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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.10.2007
Aktenzeichen: 9 Ta 262/07
Rechtsgebiete: VO zu § 93 Abs. 2 Schulgesetz NRW


Vorschriften:

VO zu § 93 Abs. 2 Schulgesetz NRW vom 19. März 2006 § 2
1. Neben der unter § 2 Abs. 2, 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW geregelten Reduzierung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl für Lehrerinnen und Lehrer aus Altersgründen und bei Schwerbehinderung kommt eine zusätzliche Berücksichtigung dieser Erschwernisse bei der Anwendung des sog. Bandbreitenmodells nach § 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG NRW nicht in Betracht.

2. Der Zusatzurlaub nach § 125 SBG IX wird Lehrern an öffentlichen Schulen während der Schulferien gewährt. Lehrerinnen und Lehrer können nicht verlangen, dass anstelle arbeitsfreier Urlaubstage eine zusätzliche Verringerung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl erfolgt.


Tenor:

1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 9. August 2007 - 2 Ga 30/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Beschwerdewert: EUR 1.187,16

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt, im Wege der einstweiligen Verfügung der Beklagten aufzugeben, ihn im Zeitraum 6. August 2007 bis 20. Juni 2008 (Schuljahr 2007/2008) wöchentlich im Umfang von 22 Unterrichtsstunden zu beschäftigen.

Der Kläger, geboren am 22. März 1945, ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19. Februar 1973 im A des Beklagten in N -S als Diplom-Sportlehrer tätig. Der Kläger ist gemäß Bescheid vom 28. Dezember 2004 schwerbehindert mit einem Grad von 50. Nach dem Arbeitsvertrag wird der Umfang der Beschäftigung nach den für entsprechende hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen geltenden Bestimmungen festgesetzt. Dasselbe gilt für den Urlaub.

Nach den für Lehrer an öffentlichen Gymnasien geltenden Bestimmungen besteht mit Wirkung ab dem 1. Februar 2004 eine wöchentliche Lehrverpflichtung von 25,5 Stunden (§ 2 Abs. 1 VO zur Ausführung des § 93 Abs. 2 SchulG). Diese Regelverpflichtung kann im Rahmen des sog. Brandbreitenmodells um bis zu 3 Unterrichtsstunden erhöht werden (§ 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG). Durch die Pflichtstunden-Bandbreite soll eine unterschiedliche zeitliche Inanspruchnahme von Lehrerinnen und Lehrern durch besondere schulische Aufgaben und besondere unterrichtliche Belastungen in der Schule ausgeglichen werden.

Am A wird seit dem Schuljahr 2004/2005 die Unterrichtsverpflichtung unter Anwendung der Pflichtstunden-Bandbreite festgesetzt, wobei der sich aus dem jeweiligen Unterrichtsfach ergebende Korrekturaufwand ein wesentlicher Bemessungsfaktor ist. Danach gilt für Sportlehrer die höchste Unterrichtsverpflichtung mit 28 Wochenstunden.

Im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers hatte bzw. hat nach § 2 Abs. 2 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung um eine Stunde im Schuljahr 2004/2005 und um 3 Stunden ab dem Schuljahr 2005/2006 zu erfolgen. Aufgrund der Schwerbehinderung des Klägers ist zudem ab dem Schuljahr 2006/2007 die Lehrverpflichtung um weitere 2 Stunden zu reduzieren (§ 2 Abs. 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG).

Ausgehend von einer wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung von 28 Stunden und unter Berücksichtigung der Ermäßigungen aus Altersgründen und für Schwerbehinderte ermittelte die Beklagte, dass der Kläger ab Einführung der Pflichtstunden-Bandbreite bis zum Ende des Schuljahres 2006/2007 mit einer wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung von 4 Stunden in Rückstand war (vgl. Aufstellung: Bl 51 d. A.). Der Kläger hatte in den Schuljahren 2004/2005 und 2005/2006 jeweils 24 Wochenstunden und im Schuljahr 2006/2007 23 Wochenstunden Unterricht erteilt.

Die Beklagte hat angeordnet, dass der Kläger zum teilweisen Ausgleich seines Unterrichtsrückstandes im Schuljahr 2007/2008 wöchentlich 26 Unterrichtsstunden zu erteilen hat.

Der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 9. August 2007 beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangen.

