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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 1241/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613a Abs. 1
1. Auch nach Aufgabe des Merkmals der eigenwirtschaftlichen Nutzung für einen Betriebsübergang (EuGH v. 15.12.2005 - DB 2006, 395; BAG v. 6.4.2006 - NZA 2006, 723) ist jedenfalls die tatsächliche Weiterführung der Geschäftstätigkeit durch den Betriebserwerber sowie die eigenständige Nutzung der wesentlichen Betriebs- mittel durch den Erwerber nach wie vor Voraussetzung für einen Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 BGB.

2. Die tatsächliche Inhaberschaft, die mit der Verantwortung für den Betrieb verbunden sein muss, wechselt nicht ohne Herrschaftsaufgabe des bisherigen Inhabers an den Betriebsmitteln.

3. Eine Herrschaftsaufgabe an den Betriebsmitteln kann noch nicht angenommen werden, wenn ein Kaufvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wurde, die noch nicht eingetreten ist.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 1241/05

Verkündet am: 19. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Zehnte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landes- arbeitsgericht Moeller sowie die ehrenamtlichen Richter Claudia Raum und Erwin Fischer für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 09.11.2005 (Az.: 38 Ca 1549/05) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.12.2004 bis 25.01.2005. Streitig ist dabei insbesondere, ob für diesen Zeitraum zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsüberganges begründet wurde.

Der 1946 geborene Kläger war seit Januar 1994 bei der Fa. GmbH als Werkzeugmacher beschäftigt. Er erzielte dabei zuletzt bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden einen Stundenlohn von EUR 15,10 brutto.

Am 01.08.2004 wurde über das Vermögen der Fa. GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser führte den Betrieb fort und bezahlte an den Kläger dessen Vergütung bis November 2004.

Am 29.11.2004 schlossen der Insolvenzverwalter sowie die Fa. GmbH & Co. KG i.G., vertreten durch die GmbH i.G., vertreten durch den Geschäftsführer (Beklagten) einen Kaufvertrag (Bl. 112 bis 117 d.A.) in dem es u.a. wie folgt heißt:

§ 1

Präambel

Über das Vermögen der Fa. GmbH wurde am 01.08.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Seitdem betreibt der Verkäufer das Unternehmen weiter.

Der Käufer möchte im Wege der übertragenden Sanierung den Geschäftsbetrieb mit allen dazugehörigen Wirtschaftsgütern der Fa. GmbH übernehmen.

Dies vorausgeschickt, treffen die Parteien folgende Vereinbarung:

§ 2

Kaufgegenstand

1.

Der Kaufgegenstand ist in Anlage 1 zu diesem Vertrag niedergelegt.

2.

Kaufgegenstand ist weiter der Kundenstamm und der gesamte Goodwill des Verkäufers.

3.

Ebenfalls ist Kaufgegenstand der gesamte Auftragsbestand des Verkäufers zum Übergabestichtag.

. . .

§ 3

Kaufpreis

Der Kaufpreis wird wie folgt aufgeteilt:

. . .

Gesamtkaufpreis EUR ..

. . .

Der Kaufpreis ist wie folgt fällig:

Er ist vor dem 08.12.2004 auf nachfolgendes Insolvenzkonto einzuzahlen, wobei es auf die Gutschrift auf dem Konto ankommt.

. . .

Dieser Vertrag wird erst wirksam, wenn der Käufer den gesamten Kaufpreis fristgerecht gezahlt hat.

. . .

§ 5

Betriebsübergang/Stichtag

Die Kaufgegenstände gem. § 2 und der Betrieb des Verkäufers gehen mit Stichtag vom 01.12.2004 auf den Käufer über.

. . .

§ 6

Die Käuferin übernimmt sämtliche von dem Verkäufer bestellte Ware.

. . .

Ebenfalls übernimmt die Käuferin den gesamten Warenbestand,

. . .

§ 7

Geschäftsräume

Die Käuferin beabsichtigt, mit den Vermietern des Verkäufers (drei dem Käufer bekannte Anwesen) einen neuen Mietvertrag abzuschließen.

. . .

