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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.07.2007
Aktenzeichen: 9 Ta 223/07
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 3
Vermittelt ein Makler für denselben Auftraggeber den Verkauf von Immobilien als weisungsgebundener Arbeitnehmer und freiberuflich den Abschluss von Mietverträgen, so kann der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 3 ArbGG für einen Streit aus der Vermittlung von Mietverträgen gegeben sein, wenn eine Streitigkeit über den Verkauf von Immobilien dort bereits anhängig ist oder gleichzeitig anhängig wird.
Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 13. Juni 2007 - 9 Ca 5326/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf EUR 660,00 festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Ersatz der Kosten, die ihr aufgrund einer gegen § 1 Abs. 1 Preisangabenverordnung verstoßenden Zeitungsanzeige vom 4. Juni 2005 entstanden sind, sowie eine Beteiligung an Provisionen aus der Vermittlung von Mietverträgen. Der Beklagte verlangt widerklagend von der Klägerin Ersatz von Rechtsanwaltskosten, die ihm bei der Durchsetzung eines vor dem Arbeitsgericht Köln titulierten arbeitsrechtlichen Anspruchs auf Aushändigung der Arbeitspapiere und Erteilung eines Arbeitszeugnisses entstanden sind.

Der Beklagte war bei der Klägerin ab dem 1. Februar 2004 bis zum 15. Juli 2005 beschäftigt. Beide Parteien gehen davon aus, dass der Beklagte bis zum 30. September 2004 als freiberuflicher Makler für die Klägerin tätig war. Für die Zeit ab dem 1. Oktober 2004 streiten sie darüber, ob der Beklagte ausschließlich als Arbeitnehmer für die Klägerin tätig geworden ist - so die Klägerin - oder ob der Beklagte neben der Tätigkeit als Arbeitnehmer weiterhin als freiberuflicher Makler für die Klägerin gearbeitet hat - so der Beklagte -.

Unter dem 8. August 2006 erteilte die Klägerin dem Beklagten ein Zeugnis, in dem es heißt, der Kläger sei für sie seit dem 1. Februar 2004 als freiberuflicher Makler und ab dem 1. Oktober 2004 als kaufmännischer Angestellter aufgrund eines zusätzlichen Arbeitsvertrages tätig geworden. Als Angestellter habe er Hausobjekte kaufmännisch verwaltet und Wohnungseigentümerversammlungen vorbereitet, an ihnen teilgenommen und deren Beschlüsse umgesetzt.

Die Maklertätigkeit des Beklagten ist in einem mit "Kooperationsvertrag zwischen Maklern" überschriebenen Vertragsentwurf dargestellt.

Danach hatte der Beklagte für die Klägerin bei der Vermittlung sowohl von Kaufverträgen als auch von Mietverträgen über Immobilien tätig zu werden.

Die Vermittlung von Kaufverträgen betraf sowohl vom Beklagten beschaffte Makleraufträge als auch Makleraufträge aus dem Auftragsbestand der Klägerin. Der Beklagte hatte für die Klägerin ausschließlich unter deren Namen durchzuführen: Werbung, Bearbeitung von Anfragen, Angebotserstellung, Besichtigungen, Verhandlungen, Vorbereitung der Kaufverträge, Teilnahme an Beurkundungen, Service und Provisionsabwicklung. Die Klägerin stellte dem Beklagten ein Büro zu Verfügung, wo er auch mit dem Büropersonal der Klägerin z. B. bei der Anzeigenschaltung zusammenarbeitete. Der Beklagte erhielt einen Anteil von der Vermittlungsprovision, die an die Klägerin als Maklerin gezahlt wurde.

Bei der Vermittlung von Mietverträgen trat dagegen der Beklagte als Makler auf, der die Vermittlungsprovision erhielt und nach Abzug der Anzeigenkosten einen Anteil an die Klägerin abzuführen hatte. Alle anderen Kosten hatte der Beklagte als Makler zu tragen.

Die Klägerin trägt vor, ab dem 1. Oktober 2004 sei der Beklagte ausschließlich als Arbeitnehmer für sie tätig geworden, und zwar auch bei der Vermittlung von Kauf- und Mietverträgen. Jedenfalls habe er als Arbeitnehmer gehandelt, als er für sie ein Zeitungsinserat ohne Angabe des Verkaufspreises geschaltet habe. Im Übrigen mache der Beklagte mit seiner Widerklage auch einen arbeitsrechtlichen Anspruch geltend.

