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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 9 Sa 1288/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 242
BGB § 670
1. Sichert der Geschäftsführer einer GmbH, nachdem er den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft in Brand gesetzt hat, einem zum Tatzeitpunkt anwesenden Arbeitnehmer zu, wenn er in dem gegen beide Personen geführten Strafverfahren keine Aussage mache, brauche der Arbeitnehmer sich keine Sorgen zu machen, er bezahle alles, so wird damit kein Anspruch gegen die GmbH auf Freistellung von den Gerichtskosten begründet, die dem Arbeitnehmer durch das Strafverfahren entstehen.

2. Soweit der Geschäftsführer damit eine Verpflichtungserklärung für die GmbH abgeben wollte, liegt ein für den Arbeitnehmer erkennbares rechtsmissbräuchliches Verhalten des Geschäftsführers vor. Die Verpflichtungserklärung ist zudem sittenwidrig.

3. Die Freistellung kann auch nicht als Aufwendungsersatz verlangt oder aus der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin hergeleitet werden.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19.09.2006 - 5 Ca 2307/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von Gerichtskosten freizustellen, die ihm in einem Strafverfahren entstanden sind. In diesem Strafverfahren ist der Kläger wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung mit dem früheren Geschäftsführer und jetzigen Liquidator der Beklagten, Herrn R J , rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Die Brandstiftung betraf den Einzelhandelsmarkt der Beklagten in K .

Der Kläger ist bzw. war bei der Beklagten seit Anfang 2002 als geringfügig beschäftigte Aushilfskraft tätig.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Siegburg dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 19. September 2006 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg wurde dem Kläger am 18. Oktober 2006 zugestellt. Er hat hiergegen am 16. November 2006 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Januar 2007 - am 8. Januar 2007 begründen lassen.

Der Kläger trägt weiter vor, er habe zum Tatzeitpunkt den Einzelhandelsmarkt zusammen mit dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten, Herrn R J , verlassen, der unter dem Vorwand, etwas vergessen zu haben, zurückgegangen sei, um in dem Markt Feuer zu legen. Er - der Kläger - habe dies nicht bemerkt. Er sei zusammen mit Herrn J wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung angeklagt worden, nachdem die Ermittlungsbehörden aus Telefongesprächen geschlossen hätten, Herr Jünger habe mit ihm - dem Kläger - gemeinsam gehandelt. Auf Bitten von Herrn J habe er als Beschuldigter in dem Strafverfahren geschwiegen. Herr J habe ihm zugesagt, er werde für seine Rechtsverteidigung sorgen und etwaige Kosten übernehmen. Diese Erklärung habe Herr J sowohl für sich persönlich als auch für die Beklagte als Arbeitgeberin abgegeben. Der beauftragte Wahlverteidiger, Herr Rechtsanwalt S , sei entsprechend dieser Zusage von Herrn J und der Beklagten vergütet worden. Beide weigerten sich aber, die ihm in Rechnung gestellten Gerichtskosten zu übernehmen. Die Brandstiftung sei erfolgt, um eine Versicherungsleistung zu erlangen. Tatsächlich habe die Versicherung an die Beklagte rund EUR 625.000,00 zum Ersatz des Schadens gezahlt. Es sei verabredet gewesen, dass er Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil einlegen solle, und sodann im Berufungsverfahren schildern werde, dass Herr J in den Markt zurückgegangen sei. Damit habe er seinen Freispruch erreichen wollen. Sein Wahlverteidiger habe ihn dazu gebracht, die Berufung zurückzunehmen, was nur im Interesse von Herrn J und der Beklagten gelegen habe.

Er ist der Ansicht, die Beklagte sei aufgrund der Zusage von Herrn J verpflichtet, ihn von den Gerichtskosten freizustellen. Es bestehe insoweit auch ein Aufwendungsersatzanspruch und ein Anspruch aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht gegen die Beklagte als Arbeitgeberin.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger erklärt, er habe schon während des Ermittlungsverfahrens Herrn R J gefragt, wer die ihm - dem Kläger - entstehenden Kosten bezahle. Herr J habe ihm erklärt: "Mach Dir keine Sorgen, ich bezahle alles." Nach Erhalt der Gerichtskostenrechnung habe Herr J ihm versichert, er werde sich darum kümmern.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat erklärt, die Versicherung vertrete den Standpunkt, der Kläger habe den gesamten Versicherungsschaden zu ersetzen, soweit dieser zwischenzeitlich nicht durch Inanspruchnahme von Herrn J bereits ausgeglichen worden sei. Sie mache gegen ihn einen Teilbetrag in Höhe von EUR 150.000,00 gerichtlich geltend.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19. September 2006 - 5 Ca 2307/06 -

1. die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit dem gesondert verfolgten Herrn R J , L , 5 T , zu verurteilen, ihn gegenüber der Gerichtskasse Köln zu dem Kassenzeichen 4229725112 in Höhe von EUR 160,78 gemäß Mahnung vom 24. Juni 2005 freizustellen,

2. die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit dem gesondert verfolgten Herrn R J , L , 5 T , zu verurteilen, ihn gegenüber der Gerichtskasse Köln zu dem Kassenzeichen 4729725112 in Höhe von EUR 2.638,90 gemäß Mahnung vom 9. Juni 2005 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, aus dem vom Kläger behaupteten Verhalten des Herrn R J könne er keinen Anspruch gegen sie herleiten. Dem Kläger sei nicht erklärt worden, sie werde die ihm durch das Strafverfahren entstehenden Kosten übernehmen. Die Kosten des Wahlverteidigers habe nicht sie, sondern Herr J getragen. Dem Kläger habe es frei gestanden, sich im Strafverfahren zu verteidigen. Es könne dahinstehen, ob er verschuldet oder unverschuldet in das Strafverfahren geraten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung konnte keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung von den Gerichtskosten, die ihm durch das Strafverfahren entstanden sind.

