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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 14.09.2005
Aktenzeichen: 10 TaBV 11/04
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 103 Abs. 1
BetrVG § 21 Satz 2
BetrVG § 24 Nr. 1
BetrVG § 25 Abs. 1 Satz 1
1. Verliert ein Betriebsratsmitglied seinen Sonderkündigungsschutz während eines laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens, kann das Beschlussverfahren nicht fortgesetzt werden. Wird es nicht für erledigt erklärt, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen. 2. Wird das betroffene Betriebsratsmitglied bei einer Neuwahl zum Ersatzmitglied gewählt und rückt es einige Zeit nach der Neuwahl für ein ausscheidendes Mitglied nach, kann auch in diesem Fall ein bisher nicht beendetes Zustimmungsersetzungsverfahren nicht fortgeführt werden.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

10 TaBV 11/04

Verkündet am: 14.09.05

In dem Beschlußverfahren

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der Anhörung vom 14.09.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller sowie die ehrenamtlichen Richter Bernd Kück und Ilona Hinzmann beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss Arbeitsgerichts München vom 7.2.2001 (Az. : 2a BV 110/00) wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird für alle Beteiligten zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats (Beteiligten zu 2) zu einer fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist des Betriebsratsmitglieds R. (Beteiligter zu 3).

Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 1 und Antragsteller) ist eine politische Stiftung, die sich nach ihrer Satzung (Bl. 140 - 144 d.A.) die Förderung der demokratischen und staatsbürgerlichen Bildung der Bevölkerung auf christlicher Grundlage zum Ziel gesetzt hat. Zweck des Vereins ist dabei:

a) die Förderung der demokratischen und staatsbürgerlichen Bildung des deutschen Volkes auf christlicher Grundlage,

b) die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe, insbesondere durch Erschließung des Zuganges zu einer wissenschaftlichen Ausbildung für begabte und charakterlich geeignete Menschen,

c) die Förderung der Wissenschaft, insbesondere mittels Durchführung von wissenschaftlichen Untersuchungen,

d) die Förderung der internationalen Gesinnung und Völkerverständigung sowie der europäischen Einigung, insbesondere durch Einladung ausländischer Gruppen und Unterstützung von Auslandsreisen,

e) die Förderung kultureller Zwecke, insbesondere die Förderung der Pflege und Erhaltung von Kulturwerken sowie die Förderung der Denkmalpflege,

f) die Förderung der Entwicklungshilfe.

Organe des Vereins sind die Mitgliederversammlung und der Vorstand. Vorstandsmitglieder des Vereins sind u.a. der Bayerische Ministerpräsident, mehrere Staatsminister der Bayerischen Landesregierung sowie die Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag.

Nach einer gemeinsamen Erklärung der Konrad-Adenauer-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung, Hanns-Seidel-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung vom November 1998 (Bl. 313 d.A.) tragen die der CDU Deutschlands, der SPD Deutschlands, der FDP, der CSU in Bayern und der Bundespartei Bündnis 90/Die Grünen nahestehenden Politischen Stiftungen mit der Wahrnehmung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben zur Gestaltung der Zukunft des Gemeinwesens bei. Ihre gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit, Information und Politikberatung im In- und Ausland, die auf den Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung aufbauen und den Grundsätzen der Solidarität, Subsidiarität und gegenseitigen Toleranz verpflichtet sind, haben insbesondere die Vermittlung politischer Bildung, die Beschäftigung der Bürger mit politischen Fragen und die Förderung und Vertiefung politischen Engagements zum Ziel.

Die Politischen Stiftungen finanzieren ihre Tätigkeit hauptsächlich aus Zuwendungen des Bundes. Gefördert werden dabei Vorhaben der Gesellschafts- und Sozialstrukturpolitik, die im Einklang stehen mit den entwicklungspolitischen Grundlinien der Bundesregierung und darauf ausgerichtet sind, im Rahmen der durch die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen festgelegten Ziele in den Partnerländern einen nachhaltigen Beitrag zu leisten. Die Einzelheiten dazu ergeben sich aus Richtlinien für die Förderung von Maßnahmen der Gesellschafts- und Sozialstrukturpolitik des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, derzeit in der Fassung vom 1.1.1998 (Bl. 214 - 287 d.A.).

Die Organisation, die allgemeinen dienstrechtlichen Vorschriften und der Geschäftsgang der Antragstellerin ergeben sich aus deren Geschäftsordnung, Stand 15.4.1988 (Bl. 288 - 298 d.A.). Darin heißt es u.a.:

§ 4

Leiter der Abteilungen

Der Leiter einer Abteilung ist für die Angelegenheit seiner Abteilung verantwortlich, er lenkt und überwacht die Tätigkeit der zu seiner Abteilung gehörenden Referate, unterrichtet und unterstützt den Geschäftsführer.

