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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.02.2009
Aktenzeichen: 7 Ta 364/08
Rechtsgebiete: BetrVG, RVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 100
RVG § 23
1. Zum Streitwert eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, in dem die Arbeitgeberin in erster Linie die Feststellung begehrt, dass die nach § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz von "pro Schicht (Früh- und Spätschicht) jeweils 12 Leiharbeitnehmer" für die Dauer eines Monats als erteilt gilt.

2. Es handelt sich um eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Art. Daher ist der Streitwertrahmen des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG eröffnet.

3. Maßgebliches Kriterium für die Streitwertfestsetzung ist die Bedeutung der Angelegenheit für die Streitbeteiligten, insbesondere für die Antragstellerin. Nicht sachgerecht erscheint es dagegen, in der vorliegenden Konstellation auf die Kosten abzustellen, die der Arbeitgeberin durch den Einsatz der Leih-Arbeitnehmer entstehen.

4. Beantragt die Arbeitgeberin hilfsweise, die verweigerte Zustimmung zu ersetzen und festzustellen, dass die vorläufige Durchführung der Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, sind die Werte von Haupt- und Hilfsanträgen zusammenzurechnen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Verfahren ohne streitige Entscheidung endet.


Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 04.09.2008 hin wieder der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.08.2008 wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im vorliegenden erstinstanzlichen Beschlussverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.08.2008 ist teilweise begründet. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit in dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren 17 BV 2/08 mit 56.550,00 € zu hoch angesetzt.

1. Die Beteiligten stritten um die nach § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz von Leiharbeitnehmern. Die Antragstellerin wollte in ihrem Lager für den Monat Januar 2008 "pro Schicht (Früh- und Spätschicht) jeweils 12 Leiharbeitnehmer" einsetzen. Die Maßnahme beruhte auf einem einheitlichen Entschluss der Arbeitgeberin und wurde dem Betriebsrat in der so eben zitierten Form als Gesamtpaket zur Mitbestimmung nach § 99 BetrVG vorgelegt.

Die Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahme als solche stand zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Die Antragstellerin vertrat allerdings die Auffassung, dass aufgrund einer nicht ordnungsgemäß begründeten Zustimmungsverweigerung die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG als erteilt zu gelten habe. Hilfsweise begehrte die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Gesamtmaßnahme und die Feststellung, dass deren vorläufige Durchführung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.

Das Verfahren erledigte sich erstinstanzlich, ohne dass eine gerichtliche Entscheidung erforderlich wurde.

2. Das Arbeitsgericht hat sich bei der Streitwertfestsetzung, dem Antrag des Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats folgend, an den Kosten orientiert, die die Antragstellerin mutmaßlich für den vollschichtigen Einsatz der Leiharbeitnehmer während des beantragten einmonatigen Einsatzzeitraumes aufzubringen hatte. Es ist dabei der Formulierung des Antrags entsprechend vom Einsatz von insgesamt 24 Leiharbeitnehmern - "pro Schicht (Früh- und Spätschicht) jeweils 12 Leiharbeitnehmer" - ausgegangen und hat den von der Antragstellerin für jede Einsatzstunde an die Verleihfirma zu zahlenden Betrag auf 14,50 € geschätzt.

3. Der vom Arbeitsgericht gewählte Ansatzpunkt für die Bemessung des Streitwerts erscheint für die vorliegende Fallkonstellation nach der Überzeugung des Beschwerdegerichts nicht sachgerecht.

a. Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist betriebsverfassungsrechtlicher Art. Es geht um die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG. Es liegt somit eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit vor. Daher ist der Streitwertrahmen des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG eröffnet. Dies führt grundsätzlich zu dem Hilfswert von 4.000,00 €, jedoch ist der Streitwert "nach Lage des Falles" niedriger oder auch höher anzusetzen.

b. Maßgebliches Kriterium für die Festsetzung des Streitwerts bei einer derartigen nicht-vermögensrechtlichen Streitigkeit ist die Bedeutung der Angelegenheit für die beteiligten Streitparteien, insbesondere für die Antragstellerin (LAG Köln, 7 (9) Ta 479/06, NZA-RR 2008, 43 f.).

c. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die individuellen Gegebenheiten der einzustellenden Personen für den Streit der Beteiligten keinerlei Rolle spielen. Der Streit geht in keiner Weise darum, welche konkreten Personen eingestellt werden sollen. Deren Namen waren im Zeitpunkt der Beteiligung des Betriebsrats im Zweifel noch nicht einmal der Antragstellerin selbst bekannt. Die Beteiligten streiten vielmehr darum, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfang in dem fraglichen Zeitraum Leiharbeitnehmer in der fraglichen Abteilung eingesetzt werden sollen. Da somit die individuellen Verhältnisse der einzelnen Arbeitnehmer bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts keine Rolle spielen, erscheint es wenig sachnah, für die Bemessung des Streitwerts darauf abzustellen, welche Vergütung für die einzustellenden Arbeitnehmer im Einzelfall zu entrichten sein würde.

d. Auch auf die Gesamtkosten abzustellen, die der Antragstellerin aus der Einstellungsmaßnahme entstehen, gibt die Bedeutung der im vorliegenden Beschlussverfahren zu bescheidenden Sachanträge nicht adäquat wieder. So erscheint der Gedanke nicht fernliegend, dass sich die Antragstellerin durch die Einstellung der Leiharbeitnehmer im Vergleich zu dem Zustand, der gegeben wäre, wenn diese Einstellungsmaßnahme nicht möglich wäre, sogar betriebswirtschaftliche Vorteile und möglicherweise sogar Kostenersparnisse erhofft. Deren Bezifferung erscheint jedoch zum Zwecke der Streitwertbemessung in einem Verfahren wie dem vorliegenden nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich.

e. Am ehesten erscheint es daher sachangemessen, zunächst von dem Standardwert des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG auszugehen und sodann zu berücksichtigen, ob und ggf. wodurch sich der vorliegende Streitfall von einem Standardeinzelfall der Ausübung eines Mitbestimmungsrechts bei der Einstellung von Arbeitnehmern nach § 99 BetrVG unterscheidet. Da die Antragstellerin dem Betriebsrat vorliegend ein auf einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung beruhendes Gesamtpaket zur Mitbestimmung vorgelegt hat, ist eine einheitliche Betrachtungsweise anzuwenden.

Dabei erscheinen folgende Kriterien relevant:

aa. Für eine gegenüber dem Standardeinzelfall herausgehobene Bedeutung der vorliegenden Angelegenheit spricht, dass es nicht nur um die Einstellung eines einzelnen Arbeitnehmers geht, sondern um die Einstellung einer Mehrzahl von Arbeitnehmern, und zwar nach dem Wortlaut des zur Entscheidung gestellten Sachantrages um 24 Leiharbeitnehmer, nach der Einlassung der Antragstellerin im Schriftsatz vom 24.10.2008 aber mindestens um 12 Leiharbeitnehmer.

bb. Auf der anderen Seite wird dieser Umstand wiederum dadurch relativiert, dass es nicht etwa um unbefristete oder längerfristige Einstellungen geht, sondern nur um eine Maßnahme für einen einzelnen Monat.

cc. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Beteiligten vorliegend nicht nur und nicht einmal in erster Linie um einen Fall der Zustimmungsersetzung im Sinne von §§ 99 Abs. 4, 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG stritten. Vielmehr hat die Antragstellerin in erster Linie das Feststellungsbegehren zur Entscheidung gestellt, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bereits erloschen sei, da in rechtlicher Hinsicht bereits von einer Teilung der Zustimmung ausgegangen werden müsse. Dies ähnelt zumindest im Ausgangspunkt der Konstellation des Verfahrens Landesarbeitsgericht Köln 7 (9) Ta 479/06, in welchem die Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht (noch) besteht, aus anderen Gründen streitig war.

dd. Bei alledem vertritt das Beschwerdegericht die Auffassung, dass für die Bemessung des Verfahrensstreitwerts für die anwaltliche Gebührenfestsetzung in einem Verfahren wie dem vorliegenden die Streitgegenstände von Haupt- und Hilfsantrag zusammen zu rechnen sind (ebenso LAG Nürnberg MDR 2005, 120; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, VV 3200, Rdnr. 18 und VV 3100 Rdnr. 129; Meyer, GKG, 9. Aufl., § 45 Rdnr. 17).

f. Unter Berücksichtigung der erörterten Gesichtspunkte hält das Beschwerdegericht im Ergebnis für den Hauptantrag einen Streitwert von 8.000,00 € und für die Hilfsanträge einen solchen von 12.000,00 € (2 x 6.000,00 €) für angemessen und zutreffend.

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht statthaft.

Ende der Entscheidung

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