Der Beklagte rügt, der Rechtsweg sei nicht gegeben für Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Vermittlung von Mietverträgen. Er habe ab dem 1. Oktober 2004 wöchentlich 35 Stunden als Arbeitnehmer und etwa 15 Stunden als freier Mitarbeiter für die Klägerin gearbeitet. Als freier Mitarbeiter habe er seine Zeit frei und selbständig einteilen können.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 13. Juni 2007 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten "auch" hinsichtlich des Anspruchs der Klägerin auf Beteiligung an Provisionen aus der Vermittlung von Mietverträgen für zulässig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe schlüssig dargelegt, dass es sich um einen Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis handle.

Gegen den am 28. Juni 2007 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 10. Juli 2007 sofortige Beschwerde einlegt. Zur Begründung verweist er auf das von der Klägerin erteilte Arbeitszeugnis vom 8. August 2006, in dem die Arbeitnehmertätigkeit auf die Verwaltung von Hausobjekten und Tätigkeiten im Zusammenhang mit Wohnungseigentümerversammlungen eingegrenzt worden sei.

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, wonach die Klage- und Widerklageansprüche aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien resultieren.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die nach §§ 17 a Abs. 4 S. 3 GVG, 569 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht Köln festgestellt, dass für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf anteilige Provision aus der Vermittlung von Mietverträgen der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, ergibt sich aus § 5 ArbGG.

2. Grundlage der danach vorzunehmenden Rechtswegprüfung ist der Streitgegenstand, der von der klagenden Partei durch den Antrag und den Tatsachenvortrag bestimmt wird. Dabei kommt es nur auf die von der klagenden Partei vorgetragenen Tatsachen, nicht auf die rechtliche Bewertung durch die klagende Partei an. Eine Ausnahme gilt für die Fälle, in denen der Anspruch lediglich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, jedoch fraglich ist, ob deren Voraussetzungen vorliegen, sog. sic-non-Fall (vgl. BAG, Beschluss vom 24. April 1996 - 5 AZB 25/95 -). Grundsätzlich müssen die Voraussetzungen für die Rechtswegzuständigkeit feststehen, also entweder unstreitig oder bewiesen sein (vgl. Schwab-Weth-Walker, ArbGG, § 2 Rdn. 211 m.w.N.).

3. Kann der geltend gemachte Anspruch entweder auf eine arbeitsrechtliche oder eine bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden, wobei die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sich gegenseitig ausschließen (so. aut-aut-Fall), dann muss der Tatsachenvortrag der klagenden Partei zu ihrer Arbeitnehmereigenschaft schlüssig sein und im Bestreitensfall ggf. substantiiert dargetan und auch bewiesen werden. Andernfalls stünde der Rechsweg weitgehend zur Disposition der klagenden Partei. Der Beweis ist nur dann entbehrlich, wenn feststeht, dass die klagende Partei zumindest arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG ist (vgl. dazu: BAG, Beschluss vom 30. August 1993 - 2 AZB 6/93 - NJW 1994, S. 604; Schwab-Weth-Walker, a.a.O., § 2 Rdn. 217, 218).

4. Nach § 2 Abs. 3 ArbGG können allerdings vor die Arbeitsgerichte auch nicht unter die Absätze 1 und 2 des § 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Dabei steht es den Arbeitsgerichten frei, die Entscheidung über die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auf § 2 Abs. 3 ArbGG zu stützen und offen zu lassen, ob auch für den Zusammenhangsanspruch selbst die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 und 2 ArbGG vorliegen (vgl. BAG, Beschluss vom 29. November 2006 - 5 AZB 47/06 -).