Bereits im November 2004 richteten der Insolvenzverwalter sowie die Fa. GmbH & Co. KG i.G. ein Rundschreiben an die Geschäftspartner des Unternehmens (Bl. 7 d.A.), in dem es wie folgt lautet:

Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, dass der Fortbestand des Unternehmens mit seinen Mitarbeitern gewährleistet ist und die Geschäfte ab 01.12.2004 unter geänderter Geschäftsleitung weitergeführt werden.

Die neue Firmierung lautet:

GmbH & Co. KG mit Firmensitz wie bisher ..

. . .

Die bestehenden Aufträge werden durch das Nachfolge-Unternehmen übernommen und termingerecht zur Auslieferung gebracht...

Nach der übertragenen Sanierung durch den Insolvenzverwalter Rechtsanwalt übergibt er die GmbH zum 01.12.2004.

. . .

Der Kaufpreis wurde in der Folgezeit nicht entrichtet. Der Insolvenzverwalter richtete daraufhin eine E-mail an den Beklagten (Bl. 13 d.A.), in der es u.a. wie folgt heißt:

. . .

Der Betrieb wird von mir am Montag, den 20.12.2004, stillgelegt, falls das Geld bis 12.00 Uhr an diesem Tag nicht eingegangen ist. Die Schadenersatzansprüche werde ich später beziffern.

. . .

Nachdem auch in dieser Frist der Kaufpreis nicht bezahlt wurde, kündigte der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 21.12.2004 (Bl. 4 d.A.) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.03.2005. Jedenfalls ab dem 21.12.2004 wurde der Betrieb nicht mehr fortgeführt.

Der Kläger hat vorgetragen, ab 01.12.2004 habe die GmbH & Co. KG i.G. den Betrieb der Gemeinschuldnerin fortgeführt, so dass sie auch den Anspruch des Klägers auf Vergütung für die Zeit von Dezember 2004 bis Januar 2005 zu erfüllen habe. Dafür hafte der Beklagte auch persönlich. Denn den Kaufvertrag hinsichtlich des Betriebs der Gemeinschuldnerin habe der Beklagte unterschrieben und habe sich auch im Betrieb als neuer Arbeitgeber in einer Betriebsversammlung vom November 2004 vorgestellt. Der Beklagte habe zum 01.12.2004 die Leitungsmacht übernommen. Anweisungen im Betrieb seien ab diesem Zeitpunkt ausschließlich durch den Beklagten erfolgt. Auch habe der Beklagte bereits am 29.10.2004 und 15.11.2004 an Besprechungsterminen bei Kunden der Gemeinschuldnerin teilgenommen und sich dabei als neuer Betriebsinhaber vorgestellt bzw. erklärt, dass er den Betrieb übernehme. Er habe zudem Bestellungen für den Betrieb vorgenommen und ab 01.12.2004 den kaufmännischen Leiter der Gemeinschuldnerin für weitere Bestellungen ermächtigt. Er habe weiter die Anweisung erteilt, dass Angebote der Gemeinschuldnerin mit dem Namen i.G. zu unterzeichnen seien und habe einen Arbeitsvertrag mit einem neuen Mitarbeiter selbst und mit anderen Mitarbeitern durch den kaufmännischen Leiter unterzeichnen lassen. Er habe weiter ein Mietvertragsangebot vom 29.11.2004 für das Betriebsgrundstück angenommen und habe den kaufmännischen Leiter Bestellungen und Aufträge an Handwerker erteilen lassen. Rechnungen seien ab 01.12.2004 auf Weisung des Beklagten auf dem Briefkopf der KG i.G. ausgestellt worden und er habe auch von einer Auslandsreise aus jeden 2. Tag Anweisungen erteilt. Der kaufmännische Leiter der Beklagten sei Ende Dezember 2004/Anfang Januar 2005 angewiesen worden, Informationen über die wirtschaftliche Situation zusammenzustellen und zudem am 02.01.2005 angewiesen worden, Unterlagen zu holen. Diesem sowie Herrn Deckner seien auch mehrere E-mails übersandt worden. Auch mit dem Leiter der IT-Abteilung sei der Beklagte in Kontakt gestanden und habe sich vom Projektleiter über den Betriebsverlauf informieren lassen. Schließlich habe der Beklagte auch Umzugs- und Umbauarbeiten überwacht, so dass davon auszugehen sei, dass der Beklagte ab 01.12.2004 die Leitungsmacht übernommen habe. Der Insolvenzverwalter habe keinerlei Leitungsmacht mehr ausgeübt. Daher sei der Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die Zeit bis 25.01.2005 den Lohn zu bezahlen. Bei einem Stundenlohn von EUR 15,10 ergebe sich danach ein Anspruch in Höhe von EUR 4.952,72 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 1.554,80 netto.

Der Kläger hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 4.952,72 bruttoo abzüglich EUR 1.554,80 nett zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 2.380,52 ab 01.01.2005 und aus EUR 619,60 ab 27.01.2005 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein Anspruch des Klägers könne schon nicht gegen den Beklagten bestehen. Denn es sei zwar richtig, dass eine Übernahme der Gemeinschuldnerin durch die Fa. GmbH & Co. KG i.G. geplant gewesen war, mit der auch der Kaufvertrag geschlossen wurde. Dann hafte aber der Beklagte schon deshalb nicht, weil die Fa. GmbH & Co. KG auch unter der Bezeichnung GmbH & Co. KG in das Handelsregister eingetragen worden sei, wie sich aus einem Auszug vom 04.05.2005 (Bl. 32 d.A.) ergebe. Der Kaufvertrag sei dann aber nicht zustande gekommen, weil es dem Beklagten nicht gelungen sei, alle Investoren zum Einstieg zu bewegen. Da der Kaufvertrag nicht zustande gekommen sei, sei jedenfalls auf den Beklagten auch nichts übergegangen. Er habe über nichts verfügen können. Richtig sei zwar, dass schon vor Abschluss des Kaufvertrages Gespräche mit Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin und auch Kunden stattgefunden haben. Der Beklagte habe sich über die wirtschaftliche Situation der Gemeinschuldnerin schließlich informieren müssen, bevor er sich entscheidet, das Unternehmen zu erwerben. Dazu sei es aber nie gekommen. Der Beklagte habe nie eine Leitungsmacht ausgeübt oder auch nur Weisungen erteilt, Bestellungen aufgegeben oder Verträge unterzeichnet. Dies gelte gerade auch für einen Mietvertrag, wie sich aus dem nie unterzeichneten Mietvertragsentwurf und dem Schreiben des Vermieters vom 02.12.2004 (Bl. 34 - 40 d.A.) ergebe. Zur Führung des Betriebs sei der Beklagte gar nicht in der Lage gewesen. Eine Übertragung in tatsächlicher Hinsicht habe nie stattgefunden. Schließlich habe auch der Insolvenzverwalter den Betrieb stillgelegt.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 09.11.2005 die Klage abgewiesen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 14.11.2005 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 12.12.2005 bei dem Landesarbeitgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und sein Rechtsmittel durch einen am 13.02.2006 innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsschrift eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt vor, der Beklagte hafte sehr wohl persönlich für die Lohnansprüche des Klägers, weil nur die Fa. GmbH & Co. KG ins Handelsregister eingetragen wurde, die aber nicht Vertragspartner des Insolvenzverwalters gewesen sei. Dass die Fa. GmbH & Co. KG i.G. in die Fa. GmbH & Co. KG umfirmiert worden sei, ergebe sich nicht einmal aus dem Gesellschaftsvertrag und dessen Änderung (Bl. 145 bis 148 d.A.). Im Übrigen hafte der Beklagte auch deshalb persönlich, weil ihm der Betrieb übergeben worden sei und er persönlich aufgetreten sei.

Der Kläger beantragt:

1. Das Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 09.11.2005 (Az.: 38 Ca 1549/05) wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 4.952,72 brutto abzüglich EUR 1.554,80 netto zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 2.380,52 seit 01.01.2005 und aus EUR 619,60 seit 27.01.2005 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, es fehle bereits an einer persönlichen Haftung des Beklagten. Die Fa. GmbH & Co. KG i.G. sei unter dem Namen GmbH & Co. im Handelsregister eingetragen worden. Unter diesem Namen habe diese auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 25.01.2005 vorsorglich mit sofortiger Wirkung gekündigt. Dagegen habe der Kläger keine Klage erhoben.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 13.02.2006 (Bl. 108 - 111 d.A.) und 10.04.2006 (Bl. 143/144 d.A.), des Beklagten vom 21.03.2006 (Bl. 125/126 d.A.) vom 12.05.2006 (Bl. 149/150 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 14.06.2006 (Bl. 153/154 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.12.2004 bis 25.01.2005 in Höhe von EUR 4.952,72 abzüglich EUR 1.554,80 gem. § 611 Abs. 1 BGB zu. Denn der Beklagte hat den Betrieb der Fa. GmbH nicht durch Rechtsgeschäft im Sinne von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übernommen.

1. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann es daher dahinstehen, ob die Klage schon deshalb unbegründet ist, weil jedenfalls eine persönliche Haftung des Beklagten nicht in Betracht kommt, weil die Fa. GmbH & Co. KG i.G. in die Fa. GmbH & Co. KG umfirmiert und als solche ins Handelsregister eingetragen wurde, wie das Arbeitsgericht angenommen hat. Ist dies der Fall, wäre zwar eine persönliche Haftung des Beklagten nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen, weil der Kaufvertrag mit dem Insolvenzverwalter vom 29.11.2004 durch den Beklagten ausdrücklich als Geschäftsführer geschlossen worden ist und damit nur Rechte und Pflichten im Namen der Vorgesellschaft begründet wurden (vgl. LAG Berlin DB 1988, 1400). Darauf kommt es jedoch deshalb nicht an, weil weder der Beklagte selbst noch die Fa. GmbH & Co. KG i.G. den Betrieb der Gemeinschuldnerin im Sinne von § 613a Abs. 1 BGB übernommen haben, so dass ein Arbeitsverhältnis des Klägers mit diesen auch nicht begründet wurde.

2. Ein Betriebsübergang i.S.v. § 613 a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob ein wesentlich unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, in betriebsmittelarmen Betrieben die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit. Dabei darf eine Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines übergangsmaßgeblichen Kriteriums kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch eine nach Zahl- und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das der Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat. Dagegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer keinen Betriebsübergang dar (BAG ständige Rechtsprechung, etwa: vom 27.10.2005 - 8 AZR 45/05).

In betriebmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH vom 20.11.2003 - NZA 2003, 1385). Der Betriebsübergang tritt dabei mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen. Die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung des Betriebs genügt für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht. Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs dagegen nicht (vgl. BAG vom 06.04.2006 - NZA 2006, 723).

3. Nach diesen Grundsätzen hat weder der Beklagte noch die Fa. Entwicklung GmbH & Co. KG i.G. den Betrieb der Gemeinschuldnerin übernommen.

a) Zwar folgt dies noch nicht daraus, dass der Kaufvertrag zwischen der Fa. GmbH & Co. KG i.G. und dem Insolvenzverwalter unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des gesamten Kaufpreises geschlossen wurde, die unstreitig nicht eintrat und damit der Vertrag nicht wirksam werden konnte (§ 158 Abs. 1 BGB). Der Übergang von Betriebsmitteln durch Rechtsgeschäft setzt weder die Wirksamkeit eines geschlossenen Vertrages noch das Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen früheren und neuem Betriebsinhaber überhaupt voraus (vgl. EuGH DB 1996, 683; BAG vom 06.02.1985 - AP Nr. 44 zu § 613a BGB). Ausreichend ist, dass die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt. Dabei ist unerheblich, ob auch das Eigentum an dem Betrieb oder Betriebsteil auf den Erwerber übertragen wird. Auch ist eine unmittelbare Übertrag zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber der Wirtschaftseinheit nicht erforderlich. Es reicht vielmehr aus, dass die Übertragung mittelbar über einen Dritten erfolgt (vgl. Wank DB 1997, 1229). Einem Betrieb sind dabei auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser aufgrund einer mit Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung seiner Betriebszwecke einsetzen kann. Die Nutzungsvereinbarung kann dabei als Pacht, Nießbrauch oder als untypischer Vertrag ausgestaltet sein (vgl. BAG vom 06.04.2006 - NZA 2006, 723). Dass es zwischen der Fa. GmbH & Co. KG i.G. und dem Insolvenzverwalter an einem Vertrag fehlt, muss einem Betriebsübergang daher noch nicht entgegenstehen.

