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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 1520/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, wenn der Arbeitgeber den bei ihm angestellten Rettungssanitätern, die der Beibehaltung einer regelmäßigen Arbeitszeit von 235 Stunden pro Monat zustimmen, anbietet, weitere 37 bezahlte Bereitschaftsstunden pro Monat zu leisten, wohingegen er den Rettungssanitätern, die eine regelmäßige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche geltend machen, keinen Zusatzverdienst durch weitere Bereitschaftsstunden anbietet.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 25. August 2005 - 3 Ca 778/05 h - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

und

Entscheidungsgründe:

Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab November 2004 bis einschließlich Dezember 2005 monatlich EUR 365,32 als Entgelt für zusätzlichen Bereitschaftsdienst zu zahlen.

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Klägers ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, die sich das Berufungsgericht zu Eigen macht, die Klage abgewiesen. In Ergänzung zu der Begründung des Arbeitsgerichts und im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung weist das Berufungsgericht auf folgende nach seiner Auffassung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte hin:

1. Dem Kläger steht der streitige Zahlungsanspruch nach den ab November 2004 geltenden arbeitsvertraglichen Bestimmungen nicht zu.

a. Die Parteien hatten durch § 3 des Änderungsvertrages vom 15. Januar 1981 festgelegt, dass der Kläger zusätzlich zu einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 239 Stunden, in der auch Bereitschaftszeiten enthalten waren, weitere 37 Bereitschaftsstunden pro Monat zu leisten hatte. Für diese zusätzlichen Bereitschaftsstunden, die nach Nr. 6 B Abs. 2 a Stufe C der SR 2 a BAT nur zu 40 % als Arbeitszeit gewertet wurden, gewährte die Beklagte monatlich eine Überstundenvergütung in Höhe von EUR 365,32, die als "sonstige Zulage D " bezeichnet wurde.

b. Durch Vereinbarung vom 8. November 2004 haben die Parteien bestimmt, dass mit Wirkung ab dem 1. November 2004 für den Kläger eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden gilt, wobei darin auch die Bereitschaftszeiten mitenthalten sind.

Aus dem Anschreiben der Beklagten vom 8. November 2004 ergibt sich, dass es dem Kläger wie auch den anderen betroffenen Arbeitnehmern frei gestellt war, sich für 48 Arbeitsstunden pro Woche oder für die Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit (regelmäßige monatliche Arbeitszeit von damals 235 Stunden + 37 zusätzliche Bereitschaftsstunden = 272 Arbeitsstunden) zu entscheiden. Durch die schriftliche Erklärung vom 8. November 2004 hat sich der Kläger unmissverständlich für 48 Arbeitsstunden pro Woche entschieden.

Dass mit 48 Arbeitsstunden pro Woche abschließend die Arbeitszeit des Klägers festgelegt worden ist, auch soweit es um Bereitschaftsdienste geht, entspricht den folgenden Umständen, die zu dem Abschluss der Vereinbarung vom 8. November 2004 geführt haben:

aa. Der Europäische Gerichtshof hatte durch Urteil vom 5. Oktober 2004 in den Rechtssachen C-397/01 bis C-403/01 B P u.a. ./. D R K , K W e.V., entschieden, dass bei Rettungssanitätern, die bei einem Rettungsdienst tätig sind, nach der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung die wöchentliche Höchstarbeitszeit einschließlich der Arbeitsbereitschaftszeiten 48 Stunden nicht überschreiten dürfe. Zudem hatte er erkannt, von dieser Höchstarbeitszeit könne nur abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer individuell, ausdrücklich und frei zustimme. Arbeitsbereitschaftszeiten seien bei der Bestimmung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit in vollem Umfang zu berücksichtigen.

bb. Danach hatte der Betriebsrat mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 von der Beklagten gefordert, ab November 2004 die Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche zu reduzieren. Auf zwei Betriebsversammlungen war mit dem Betriebsrat und den betroffenen Arbeitnehmern abgestimmt worden, dass sich jeder Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis für eine Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeitregelung entscheiden konnte. Für die Arbeitnehmer, die einer Fortführung der bisherigen Arbeitszeitregelung nicht zustimmten, blieb es bei der auch vom Betriebsrat geforderten Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, d. h. einer Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche einschließlich der Bereitschaftsdienste.