Der Kläger hat geltend gemacht, er habe wöchentlich 22 Unterrichtsstunden zu erteilen. Der ihm als Schwerbehinderter nach § 125 SGB IX zustehende Sonderurlaub von 5 Arbeitstagen sei ihm dadurch zu gewähren, dass ausgehend von der im Schuljahr 2006/2007 erfüllten Lehrverpflichtung (damals 23 Stunden) die Zahl der zu erteilenden Unterrichtsstunden um eine weitere Stunde auf 22 Stunden reduziert werde.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat durch Beschluss vom 9. August 2007 den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, der Zusatzurlaub könne nur tageweise und nicht stundenweise genommen werden. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger Mehrarbeit verrichte, wenn er 26 Stunden Unterricht pro Woche erteile.

Gegen den am 13. August 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 27. August 2007 sofortige Beschwerde einlegen und diese zugleich begründen lassen.

Er hat zunächst vorgetragen, die Beklagte sei gehalten, ihm den Zusatzurlaub während der Zeit zu gewähren, in der er an sich Unterricht zu erteilen habe. Sie könne ihn nicht auf die unterrichtsfreie Zeit verweisen, die allen Lehrern ohne Rücksicht auf eine Schwerbehinderung zugute komme. Da eine tageweise Befreiung während der Unterrichtszeiträume nicht durchführbar sei, müsse ihm der Zusatzurlaub durch eine Reduzierung der wöchentlichen Unterrichtszeit um eine Stunde gewährt werden.

Nachdem die Beklagte im Beschwerdeverfahren im Einzelnen dargelegt hat, wie sie die Unterrichtsverpflichtung des Klägers mit 26 Wochenstunden für das Schuljahr 2007/2008 ermittelt hat, trägt er vor, die Beschäftigung in den zurückliegenden drei Schuljahren mit 24 bzw. 23 Wochenstunden habe bereits zu einer entsprechenden Begrenzung seiner Unterrichtsverpflichtung geführt. Darüber hinaus führten Lebensalter und Schwerbehinderung dazu, dass die Lehrverpflichtung um eine weitere Stunde zu reduzieren sei. Diese besonderen Erschwernisse seien auch bei der Anwendung des Brandbreitenmodells zu beachten.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe nach den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Bestimmungen der Verordnung zu § 93 Abs. 2 SchulG zutreffend die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden auf 26 festgesetzt. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sei der Zusatzurlaub tageweise zu gewähren. Im Übrigen bestehe auch keine besondere Dringlichkeit. Der Kläger hätte sein Begehren, das er seit einem halben Jahr verfolge, längst in einem Hauptsacheverfahren geltend machen können.

II.

A. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt worden.

B. Die sofortige Beschwerde ist aber nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, den Kläger im Schuljahr 2007/2008 wöchentlich mit 22 Unterrichtsstunden als Sportlehrer zu beschäftigen.

1. Der Kläger begründet sein Begehren damit, er sei im vorangegangenen Schuljahr mit 23 Unterrichtsstunden beschäftigt worden, die Lehrverpflichtung dürfe in diesem Schuljahr nicht höher sein, sondern sei im Gegenteil unter Gewährung des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte auf 22 Stunden zu reduzieren.

Dabei verkennt der Kläger sowohl den Inhalt seines Arbeitsvertrages und der darin in Bezug genommenen Bestimmungen für Lehrer an öffentlichen Schulen als auch den des gesetzlich geregelten Zusatzurlaubs.

a. Nach § 5 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19. Februar 1973 richtet sich der Umfang der Beschäftigung nach den für entsprechende hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen geltenden Bestimmungen.

Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass für Lehrer an öffentlichen Schulen in der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 Schulgesetz NRW vom 18. März 2005 (GVBl. NRW 2005, S. 218 ff.) der Umfang der Unterrichtsverpflichtung festgesetzt ist.

Danach gilt für Lehrer an Gymnasien grundsätzlich eine Lehrverpflichtung von 25,5 Stunden (§ 2 Abs. 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG). Die Pflichtstundenzahl ist erhöht worden im Zusammenhang mit der zum 1. Januar 2004 erfolgten Anhebung der Arbeitszeit der Landesbeamten. Diese Pflichtstundenzahl wird aus Altersgründen um bis zu 3 Stunden und bei einer Schwerbehinderung mit einem Grad von 50 um weitere 2 Stunden ermäßigt (§ 2 Abs. 2 und 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG).

