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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 9 Ta 228/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 3
BGB § 826
Klagt ein Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer auf Schadensersatz, weil dieser mit einem Auftragnehmer des Arbeitgebers abgesprochen hat, er solle fingierte Werkleistungen abrechnen und ihm als "Gegenleistung" Schmiergelder zahlen, so ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch für die Klage gegeben, mit der gleichzeitig der Aufragnehmer auf Ersatz des entstandenen Schadens in Anspruch genommen wird.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) und Widerklägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 28. April 2006 -2 Ca 10183/05 - abgeändert:

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist hinsichtlich des gegen den Widerbeklagten zu 2) gerichteten Widerklageantrags aus dem Schriftsatz vom 3. Februar 2006 gegeben.

Gründe:

I. Die Beklagte zu 1) nimmt den Widerbeklagten zu 2) gesamtschuldnerisch mit dem Kläger und Widerbeklagten zu 1) auf Zahlung von EUR 74.669,97 nebst Zinsen in Anspruch mit der Begründung, der Kläger habe als ihr Mitarbeiter im Zeitraum August 2002 bis September 2005 unberechtigte Zahlungen für tatsächlich nicht durchgeführte Werkleistungen an den Widerbeklagten zu 2) veranlasst. Im Gegenzug habe der Widerbeklagte zu 2) an den Kläger Schmiergeldzahlungen in Höhe von EUR 22.132,93 in Form von Kick-Backs geleistet, darunter zwei Zahlungen in Gesamthöhe von 3.392,00 einschließlich Mehrwertsteuer für am 27. November 2003 und am 20. September 2005 übersetzt abgerechnete Werkleistungen.

Der Kläger, geboren am 6. Dezember 1947, ist bzw. war bei der Beklagten zu 1) seit dem 1. Januar 1979 beschäftigt, zuletzt aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 6. April 2001 als Amtsleiter. Gemäß einer Dienstanweisung oblag dem Kläger u. a. in Bauangelegenheiten die Erteilung von Aufträgen nach Absprache mit dem Vorsitzenden des Bauausschusses, die Prüfung von allen Rechnungen, die Freigabe der Rechnungen zur Anweisung sowie die Prüfung etwaiger Schäden vor Ort.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis fristlos mit der Begründung, bei einer Rechnungsprüfung sei festgestellt worden, dass er seit dem Jahr 2001 für tatsächlich nicht durchgeführte Malerarbeiten Zahlungen in Höhe von EUR 67.737,47 veranlasst habe. Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 kündigte sie das Arbeitsverhältnis vorsorglich nochmals fristlos mit der Begründung, der Friedhofsgärtner Schatz habe erklärt, er sei von ihm - dem Kläger - genötigt worden, für die von der Beklagten zu 1) in den Jahren 2002 bis 2005 erteilten Aufträge ein Schmiergeld an den Kläger in Höhe von EUR 9.980,00 zu zahlen.

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Die Beklagte zu 1) verlangt widerklagend von dem Kläger die Zahlung von EUR 67.737,47 und EUR 5.623,63 wegen von ihm veranlasster Begleichung von Rechnungen für tatsächlich nicht durchgeführte Malerarbeiten und Herausgabe des von dem Friedhofsgärtners erhaltenen Schmiergeldes in Höhe von EUR 9.980,00. Zudem verlangt sie von dem Kläger gesamtschuldnerisch mit dem Widerbeklagten zu 2) Zahlung von EUR 74.669,97. Sie behauptet, der Kläger habe mit dem Widerbeklagten zu 2) vereinbart, für nicht ausgeführte oder zumindest in dem angegebenen Umfang nicht durchgeführte Reinigungs- und Inspektionsarbeiten die Auszahlung des Werklohns bei der Beklagten zu 1) zu veranlassen. Entsprechend der Absprache habe der Widerbeklagte zu 2) den Kläger durch Kick-Backs an den Zahlungen beteiligt. Zum Zwecke der Verschleierung habe der Kläger dem Widerbeklagten zu 2) für tatsächlich nicht durchgeführte Transport-, Helfer- und Verlegearbeiten Rechnungen erteilt.

