Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 675/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 75 Abs. 1
1. Das Interesse des Arbeitgebers an einer geordneten Verlagerung der Betriebsorganisation rechtfertigt es, in einem Sozialplan festzulegen, dass Arbeitnehmer, die vorzeitig das Arbeitsverhältnis kündigen, keine Abfindung erhalten.

2. Zu einer geordneten Verlagerung gehört es auch, dass nach dem Umzug Arbeitnehmer am alten Standort vorübergehend Restarbeiten erledigen und die Einarbeitung der Mitarbeiter am neuen Standort unterstützen.


Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.04.2008 - 1 Ca 9649/07 - abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan.

Die Klägerin, geboren am 6. Dezember 1966, verheiratet, war bei der Beklagten seit dem 1. April 2000 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18. Juli 2003 zuletzt als Senior Accountant im Bereich Investment Accounting in H beschäftigt.

Zu ihren Aufgaben gehörte insbesondere das Erstellen von Monats-, Quartals- und Jahresabschlüssen der H und der Auslandsgesellschaften der H nach US-GAAP und deutschem HGB sowie die Pflege und Überwachung des sogenannten Output-Tools Crystal-Report mit Programmierung, Anpassung und Fehleranalyse.

Im Jahr 2006 bezog die Klägerin neben einem Jahresbruttofestgehalt in Höhe von EUR 48.306,00 einen leistungsabhängigen variablen Bonus in Höhe von EUR 13.550,00 brutto.

Nachdem im Frühjahr 2007 die Verlagerung der Betriebsorganisation der Beklagten von H nach K und die dortige Zusammenführung mit den Betriebsorganisationen der A GmbH und der A GmbH in einen gemeinsamen Betrieb mit einer neuen Organisationsstruktur beschlossen worden war, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 21. Februar 2007 das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007. Gleichzeitig bot sie der Klägerin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu ansonsten unveränderten Vertragsbedingungen in K an. Mit Schreiben vom 9. März 2007 lehnte die Klägerin das Änderungsangebot ab.

Nachdem die Klägerin eine neue Anstellung ab dem 1. Juli 2007 gefunden hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 30. März 2007 das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. Juni 2007.

Der Umzug von H nach K fand am 21. Mai 2007 statt.

Zu dieser Änderung der Betriebsorganisation hatte die T AG als Konzernobergesellschaft mit dem Konzernbetriebsrat bereits im Jahr 2006 einen Interessenausgleich abgeschlossen, in dem u. a. bestimmt war, dass den in H beschäftigten Arbeitnehmern eine Weiterbeschäftigung in K anzubieten war. Danach sollten Änderungskündigungen ausgesprochen werden, die zu einer Änderung des Beschäftigungsortes nicht vor dem 30. Juni 2007 führen sollten, und die bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vor dem 30. September 2007 wirken sollten. Abweichende einvernehmliche Lösungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten zulässig bleiben, wobei in jedem Fall die individuell maßgebliche Kündigungsfrist eingehalten werden sollte.

Am 12. Juni 2007 vereinbarte die T AG mit dem bei ihr bestehenden Konzernbetriebsrat einen Sozialplan, wonach Arbeitnehmer, die aufgrund der Änderung der Betriebsorganisation betriebsbedingt gekündigt werden, einen Anspruch auf eine Abfindung haben (§ 11 des Sozialplans). Nach § 3 Abs. 2 e) des Sozialplans gelten die zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehenen Leistungen nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers beendet wird, sofern sie nicht durch den Arbeitgeber veranlasst ist. Dies ist nach dem Sozialplan nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung mit Beendigungswirkung durch den Arbeitgeber zu einem früheren Zeitpunkt kündigt, in dem der Arbeitgeber für den betreffenden Arbeitnehmer im Rahmen seines bisherigen Arbeitsverhältnisses und am bisherigen Standort (politische Gemeinde) keinen Beschäftigungsbedarf mehr hat; in diesen Fällen steht eine Aufhebungsvereinbarung der vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung gleich.