Unter § 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG ist dem Schulleiter die Kompetenz eingeräumt worden, nach in der Lehrerkonferenz festgelegten Grundsätzen eine unterschiedliche zeitliche Inanspruchnahme von Lehrerinnen und Lehrern durch besondere schulische Aufgaben und besondere unterrichtliche Belastungen auszugleichen, wobei die Zahl der Unterrichtsstunden nach § 2 Abs. 1 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG um bis zu 3 Pflichtstunden überschritten werden kann.

Die Beklagte trägt vor, im A werde seit dem Schuljahr 2004/2005 die Pflichtstunden-Bandbreite angewandt. Danach habe sie unter Berücksichtigung eines sich aus den Vorjahren ergebenden Unterrichtsrückstandes die Lehrverpflichtung von 26 Stunden ermittelt.

Der Kläger wendet sich nicht gegen die Anwendung der Pflichtstunden-Bandbreite, sondern verweist auf sein Lebensalter und seine Schwerbehinderung, obwohl die Beklagte dargelegt hat, dass sie bei der Ermittlung der Stundenzahl die unter § 2 Abs. 2, 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG vorgesehenen Ermäßigungen aus Altersgründen und für Schwerbehinderte bereits berücksichtigt hat. Aus seinen Darlegungen ergeben sich auch keine begründeten Einwände gegen das Vorbringen der Beklagten, bei Anwendung der Pflichtstunden-Bandbreite sei gemäß § 2 Abs. 4 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG im Schuljahr 2007/2008 eine Unterschreitung der Pflichtstundenzahl aus dem vorangegangenen Schuljahr 2006/2007 auszugleichen.

Allerdings sei darauf hingewiesen, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 8. November 2006 - 5 AZR 5/06 - grundsätzliche Bedenken gegen die Pflichtstunden-Bandbreite im Hinblick auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geäußert hat. Sollte sich der Kläger darauf berufen und sollten diese Bedenken durchgreifen, so bliebe es bei einer nach § 2 Abs. 1 - 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG, nicht aber nach § 3 VO zu § 93 Abs. 2 SchulG zu ermittelnden Unterrichtsverpflichtung.

b. Auch für die Urlaubsansprüche des Klägers haben die Parteien im Arbeitsvertrag die Anwendung der Bestimmungen vereinbart, die für Lehrer an öffentlichen Schulen gelten.

Der Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX ist wie der Erholungsurlaub dazu bestimmt, das Erholungsbedürfnis des Schwerbehinderten zu befriedigen und die ohnehin durch die Behinderung gefährdete Arbeitskraft zu erhalten. Er unterliegt hinsichtlich der Entstehung und der Erfüllbarkeit den Vorschriften über den Haupturlaub (vgl. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Sozialgesetzbuch IX, 11. Aufl., § 125 Rdn. 6, 10 m.w.N.).

In § 6 Abs. 4 der geltenden Erholungsurlaubsverordnung NRW, die nach Nr. 5 Sonderregelung für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l I BAT) auch für die angestellten Lehrer anwendbar ist, ist bestimmt, dass Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen den Erholungsurlaub während der Schulferien erhalten. Dies gilt folglich auch für den Zusatzurlaub. Mit ihm wird - wie bereits ausgeführt - die Erholung von der geleisteten Arbeit bezweckt, während durch eine Arbeitszeitermäßigung die Belastung von vornherein verringert werden soll.

Nach alledem fehlt der erforderliche Verfügungsanspruch.

2. Es kann daher dahinstehen, ob auch der erforderliche Verfügungsgrund fehlt, weil der Kläger in Kenntnis der maßgeblichen Umstände zunächst untätig geblieben ist und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst im August 2007 gestellt hat, obwohl bereits im Februar 2007 die Beklagte erklärt hatte, sie werde den noch nicht verfallenen Zusatzurlaub 2006 und den Zusatzurlaub 2007 sowie - aus Kulanzgründen - 4 Zusatzurlaubstage aus den Jahren 2004 und 2005 dem Kläger nach dessen Genesung in den Schulferien gewähren (vgl. zur fehlenden Dringlichkeit: Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 940 Rdn. 5 m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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