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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.02.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 1168/06
Rechtsgebiete: Eingruppierungserlass des Kultusministers des Landes NRW


Vorschriften:

Eingruppierungserlass des Kultusministers des Landes NRW vom 20. November 1981 über die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer
Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat ein Lehrer griechischer Herkunft, der in seinem Heimatland die volle Lehrbefähigung u. a. für die Muttersprache Griechisch erworben hat, später in Nordrhein-Westfalen auch die Erste Staatsprüfung für das Lehramt abgelegt hat und hier muttersprachlichen Unterricht in Griechisch erteilt, Anspruch auf die Vergütung, die Lehrer mit Lehramtsbefähigung für die Primarstufe erhalten. Eine Einstufung in eine niedrigere Vergütungsgruppe kann weder mit der vorausgesetzten Ausbildung und Lehrbefähigung, noch mit unterschiedlichen Unterrichtsanforderungen gerechtfertigt werden.
Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, für die Zeit ab dem 1. April 2004 an den Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus den Nettodifferenzbeträgen für die Zeit ab dem 1. April 2004 zwischen BAT III und BAT IV a seit dem 20. Februar 2006.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

3. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der am 13. Januar 1971 in Griechenland geborene Kläger erwarb nach einem 4-jährigen Studium, das auch Praktika einschloss, am 14. Oktober 1992 das Diplom für den Fachbereich Grundschulpädagogik an der Universität I /Griechenland. Nach Angaben des Klägers waren Bestandteil des Studiums die Fächer Griechisch, Mathematik, Pädagogik und Religion.

Nach dem Studium zog der Kläger nach Deutschland um, wo er auch die deutsche Staatsangehörigkeit erwarb.

Durch Arbeitsvertrag vom 30. September 1999 wurde der Kläger für die Zeit vom 20. Oktober 1999 bis zum 28. Juni 2000 von dem beklagten Land als vollzeitbeschäftigter Lehrer für die Erteilung von muttersprachlichem Unterricht in griechischer Sprache eingestellt. In dem Arbeitsvertrag wurde bestimmt, dass sich die Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppen des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) nach dem Runderlass des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1981 über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs ohne die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis (BASS 21-21 Nr. 53; im Folgenden: Nichterfüllererlass) richtet und der Kläger gemäß Ziff. 1.16 dieses Runderlasses in die Vergütungsgruppe IV b BAT eingestuft ist. Der Arbeitsvertrag wurde durch Zusatzvertrag vom 8. Juni 2000 bis zum 4. Juli 2001 und mit Zusatzvertrag vom 2. Juli 2001 unbefristet verlängert.

Der Kläger erteilt neben muttersprachlichem Unterricht in griechischer Sprache auch griechisch-orthodoxen Religionsunterricht.

Nachdem der Kläger in Deutschland die Erste Staatsprüfung für das Lehramt mit einer Teilprüfung im Fach Deutsch bestanden hatte, erkannte das Land N -W die Befähigung des Klägers für das Lehramt für die Primarstufe in Erziehungswissenschaften und in den Fächern Mathematik und Deutsch sowie im Lernbereich Sachunterricht Gesellschaftslehre am 25. Juli 2003 an.

Das beklagte Land stufte den Kläger mit Wirkung ab dem 25. Juli 2003 unter Hinweis auf Ziff. 1.15 des Nichterfüllererlasses in die Vergütungsgruppe IV a BAT ein.

Mit Schreiben vom 5. November 2004 verlangte der Kläger von dem beklagten Land, ihn unter Berücksichtigung der erworbenen Lehramtsbefähigung für die Primarstufe höher zu gruppieren. Wegen seines Begehrens hatte er sich zuvor schon an die Europäische Kommission gewandt, die mit Schreiben vom 16. Dezember 2004 mitteilte, sie habe Zweifel an der Vereinbarkeit des Eingruppierungserlasses mit europäischem Gemeinschaftsrecht, und zwar mit Art. 39 Abs. 2 EG und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft.

Mit der vorliegenden Klage, die am 10. Februar 2006 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, macht er sein Höhergruppierungsverlangen gerichtlich geltend.