5. Die Rechtsstreitigkeit über eine anteilige Provision aus der Vermittlung von Mietverträgen steht in unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem von der Klägerin geltend gemachten arbeitsrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Schaltung einer Zeitungsanzeige und auch mit dem vom Beklagten widerklagend geltend gemachten Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens.

a. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei dem Schadensersatz wegen Schaltung einer Zeitungsanzeige ohne Angabe des Verkaufspreises um einen arbeitsrechtlichen Anspruch handelt. Offensichtlich ist es davon ausgegangen, dass dies zwischen den Parteien nicht streitig ist. Ansonsten wäre nicht zu erklären, weshalb es durch den angegriffenen Beschluss nur über Zulässigkeit des Rechtsweges für den Anspruch auf anteilige Provision aus der Vermittlung von Mietverträgen entschieden hat, nicht aber für diesen Schadensersatzanspruch, sondern hinsichtlich dieses Anspruchs gemäß dem Beschluss vom 13. Juni 2007 weiter in der Sache aufklären will.

Deshalb sei hier nur darauf hingewiesen, dass folgende Umstände entscheidend für eine Tätigkeit als Arbeitnehmer bei der Vermittlung von Verkaufsgeschäften und damit auch bei der Schaltung der Zeitungsanszeige sprechen: Der Beklagte hat die Makleraufträge bei den Verkaufsgeschäften nicht im eigenen Namen, sondern für die Klägerin unter deren Namen und Logo bearbeitet. Diese hatte ihm ein Büro samt Telefonanschluss zur Verfügung gestellt, von dem er auch das für den Geschäftsführer der Klägerin bestimmte Gespräch entgegennahm. Die Geschäftsunterlagen hatte er dort aufzubewahren. Er hatte mit den Bürokräften der Klägerin zusammenzuarbeiten, was voraussetzte, dass er insoweit in die Arbeitsorganisation eingegliedert war. Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2006 hat er selbst vorgetragen, die Anzeigen seien bei der Klägerin verwaltet worden und hätten von jedem Mitarbeiter eingesehen und bearbeitet werden können. Weiter hat er ausgeführt, die von ihm erstellten Anzeigen seien anschließend von Büromitarbeitern der Klägerin an den Zeitungsverlag übermittelt worden. Der Beklagte ist zudem der Ansicht, dass diese Büromitarbeiter und ggf. auch der Geschäftsführer der Klägerin seine Anzeige hätten überprüfen müssen. Schließlich hat der Beklagte auch ohne weiteres akzeptiert, dass der Geschäftsführer der Klägerin - wie der Beklagte vorträgt - die weitere Bearbeitung der Angelegenheit an sich zog und damit dem Beklagten, der sich darum kümmern wollte, eine Einzelanweisung erteilte. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Beklagte innerhalb der Arbeitsorganisation der Klägerin die Zeitungsanzeigen erstellt hat und dabei auch Weisungen des Geschäftsführers befolgen musste (vgl. dazu: Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, § 5 Rdn. 39 ff. m.w.N.).

b. Es braucht nicht näher ausgeführt zu werden, dass der Anspruch auf Ersatz des Schadens wegen verspäteter Erfüllung der Ansprüche auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses und Aushändigung der Arbeitspapiere arbeitsrechtlicher Natur ist.

c. Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen diesen arbeitsrechtlichen Ansprüchen und dem Anspruch auf anteilige Provision aus der Vermittlung von Mietverträgen besteht, weil sie einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen (vgl. dazu: BAG, Beschluss vom 23. August 2001 - 5 AZB 20/01 -). Die wirtschaftliche Verknüpfung der Vermittlung von Verkaufsgeschäften mit der Vermittlung von Mietgeschäften ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass beide zusammen dem Beklagten übertragen worden sind im Rahmen einer Kooperation (siehe Entwurf eines Kooperationsvertrages). Die wirtschaftliche Verknüpfung der Vermittlung von Mietgeschäften mit den Tätigkeiten des Klägers, die im Arbeitszeugnis ausdrücklich aufgeführt worden sind (Verwaltung und Wohnungseigentümerversammlungen), ergibt sich daraus, dass nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 9. November 2006 Gehaltsansprüche des Beklagten gegen die Klägerin für die Verwaltungstätigkeit mit dem Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Abführung einer anteiligen Provision aus der Vermittlung von Mietgeschäften vereinbarungsgemäß verrechnet werden konnten.

Nach alledem ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 1/5 des Hauptsachestreitwerts festgesetzt (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - VIII ZB 30/00 -).

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 17 a Abs. 4 S. 4 GVG, 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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