1. Die Beklagte hat sich nicht rechtswirksam gegenüber dem Kläger verpflichtet, die ihm entstandenen Gerichtskosten zu übernehmen.

a. Aus der eigenen Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ergibt sich, dass - die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt - Herr R J nur sich selbst verpflichtet hat. Die geschilderten Äußerungen "mach Dir keine Sorgen, ich bezahle alles" und "ich kümmere mich darum" geben auch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass er als Geschäftsführer für die Beklagte eine Erklärung abgeben wollte.

b. Im Übrigen hätte Herr R J die Beklagte nicht rechtwirksam verpflichten können, die dem Kläger entstandenen Gerichtskosten zu übernehmen.

aa. Es ist anerkannt, dass eine GmbH nicht rechtwirksam verpflichtet wird, wenn der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht dadurch missbraucht, dass er zusammen mit dem Vertragspartner zum Schaden der Gesellschaft vorsätzlich zusammenwirkt, sog. Kollusion. Dabei reicht es, wenn sich dem Vertragspartner das missbräuchliche Verhalten des Geschäftsführers aufdrängen muss (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1995 - II ZR 113/94 - ZIP 1996, S. 68, 69 f.; Beschluss vom 10. April 2006 - II ZR 337/05 -, juris; Baumbach-Hueck-Zöllner, GmbHG, 17. Aufl, § 37 Rdn. 28; Rowedder-Schmidt-Leithoff-Koppensteiner, GmbHG, 4. Aufl., § 37 Rdn. 54).

Es braucht hier nicht näher ausgeführt zu werden, dass ein missbräuchliches Verhalten des Geschäftsführers vorliegt, wenn dieser zur Verschleierung der von ihm begangenen Brandstiftung, bei der vorsätzlich Vermögenswerte der GmbH vernichtet worden sind, einen Mitbeschuldigten veranlasst, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, und dabei eine Kostenübernahme durch die geschädigte GmbH verspricht.

Ob dabei der Geschäftsführer die Absicht hegte, den eingetretenen Schaden durch spätere Leistungen der Versicherung ausgleichen zu lassen, ist an dieser Stelle nicht von Relevanz. Zum einen berechtigt die gesetzliche Vertretungsmacht nicht dazu, Rechtsgeschäfte abzuschließen, mit denen gemeingefährliche Straftaten verschleiert werden sollen. Zum anderen konnte der Geschäftsführer bei der Zusage der Kostenübernahme nicht sicher davon ausgehen, dass die Versicherung überhaupt irgendwelche Leistungen erbringen würde. Dieser Ansicht muss auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers sein, der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht seine Verwunderung darüber zum Ausdruck brachte, dass angesichts des sich aus den Ermittlungsakten ergebenden Tatverdachts gegen den Geschäftsführer Versicherungsleistungen erbracht worden sind.

Ob der als Mittäter rechtskräftig verurteilte Kläger alle Umstände kannte, kann dahinstehen. Selbst wenn er - wie er behauptet - nicht eingeweiht war, musste ihm doch spätestens im Verlauf des Ermittlungsverfahrens klar werden, für welche Zwecke ihn der beschuldigte Geschäftsführer einspannte.

bb. Eine Verpflichtungserklärung des Geschäftsführers zu Lasten der GmbH wäre im Übrigen auch sittenwidrig gewesen (§ 138 BGB). Die Rechtsordnung kann nicht es nicht hinnehmen, dass ein Geschäftsführer im eigenen Interesse einen bei der GmbH angestellten Arbeitnehmer mit Kostenübernahmeversprechen dazu verleitet, Straftaten, die gemeingefährlich sind, zu verschleiern, und dies noch zum Zwecke des Versicherungsbetruges (vgl. zur Sittenwidrigkeit von Kostenübernahmezusagen bei weniger schwerwiegenden Verkehrsdelikten: BAG, Urteil vom 25. Januar 2001 - 8 AZR 465/00 -).

2. Der geltend gemachte Freistellungsanspruch ist auch nicht als Aufwendungsersatz im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gerechtfertigt.

Die Gerichtskosten sind nicht entstanden im Zusammenhang mit der Erfüllung von Dienstpflichten des Klägers gegenüber der GmbH. Es handelt sich auch nicht um unfreiwillige arbeitsbedingte Vermögensopfer des Klägers als Arbeitnehmer (vgl. dazu: HWK-Thüsing, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 611 BGB Rdn. 270).

Es war vielmehr eine außerhalb der arbeitsrechtlichen Beziehung getroffene freiwillige Entscheidung des Klägers, sich in das Strafverfahren hineinziehen zu lassen - was immer ihn dazu bewogen haben mag.

3. Soweit der Kläger meint, auch die Fürsorgepflicht der Beklagten als Arbeitgeberin müsse für sein Anspruchsbegehren herhalten, ist festzustellen, dass es im Arbeitsverhältnis auch eine sog. Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber der Arbeitgeberin gibt. In Erfüllung dieser Nebenpflicht gegenüber der GmbH hätte er von vornherein im Ermittlungsverfahren den zutreffenden Sachverhalt schildern können und damit nicht nur (objektiv) der GmbH einen Dienst geleistet, sondern zugleich seine Bestrafung abwenden können, wobei letzteres voraussetzt, dass sich die Dinge so zugetragen haben, wie er es im vorliegenden Verfahren behauptet.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die sich dabei stellenden Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet.

Ende der Entscheidung

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