Er ist der Ansicht, ihm stehe ab dem 1. April 2004 Vergütung nach Ziff. 1.1 des Runderlasses des Kultusministers vom 16. November 1981 über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs mit den fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis (BASS 21 - 21 Nr. 52; im Folgenden: Erfüllererlass) zu. Er habe die Befähigung für das Lehramt an der Primarstufe. Das beklagte Land sei ggf. verpflichtet, ihn nicht nur im muttersprachlichen Unterricht, sondern auch in den Fächern einzusetzen, für die seine Lehramtsbefähigung anerkannt worden sei. Abgesehen davon verstoße das beklagte Land gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn es Lehrkräfte, die muttersprachlichen Unterricht erteilten, schlechter vergüte als deutsche Lehrer, die in der gleichen Stufe unterrichteten.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, für die Zeit ab dem 1. April 2004 an ihn Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT zu zahlen nebst 5 % Zinsen über das Basiszinssatz aus den Nettodifferenzbeträgen für die Zeit ab dem 1. April 2004 zwischen BAT III und BAT IV a seit Rechtshängigkeit.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat vorgetragen, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach dem Erfüllererlass, da er nicht als Lehrkraft in einem der wissenschaftlichen Fächer unterrichte, für die er die Lehramtsbefähigung habe. Da er nur für die Erteilung von muttersprachlichem Unterricht eingestellt worden sei, habe er keinen Anspruch darauf, als Lehrer für den Unterricht in einem dieser Fächer (Erziehungswissenschaften, Mathematik, Deutsch oder Sachunterricht Gesellschaftslehre) eingesetzt zu werden. Es stehe ihm frei, sich auf eine entsprechende Stelle zu bewerben, sofern eine solche frei werde, und am Auswahlverfahren teilzunehmen.

Für das Fach muttersprachlicher Unterricht in Griechisch könne nach dem Lehrerausbildungsgesetz und der Lehramtsprüfungsordnung N keine Lehramtsbefähigung erworben werden. Muttersprachlicher Unterricht stelle ein freiwilliges Unterrichtsangebot dar, das nicht mit Pflicht- bzw. Wahlpflichtunterricht gleichgesetzt werden könne, sondern eher mit zusätzlichen Arbeitsgemeinschaften vergleichbar sei. Er sei weder versetzungs- noch abschlussrelevant.

Ausländische Lehrkräfte für muttersprachlichen Unterricht seien ausschließlich nach dem Nichterfüllererlass einzugruppieren, auch dann, wenn sie eine Lehramtsbefähigung (für andere Fächer) nach deutschem Recht erworben hätten.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, da es in N keine beamteten Lehrkräfte gebe, die muttersprachlichen Unterricht erteilten.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 7. September 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Parteien hätten in dem Arbeitsvertrag die Eingruppierung nach dem Nichterfüllererlass vereinbart. Danach sei der Kläger zutreffend in die Vergütungsgruppe IV a BAT eingestuft. Er erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach dem Erfüllererlass, da er nicht in einem Fach, für das er die Lehramtsbefähigung habe, eingesetzt werde. Er habe auch keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf einen solchen Einsatz. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, da es nicht willkürlich sei, bei der Höhe der Vergütung zwischen Unterricht in einem Pflichtfach wie z. B. einer Pflichtfremdsprache und muttersprachlichem Unterricht zu unterscheiden. Der Kläger werde nicht wegen seiner Herkunft schlechter gestellt. Die Differenzierung erfolge vielmehr wegen des unterschiedlichen Unterrichtsangebots.

Das Urteil ist dem Kläger am 25. September 2006 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 19. Oktober 2006 Berufung einlegen und diese zugleich begründen lassen.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, er erfülle die Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach dem Erfüllererlass, da die Unterrichtserteilung in einem der Fächer, für das die Lehramtsbefähigung erworben worden sei, nicht vorausgesetzt werde. Im Übrigen sei das beklagte Land aufgrund der Fürsorgepflicht verpflichtet, ihn als Lehrkraft für die Fächer einzusetzen, für die er nachträglich die Lehramtsbefähigung erworben habe.