Mit der vorliegenden Klage, die am 20. November 2007 beim Arbeitsgericht K eingegangen ist, hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung von EUR 31.800,79 als Abfindung nach dem Sozialplan verlangt.

Sie hat vorgetragen, ihre Eigenkündigung sei im Sinne des § 3 Abs. 2 e) des Sozialplans von der Beklagten veranlasst. Mit dem Umzug der Betriebsorganisation nach K am 21. Mai 2007 sei der Beschäftigungsbedarf entfallen. Da für sie der Wechsel nach K aufgrund der Reisezeiten nicht zumutbar gewesen sei, stehe ihr nach dem Sozialplan eine Abfindung in Höhe von 5,95 Gehälter x EUR 5.344,67 (durchschnittliches Bruttomonatsgehalt im Jahr 2006) = EUR 31.800,79 zu. Sofern das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt nach den in den Jahren 2004 bis 2006 erhaltenen Bezügen berechnet werde, stehe ihr eine Abfindung in Höhe von 5,95 Gehälter x EUR 4.827,94 = EUR 28.726,24 zu.

Die Beklagte hat vorgetragen, nach § 3 Abs. 2 e) des Sozialplans stehe der Klägerin keine Abfindung zu, da mit der Verlagerung der Betriebsorganisation nach K am 21. Mai 2007 ihr Tätigkeitsgebiet in H nicht weggefallen sei. Vielmehr sei sie auch danach dringend auf die Arbeitsleistung der Klägerin angewiesen gewesen, da sie über ein spezielles Wissen verfügt habe, das weder die anderen bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer, noch die in anderen Konzernunternehmen tätigen Arbeitskräfte besessen hätten. Aus dem Grund habe sie vorübergehend einen externen Berater beauftragen und Aushilfskräfte einstellen müssen, wodurch ihr erhebliche Mehrkosten entstanden seien. Die Klägerin habe insbesondere von H aus die in K tätigen Kräfte sowohl in die Erstellung der Abschlüsse als auch in den Umgang mit dem Tool Crystal-Report einweisen sollen. Sie hätte dabei ebenso wie die anderen in H verbliebenen Mitarbeiter über die für ihre Tätigkeit erforderlichen technischen Hilfsmittel verfügen können.

Im Übrigen hätte sich nach dem Sozialplan eine Abfindung auch nicht in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe, sondern allenfalls in Höhe von 5,35 Gehälter x EUR 4.827,94 = EUR 25.829,50 errechnet.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 4. April 2008 der Klägerin einen Abfindungsanspruch in Höhe von EUR 25.829,50 zuerkannt. Zur Begründung hat es ausgeführt, da die Beklagte mit der Änderungskündigung der Klägerin eine Weiterbeschäftigung in K ab dem 1. Juli 2007 angeboten habe, könne sie nach Treu und Glauben nicht geltend machen, über den Zeitpunkt des Ausscheides am 30. Juni 2007 hinaus habe ein Beschäftigungsbedarf in H bestanden. Jedenfalls habe die Klägerin bei Ausspruch ihrer Eigenkündigung darauf vertrauen dürfen, dass sie ab dem 1. Juli 2007 nicht mehr in H beschäftigt werden könne. Aus dem Sozialplan ergebe sich allerdings, dass die Klägerin, der ein Umzug nach K nicht zuzumuten gewesen sei, nur 5,35 Gehälter x EUR 4.827,94 = EUR 25.829,50 brutto als Abfindung zustünden.