b) Für die Annahme eines Betriebsübergangs fehlt es im vorliegenden Fall aber an einer tatsächlichen Übertragung von Betriebsmitteln, die eine wirtschaftliche Einheit darstellen.

aa) Zwar hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.12.2005 (Güney-Görres/Demir - NJW 2006, 889) ausgeführt, dass es für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht darauf ankommt, ob Betriebsmittel bei Übertragung einer Tätigkeit auf einen neuen Auftragnehmer diesem gleichzeitig zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden. Da für die Beurteilung, ob eine wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität auf einen anderen Inhaber übergeht, die Frage des Eigentums an den Betriebsmitteln nicht entscheidend sei, könne auch der Umstand, dass die von dem neuen Auftragnehmer übernommenen Betriebsmittel nicht dem Vorgänger gehörten, sondern diesen vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden, nicht zum Ausschluss eines Unternehmens- oder Betriebsübergangs führen. Daher kommt es nach Ansicht des EuGH auch nicht entscheidend darauf an, ob ein Auftragnehmer eine eigenwirtschaftliche Nutzung der von ihm übernommenen Betriebsmittel vornimmt. Eine solche Eingrenzung ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Richtlinie 2001/23/EG noch aus ihren Zielen, nämlich dem Schutz der Arbeitnehmer bei einem Unternehmens- oder Betriebswechsels und der Verwirklichung des Binnenmarktes.

bb) Demgemäß hat auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 06.04.2006 (NZA 2006, 725) ausgeführt, dass das Merkmal der eigenwirtschaftlichen Nutzung keine notwendige Voraussetzung für die Feststellung des Übergangs sächlicher Betriebsmittel vom ursprünglichen Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer ist. Verzichtet man aber schon auf ein direktes und wirksames Rechtsgeschäft zwischen bisherigen Betriebsinhaber und Übernehmer und müssen die Betriebsmittel auch nicht zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, muss schon um dem Wort "Übergang" Genüge zu tun, wenigstens vorausgesetzt werden, dass Betriebsmittel überhaupt übergehen. Entscheidend ist demnach nach wie vor die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit durch den Betriebserwerber sowie die eigenständige Nutzung der wesentlichen Betriebsmittel durch die betriebliche Organisation der Erwerbers (vgl. Bonanni/Tenbrock ArbRB 2006, 207).

cc) Wesentlich für einen Betriebsübergang ist daher jedenfalls nach wie vor, dass wenigstens Betriebsmittel tatsächlich übergehen, der bisherige Betriebsinhaber seine wirtschaftliche Betätigung einstellt und der neue Betriebsinhaber eine betriebliche Tätigkeit entfaltet (vgl. BAG vom 18.03.1999 - AP Nr. 189 zu § 613a BGB).

(1) Wesentliches Kriterium für den Übergang ist auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs daher die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit beim Wechsel der natürlichen oder juristischen Person, die für den Betrieb verantwortlich ist (vgl. BAG vom 18.03.1999 - a.a.O. m.w.N. aus der Rspr. des EuGH). Ein Betriebsübergang liegt nur vor, wenn der Betrieb auch tatsächlich fortgeführt wird (vgl. EuGH vom 19.09.1995 - AP Nr. 133 zu § 613a BGB).

(2) Dies ist nicht der Fall. Auf den Beklagten ist nie tatsächlich irgendein Betriebsmittel übergegangen. Irgendein Übertragungsakt ist nie erfolgt. Dies wird schon daraus deutlich, dass auch nach Nichtbegleichung des Kaufpreises durch den Beklagten keinerlei Rückübertragung auf den Insolvenzverwalter erfolgt ist, der trotzdem in der Lage war, unverzüglich den Betrieb stillzulegen. Erst Recht haben weder der Beklagte als die nun für den Betrieb verantwortliche Person eine Geschäftstätigkeit entfaltet noch der Insolvenzverwalter seine Betätigung im Betrieb eingestellt.