Im Rahmen der laufenden Geschäfte der Abteilung ist er befugt, Verträge abzuschließen. Im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer kann er Dienstanweisungen für seine Abteilung erlassen.

Soweit Entscheidungen des Geschäftsführers die Angelegenheit einer Abteilung berühren, ist der Leiter der Abteilung zu hören.

Der Leiter der Abteilung soll eine abgeschlossene wissenschaftliche Ausbildung oder aufgrund seiner Berufserfahrung eine gleichwertige Qualifikation nachweisen können.

§ 5

Referenten

1. Die Referenten sind dafür verantwortlich, dass die ihrem Referat zugewiesenen Aufgaben sachgerecht und rechtzeitig erfüllt werden.

In allen Angelegenheiten ihres Referats steht ihnen die erste Entscheidung zu.

2. Die Referenten haben die ihnen erteilten Anordnungen im Rahmen der Vorschriften auszuführen. Sie sollen ihre Vorgesetzten beraten und unterstützen und regelmäßig informieren.

3. Die Referenten sollen eine abgeschlossene wissenschaftliche Ausbildung oder aufgrund ihrer Berufserfahrung eine gleichwertige Qualifikation nachweisen können.

§ 6

Weitere Mitarbeiter

1. Den Referenten können weitere Mitarbeiter zugeteilt werden.

2. Die weiteren Mitarbeiter unterstützen den Referenten bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Referats.

Sie sind für die sachgerechte und rechtzeitige Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben verantwortlich.

Der 1953 geborene und zwei Kindern unterhaltspflichtige Beteiligte zu 3) ist Diplomsoziologe. Er ist seit 1.4.1981 bei dem Arbeitgeber als Sachbearbeiter im Referat V/5 "Asien, Ozeanien" im Institut für internationale Begegnungen und Zusammenarbeit beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein zwischen dem Beteiligten zu 3) und dem Arbeitgeber am 31.3.1981 geschlossener Dienstvertrag (Bl. 17 - 18 d.A.). Der Beteiligte zu 3) erzielte dabei zuletzt Vergütung gemäß der Vergütungsgruppe III BAT in Höhe von DM 7.166,65 brutto monatlich. Die Aufgaben des Beteiligten zu 3) sind im Einzelnen in einer Tätigkeitsbeschreibung vom 18./24.7.1997 (Bl. 23 - 27 d.A.) festgelegt.

Danach gehören zu den Aufgaben des Beteiligten zu 3) die Projektbeantragung, die Projektdurchführung, die Besucherbetreuung, die Organisation von Bildungsveranstaltungen in der Bundesrepublik Deutschland und die Vertretung des Referenten .

Am 2.3.2000 erließ der Arbeitgeber eine Dienstanweisung Nr. 25 zur privaten E-Mail-Nutzung (Bl. 198 d.A.), die wie folgt lautet:

Die Kommunikationsmöglichkeit mittels E-Mail ist für dienstliche Zwecke eingerichtet und ausschließlich zu dieser Nutzung zur Verfügung gestellt worden.

Aus gegebener Veranlassung wird mit sofortiger Wirkung jeder privater E-Mail-Versand oder das Einspielen von E-Mails mit privatem Inhalt und deren Weiterleitung untersagt. Des Weiteren sind von außen zugesandte nicht dienstliche Nachrichten umgehend zu entfernen.

Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften zieht dienstrechtliche Konsequenzen nach sich.

Diese Dienstanweisung tritt am 02.03.2000 in Kraft.

Am 4.4.2000 sandte der Beteiligte zu 3) an einen Mitarbeiter F. der Firma von seinem Arbeitsplatz um 9.4 7 Uhr eine E-Mail, die wie folgt lautet:

Von: R. ( .de)

Hallo (...),

heut schick ich mal ein mail der HSSt.

Deine RA Propagendaoffensive ist über jeden Zweifel erhaben.

Neben namentlicher Nennung im Wehrmachtsbericht wirst du auch im Ehrenblatt des deutschen Heeres erwähnt.

Die Nahkampfspange musst du dir im Kampf mit den brasilianischen Schnalln noch verdienen.

RA Badges kriegst du noch ne Menge. Das mit dem Video werde ich G. sagen.

Wichtig wäre, dass du an das Abo denkst. Mit den IRA Videos lass dir mal Zeit.

Wie gesagt, versuch ich mal am Mittwoch Abend anzurufen.