Gegen das am 28. April 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Mai 2008 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Juli 2008 - am 30. Juli 2008 begründen lassen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft und ihr erstinstanzliches Vorbringen, wonach sie entsprechend der Regelung im Interessenausgleich das Arbeitsverhältnis mit einer zum 30. September 2007 eintretenden Beendigungswirkung gekündigt habe und der Beschäftigungsbedarf auch bis dahin fortbestanden habe. Nach dem Umzug am 21. Mai 2007 habe sie bis zum 30. September 2007 zahlreiche Arbeitnehmer, darunter zunächst fünf und zuletzt drei aus dem Bereich Investment Accounting, in H weiterbeschäftigt. Auch die Klägerin hätte bis zum 30. September 2007 in H weiterarbeiten können, wo ihr neben den allgemeinen Telekommunikationsmitteln auch ein Anschluss an das EDV-System der Beklagten zur Verfügung gestanden habe. Die zur Bearbeitung erforderlichen Akten seien bis zum Ausscheiden des jeweiligen Mitarbeiters in H verblieben. Sie habe weiterhin verschiedene Migrationsprojekte betreuen sollen, also die Übertragung von Daten in das neue EDV-System, sowie Crystal-Reports und Abschlüsse für einige ausländische Konzernunternehmen erstellen und allgemeinen Aufgaben im Bereich Investment Accounting übernehmen sollen. Zudem habe sie bis zum 30. September 2007 die in K beschäftigten Arbeitnehmer bei der Erstellung von Crystal-Reports unterstützen sollen, und auch als erfahrene Ansprechpartnerin zur Verfügung stehen sollen. Mit diesem Aufgabenbereich sei die Klägerin auch tatsächlich vom 21. Mai 2007 bis zu ihrem Ausscheiden am 30. Juni 2007 beschäftigt worden. Da auch die anderen Mitarbeiter aus dem Bereich Investment Accounting nicht nach K gewechselt seien, hätten dort ab dem 21. Mai 2007 zunächst nur zwei Kräfte zur Verfügung gestanden, die in das Aufgabengebiet neu einzuarbeiten gewesen seien. Die Sollstärke von drei Mitarbeitern für diesen Bereich habe sie ohnehin erst zum 1. Januar 2008 realisieren können. Die Klägerin sei auch wie die anderen Mitarbeiter auf einer Belegschaftsversammlung am 7. März 2007 ausdrücklich von dem Vorsitzenden der Geschäftsführung darauf hingewiesen worden, dass Arbeitnehmer, die nicht nach K wechselten, nach dem Umzug prinzipiell bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses mit ihrem bisherigen Aufgabengebiet in H weiterbeschäftigt würden, um den Betrieb in K zu unterstützen. Die Klägerin habe nie nachgefragt, ob bei ihr in H über den 30. Juni 2007 hinaus bis zum 30. September 2007 eine Beschäftigungsmöglichkeit bestehe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 4. April 2008 - 1 Ca 9649/07 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Aus dem Bereich Buchhaltung/Accounting, in dem sie beschäftigt worden sei, seien nach dem 30. Juni 2007 bis zum 30. September 2007 allenfalls noch zwei Arbeitnehmer in H weiterbeschäftigt worden. Ein externer Berater habe zusammen mit mehreren von ihm mitgebrachten Mitarbeitern ab Ende Mai 2007 in H die laufenden Buchhaltungsarbeiten, darunter auch das Erstellen von Monatsabschlüssen, übernommen. Migrationsprojekte, d. h. die Übernahme von Daten neuer Kunden in die neuen EDV-Systeme, seien wegen der Unternehmenszusammenführung ab Juni 2007 nicht weiter verfolgt worden. Sie habe Crystal-Reports programmiert und umgesetzt, sich dabei aber auch eines externen Beraters bedient, der schon vor ihrem Ausscheiden von der Beklagten für den K Betrieb eingestellt worden sei. Zudem hätten andere bei der Beklagten bereits tätige Mitarbeiter für die Betreuung dieses Tools zur Verfügung gestanden, darunter ein Herr T , der ab Anfang 2007 zum K Betrieb gehört habe. Eine EDV-Anbindung an den K Betrieb habe nicht bestanden. Sie sei nicht am 7. März 2007 darüber informiert worden, dass noch Beschäftigungsbedarf bestehe und sie die Mitarbeiter in K unterstützen solle. Vielmehr sei erklärt worden, dass keine Freistellung erfolge und sie ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses noch zu erbringen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 S. 1, 2 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts keinen Abfindungsanspruch nach dem Sozialplan vom 12. Juni 2007.

