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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 17.10.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 731/06
Rechtsgebiete: BUrlG, MTV


Vorschriften:

BUrlG § 7 Abs. 4
MTV für den Hessischen Einzelhandel vom 31. März 1994 § 13
Haben die Arbeitsvertragsparteien in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis bis zum festgelegten Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abzuwickeln ist, so stellen sie damit lediglich klar, dass die bis zur Beendigung und auch die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Ansprüche unter Beachtung der für sie geltenden gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Voraussetzungen zu erfüllen sind. Dazu gehört bei dem mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch die rechtzeitige Geltendmachung bis zum Ende des Urlaubsjahres.
Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12. April 2006 - 7 Ca 2086/05 - abgeändert:

Die Klage auf Urlaubsabgeltung wird abgewiesen.

2. Die durch die Klage auf Urlaubsabgeltung entstandenen erst- und zweitinstanzlichen Kosten trägt der Kläger.

3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Abgeltung von 20 Urlaubstagen aus dem Jahr 2004.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Dezember 2000 bis zum 31. Oktober 2004 als Fachverkäufer für Farben und Tapeten in Herborn beschäftigt.

Gemäß einem vor dem Arbeitsgericht Köln abgeschlossenen gerichtlichem Vergleich vom 22. Oktober 2004 - 20 Ca 9836/04 - endete das Arbeitsverhältnis aufgrund betriebsbedingter fristgerechter Kündigung der Beklagten mit dem 31. Oktober 2004. In dem Vergleich heißt es, das Arbeitsverhältnis werde bis zum 31. Oktober 2004 ordnungsgemäß abgewickelt.

Der Kläger war ab dem 6. Mai 2004 arbeitsunfähig erkrankt.

Mit am 1. Februar 2005 beim Arbeitsgericht Köln zunächst als Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides eingegangener Klage, die am 24. Februar 2005 der Beklagten zugestellt worden ist, hat der Kläger von der Beklagten Zahlung von zuletzt EUR 1.400,00 als Urlaubsabgeltung für 2004 verlangt.

Er hat behauptet, er sei bis nur bis zum 31. Oktober 2004 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die Beklagte habe entgegen der im gerichtlichen Vergleich festgelegten Verpflichtung, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzuwickeln, den Urlaub 2004 nicht abgegolten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.400,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, der Urlaubsanspruch sei verfallen. Der Kläger sei auch über den 31. Oktober 2004 hinaus arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Zudem habe der Kläger den Urlaubsanspruch nicht rechtzeitig vor dem 31. Dezember 2004 geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Schlussurteil vom 12. April 2006 der Klage auf Urlaubsabgeltung stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei ausweislich einer Auskunft der zuständigen Krankenkasse nur bis zum 31. Oktober 2004 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Da die Parteien eine ordnungsgemäße Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Oktober 2004 vereinbart hätten, komme es nicht darauf an, ob der Kläger seinen Abgeltungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht habe und/oder ob tarifliche Ausschlussfristen eingehalten worden seien.

Das Schlussurteil ist der Beklagten am 14. Juni 2006 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 21. Juni 2006 Berufung einlegen und diese am 1. August 2006 begründen lassen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehe nicht, da der Kläger es unterlassen habe, den Anspruch rechtzeitig vor dem 31. Dezember 2004 geltend zu machen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Schlussurteils des Arbeitsgerichts Köln vom 12. April 2006 - 7 Ca 2086/05 - die Klage auf Urlaubsabgeltung abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, durch die Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzuwickeln sei, habe die Beklagte den Urlaubsabgeltungsanspruch dem Grunde nach anerkannt. Im Übrigen bestehe nur im bestehenden Arbeitsverhältnis die Verpflichtung, den Urlaubsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres geltend zu machen. Er habe deshalb den Abgeltungsanspruch nicht vor dem 31. Dezember 2004 geltend machen müssen. Abgesehen davon sei der Urlaubsanspruch in das erste Quartal 2005 übertragen worden, da er bis zum 31. Oktober 2004 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Da er mit Schriftsatz vom 24. März 2005 den Anspruch gerichtlich geltend gemacht habe, liege keine Verspätung vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung hat in der Sache auch Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Abgeltung des Urlaubs 2004.

Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Kläger im Jahr 2004 bis zu seinem Ausscheiden einen Urlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen erworben hatte.

1. Da das Arbeitsverhältnis durch gerichtlichen Vergleich vom 22. Oktober 2004 zum 31. Oktober 2004 beendet worden ist, wandelte sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch um.

Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten. Durch diese Bestimmung wird der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch, ohne dass es dafür weiterer Handlungen des Arbeitsgebers oder Arbeitnehmers bedürfte, in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht als Ersatz für die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht und nicht als Abfindungsanspruch, für den es auf urlaubsrechtliche Merkmale wie Bestand und Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs nicht mehr ankäme. Abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Abgeltungsanspruch deshalb an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Urlaubsanspruch (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 19. August 2003 - 9 AZR 619/02 -).

2. Der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Oktober 2004 entstandene Abgeltungsanspruch ist am 31. Dezember 2004 untergegangen.

Nach § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur dann statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitsnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen (§ 7 Abs. 3 S. 2 und 3 BUrlG). Liegen derartige Übertragungsgründe nicht vor, besteht ein Urlaubsanspruch lediglich noch insoweit, als er im Urlaubsjahr gewährt werden kann. Im Übrigen verfällt er. Auch der Abgeltungsanspruch erlischt durch Zeitablauf mit dem 31. Dezember des jeweiligen Urlaubsjahres, wenn keine Übertragungsgründe vorliegen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 19. August 2003 - 9 AZR 619/02 -).

Da der Kläger bereits ab dem 1. November 2004 wieder arbeitsfähig war und folglich der Urlaub bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses noch im Jahr 2004 hätte gewährt werden können, also keine Übertragungsgründe vorlagen, ist der Abgeltungsanspruch mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verfallen.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz für den am 31. Dezember 2004 untergegangenen Abgeltungsanspruch.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag als Schadensersatz für den zwischenzeitlich infolge Fristablaufs erloschenen Anspruch fordern, soweit er seinen Arbeitgeber zuvor in Verzug gesetzt hatte, §§ 275 Abs. 1, Abs. 4, 280 Abs. 1, 283 Satz 1, 286 Abs. 1 Satz 1, 249 Abs. 1 BGB n. F. (vgl. BAG, Urteil vom 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 -).

Verzug liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres die Gewährung von Urlaub vom Arbeitgeber vergeblich gefordert hat. Dies gilt auch, soweit es die Abgeltung von Urlaub betrifft (vgl. BAG, Urteil vom 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 -).

Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht, dass er die Beklagte in Verzug gesetzt hat.

Er hat nicht dargetan, dass er in dem Verfahren 20 Ca 9836/04 Arbeitsgericht Köln den Urlaubsanspruch geltend gemacht hat. Die Kündigungsschutzklage also solche beinhaltete keine Geltendmachung des Urlaubsanspruchs (vgl. BAG, Urteil vom 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 -). Er hat auch nicht vorgetragen, er habe nach Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens seinen Urlaubsabgeltungsanspruch rechtzeitig geltend gemacht. Vielmehr hat er hinsichtlich der Geltendmachung auf das vorliegende Klageverfahren verwiesen, von dem die Beklagte durch den am 24. Februar 2005 zugestellten Mahnbescheid Kenntnis erlangt hat.

4. Soweit im Arbeitsvertrag auf tarifvertragliche Vorschriften verwiesen wird und damit unter Berücksichtigung des örtlichen Geltungsbereichs § 13 des Manteltarifvertrages für den Hessischen Einzelhandel vom 31. März 1994 Anwendung findet, ist festzustellen, dass diese Bestimmung nicht von der vorstehend genannten gesetzlichen Regelung abweicht.

5. Die Parteien haben in dem gerichtlichen Vergleich vom 22. Oktober 2004 keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung über die Urlaubsabgeltung getroffen. Dies gilt insbesondere auch für die Bestimmung, wonach das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Oktober 2004 ordnungsgemäß abgewickelt werden sollte. Es wurde damit lediglich klargestellt, dass die bis zur Beendigung und wohl auch die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Ansprüche unter Beachtung der für sie geltenden gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Voraussetzungen zu erfüllen seien. Dazu gehört bei dem mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch die rechtzeitige Geltendmachung bis zum Ende des Urlaubsjahres (so auch für eine gleichlautende Klausel: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Mai 2003 - 10 Sa 195/03 -, juris). Im Übrigen versteht keine der Parteien die Klausel dahin, mit ihr habe festgelegt werden sollen, der bei Abschluss des Vergleichs noch bestehende Anspruch auf tatsächliche Urlaubsgewährung sei "bis zum 31. Oktober 2004" zu erfüllen gewesen. Zum Einen reichten die wenigen Tage nicht zur Erfüllung des gesamten Urlaubsanspruchs in Höhe von 20 Urlaubstagen. Zum Anderen konnte dem arbeitsunfähig erkrankten Kläger ohnehin in dem Zeitraum bis zum 31. Oktober 2004 kein Urlaub mehr gewährt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die sich dabei stellenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.

Ende der Entscheidung

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