(a) Auch wenn der Beklagte sich tatsächlich in den gut zwei Wochen des Schwebezustand des Kaufvertrags wie ein Inhaber geriert haben mag, bedeutet dies noch lange nicht, dass er auch tatsächlich die für den Betrieb verantwortliche Person war. Weder der, der einen Betrieb mit Genehmigung des tatsächlichen Inhabers führt, noch derjenige, der sich nur als Inhaber aufspielt, übernehmen damit auch den Betrieb im Sinne von § 613a BGB. Kann derjenige über die Frage, ob Betriebsmittel überhaupt tatsächlich genutzt werden, gar nicht entscheiden, können ihm solche auch nicht als eigene zugerechnet werden (vgl. BAG vom 11.12.1997 - AP Nr. 171 zu § 613a BGB). Dabei kommt hinzu, dass Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebes bis zur Entscheidung der Frage, ob der Betrieb überhaupt fortgeführt werden kann, die aber erst nach Bezahlung des Kaufpreises getroffen werden konnte, ohnehin noch keine unternehmerische Fortführung des Betriebs darstellen sondern eher als Erhaltungsmaßnahmen anzusehen sind, die die spätere Fortführung des Betriebs erst ermöglichen sollen.

(b) Hinzu kommt, dass der Insolvenzverwalter auch tatsächlich seine wirtschaftliche Betätigung im Betrieb nicht eingestellt hat. Auch dies wird durch den Umstand belegt, dass der Insolvenzverwalter nach der nicht erfolgten Entrichtung des Kaufpreises den Betrieb stillgelegt und die Betriebsmittel verwertet hat, was bei einer vorhergehenden Übertragung der Betriebsmittel auf den Beklagten nicht ohne dessen Zustimmung hätte geschehen können. Danach ist schon davon auszugehen, dass es für einen Betriebsübergang an der tatsächlichen Übertragung von Betriebsmitteln fehlt.

(c) Unabhängig davon hat der Beklagte auch nicht die Führung des Betriebs der Gemeinschuldnerin übernommen.

(aa) Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es daneben nicht. Allerdings tritt kein Wechsel der Inhaberschaft ein, wenn der neue Inhaber den Betrieb gar nicht führt (vgl. BAG vom 18.03.1999 - AP Nr. 189 zu § 613a BGB; BAG vom 12.11.1998 - AP 186 zu § 613a BGB).

(bb) Die Führung des Betriebs durch den neuen Inhaber setzt voraus, dass er wenigstens in der Lage ist, den Betrieb mit eigenen Betriebsmitteln zu leiten. Erst ab diesem Zeitpunkt geht die tatsächliche Inhaberschaft, die mit der Verantwortung für den Betrieb verbunden sein muss, vom Veräußerer auf den Erwerber über (vgl. EuGH vom 26.05.2005 - NZA 2005, 681). Selbst wenn sich daher eine Person bereits wirtschaftlich betätigt, bevor die entsprechende Vereinbarung zum Übergang der Verantwortung für die Betriebseinheit verbindlich getroffen ist, kann noch kein Betriebsübergang vorliegen (vgl. BAG vom 22.03.2001 - AP Nr. 59 zu Art. 101 GG zu B II 1 b der Gründe). Ist durch den wahren Berechtigten nur eine Nutzung der Betriebsmittel in dessen Interessen gestattet, ist das noch keine Wechsel der Inhaberschaft (vgl. BAG vom 12.11.1998 - AP Nr. 4 zu § 613 BGB). Ohne Herrschaftsaufgabe des bisherigen Inhabers an den Betriebsmitteln gibt es keinen Inhaberwechsel (vgl. Commandeur/ Kleinebrink NZA-RR 2004, 449 m.w.N.). Einer Herrschaftsaufgabe des Insolvenzverwalters an den Betriebsmitteln vor Entrichtung des Kaufpreises durch den Beklagten oder die Fa. Entwicklung GmbH & Co. KG i.G. steht aber § 3 des Kaufvertrages vom 29.11.2004 entgegen.

Fehlt es nach alldem an einer Übertragung des Betriebs der Fa. GmbH auf den Beklagten, gibt es für einen Lohnanspruch des Klägers gegen den Beklagten keine Rechtsgrundlage.

III.

Die Berufung des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kammer hat die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für den Kläger zugelassen.

Ende der Entscheidung

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