1. Nach § 3 Ziff. 2 e) gelten die zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehenen Leistungen nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung beendet wird, sofern sie nicht durch Arbeitgeber veranlasst ist. Letzteres ist nach ausdrücklicher Regelung in dem Sozialplan nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung mit Beendigungswirkung durch den Arbeitgeber mit Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt kündigt, in dem der Arbeitgeber für den betreffenden Arbeitnehmer im Rahmen seines bisherigen Arbeitsverhältnisses und am bisherigen Standort keinen Beschäftigungsbedarf mehr hat.

2. Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelung bestehen nicht. Insbesondere haben die Betriebsparteien nicht gegen den auch für sie geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

a. Die Betriebsparteien haben bei Sozialplänen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG zu beachten, dem der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Arbeitnehmer, die aufgrund eines vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrages oder einer von ihm veranlassten Eigenkündigung ausscheiden, bei einem Anspruch auf Sozialplanabfindung grundsätzlich mit denjenigen gleich zu behandeln, deren Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt wird. Ursache für das Ausscheiden muss die vom Arbeitgeber vorgenommene Betriebsänderung sein (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 AZR 163/06 -).

b. Die Betriebsparteien haben den Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet. Sie haben allerdings für den Fall einer vorzeitigen Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer nach vorherigem Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber aufgrund der Betriebsänderung die zusätzliche Einschränkung aufgestellt, dass der Beschäftigungsbedarf entfallen sein muss. Die damit verbundene Ungleichbehandlung innerhalb des Kreises der Arbeitnehmer ist sachlich gerechtfertigt.

c. Diese Regelung ist zum einen Ausdruck der Beurteilung der Betriebsparteien, dass Arbeitnehmer, die nicht bis zum im Interessenausgleich vorgesehenen Beendigungszeitpunkt (hier: 30. September 2007) arbeiten, bereits eine neue zumutbare Arbeitsstelle gefunden haben und damit keine oder nur geringe wirtschaftliche Nachteile erleiden. Das rechtfertigt es, für diese Fälle den Sozialplanabfindungsanspruch sogar vollständig auszuschließen. Zweck des Sozialplans ist es gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern. Bei deren Einschätzung haben die Betriebsparteien einen erheblichen Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Sie dürfen im Rahmen einer typisierenden Beurteilung davon ausgehenden, dass den vorzeitig kündigenden Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile drohen als den anderen Arbeitnehmern. Dem steht nicht entgegen, dass auch Arbeitnehmer, die einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, wirtschaftliche Nachteile erleiden können (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 AZR 163/06 - m.w.N.).

d. Die Betriebsparteien haben zum anderen einen Anreiz für Arbeitnehmer schaffen wollen, ihr Arbeitsverhältnis nur auf Veranlassung oder mit Zustimmung der Beklagten vor dem auch aus betrieblicher Sicht gebotenen Beendigungstermin - 30. September 2007 - zu beenden.

Bereits unter § 5 Ziff. 4 des im Jahr 2006 abgeschlossenen Interessenausgleichs haben sie ein einvernehmliches Abweichen der Arbeitsvertragsparteien von diesem Beendigungstermin unter Einhaltung der Kündigungsfrist für zulässig erklärt. Unter § 3 Ziff. 2 e) des Sozialplans haben sie für den Abfindungsanspruch eine derartige Aufhebungsvereinbarung der vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung bei Wegfall des Beschäftigungsbedarfs gleichgesetzt. Die Beklagte soll es dadurch in der Hand haben, eine den betrieblichen Interessen zuwiderlaufende Eigenkündigung des Arbeitnehmers durch den damit verbundenen Verlust des Abfindungsanspruchs zu erschweren.