Jedenfalls liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil die Differenzierung bei der Vergütung zwischen Lehrern ausländischer Herkunft, die muttersprachlichen Unterricht erteilten, und deutschen Lehrern, die Unterricht in deutscher Sprache erteilten, sachwidrig sei. Da ihn das in Griechenland erworbene Diplom für den Fachbereich Grundschulpädagogik zur Erteilung von Griechisch-Unterricht an vergleichbaren Schulen in Griechenland berechtige, müsse diese Lehrbefähigung zudem nach europäischem Gemeinschaftsrecht in Deutschland als gleichwertig anerkannt werden. Dies gelte erst recht, nachdem er in Deutschland zusätzlich die Lehramtsbefähigung für die Primarstufe erworben habe. Aus diesen Gründen sei auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGG vor, da er wegen seiner ethnischen Herkunft beim Arbeitsentgelt benachteiligt werde. Die besonderen Vergütungsregelungen für Lehrkräfte, die muttersprachlichen Unterricht erteilten, fänden nur Anwendung bei Lehrern mit "ausländischer Herkunft". Das Verbot einer Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft gelte aufgrund der entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie bereits seit dem 2. Dezember 2003.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 7. September 2006 - 19 Ca 1243/06 - abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Schlussantrag zu erkennen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und ist weiterhin der Ansicht, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach dem Erfüllererlass. Es liege auch kein Verstoß gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht vor. Die Differenzierung bei der Vergütung erfolge, weil es sich um qualitativ unterschiedlichen Unterricht handle, und zwar gemessen an den gesetzlichen Vorgaben für die Unterrichtsinhalte, nicht gemessen an der Qualität des erteilten Unterrichts. Der Gesetzgeber habe einerseits Pflichtunterrichte vorgegeben und andererseits zusätzliche, nicht versetzungs- und abschlussrelevante Unterrichte. Da es keine Lehrer mit deutscher Herkunft gebe, die muttersprachlichen Unterricht in einer Fremdsprache erteilten, komme dem Einstufungsmerkmal "Lehrer ausländischer Herkunft" keine diskriminierende Wirkung zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

B. Die Berufung hat in der Sache auch Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig.

Der Kläger hat eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage erhoben, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 21. Juli 1993 - 4 AZR 483/92 -).

II. Die Klage ist auch begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte für die Zeit ab dem 1. April 2004 Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT.

a. Zwar erfüllte der Kläger im streitigen Anspruchszeitraum nicht die Anforderungen der einschlägigen Eingruppierungsmerkmale für diesen Vergütungsanspruch.

aa. Die Eingruppierungserlasse des Kultusministers des Landes N -W vom 20. November 1981 bestimmen, soweit dies für den vorliegenden Rechtsstreit von Interesse ist, Folgendes:

"Auf der Grundlage der Lehrer-Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder wird im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in des Beamtenverhältnis erfüllen (sog. Erfüller), wie folgt geregelt:

1. Lehrkräfte an Grundschulen

1.1. Lehrkräfte mit der Befähigung für das Lehramt an der Grundschule und Hauptschule, der Primarstufe oder an Grund-, Haupt- und Realschule und den entsprechenden Jahrgangsstufen der Gesamtschulen Verg.Gr. III BAT

.........

10. Gemeinsame Bestimmungen

10.1 Lehrkräfte mit einer Lehramtsbefähigung, die in einer anderen als ihrer Befähigung entsprechenden Schulform/Schulstufe verwendet werden, sind entsprechend ihrer Befähigung einzugruppieren, jedoch nicht höher als die Lehrkräfte der Schulform/Schulstufe, an der sie beschäftigt werden. Abweichend von Satz 1 letzter Halbsatz werden Lehrkräfte mit der Befähigung für den Unterricht an Förderschulen, die an Grund- und Hauptschulen sonderpädagogische Fördermaßnahmen durchführen, entsprechend ihrer Lehrbefähigung vergütet...."