Der Kläger bestreitet, mit den Auftragnehmern der Beklagten zu 1) Absprachen zu Lasten der Beklagten zu 1) getroffen zu haben. Er habe keine Schmiergeldzahlungen erhalten oder erpresst. Er sei davon ausgegangen, dass die von dem Widerbeklagten zu 2) in Rechnung gestellten Werkleistungen auch tatsächlich erfolgt seien. Er habe im Rahmen eines der Beklagten zu 1) bekannten Nebentätigkeitsgewerbes die Transport-, Helfer- und Verlegearbeiten gegenüber dem Widerbeklagten zu 2) erbracht.

Der Widerbeklagte zu 2) bestreitet, die Beklagte zu 1) übervorteilt zu haben, mit dem Kläger eine Absprache über Kick-Backs getroffen zu haben und Schmiergeldzahlungen tatsächlich geleistet zu haben. Der Kläger habe im Zeitraum September 2002 bis Juni 2005 auf Baustellen des Widerbeklagten zu 2) Arbeiten verrichtet, und zwar Material zu und auf den Baustellen transportiert, Terrassenplatten verlegt und als Helfer gearbeitet. Dafür sei ihm entweder ein Stundenlohn in Höhe von EUR 30,00 gezahlt worden, worin auch die Benzinkosten enthalten gewesen seien, oder ein vorher festgelegter Pauschallohn. Da es sich um im Wesentlichen wiederkehrende Leistungen gehandelt habe, glichen sich die Rechnungen. Den Kauf von Kleinteilen wie z. B. Befestigungsmaterial habe der Kläger mündlich mitgeteilt und in der nächsten Rechnung ohne gesonderte Ausweisung mit aufgenommen. Der Kläger habe in der Regel pro Quartal abgerechnet.

Der Kläger und der Widerbeklagte zu 2) sind der Ansicht, die Widerklage sei gegen den Widerbeklagten zu 2) erhoben worden, um seine Vernehmung als Zeuge in dem Rechtsstreit zu verhindern.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Beschluss vom 28. April 2006 die Widerklage, soweit sie gegen den Widerbeklagten zu 2) gerichtet ist, abgetrennt, insoweit den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Köln verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei auch nicht nach § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben. Zum Einen würden der Kläger und der Widerbeklagte zu 2) nicht von derselben Anwaltssozietät vertreten. Zum Anderen habe die Beklagte zu 1) nicht durch einen substantiierten Tatsachenvortrag schlüssig dargetan, dass der Kläger und der Widerbeklagte zu 2) kollusiv zum Nachteil der Beklagten zu 1) zusammengewirkt hätten.

Gegen den am 22. Mai 2005 zugestellten Verweisungsbeschluss hat die Beklagte zu 1) am 24. Mai 2006 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nach § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben.

Der erstinstanzliche Kammervorsitzende hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die nach §§ 17 a Abs. 4 S. 3 GVG, 569 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Für die Widerklage der Beklagten zu 1) gegen den Widerbeklagten zu 2) ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben.

1. Nach § 2 Abs. 3 ArbGG kann vor die Gerichte für Arbeitssachen auch eine nicht unter die § 2 Abs. 1 und 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeit gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.

Der mit der Widerklage gegen den Widerbeklagten zu 2) verfolgte Schadensersatzanspruch ist kein Anspruch im Sinne von § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 ArbGG.

Jedoch steht der Zahlungsanspruch in einem rechtlichen und unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer beim Arbeitsgericht anhängigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeit nach § 2 Abs.1 Ziff. 3 lit. d ArbGG.

Die Beklagte zu 1) macht gegen den Kläger als Widerbeklagten zu 1) einen Schadensersatzanspruch sowohl aufgrund Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten als Amtsleiter mit der Zuständigkeit für die Vergabe von Bauaufträgen sowie für die Prüfung und Freigabe der Rechnungen der Auftragnehmer, als auch aus unerlaubter Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 3 lit. d ArbGG geltend mit der Begründung, der Widerbeklagte zu 2) habe nach einer mit dem Kläger getroffenen Absprache Rechnungen über fingierte Leistungen erteilt, mit denen an den Kläger gemachte unerlaubte Zuwendungen (sog. Schmiergelder) auch abgedeckt worden seien.