Im Einklang mit der Rechtsprechung des früher zuständigen Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts erkennt die Kammer das Interesse des Arbeitgebers an der geordneten Verlagerung der Betriebsorganisation als Rechtfertigungsgrund für die Versagung des Abfindungsanspruchs im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Arbeitnehmers an (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 19. Juli 1995 - 10 AZR 885/94 -; offengelassen: BAG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 AZR 163/06 -). Sie ist nicht der Ansicht, dass diesen Interessen nur durch andere zusätzliche Leistungen im Rahmen freiwilliger Betriebsvereinbarungen, etwa sog. Turboprämien, Rechnung getragen werden kann.

Die Beklagte hatte ein berechtigtes Interesse an einer geordneten Durchführung der Verlagerung der Betriebsorganisation von H nach K . Dazu gehörte es, dass auch noch nach dem Umzug während einer mehrmonatigen Übergangszeit qualifizierte Mitarbeiter für etwaige Anfragen aus dem K Betrieb zur Verfügung standen und ggf. auch noch Arbeiten, für deren Erledigung ein besondere fachliche Kenntnisse und/oder Erfahrungswissen erforderlich ist, während dieser Zeit weiter erledigten.

3. Aufgrund der danach wirksamen Sozialplanregelung besteht kein Abfindungsanspruch der Klägerin, da zum 30. Juni 2008 der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin in der Betriebsstätte in H nicht entfallen war.

a. Unstreitig ist die Klägerin auch nach der Verlagerung der Betriebsorganisation am 21. Mai 2007 bis zum 30. Juni 2007 ganztätig in H weiterbeschäftigt worden. Sie hat dabei Aufgaben erledigt, die im Rahmen des arbeitsvertraglichen Tätigkeitsgebietes lagen. Auch wenn es dabei - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 29. Oktober 2008 angegeben hat - um den "Ausgleich von kleinen Unebenheiten", "Feinarbeiten", "Ablage" ging und keine Anfragen von den K Mitarbeitern kamen, so kann keine Rede davon sein, der Beschäftigungsbedarf sei insgesamt entfallen gewesen. Zudem hat die Beklagte vorgetragen, sie hätte über den 30. Juni 2007 hinaus Arbeiten der Klägerin übertragen, für die sie aufgrund der Kündigung der Klägerin Ende März 2007 bereits im Mai 2007 einen externen Berater habe einsetzen müssen. Die für die Erledigung der buchhalterischen Aufgaben erforderlichen Belege hätte sie bei einer Weiterbeschäftigung der Klägerin zunächst in H belassen. Mit Arbeitsberichten vom 8. Juni 2007 und 14. Juni 2007 hat sie zudem belegt, dass die Klägerin auch nach der Verlagerung der Betriebsorganisation weiterhin in H Crystal-Reports erstellen konnte.

b. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist es der Beklagten nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, sie habe für die Klägerin über den 30. Juni 2007 hinaus Beschäftigungsbedarf gehabt. Die Betriebsparteien haben ausdrücklich unter § 5 Ziff. 4 des im Jahr 2006 abgeschlossenen Interessenausgleichs das Datum für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mit dem Datum des Umzugs der Betriebsorganisation von K nach H gleichgesetzt. Dies erfolgte gerade auf dem Hintergrund des berechtigten betrieblichen Interesses der Beklagten daran, auch nach dem Umzug noch für mehrere Monate auf die bewährten Mitarbeiter in H zurückgreifen zu können, sei es für die Unterstützung der K Mitarbeiter, sei es für die Erledigung spezieller Arbeiten. Bezogen auf diese Regelung hatte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Beklagten am 7. März 2007, also vor Ausspruch der Eigenkündigung durch die Klägerin, ausdrücklich auf einer Belegschaftsversammlung klargestellt, dass die Arbeitnehmer, die nicht nach K wechselten, bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses mit ihrer vertraglichen Tätigkeit in H beschäftigt und nicht freigestellt würden. Die Klägerin konnte also bei Ausspruch ihrer Eigenkündigung keinesfalls davon ausgehen, sie werde über den 30. Juni 2007 hinaus nicht mehr in H beschäftigt werden.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 91 ZPO abzuweisen.

Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits für die Zulässigkeit des Ausschlusses eines Sozialplanabfindungsanspruchs bei vorzeitigen Kündigungen zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück