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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: 1 SHa 27/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht München Beschluss

1 SHa 27/08

In Sachen

erlässt das Landesarbeitsgericht München durch die Vorsitzende der Kammer 1, die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Mack, am 28. Oktober 2008 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht München bestimmt.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine von der Beklagten ausgesprochene Kündigung zum 30.04.2008 des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses, das der Kläger als Arbeitsverhältnis, die Beklagte als Dienstverhältnis ansieht. Im Wege der Klageerweiterung verlangt der Kläger überdies die Zahlung des Aprilgehalts und die Übertragung von Gesellschaftsanteilen. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass für den Kündigungsschutzantrag die Rechtswegzuständigkeit zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist.

Der Kläger hat mit seiner Kündigungsschutzklage das Arbeitsgericht München angerufen und zur Rechtswegzuständigkeit und örtlichen Zuständigkeit u.a. geltend gemacht, dass er für die Beklagte weisungsgebunden in München in den Büroräumen der Beklagten in der H.Straße in M. tätig gewesen sei, eine Firmenvisitenkarte habe benützen müssen, die M. als operativen Einsatzort ausgewiesen und seine Telefon-Durchwahlnummer im Münchner Büro angegeben habe. Auch wohne er in M. und habe von M. aus auswärtige Arbeitseinsätze angetreten.

Die Beklagte hat diesen Vortrag teils bestritten, teils als irrelevant zurückgewiesen.

Das Arbeitsgericht München hat sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hamburg verwiesen, in dessen Gerichtsbezirk die Beklagte ihren Sitz hat. Als Begründung hat es angeführt, dass es auf der dürftigen Grundlage des klägerischen Tatsachenvortrags eine Zuständigkeit nach § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG nicht festzustellen vermöge.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat sich nach Gewährung rechtlichen Gehörs ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Landesarbeitsgericht München zur Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts vorgelegt. Seiner Auffassung nach ist der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts München offensichtlich gesetzeswidrig und deshalb nicht bindend.

München sei als Gerichtsstand des Arbeitsorts gemäß § 48 Abs. 1 a Satz 1 ArbGG zuständig, dessen Voraussetzungen vom Vorsitzenden des dortigen Gerichts weder erkannt noch erörtert worden seien. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22.09.2008 (Bl. 130 - 137 d.A.) Bezug genommen.

II.

Zuständig ist das Arbeitsgericht München. Dessen Verweisungsbeschluss war für das Arbeitsgericht Hamburg nicht bindend.

1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind erfüllt, weil sich die Arbeitsgerichte München und Hamburg rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

2. Dem Bestimmungsverfahren steht nicht entgegen, dass außer der örtlichen Zuständigkeit auch die Rechtswegzuständigkeit für die Klageerweiterungsanträge klärungsbedürftig ist. Sie ist jedenfalls für den hier allein zur Entscheidung stehenden Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage gegeben. Für diesen Fall, in dem nicht nur die Rechtswegzuständigkeit, sondern auch der Erfolg der erhobenen Klage vom Arbeitnehmerstatus der Klagepartei abhängt, reicht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die bloße Rechtsbehauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Begründung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus (BAG vom 24.04.1996, AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung). Da die Parteien die Rechtswegzuständigkeit in Bezug auf die Kündigungsschutzklage nicht gerügt haben, hat kein zwingender Vorabbeschluss über die Rechtswegzuständigkeit - der vom Arbeitsgericht München als Kammerbeschluss nach § 17 a Abs. 4 GVG i.V. mit § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG getroffen werden müsste -, zu erfolgen. Ob das Arbeitsgericht München, was hier im Hinblick auf die Klageerweiterungsanträge sinnvoll sein könnte, insgesamt einen rechtsmittelfähigen Vorabbeschluss über die Rechtswegzuständigkeit nach § 17 a Abs. 3 Satz 1 GVG erlässt, steht im richterlichen Ermessen.

3. Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das verwiesen wird, grundsätzlich bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG i.V. mit § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG. Eine Ausnahme erkennt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung nur für offensichtlich gesetzwidrige Verweisungen an. Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluss (nur) dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefasst ist oder auf der Versagung des rechtlichen Gehörs beruht (BAG vom 19.03.2003, NZA 2003, 683 m.w.N. auf die Senatsrechtsprechung).

4. Dem vorgelegten Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts München liegt eine krasse Rechtsverletzung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde, die die Durchbrechung der gesetzlich vorgegebenen Bindungswirkung gebietet.

a) Der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts München ist nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern objektiv willkürlich im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach liegt Willkür u.a. dann vor, wenn das Gericht für jeden Kundigen offensichtlich einschlägige Rechtsnormen nicht prüft und anwendet und/oder ohne Auseinandersetzung mit der - soweit vorhanden - einschlägigen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur und ohne eigene Begründung von einem dem Wortlaut nach gegebenen Tatbestandsmerkmal einer Norm abweicht (vgl. BVerfG vom 24.09.2002, NJW 2003, 502).

b) Das Arbeitsgericht München hat sich mit der von Amts wegen zu prüfenden Frage, ob als Gerichtsstand der Gerichtsstand des Arbeitsorts nach § 48 Abs. 1 a Satz 1 ArbGG in Betracht kommt, überhaupt nicht befasst, insbesondere keinerlei Ausführungen darüber getroffen, was als "gewöhnlicher Arbeitsort" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Gerade bei einer Vorschrift, für deren Auslegung noch keine gefestigte (höchstrichterliche) Rechtsprechung vorliegt, hätte es als Voraussetzung für die Subsumtion zur Ermittlung des Begriffs "gewöhnlicher Arbeitsort" entweder auf die Auslegung vergleichbarer Vorschriften (z.B. Art. 19 Nr. 2 a EuGVVO Nr. 44 vom 22.12.2000) oder auf die Gesetzesmaterialien (Gesetzesbegründung BR-Dr 820/07 S. 31/32) zurückgreifen oder zumindest eine eigene, wenn schon nicht überzeugende, so doch nachvollziehbare Begründung anführen müssen. Aus den Gesetzesmaterialien hätte sich ihm erschlossen, dass der Gesetzgeber eine räumliche Verfestigung der Betriebsstruktur des Arbeitgebers nicht für notwendig erachtet und es auch für unerheblich ansieht, ob und von wo aus Arbeitsanweisungen erteilt werden.

c) Auch die Begründung "auf dieser dürftigen Grundlage vermag das Gericht eine Zuständigkeit nach § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG nicht festzustellen," genügt den von Bundesarbeitsgericht und Bundesverfassungsgericht übereinstimmend aufgestellten Anforderungen an eine rechtsstaatlich einwandfreie Entscheidung nicht. Wenn dem Gericht der Vortrag für eine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage nicht ausreicht, hat es einen Hinweis nach § 139 ZPO zu erteilen; dies gilt auch und gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Parteien mangels einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung den Umfang der von ihnen geforderten Darlegungs- und Beweislast noch nicht kennen können.

Bereits nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ist für die dem Bestimmungsverfahren zugrunde liegende Rechtsstreitigkeit der Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsorts nach § 48 Abs. 1 a Satz 1 ArbGG gegeben. Auf die ausführliche Begründung im Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg (unter I. (2.) bb) der Gründe) wird Bezug genommen.

5. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht statthaft, § 37 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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