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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.03.2007
Aktenzeichen: 9 Ta 480/06
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 23 Abs. 3 S. 2
Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts auf EUR 20.000,00 entspricht billigem Ermessen in einem Beschlussverfahren, mit dem ein örtlicher Betriebsrat geltend macht, eine abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung über Sanierungsbeiträge der Arbeitnehmer sei unwirksam, weil nicht der Gesamtbetriebsrat, sondern die örtlichen Betriebsräte für die in der Vereinbarung geregelten Gegenstände zuständig seien.
Tenor:

Die Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. und der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 28. November 2006 - 11 BV 75/06 - werden zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten haben über die Wirksamkeit einer zwischen der Beteiligten zu 2. (Arbeitgeberin) und dem Beteiligten zu 3. (Gesamtbetriebsrat) abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über Sanierungsbeiträge der Beschäftigten des Unternehmens gestritten. Zu dem Unternehmen gehören Werke in B , D und W sowie die Verwaltung in K , in denen jeweils Betriebsräte gebildet sind. Der Beteiligte zu 1. ist der in der Verwaltung in K gebildete Betriebsrat.

In der Betriebsvereinbarung ist u. a. festgelegt worden, dass übertarifliche Vergütungsbestandteile der Tarifbeschäftigten in 3 gleichen Teilen im Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2008 abgebaut werden und dass darüber hinaus die Tariferhöhungen der Jahre 2006 bis 2008 auf die übertariflichen Vergütungsbestandteile angerechnet werden. Für die außertariflichen Angestellten und die Managementangehörigen entfällt neben der für das Jahr 2006 vorgesehenen Entgelterhöhung auf Dauer das Weihnachts- und Urlaubsgeld bzw. das 13. Monatsgehalt. Während der Laufzeit der Vereinbarung sind betriebsbedingte Kündigungen oder die Schließung von Standorten nur mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats möglich.

Parallel zu dieser Betriebsvereinbarung wurde zwischen der IG Metall und den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen und Berlin/Brandenburg für die Beschäftigten in den Betrieben der Arbeitgeberin ein Sanierungstarifvertrag abgeschlossen, in dem u. a. bestimmt ist, dass das tarifliche Urlaubsgeld und die tarifliche Sonderzahlung in den Jahren 2006 bis 2008 gekürzt werden. Auch danach sind betriebsbedingte Kündigungen oder die Schließung von Standorten nur mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats möglich.

Der Beteiligte zu 1. hat geltend gemacht, die Betriebsvereinbarung sei unwirksam, weil der Gesamtbetriebsrat zum Abschluss weder nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig gewesen sei, noch eine Ermächtigung nach § 50 Abs. 2 BetrVG vorgelegen habe. Vielmehr seien die örtlichen Betriebsräte für die Regelung der Vergütungsstruktur zuständig. Hilfsweise hat er geltend gemacht, die Betriebsvereinbarung gelte jedenfalls nicht für die Mitarbeiter des Betriebes in K . Weiter hat er hilfsweise geltend gemacht, die Regelungen in der Betriebsvereinbarung über den Abbau der übertariflichen Vergütungsbestandteile der Tarifbeschäftigten und über den Wegfall der Entgelterhöhung für das Jahr 2006 und den dauerhaften Wegfall der Sonderzahlungen für AT-Angestellte gelte nicht für die Mitarbeiter des Betriebes in K . Zudem solle festgestellt werden, dass die Regelung dieser Entgeltbestimmungen nicht in die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats falle.

Die Beteiligten zu 2. und 3. haben demgegenüber den Standpunkt vertreten, der Gesamtbetriebsrat sei zum Abschluss der Betriebsvereinbarung zuständig gewesen.

Nachdem der Beteiligte zu 1. die Anträge zurückgenommen hat, hat das Arbeitsgericht den Gebührenstreitwert für das Verfahren auf EUR 20.000,00 festgesetzt. Dazu hat es ausgeführt, es habe sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit gehandelt. Angesichts der wirtschaftlichen Lage der Beteiligten zu 2. und im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit sei ein höherer Streitwert unangemessen.

Gegen den Beschluss haben sowohl die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. als auch die des Beteiligten zu 3. fristgerecht Beschwerde eingelegt.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. sind der Ansicht, der Gebührenstreitwert sei auf EUR 500.000,00 festzusetzen. Durch die Betriebsvereinbarung wolle die Beteiligte zu 2. Einsparungen in Millionenhöhe erreichen. Ihre wirtschaftliche Lage sei keinesfalls kritisch, zumal sie Tochtergesellschaft in einem internationalen Großkonzern sei.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 3. sind der Ansicht, es sei nicht um die Reichweite der Beteiligungsrechte des Betriebsrats gegangen, sondern um die Beseitigung der durch die Betriebsvereinbarung festgelegten Sanierungsbeiträge der Arbeitnehmer. Aus dem Grund sei ein erheblich höherer Gebührenstreitwert festzusetzen, der allerdings unter dem Höchstbetrag des § 23 Abs. 3 BetrVG liegen könne.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässigen Beschwerden sind unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat im Rahmen des billigen Ermessens den Streitwert zutreffend auf EUR 20.000,00 festgesetzt.

