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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 28.03.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 1496/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 850 d
1. Die Arbeitsgerichte sind an Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts gebunden, die vollstreckungsrechtliche Fragen betreffen, insbesondere auch die Bestimmung der besonderen Pfändungsgrenze nach § 850 d ZPO und deren späteren Änderungen durch das Vollstreckungsgericht.

2. Der Schutz des Drittschuldners nach § 836 Abs. 2 ZPO ist auch dann geboten, wenn er an einen nachrangigen Gläubiger leistet, die Rangvorberechtigung anderer Gläubiger ihm aber unbekannt war.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.09.2005 - 19 Ca 6785/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

und

Entscheidungsgründe:

Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate März und April 2005 unpfändbar waren und daher an den Kläger auszuzahlen waren.

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Klägers ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, die sich das Berufungsgericht zu Eigen macht, die Klage abgewiesen. In Ergänzung zu der Begründung des Arbeitsgerichts und im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung weist das Berufungsgericht auf folgende nach seiner Auffassung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte hin:

1. Nach dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Worms vom 9. Februar 2005 durften dem Kläger bis zur Deckung des Gläubigeranspruchs nur monatlich EUR zuzüglich des Betrages, den er zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen (z. B. Kinderunterhalt) gegenüber den dem Freistaat Sachen als Gläubiger vorgehenden Berechtigten bedurfte.

Damit sind der Sockelbetrag beziffert und der Freibetrag für vorgehende Berechtigte bestimmbar festgesetzt worden durch die dafür zuständige Rechtspflegerin (§ 20 Nr. 17 Rechtspflegergesetz) des Vollstreckungsgerichts.

Dem vorgehende Berechtigte gibt es nicht. Denn der gesetzliche Übergang des Anspruchs auf ihn änderte nichts an der Rangklasse der Forderung als Unterhaltsansprüche der minderjährigen Kinder des Klägers nach § 850 d Abs. 2 ZPO (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 850 d Rdn. 2).

Durch Schreiben vom 24. Juni 2005 hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Worms gegenüber der Beklagten auf diese aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 9. Februar 2005 sich ergebende Festsetzung nochmals hingewiesen. Aus dem Schreiben ergibt sich im Übrigen, dass bis zum damaligen Zeitpunkt gegenüber dem Vollstreckungsgericht die tatsächliche Leistung von Unterhalt an andere Kinder nicht nachgewiesen war. Voraussetzung einer Berücksichtigung von Unterhaltsberechtigten bei der Festsetzung des pfändungsfreien Betrages ist aber, dass der Schuldner tatsächlich Unterhalt gewährt (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 850 d Rdn. 8).

2. Zutreffend ist das Arbeitsgericht von einer Bindung an die Festsetzung des pfändungsfreien Betrages durch das Vollstreckungsgericht ausgegangen.

Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Arbeitsgerichte an solche Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts gebunden sind, die vollstreckungsrechtliche Fragen betreffen, insbesondere auch die Bestimmung der besonderen Pfändungsgrenze nach § 850 d ZPO und deren spätere Änderungen durch das Vollstreckungsgericht. Insoweit ist das Vollstreckungsgericht als eine vorrangig sachkundige gerichtliche Instanz zu bezeichnen (vgl. BAG, Urteil vom 23. Juli 1976 - 5 AZR 474/75 -). Das Arbeitsgericht ist keine Überprüfungs- oder Rechtsmittelinstanz des Vollstreckungsgerichts. Der Schuldner hat gegen die Festsetzung des pfändbaren Teils des Einkommens durch das Vollstreckungsgericht und wegen etwaiger Unrichtigkeit der nach § 850 d ZPO getroffenen Entscheidung die Möglichkeit des Rechtsbehelfs der Erinnerung nach § 766 ZPO (vgl. auch: LAG Düsseldorf, Urteile vom 16. März 2001 - 16 Sa 1765/00 - und vom 29. August 2005 - 14 (7) Sa 723/05 -).

Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall.

3. Abgesehen davon wäre die Beklagte durch die Leistung an den F S auch dann von ihrer Zahlungsverpflichtung mit Wirkung gegenüber dem Kläger befreit, wenn die Rechtspflegerin in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrages fehlerhaft den laufenden Unterhaltsanspruch der anderen minderjährigen Kinder nicht berücksichtigt hätte und dies nachträglich auf die Erinnerung des Klägers durch das Vollstreckungsgericht geändert würde.

Nach § 836 Abs. 2 ZPO gilt der Überweisungsbeschluss, auch wenn er mit Unrecht erlassen ist, zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange als rechtsbeständig, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt.

Damit soll der Drittschuldner, der nach einem ihm zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verfährt, bei einer Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vor Ansprüchen des Schuldners für die Zeit vor Bekanntwerden des Aufhebungsbeschlusses geschützt werden. Ein solcher Schutz ist auch bei einer dem Drittschuldner unbekannten Rangbevorrechtigung anderer Gläubiger geboten (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 16. Mai 1990 - 4 AZR 145/90 -).

Die Beklagte hat aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Freistaat Sachsen gezahlt. Eine Abänderung des Beschlusses durch das Vollstreckungsgericht ist nicht erfolgt, jedenfalls nicht bis zur Zahlung. Dementsprechend konnte auch keine Änderung des Beschlusses der Beklagten mitgeteilt werden.

4. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch ausgeführt, dass der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht mit der Regelung unter Ziff. 3 des im Verfahren 12 Ca 3462/05 vor dem Arbeitsgericht Köln am 18. Mai 2005 abgeschlossenem Vergleich begründet werden kann. Darin haben die Parteien nur festgehalten, dass die Unterhaltspflichten des Klägers bei der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses Berücksichtigung finden. Sie haben keine Rangfolge festgelegt. Daher muss diese Vereinbarung als Hinweis auf die gesetzliche Regelung über den Vorrang von Unterhaltsgläubigern gegenüber anderen Pfändungsgläubigern verstanden werden. Dazu gehört aber auch die Beachtung von Beschlüssen, die nach § 850 d ZPO von dem dafür zuständigen Vollstreckungsgericht ergangen sind.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die sich stellenden Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden.

Ende der Entscheidung

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