"Auf der Grundlage der Lehrer-Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder wird im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer - im Folgenden Lehrer genannt -, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllen (sog. Nichterfüller), wie folgt geregelt:

1. Lehrer an Grundschulen oder Hauptschulen

...

1.15 Lehrer ausländischer Herkunft mit abgeschlossener Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule und voller Lehrbefähigung ihres Heimatlandes sowie zusätzlich mindestens Erster Staatsprüfung für ein Lehramt nach nordrhein-westfälischem Recht, die Schülerinnen und Schülern muttersprachlichen Unterricht (MSU) erteilen Verg.Gr. IV a BAT nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe Verg.Gr. III BAT

1.16 Lehrer ausländischer Herkunft mit abgeschlossener Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule und voller Lehrbefähigung ihres Heimatlandes, die Schülerinnen und Schülern muttersprachlichen Unterricht (MSU) erteilen Verg.Gr. IV b BAT nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe Verg.Gr. IV a BAT

1.17 Lehrer ausländischer Herkunft ohne Ausbildung nach einer der Fallgruppe

1.16 oder 1.16 mit sonstiger Lehrerausbildung und voller Lehrbefähigung ihres Heimatlandes, die Schülerinnen und Schülern muttersprachlichen Unterricht (MSU) erteilen Verg.Gr. V b BAT nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe Verg.Gr. IV b BAT

...

8. Bewährungsaufstieg

...

8.4 Bei Lehrern ausländischer Herkunft, die Schülerinnen und Schülern muttersprachlichen Unterricht (MSU) erteilen, können auf die Bewährungszeit Zeiten einer nach Erwerb der vollen Lehrbefähigung des Heimatlandes erbrachten hauptberuflichen Unterrichtstätigkeit in wissenschaftlichen Fächern im Schuldienst des Heimatlandes angerechnet werden.

....

9. Gemeinsame Bestimmungen

...

9.2 Lehrer ausländischer Herkunft, die Schülerinnen und Schülern ausländischer Herkunft die Muttersprache anstelle einer Pflichtfremdsprache erteilen, werden nicht von den speziellen Eingruppierungsmerkmalen des muttersprachlichen Unterrichts (MSU) erfasst..."

bb. Der Kläger hatte nach diesen Regelungen im Anspruchszeitraum keinen Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT.

aaa. Nach dem im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Nichterfüllererlass erhält er gemäß Ziff. 1.15 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT erst nach sechsjähriger Bewährung in der Tätigkeit und in der Vergütungsgruppe IV a BAT.

Der Kläger, der unstreitig nach Abschluss seines Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule in Griechenland die volle Lehrbefähigung seines Heimatlandes erworben hatte, hat das weitere Qualifikationserfordernis einer zusätzlich mindestens Ersten Staatsprüfung für das Lehramt nach n -w Recht erst am 17. Juli 2003 erworben. Die ab dann zu berechnende Bewährungszeit endet mit dem 17. Juli 2009.

bbb. Dem Kläger steht auch nach dem Erfüllererlasses keine Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT zu.

Zwar kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass das beklagte Land mit den Eingruppierungserlassen eine allgemeine Vergütungsordnung erlassen hat und deshalb nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz der im Arbeitsvertrag nicht in Bezug genommene Erfüllererlass neben dem ausdrücklich in Bezug genommenen Nichterfüllererlass auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, soweit die darin genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Jedoch erfüllt der Kläger nicht die fachlichen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, da die von ihm erworbene Lehramtsbefähigung nicht für das Fach muttersprachlicher Unterricht gilt, das nach dem Arbeitsvertrag ausschließlich zu unterrichten ist.

b. Jedoch hat der Kläger nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT.