cc. Diese Umstände waren dem Kläger schon deshalb bekannt, weil er bereits damals Betriebsratsmitglied war. Zudem sind sie in dem Begleitschreiben erwähnt worden.

c. Mit dem Wegfall der zusätzlichen Bereitschaftsstunden entfiel auch der Anspruch des Klägers auf die monatliche Überstundenvergütung in Höhe von EUR 365,32. Darauf ist der Kläger in der von ihm unterzeichneten Erklärung vom 8. November 2004 ausdrücklich hingewiesen worden. Er hat mit der Unterzeichnung versichert, trotz dieser und weiterer Änderungen nehme er die Reduzierung der Arbeitszeit auf höchstens 48 Stunden pro Woche in Anspruch.

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus Annahmeverzug zu.

Die Beklagte war nicht verpflichtet, das Angebot des Klägers auf Leistung von 37 zusätzlichen Bereitschaftsstunden anzunehmen, nachdem er zuvor mit ihr verbindlich festgelegt hatte, dass ab November 2004 die Höchstarbeitszeit einschließlich Bereitschaftsdienst 48 Stunden pro Woche betrug.

Eine solche Verpflichtung der Beklagten kann auch nicht mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begründet werden. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz findet nur bei Maßnahmen mit kollektivem Bezug Anwendung. Wurde eine Maßnahme mit dem einzelnen Arbeitnehmer vereinbart, dann tritt der Gleichbehandlungsgrundsatz hinter der Vertragsfreiheit zurück (vgl. HWK-Thüsing, § 611 BGB Rdn. 187 m. w. N.).

Im Übrigen wollte der Kläger nicht die gleichen Arbeitsbedingungen wie die Arbeitnehmer, die weiterhin zusätzlich 37 Bereitschaftsstunden pro Monat leisteten. Denn diese Arbeitnehmer hatten einer regelmäßige Arbeitszeit von 235 Stunden und weiteren 37 Bereitschaftsstunden pro Monat zugestimmt, wohingegen der Kläger nachträglich eine regelmäßige Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche und weiteren 37 Bereitschaftsstunden pro Monat wünschte. Er wollte folglich die Überstundenvergütung mit einer erheblich geringeren regelmäßigen Arbeitszeit verdienen.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte ab Februar 2005 die 40 Arbeitnehmer, die einer Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeitregelung zugestimmt hatten, dadurch begünstigte, dass sie bei fortbestehender regelmäßiger Arbeitszeit von 235 Stunden pro Monat die Zahl der zusätzlich zu leistenden Bereitschaftsstunden von 37 auf 29 bei unveränderter Zulage verringerte. Die nach dieser Arbeitszeitregelung zu leistende Gesamtarbeitszeit von 264 Stunden pro Monat lag wiederum erheblich über der Arbeitszeit, die sich der Kläger wünschte. Abgesehen davon ist bereits ausgeführt worden, dass sich der Kläger - wie auch die weiteren 7 - 8 Arbeitnehmer, die sich für die Umsetzung der 48-Stunden-Woche entschieden hatten - an der Erklärung vom 8. November 2004 festhalten lassen muss.

3. Soweit der Kläger in den Monaten November und Dezember 2004 über die 48 Stunden pro Woche hinaus Überstunden durch Einsatztätigkeit, Bereitschaftsdienst und Betriebsratstätigkeit geleistet hat, ist ein Ausgleich durch Arbeitsbefreiung erfolgt. Dies entsprach Ziff . 6 der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung vom 8. November 2004, nach der generell Mehrarbeitsstunden durch Arbeitsbefreiung auszugleichen sind. Dabei hat die Beklagte den durch § 17 Abs. 5 BAT vorgegebenen Ausgleichszeitraum eingehalten. Die Beklagte war nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, für diese Mehrarbeit Überstundenvergütung zu zahlen. Auf die vorstehenden Ausführungen über den Vorrang einer Vertragsabsprache kann verwiesen werden.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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