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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 1576/07
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 9 Abs. 1
1. Die Mitteilung des Pensionssicherungsvereins (PSV) nach § 9 Abs. 1 BetrAVG stellt weder einen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt noch ein (privatrechtliches) konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar.

2. Ein Schadensersatzanspruch gegen den PSV aufgrund eines unrichtigen Leistungsbescheides kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn

a. der Bescheid auf einer - nicht notwendig schuldhaft - falschen Einschätzung der Rechtslage durch den PSV beruht,

b. der Versorgungsberechtigte den Sachverhalt wahrheitsgemäß und vollständig mitgeteilt hat,

c. der Empfänger des Leistungsbescheides im Vertrauen auf dessen Richtigkeit Vermögensdispositionen getroffen oder zu treffen unterlassen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Oktober 2007 - 10 Ca 1040/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe einer vom beklagten P wegen der Insolvenz der früheren Arbeitgeberin des Klägers zu sichernden Betriebsrente.

Der Kläger war als Arbeitnehmer bei der A GmbH & Co. Luftverkehrs-KG in O beschäftigt, über deren Vermögen am 17. Dezember 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Insolvenzschuldnerin hatte dem Kläger eine Zusage auf betriebliche Versorgungsleistungen erteilt.

Durch Leistungsbescheid vom 11. August 2006 teilte der Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 BetrAVG mit, er werde ab dem 1. Juli 2003 monatlich EUR 258,64 als Versorgungsleistung entsprechend § 7 BetrAVG erbringen.

Mit Schreiben vom 6. September 2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, ihm sei bei der Berechnung des Versorgungsanspruchs ein Rechenfehler unterlaufen. Tatsächlich stünden dem Kläger monatlich EUR 64,66 als Versorgungsleistung zu. Der Beklagte erläuterte die Berechnung (Bl. 8 d. A.).

Mit der vorliegenden Klage, die am 5. Februar 2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verlangt der Kläger Zahlung der Versorgungsleistung in der zunächst mitgeteilten Höhe von EUR 258,64.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 17. Oktober 2007 die Klage mit der Begründung abgewiesen, entgegen der Ansicht des Klägers stelle der Leistungsbescheid vom 11. August 2006 weder ein konstitutives noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Auch mit Vertrauensgesichtspunkten könne ein über EUR 64,66 pro Monat hinausgehender Zahlungsanspruch nicht begründet werden.

Das Urteil ist dem Kläger am 30. November 2007 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 24. Dezember 2007 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Februar 2008 - am 28. Februar 2008 begründen lassen.

Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, der Beklagte sei zur Zahlung von monatlich EUR 258,64 verpflichtet. Zwar sei die im Leistungsbescheid vom 11. August 2006 angegebene Versorgungsleistung unrichtig berechnet worden. Dies habe er jedoch nicht erkennen können. Er habe deshalb darauf vertrauen dürfen, dass der mitgeteilte Betrag ihm gezahlt werde, zumal die Mitteilung als Leistungsbescheid bezeichnet worden sei. Er habe zuvor gegenüber dem Beklagten zutreffende Angaben über den zu sichernden Anspruch gemacht. Der Beklagte sei faktischer Rechtsnachfolger des Beklagten. Der Leistungsbescheid wirke konstitutiv wie eine vom Arbeitgeber erteilte Versorgungszusage.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Oktober 2007 - 10 Ca 1040/07 - festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm Altersversorgungsleistungen in Höhe von monatlich EUR 258,64 seit dem 1. Juli 2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, der Leistungsbescheid stelle weder ein konstitutives noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar und verweist dazu auf die bereits ergangene Rechtsprechung und die Literatur.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S. 1, 5 ArbGG eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist nicht begründet.

Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht Köln die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf höhere Versorgungsleistungen als die monatlich gezahlten EUR 64,66.

1. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Kläger nach § 7 Abs. 1 BetrAVG einen Insolvenzsicherungsanspruch gegen den Beklagten in Höhe von EUR 64,66 pro Monat hat.

2. Ein höherer Zahlungsanspruch folgt nicht daraus, dass der Beklagte dem Kläger aufgrund eines Berechnungsfehlers durch Leistungsbescheid vom 11. August 2006 mitgeteilt hatte, er werde ab dem 1. Juli 2003 monatliche Versorgungsleistungen in Höhe von EUR 258,64 erbringen.

a. Die Ansicht des Klägers, damit habe der Beklagte als Rechtsnachfolger der insolventen Arbeitgeberin eine weitergehende Versorgungszusage erteilt, ist verfehlt.

Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass er nicht Rechtsnachfolger der insolventen Arbeitgeberin ist. Vielmehr wird durch den Eintritt des Sicherungsfalles ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet (vgl. BAG, Urteil vom 30. August 1979 - 3 AZR 381/78 - AP Nr. 3 zu § 7 BetrAVG; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 4. Aufl., § 7 Rdn. 9; Nassall BB 1986, S. 588, 589). Aufgrund dieses Schuldverhältnisses hat der Kläger einen Versicherungsanspruch gegen den Beklagten (vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., § 7 Rdn. 10).

Der Leistungsbescheid stellt auch keine Versorgungszusage dar, sondern eine Mitteilung gemäß § 9 Abs. 1 BetrAVG, worauf der Beklagte in dem Bescheid ausdrücklich hingewiesen hat. Danach hat der PSV dem Versorgungsempfänger oder Anwartschaftsberechtigten die ihm nach § 7 oder § 8 BetrAVG zu sichernden Ansprüche oder Anwartschaften aus der von der insolventen Arbeitgeberin erteilten Versorgungszusage mitzuteilen, also keine neue Zusage zu erteilen.

b. Eine solche Mitteilung nach § 9 Abs. 1 BetrAVG, die als Leistungsbescheid erteilt wird, stellt keinen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt dar. Die Rechtsbeziehung zwischen dem PSV und dem Versorgungsberechtigten ist dem privaten Recht zuzuordnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1986 - II ZR 54/85 - AP Nr. 4 zu § 9 BetrAVG; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, BetrAVG, 3. Aufl., § 9 Rdn. 1, Paulsdorf, BetrAVG, 2. Aufl., § 9 Rdn. 5). Die Mitteilung stellt auch kein (privatrechtliches) konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Durch sie soll der PSV dem Versorgungsberechtigten ein verlässliches Bild über das Bestehen und den Umfang von Versorgungsrechten geben. Die Einstandspflicht entsteht aber dem Grunde und der Höhe nach unmittelbar kraft Gesetzes nach § 7 Abs. 1 und 2 BetrAVG (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1986 a.a.O., LAG Köln, Urteil vom 28. November 1985 - 8 Sa 927/85 - DB 1986, S. 805; Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., § 9 Rdn. 14; Förster/Rühmann/Cisch, BetrAVG, 11. Aufl., § 9 Rdn. 1; Höfer, BetrAVG, 9. Aufl. Rdn. 4666; HWK-Schipp, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 9 BetrAVG Rdn 2; Paulsdorff, a.a.O., § 9 Rdn. 1; a.A. für generellen Vertrauensschutz gegenüber fehlerhaften Leistungsbescheiden nach Ablauf von zwei Jahren seit Bekanntgabe: Nassall BB 1986, S. 588, 592).

c. Es besteht auch kein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung von monatlich EUR 258,64.

Ein Schadensersatzanspruch gegen den PSV aufgrund eines unrichtigen Leistungsbescheides kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn

- der Bescheid auf einer - nicht notwendig schuldhaft - falschen Einschätzung der Rechtslage durch den PSV beruht,

- der Versorgungsberechtigte den Sachverhalt wahrheitsgemäß und vollständig mitgeteilt hat,

- der Empfänger des Leistungsbescheides im Vertrauen auf dessen Richtigkeit Vermögensdispositionen getroffen oder zu treffen unterlassen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

Dabei ist die Haftung auf die Höhe dessen begrenzt, was der PSV in seinem Leistungsbescheid ursprünglich anerkannt hatte (vgl. dazu: BGH Urteil vom 3. Februar 1986 a.a.O.; Höfer, a.a.O., § 9 Rdn. 4666; HWK-Schipp, a.a.O., § 9 Rdn. 3; Paulsdorff, a.a.O., § 9 Rdn. 6).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er innerhalb des kurzen Zeitraums zwischen Bekanntgabe des Leistungsbescheides vom 11. August 2006 und der Korrekturmitteilung vom 6. September 2006 im Vertrauen auf die Richtigkeit des Leistungsbescheides irreversible Vermögensdispositionen getroffen hat.

3. Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision wurde zugelassen, weil bislang eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Bedeutung des Leistungsbescheides noch nicht vorliegt.

Ende der Entscheidung

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