Die mit den Eingruppierungserlassen aufgestellten Vergütungsrichtlinien sind ermessensfehlerhaft, soweit sie regeln, dass Lehrer ausländischer Herkunft mit abgeschlossener Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule und voller Lehrbefähigung ihres Heimatlandes, die muttersprachlichen Unterricht erteilen, selbst nach Erwerb der Lehramtsbefähigung erst nach sechsjähriger Bewährung in die Vergütungsgruppe III BAT einzustufen sind.

aa. Als einseitige Leistungsbestimmungen des Arbeitgebers unterliegen die Eingruppierungsrichtlinien einer gerichtlichen Angemessenheits- und Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Diese Billigkeitskontrolle umfasst auch die Prüfung, ob die Richtlinien dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen. Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird, hat ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Ihm ist es verwert, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern von begünstigenden Regelungen auszunehmen, soweit hierfür keine sachlichen Gründe vorliegen. Als sachlicher Grund, hinsichtlich der Vergütung von Lehrern zu differenzieren, sind sowohl Unterschiede in deren Ausbildung als auch in deren Lehrbefähigung anerkannt (vgl. BAG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - 4 AZR 421/04 -).

bb. Weder die Ausbildung noch die Lehrbefähigung rechtfertigt, dass der Kläger im Unterschied zu den unter Ziff. 1.1 des Erfüllererlasses genannten Lehrkräften auch nach Erwerb der Lehramtsbefähigung für die Primarstufe zunächst eine sechsjährige Bewährungszeit absolvieren muss, um in die Vergütungsgruppe III BAT eingruppiert zu werden.

aaa. Durch die Bewährung soll der Arbeitnehmer den Nachweis erbringen, dass er sich den Anforderungen der ihm übertragenen Tätigkeit gewachsen zeigt. Die bloße Zeitdauer reicht nicht. Vielmehr muss hinzukommen, dass die Leistungen des Angestellten in dieser Zeit nicht zu beanstanden, also ordnungsgemäß waren (vgl. BAG, Urteil vom 17. Februar 1993 - 4 AZR 153/92 - AP Nr. 29 zu § 23 a BAT).

Bei einer Regelung, die an die Bewährung anknüpft, muss ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung gegeben sein. Dies gilt auch, soweit differenziert wird zwischen Angestellten ohne Befähigung für die Beamtenlaufbahn (sog. Nichterfüller) und Angestellten mit entsprechender Befähigung (sog. Erfüller). Insbesondere ist es sachfremd, einen besser qualifizierten Angestellten durch eine Bewährungsregelung schlechter zu stellen (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 24. Januar 1990 - 4 AZR 525/89 -).

bbb. Die unter Ziff. 1.15 des Nichterfüllererlasses vorausgesetzte Ausbildung und Lehrbefähigung für das Fach muttersprachlicher Unterricht sind eher höher einzuschätzen als die unter Ziff. 1.1 des Erfüllererlasses vorausgesetzte Lehramtsbefähigung für die Primarstufe.

Nach § 6 Abs. 1 Lehrerausbildungsgesetz N vom 18. September 1998 wird die Befähigung zum Lehramt für die Primarstufe erworben durch die Zweite Staatsprüfung, der das Bestehen der Ersten Staatsprüfung nach einem Studium mit einer Regelstudiendauer von sechs Semestern und ein zweijähriger Vorbereitungsdienst vorherzugehen haben. Demgegenüber hat der Kläger entsprechend den unter Ziff. 1.15 des Nichterfüllererlasses festgelegten Voraussetzungen nicht nur in Griechenland die volle Lehrbefähigung (u.a. für die Muttersprache Griechisch) nach einem vierjährigen Studium, in das Praktika integriert waren, erworben, sondern danach in Nordrhein-Westfalen auch die Erste Staatsprüfung für das Lehramt abgelegt. Das Bundesarbeitsgerichts hat bereits in der Entscheidung vom 21. Juli 1993 - 4 AZR 483/92 - ausgeführt, dass die unter Ziff. 1.15 des Nichterfüllererlasses geforderte Qualifikation eines Lehrers mit voller Lehrbefähigung seines Heimatlandes und Erster Staatsprüfung nach nordrhein-westfälischem Recht eher höher zu bewerten ist als die durch Zweite Staatsprüfung erworbene Lehramtsbefähigung.

cc. Die unterschiedliche Einstufung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, es handle sich um qualitativ unterschiedlichen Unterricht, gemessen an den Vorgaben für die Unterrichtsinhalte.