1. Die Bemessung des Streitwerts richtet sich nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Danach ist der Gegenstandswert auf EUR 4.000,00, je nach der Lage des Falles aber auch niedriger oder höher, jedoch nicht über EUR 500.000,00 festzusetzen, sofern es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Davon ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommt (vgl. BAG, Beschluss vom 9. November 2004 - 1 ABR 11/02 (A) NzA 2005, S. 70 f.; Wenzel in GK-ArbGG, § 12 Rdn. 445).

2. Hier liegt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, weil es vornehmlich um die Teilhabe des antragstellenden Betriebsrats an der Gestaltung des betrieblichen Geschehens geht.

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28. Dezember 2005 sei unwirksam, weil nicht der Gesamtbetriebsrat, sondern die örtlichen Betriebsräte für die in der Vereinbarung geregelten Gegenstände zuständig seien.

Damit ging es nicht um die Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen, die auf Geld oder geldwerte Leistungen gerichtet sind, sondern um das Bestehen seiner Beteiligungsrechte. Ohnehin können die möglichen Folgen der begehrten Feststellung für Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ein Feststellungsinteresse des Betriebsrats nicht begründen, da er lediglich eigene Ansprüche oder Rechtspositionen gerichtlich klären lassen kann (vgl. BAG, Beschluss vom 9. Dezember 2003 - 1 ABR 44/02 -). Dementsprechend war auch die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten auf die Zuständigkeitsfrage gerichtet (vgl. dazu auch: LAG Düsseldorf JurBüro 1989, S. 796; Wenzel in GK-ArbGG, § 12 Rdn. 470).

Bei einem Obsiegen des Betriebsrats wäre die Regelung auf die Ebene der örtlichen Betriebsräte verlagert worden, die ihrerseits für die betroffenen Arbeitnehmer ggf. in einem Einigungsstellenverfahren tätig geworden wären. Es ist nicht auszuschließen, dass dabei Betriebsvereinbarungen mit ähnlichen Folgen für die Arbeitnehmer zustande gekommen wären. Dafür spricht jedenfalls der Umstand, dass der Betriebsrat das Beschlussverfahren "unter Zurückstellung eigener Interessen mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Gesamtsituation der beteiligten Arbeitgeberin" für erledigt erklärt hat.

3. Innerhalb des nach § 23 Abs. 2 S. 2 RVG vorgegebenen Bewertungsrahmens ist der Streitwert nach Lage des Falles zu bestimmen, wobei es neben der Bedeutung der Angelegenheit auch auf den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ankommt (vgl. LAG Köln, Beschlüsse vom 31. Juli 2003 - 3 Ta 180/03 - und vom 10. Juni 2005 - 9 Ta 34/05 -; Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, § 12 Rdn. 220). Dabei ist aber auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die der Arbeitgeberin gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 17. August 2006 - 13 Ta 179/06 -; Wenzel in GK-ArbGG, § 12 Rdn. 443 f.)

4. Ausgehend davon ist es nicht zu beanstanden, wenn das Arbeitsgericht den Streitwert in Höhe des 5-fachen Ausgangswerts bemessen hat.

Dem Betriebsrat lag daran, sein Mitbestimmungsrecht bei der Kürzung von Vergütungsbestandteilen geltend zu machen. Der Streit hatte für ihn schon angesichts der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und der erheblichen finanziellen Einschnitte für diese Mitarbeiter eine weit überdurchschnittliche Bedeutung. Aus den gleichen Gründen war die Rechtssache auch für die Arbeitgeberin und den Gesamtbetriebsrat von herausgehobener Wichtigkeit. Zumindest über die Beteiligung der Angestellten im K Betrieb an der Unternehmenssanierung hätte bei einem Obsiegen des Betriebsrats eine neue Vereinbarung herbeigeführt werden müssen, ggf. im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens. Die anwaltliche Tätigkeit war überdurchschnittlich umfangreich und schwierig, weil Begründung und Entwicklung der zu kürzenden Leistungen aufwändig erarbeitet und auf ihre rechtliche Tragweite hin geprüft werden musste.

Der Regelstreitwert ist somit nach der "Lage des Falles" nicht angemessen. Vielmehr ist es gerechtfertigt, ihn deutlich höher mit EUR 20.000,00 zu bemessen, ohne dass es dabei zu einer unangemessenen Belastung der Arbeitgeberin kommt.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

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