Es entspricht anerkannter Rechtsprechung, dass Vereinbarungen über z. B. Werkleistungen, die Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner hinter dem Rücken und zum Nachteil des von ihnen vertretenen Geschäftsherrn treffen, gegen die guten Sitten verstoßen, nichtig sind und einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB begründen können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 - VIII ZR 218/99 -).

Die Schadensersatzforderung der Beklagten zu 1) gegen den Widerbeklagten zu 2) steht in rechtlichem und unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Rechtsstreitigkeit der in § 2 Abs. 1 Ziff. 3 lit. d ArbGG bezeichneten Art.

Der rechtliche Zusammenhang ist gegeben, da die Beklagte den Kläger und den Widerbeklagten zu 2) als Gesamtschuldner nach § 840 BGB in Anspruch nimmt.

Ein unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn Ansprüche auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruhen oder wirtschaftliche Folgen desselben Tatbestandes sind. Die Ansprüche müssen innerlich eng zusammengehören, also einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen. § 2 Abs. 3 ArbGG setzt nicht voraus, dass die Parteien der bei einem Arbeitsgericht anhängigen Rechtsstreitigkeit mit denen der Zusammenhangsklage identisch sind. Es muss nur auf einer Seite eine der in § 2 Abs. 1 ArbGG genannten Parteien stehen (vgl. BAG, Beschluss vom 2. Dezember 1992 - 5 AS 13/92 - und vom 11. September 2002 - 5 AZB 3/02 -).

Der unmittelbar wirtschaftliche Zusammenhang besteht, da die gegen den Kläger und den Widerbeklagten zu 2) erhobenen Ansprüche auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt beruhen, nämlich der Abrechnung von fingierten Werkleistungen (vgl. dazu: Schwab-Weth-Walker, ArbGG, § 2 Rdn. 192 m.w.N.).

Schließlich steht der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch nicht die ausschließliche Rechtswegzuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit entgegen.

2. Zu der Ansicht des Arbeitsgerichts, für den Rechtsstreit sei nicht der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben, weil die Beklagte zu 1) "bislang nicht den bestrittenen Anspruch durch einen insoweit erforderlichen substantiierten Tatsachenvortrag schlüssig dargetan habe", ist zunächst festzustellen, dass eine schlüssige Darlegung vorliegt, wenn das als zugestanden anzusehende tatsächliche Vorbringen des Anspruchstellers das Begehren rechtfertigt (vgl. Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 331 Rdn. 5). Die Anforderungen an die Schlüssigkeit gehen auch bei der Prüfung, ob eine Zusammenhangsklage vorliegt, nicht darüber hinaus (vgl. BAG, Beschluss vom 2. Dezember 1992 - 5 AS 13/92 -). Abgesehen davon ist festzuhalten, dass die Beklagte zu 1) für die Richtigkeit ihres schlüssigen Vorbringens eine Reihe von geeigneten Indizien unter Beweisantritt dargetan hat, wie Häufigkeit der Inspektions- und Reinigungsarbeiten, übersetzte Preise für die Werkleistungen, Zahlungen des Widerbeklagten zu 2) an den Kläger aufgrund von Rechnungen für bestrittene Werkleistungen, eine gleichgelagerte Verschleierung von Schmiergeldzahlungen anderer Auftragnehmer.

Ob diese und andere Hilfstatsachen ausreichen, um den Kläger und den Widerbeklagten zu 2) entsprechend dem Widerklagebegehren zu verurteilen, ist keine Frage der Rechtswegzuständigkeit, sondern der vom Arbeitsgericht zu prüfenden Begründetheit der Widerklage, die allein darauf gestützt ist, der Kläger habe kollusiv mit dem Widerbeklagten zu 2) zum Nachteil der Beklagten gehandelt durch die Abrechnung fingierter Inspektions- und Reinigungsarbeiten.

Da die sofortige Beschwerde der Beklagten Erfolg hat, ergeht keine Kostenentscheidung (vgl. Schwab-Weth-Walker, ArbGG, § 48 Rdn. 72).

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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