Dagegen spricht schon der Umstand, dass - wie bereits ausgeführt - unter Ziff. 1.15 des Nichterfüllererlasses eine eher höher zu bewertende Qualifikation für den zu erteilenden muttersprachlichen Unterricht verlangt wird als sie für Lehrer mit Lehramtsbefähigung in ihrem Unterrichtsfach gilt. Auch könnte das Bewährungserfordernis eher als ein Argument dafür angeführt werden, dass es sich um einen besonders anspruchsvollen Unterricht im Vergleich etwa zum Unterricht in anderen (Pflicht-)fächern handelt.

Ferner hilft der Hinweis darauf, es handle sich um freiwilligen Unterricht ohne Versetzungs- und Abschlussrelevanz, nicht weiter. Zum einen weist der Kläger darauf hin, dass es auch in anderen Fächern freiwilligen Förderunterricht gibt. Zum anderen trifft dieser Hinweis in seiner Allgemeinheit nicht zu. So ergibt sich aus dem aktuellen Merkblatt "Muttersprachlicher Unterricht" des Schulamtes der Stadt Bonn (Hülle Bl. 161 d. A.), dass die Teilnahme am Unterricht zwar freiwillig ist; allerdings die Anmeldung für die Dauer eines Schuljahres zur regelmäßigen Teilnahme verpflichtet. Es wird auch eine Leistungsnote erteilt, die im Zeugnis der Regelschule vermerkt wird. Am Ende des Bildungsgangs in der Sekundarstufe I legen die Schüler eine Sprachprüfung ab, deren Ergebnis im Abschlusszeugnis unter "Leistungen" bescheinigt wird. Neben dem Schulleiter sind zwei Lehrkräfte für den muttersprachlichen Unterricht Mitglieder des Prüfungsausschusses. Die Korrektur der schriftlichen Prüfung wird von der Lehrkraft vorgenommen, die den Schüler unterrichtet hat. Zwar ist die Leistungsnote aus dem muttersprachlichen Unterricht nicht versetzungsrelevant. Positive Leistungen werden aber bei Versetzungen im Rahmen des pädagogischen Urteils über die Gesamtentwicklung eines Schüler berücksichtigt. Bei Vergabe von Abschlüssen kann eine mindestens gute Leistung in der Sprachprüfung eine mangelhafte Leistung in einer (beliebigen) Fremdsprache ausgleichen; in der Hauptschule ist dies immer Englisch.

Im Übrigen zeigen die vom Kläger überreichten Schriften des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen die besondere Bedeutung des muttersprachlichen Unterrichts für Kinder aus Migrantenfamilien auf, und zwar nicht nur für das Erlernen der Muttersprache, sondern auch bezüglich anderer Fächer und Lernbereiche.

dd. Da andere sachliche Gründe für die Differenzierung von dem beklagten Land nicht vorgetragen worden sind, besteht nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz der Anspruch auf Zahlung der höheren Vergütung.

d. Ob sich auch aus anderen Rechtsnormen ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der höheren Vergütung ergibt, kann dahinstehen. Gleichwohl sei angemerkt, dass eine Differenzierung zwischen Lehrern mit deutscher Herkunft, die muttersprachlichen Unterricht in einer ausländischen Sprache erteilen, und Lehrern mit ausländischer Herkunft, die muttersprachlichen Unterricht erteilen, nicht gerechtfertigt wäre. Ob zudem die von der Europäischen Kommission mit Schreiben vom 26. Oktober 2004 (Bl. 27 - 28 d. A.) und vom 16. Dezember 2004 (Bl. 29 d. A.) im Hinblick auf europäisches Gemeinschaftsrecht geäußerten Bedenken zutreffen, kann dahinstehen.

2. Der Zinsanspruch ist nach § 291 BGB gerechtfertigt.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits für die Eingruppierung von Lehrern mit Lehramtsbefähigung, die ausschließlich muttersprachlichen Unterricht erteilen, zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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