Nachdem ein von den Parteien im Gütetermin des arbeitsgerichtlichen Verfahrens abgeschlossener Vergleich widerrufen worden war, verwies das Arbeitsgericht Köln mit Beschluss vom 14.02.2006 den Rechtsstreit an das Amtsgericht Bergisch-Gladbach. Zur Begründung vertrat es die Auffassung, dass die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht gegeben sei. Die Klägerin sei nicht als Arbeitnehmerin anzusehen. Ein sog. sic-non-Fall liege nicht vor, weil sich die Klägerin mangels Erfüllung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht auf den speziellen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz berufen und nur die Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist geltend machen könne. Der Tatsachenvortrag der Klägerin reiche nicht aus, um eine arbeitnehmertypische persönliche Abhängigkeit der Klägerin im Vertragsverhältnis bejahen zu können.

Die Klägerin legte gegen den Verweisungsbeschluss fristgerecht sofortige Beschwerde zum Landesarbeitsgericht ein (LAG Köln 10 Ta 119/06). Noch vor Ablauf der vom Beschwerdegericht gesetzten Beschwerdebegründungsfrist wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Das infolgedessen gemäß § 240 ZPO unterbrochene Hauptsacheverfahren wurde in der Folgezeit weder von der Klägerin noch vom Insolvenzverwalter wieder aufgenommen. Dementsprechend war das Hauptsacheverfahren nach Ablauf von weiteren sechs Monaten gemäß der Aktenordnung als erledigt wegzulegen, ohne dass es zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss vom 14.02.2006 gekommen war.

Auch über den Prozesskostenhilfe-Antrag lag bis dahin keine gerichtliche Entscheidung vor.

Nachdem der Klägervertreter am 17.03.2008 darum gebeten hatte, den noch offenen Prozesskostenhilfe-Antrag zu bescheiden, wies das Arbeitsgericht Köln mit Beschluss vom 18.04.2008, dem Klägervertreter zugestellt am 28.04.2008, den Prozesskostenhilfe-Antrag zurück. Zur Begründung führte es aus, die Sache habe "vor dem Arbeitsgericht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg" gehabt. Nach Maßgabe des Verweisungsbeschlusses vom 14.02.2006, der bislang nicht aufgehoben worden sei, sei die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen zu verneinen. Konsequenterweise müsse dieses Ergebnis auch im Rahmen des PKH-Verfahrens zugrunde gelegt werden.

II. Die zulässige, fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen den PKH-Beschluss vom 18.04.2008 ist begründet. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts hatte die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin "hinreichende Aussicht auf Erfolg" im Sinne von § 114 ZPO. Die vom Arbeitsgericht dem ablehnenden Beschluss zugrunde gelegte Begründung trägt das Ergebnis nicht.

1. Nach der Konzeption des Zivilprozessrechtes in seiner derzeit geltenden Fassung kann eine Klage nicht abgewiesen werden, weil sie im falschen Rechtsweg erhoben wurde. Gemäß § 17 a) Abs. 2 S. 1 GVG, der gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG auch im Arbeitsgerichtsverfahren maßgeblich ist, hat das erstinstanzliche Gericht die Zulässigkeit des bestrittenen Rechtsweges jederzeit von Amts wegen zu prüfen und, wenn es zu dem Ergebnis der Unzulässigkeit gelangt, den Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen.

2. Kann aber eine Klage nicht wegen der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges abgewiesen werden, kann auch ein zugehöriger Prozesskostenhilfe-Antrag nicht allein wegen der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wegen nicht hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückgewiesen werden (KG MDR 2008, 707 f.; LAG Berlin vom 19.03.2003, 17 Ta 541/04).