Auf jeden Fall einen tierisch guten Trip und viel Spaß in Brasilien.

W. !

P.S. Auch wenn die Lage nicht einfach ist - denk immer daran: du bist PUNKENFÜHRER!!!!!

Front und Heimat stehen fest hinter dir!

Am 7.4.2000 wurde von einem Mitarbeiter Sch. der Firma durch eine E-Mail der Arbeitgeber davon in Kenntnis gesetzt. In dieser E-Mail (Bl. 149 d.A.) heißt es:

Diese E-Mail sende ich Ihnen in Wahrnehmung meiner Pflichten als zuständiger Bereichsleiter Informationssysteme. Automatische Virenkontrollen der eingehenden E-Mails setzten mich in Kenntnis einer uns zugesandten Mail Ihrer Mitarbeiter. Der Inhalt dieser Nachricht ist sehr bedenklich und dazu geeignet, eine nicht rechtmäßige Nutzung zu vermuten.

Ich habe Ihnen die ursprüngliche Nachricht an das Ende dieser Mail kopiert und bitte dringend um eine Stellungnahme. Wir distanzieren uns ausdrücklich von dem Inhalt und bitten Sie dafür Sorge zu tragen, dass sich dieser Vorfall nicht wiederholt.

Derartige Inhalte sind dazu geeignet, dem Ansehen sowohl Ihrer Stiftung als auch unserem Unternehmen Schaden zuzufügen.

Bitte betrachten Sie diese Mail als vertraulich.

Eine sofort eingeleitete Untersuchung des PC des Beteiligten zu 3) ergab, dass dieser ab Februar 2000 eine Vielzahl privater E-Mails (Bl. 45 - 94 d.A.) von seinem Arbeitsplatz versandt und an diesem erhalten hat.

Der von seinem Arbeitsplatz sofort suspendierte Beteiligte zu 3) wurde am 14,4.2000 zu der Angelegenheit unter Übergabe eines Fragenkataloges (Bl. 95 - 97 d.A.) befragt.

Mit Schreiben vom 14.4.2000 (Bl. 28 - 34 d.A.) teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat unter Angabe von Gründen mit, dass er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3) fristlos, hilfsweise mit Auslauffrist zum 31.12.2000, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2000 zu kündigen.

Mit einem ansonsten nahezu gleichlautenden Schreiben vom gleichen Tag (Bl. 35 - 42 d.A.) bat der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zu den beabsichtigten Maßnahmen.

Mit Schreiben vom 18.4.2000 (Bl. 43 d.A.) lehnte der Betriebsrat eine Zustimmung zur Kündigung ab.

Mit Schreiben vom 19.4.2000 (Bl. 98 d.A.) kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 3) fristlos, hilfsweise außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 31.12.2000, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2000.

Wegen dieser Kündigung ist zwischen dem Beteiligten zu 3) und dem Arbeitgeber ein gesonderter Rechtsstreit anhängig.

Das Arbeitsgericht hat diesen Rechtsstreit (Az.: 30 Ca 6435/00) bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt.

Durch einen am 19.4.2000 bei dem Arbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz hat der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist zum 31.12.2000, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 31.12.2000 beantragt.

Nach Freistellung des Beteiligten zu 3) sind unter seiner E-Mail Adresse bei dem Arbeitgeber eine Vielzahl weiterer privater E-Mails eingegangen (Bl. 153 - 192 d.A.), die mit Schreiben des Arbeitgebers vom 9.5.2000 (Bl. 193 - 196 d.A.) mit der Bitte um erneute Zustimmung dem Betriebsrat zur Kenntnis gebracht wurden. Mit Schreiben vom 12.5.2000 (Bl. 197 d.A.) lehnte der Betriebsrat erneut eine Zustimmung zur Kündigung des Beteiligten zu 3) ab.

