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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: 8 Ta 221/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
BGB § 615 S. 1
ZPO § 935
ZPO § 940
1. Eine einstweilige Verfügung auf Zahlung von Arbeitsentgelt nach Ablauf der Kündigungsfrist setzt für den Verfügungsanspruch die Glaubhaftmachung tatsächlicher Umstände dahingehend voraus, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Unwirksamkeit der Kündigung auszugehen ist und zudem, dass von der Erfüllung der Vorraussetzungen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers ausgegangen werden kann. Letztere Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer fristwahrend Kündigungsschutzklage erhoben hat.

2. Einem Arbeitnehmer ist nach Ausspruch einer Kündigung die Inanspruchnahme von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zuzumuten, um dadurch eine finanzielle Notlage im Sinne des Verfügungsgrundes abzuwenden. Stellt der Arbeitnehmer hierzu keinen Antrag bei der Bundesanstalt für Arbeit, so führt er seine finanzielle Notlage zurechenbar selbst herbei, so dass es an einem Verfügungsgrund für die einstweilige Verfügung auf Zahlung von Arbeitsentgelt fehlt.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 8 Ta 221/02

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Köln am 26.06.2002 - ohne mündliche Verhandlung - durch den Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Jüngst als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 04.06.2002 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren im Wege sog. Leistungsverfügung die Lohnzahlung durch den Antragsgegner für den Monat Mai 2002 in Höhe der monatlichen Nettovergütung von 885,74 €.

Der Antragsgegner hat das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Kündigung vom 27.03.2002 zum 30.04.2002 gekündigt.

Gegen diese Kündigung hat die Antragstellerin Klage erhoben. Der Kündigungsrechtsstreit wird unter dem Aktenzeichen 9 Ca 1664/02 vor dem Arbeitsgericht Aachen geführt und ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin hält die Kündigung des Antragsgegner für sozial nicht gerechtfertigt und macht unter Bezugnahme auf ihren schriftsätzlichen Vortrag des Kündigungsschutzrechtsstreits geltend, dass sie entgegen den Behauptungen des Antragsgegners sehr wohl körperlich und geistig fit sei und in der Lage sei, die ihr anvertrauten Kinder im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben angemessen zu betreuen. Richtig sei zwar, dass die Antragstellerin bis zur "Wiederaufnahme" der Beschäftigung am 12.11.2001 Probleme mit ihrer durch eine Stoffwechselstörung verursachten psychischen Erkrankung gehabt habe. Die Antragstellerin sei jedoch seit einer zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen medikamentösen Umstellung beschwerdefrei und in der Lage beanstandungsfrei und eigenverantwortlich die arbeitsvertraglichen Aufgaben wahrzunehmen.

Die Antragstellerin hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie über kein Vermögen und keinerlei Ersparnisse verfüge. Ihr Girokonto habe per 29.05.2002 ein Minus von 631,09 € ausgewiesen.

Bis zum 29.05.2002 hatte sich die Antragstellerin nicht arbeitslos gemeldet.

Die Antragstellerin beantragt

den Antragsgegner zu verurteilen, an die Antragstellerin einen Nettolohn in Höhe von 885,74 € für den Monat Mai 2002 zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 04.06.2002 zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin unter dem 05.06.2002 zugestellt worden.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 19.06.2002 beim Arbeitsgericht eingelegten Beschwerde. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 19.06.2002 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gemäß §§ 78 ArbGG, 222, 936, 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Für den geltend gemachten Anspruch fehlt es sowohl an einem hinreichend glaubhaft gemachten Verfügungsanspruch als auch am Bestehen eines Verfügungsgrundes.

1. Ist - wie vorliegend - nach fristgerechter Kündigung des Arbeitgebers es zu keiner Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers gekommen, so ist alleinige denkbare Anspruchsgrundlage für Vergütungsansprüche § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 S. 1 BGB.

Wird in derartigen Fällen wie üblich nach Ablauf der Kündigungsfrist wegen der ausgesprochenen Kündigung vom Arbeitgeber weiteres Arbeitsentgelt nicht gezahlt, kommt eine einstweilige Verfügung auf Lohnzahlung nur dann in Betracht, wenn der beantragende Arbeitnehmer zunächst für den Verfügungsanspruch die Unwirksamkeit der Kündigung glaubhaft macht und zudem die Voraussetzungen des Annahmeverzugs darlegt.

Lediglich die Voraussetzungen für den Annahmeverzug können als hinreichend dargetan angesehen werden.

Dem eine Kündigungsschutzklage erhebenden Arbeitnehmer kommt nämlich insoweit die inzwischen gefestigte Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts zugute, wonach er gemäß § 296 S. 1 BGB seine geschuldete Arbeitsleistung weder tatsächlich noch wörtlich für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist anzubieten hat (BAG, Urteil vom 21.03.1985, AP Nr. 35 zu § 615 BGB; Urteil vom 19.04.1990, AP Nr. 54 zu § 615 BGB).

Demgegenüber vermag von einer hinreichenden Glaubhaftmachung von die Unwirksamkeit der Kündigung betreffenden Umständen nicht ausgegangen zu werden. Das alleinige im Verfügungsverfahren vorgelegte Beweismittel der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin befasst sich zu dieser Fragestellung nicht.

Das Bestreiten der Antragstellerin am Bestehen ausreichender Kündigungsgründe ersetzt die für das Verfügungsverfahren zu verlangende Glaubhaftmachung nicht; aus dem Umstand, dass der Antragsgegner in dem Kündigungsschutzrechtsstreit die streitigen Gründe, die die Kündigung des Antragsgegner sozial rechtfertigen sollen, darzulegen und zu beweisen hat, leitet für die Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs zugunsten der Antragstellerin nichts her. Dies verkennt sowohl die Antragsschrift als auch die Beschwerdebegründung.

2. Das Arbeitsgericht hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass auch ausreichende Umstände für einen zu verlangenden Verfügungsgrund weder dargetan noch glaubhaft gemacht sind. Die Glaubhaftmachung der Antragstellerin enthält hierzu lediglich den Hinweis, dass sich das Konto der Antragstellerin im Zeitpunkt 29.05.2002 mit 631.09 € im Minus befunden hat.

Ob dies ausreicht, um von einer für die Verurteilung zu einer Geldleistung durch Leistungsverfügung zu verlangenden finanziellen Notlage ausgehen zu können, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der Antragstellerin - worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - entgegenzuhalten, dass sie diese ihre in Anspruch genommene finanzielle Notlage selbst herbeigeführt hat.

Zur Abwendung einer finanziellen Notlage ist einem Arbeitnehmer die Inanspruchnahme von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zuzumuten, die aus eigenen Beitragsleistungen ableitet. Dies hat die Antragstellerin unstreitig für den Monat Mai 2002 nicht getan (vgl. hierzu Vossen, Die auf Zahlung der Arbeitsvergütung gerichtete einstweilige Verfügung, RdA 1991, 216, 222 m. w. N.).

Damit erweist sich auch der zu verlangende Verfügungsgrund als nicht gegeben, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

4. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 72 Abs. 2 anlog bestand kein Anlass; gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel daher nicht gegeben, § 78 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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