3. Allerdings weist der vorliegende Fall die Besonderheit auf, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache zum Stillstand gekommen ist, bevor über die Rechtswegzuständigkeit rechtskräftig entschieden werden konnte.

a. Grundsätzlich ist für die Entscheidung eines mit der Klage verbundenen Prozesskostenhilfe-Antrages nur das Gericht des zulässigen Rechtsweges zuständig, gerade weil es die Kompetenz zur Entscheidung in der Hauptsache besitzt und damit auch am ehestens kompetent ist, die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 ZPO zu beurteilen.

b. Das Beschwerdegericht stimmt jedoch mit dem Arbeitsgericht darin überein, dass in einer besonderen Konstellation wie der vorliegenden ausnahmsweise das tatsächlich angegangene erstinstanzliche Gericht den Prozesskostenhilfe-Antrag bescheiden muss; denn einerseits lag bereits bei Klageerhebung und jedenfalls vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO ein für sich betrachtet bescheidungsreifer Prozesskostenhilfe-Antrag vor, andererseits kann es nunmehr der Klägerin nicht mehr zugemutet werden, das Hauptsacheverfahren gegen ihren insolventen Prozessgegner nur deshalb wieder aufzunehmen, damit das für die PKH-Entscheidung zuständige Gericht ermittelt werden kann.

c. War somit das Arbeitsgericht ausnahmsweise ungeachtet der noch offenen Frage der Rechtswegzuständigkeit zur Bescheidung des Prozesskostenhilfe-Antrags berufen, so ändert dies aber nichts daran, dass es die hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO ausschließlich sachantragsbezogen zu prüfen hatte und nicht auf die - möglicherweise fehlende - Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit abstellen durfte.

4. Ungeachtet dessen wäre zur Überzeugung des Beschwerdegerichts entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für den vorliegenden Fall aber auch zu bejahen gewesen.

a. Der Annahme des Arbeitsgerichts, dass vorliegend kein sog. sic-non-Fall vorliege, kann nicht gefolgt werden. In ihrem Antrag zu 1) hat die Klägerin nämlich ausdrücklich die Feststellung begehrt, dass "das Arbeitsverhältnis der Parteien" nicht durch die fristlose Kündigung vom 09.12.2005 erloschen ist. Die Klägerin hat somit nicht nur die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch die fristlose Kündigung der Beklagten zum Streitgegenstand erhoben, sondern auch ihren Status als Arbeitnehmerin. Daraus folgt, dass dem Feststellungsantrag zu 1) uneingeschränkt nur dann hätte stattgegeben werden können, wenn der Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu bejahen ist. Dies entspricht aber genau einer sic-non-Konstellation im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

b. Dasselbe gilt für den Klageantrag zu 2): Hiermit machte die Klägerin unter Berufung auf das Entgeltfortzahlungsgesetz Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend. Gemäß § 1 EFZG gelten dessen Regeln nur für Arbeitnehmer. Eine gesetzliche Anspruchsgrundlage auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für einen freien Handelsvertreter ist dagegen nicht ersichtlich.

c. Handelt es sich somit in beiden Klageanträgen um eine sic-non-Klage, genügt für die Annahme der Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte bereits die bloße Rechtsbehauptung, es habe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden.

5. In der Sache selbst können hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des PKH-Rechts für die vorliegende Klage im gegenwärtigen Prozessstadium nicht verneint werden.

a. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist für die Beurteilung der Erfolgsaussichten i. S. v. § 114 ZPO ein großzügiger Maßstab anzulegen (BVerfGE 81, 358; BVerfG FamRZ 93, 664f.; BGH NJW 94, 1161).

b. Es ist auch zu berücksichtigen, dass eine etwa noch fehlende Substantiierung des eigenen Sachvortrages einschließlich etwaiger noch fehlender Beweisantritte im Verlaufe des Rechtsstreits nachgeholt werden könnten. Immerhin war in der von den Parteien zum 01.10.2005 geschlossenen Zusatzvereinbarung die Prüfung der Übernahme der Klägerin in ein Angestelltenverhältnis zum 01.01.2006 ausdrücklich avisiert und hat die Klägerin eine Reihe von Anhaltspunkten dargelegt, die für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sprechen könnten. Hinzu kommt, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtfertigung von Gründen für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde ohnehin bei der Beklagten gelegen hätte.

6. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung ratenfreier PKH sind aufgrund der glaubhaft gemachten Angaben der Klägerin ebenfalls zu bejahen.

III. Ein weiteres Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nicht statthaft.

Ende der Entscheidung

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