Der Arbeitgeber hat vorgetragen, bei ihm handle es sich um eine Politische Stiftung und damit um ein Tendenzunternehmen . Wie sich insbesondere aus der Tätigkeitsbeschreibung des Beteiligten zu 3) ergebe, sei dieser auch Tendenzträger. Er vertrete den Arbeitgeber im Rahmen der Tendenzverwirklichung nach außen. Die Kündigung des Beteiligten zu 3) sei aus tendenzbedingten Gründen erfolgt. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Beteiligte zu 3) aktives Mitglied und überzeugter Anhänger der Punkszene sei und in einer Punkband " " mitwirke, deren Liedertexte eine Einstellung offenbarten, die mit einer christlichen Weltanschauung nicht in Einklang zu bringen seien. Unter anderem werde darin der Hass gepredigt, ein Verbrecher verehrt und mit einem Pro-IRA-Song eine terroristische Vereinigung verherrlicht . In einer am 2.5.2000 für den Beteiligten zu 3) bei dem Arbeitgeber eingegangenen E-Mail (Bl. 145 - 146 d.A.) werde eine Finca auf den Balearen zum Kauf angeboten, die ideal für excessive Ballermann-Besaufnisse, Couch-Test-Castings, heimliche Sex-Orgien, Porno-Drehs, feuchte Doktorspiele oder blutige Folter-Happenings sei. Auch der Inhalt dieser E-Mail lasse sich mit den satzungsgemäßen Aufgaben des Arbeitgebers nicht in Einklang bringen. Für eine Kündigung des Beteiligten zu 3) sei daher bereits keine Zustimmung des Betriebsrats erforderlich.

Jedenfalls sei eine außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3) gerechtfertigt, so dass eine möglicherweise doch erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu Unrecht verweigert worden sei. Dies ergebe sich schon aus dem Inhalt der E-Mail vom 9.3.2000 und daraus, dass der Beteiligte zu 3) Songs für die Punkband " " schreibe und im Chor der Band mitsinge sowie die Punkzeitschrift "3rd generation nation" im Abonnement beziehe. Zudem habe der Beteiligte zu 3) mehrfach gegen die Dienstanweisung des Arbeitgebers vom 2.3.2000 verstoßen, in der die Versendung und der Empfang privater E-Mails untersagt wurde. Diese Anweisung sei dem Beteiligten zu 3) bekannt gewesen. Dennoch habe der Beteiligte zu 3) noch zweimal am 9.3., am 10.3., am 23.3., am 31.3. und am 4.4.2000 dagegen verstoßen. Dies sei auch während der Arbeitszeit des Beteiligten zu 3) und auf Kosten des Arbeitgebers geschehen, weil auch E-Mails, die zu bezahlenden Datenmengen erhöhen würden. Durch die Adresse auf den E-Mails werde der Vorstand des Arbeitgebers mit den Inhalten in Verbindung gebracht, der dies strikt ablehne. Der Beteiligte zu 3) finde an den Inhalten der E-Mails nichts Anstößiges und habe sie daher verinnerlicht. Dies sei mit der Tendenz des Arbeitgebers nicht vereinbar. Vielmehr sei von dem Beteiligten zu 3) gerade zu erwarten, dass er die Tendenz des Arbeitgebers voll mit trage und aus innerer Einstellung die weltanschaulichen Ziele auf christlicher Grundlage voll vertrete.

Der Arbeitgeber hat beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur

- fristlosen Kündigung

- hilfsweise fristlosen Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.12.2000

- hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 31.12.2000

des Betriebsratsmitglieds R. (Beteiligter zu 3) nicht erforderlich war.

II. Hilfsweise:

Die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur

- fristlosen Kündigung

- hilfsweise fristlosen Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.12.2000

- hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 31.12.2000 des Betriebsratsmitglieds R. (Beteiligter zu 3) wird ersetzt.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben vorgetragen, bei dem Arbeitgeber handle es sich nicht um ein Tendenzunternehmen, zumal der Arbeitgeber Mittel im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu verwalten habe. Jedenfalls beschränkten sich die Aufgaben der Abteilung, in der der Beteiligte zu 3) tätig ist, auf technische Projektabwicklung aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Auch sei der Beteiligte zu 3) kein Tendenzträger. Dies ergebe sich bereits aus den §§ 4 und 5 der Geschäftsordnung des Arbeitgebers, wonach Entscheidungen nur durch die Referenten oder sogar Abteilungsleiter getroffen würden, während der Beteiligte zu 3) nur eine vollziehende Tätigkeit gem. § 6 der Geschäftsordnung wahrnehme. Auch lägen keinerlei tendenzbedingte Kündigungsgründe vor. Die E-Mail vom 4.4.2000 sei dem Arbeitgeber unter Bruch des Fernmeldegeheimnisses zur Kenntnis gebracht worden. Die Einstellung des Beteiligten zu 3) zur Punkszene habe auf die Tätigkeit des Beteiligten zu 3) keinerlei Einfluss. Die von dem Arbeitgeber beanstandeten Liedertexte stammten nicht vom Beteiligten zu 3). Gegen eingehende E-Mails könne sich der Beteiligte zu 3) nicht zur Wehr setzen. Eine Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds sei im Übrigen auch in einem Tendenzunternehmen stets erforderlich. Ein Verstoß gegen die Dienstanweisung vom 2.3.2000 könne kein Grund für eine fristlose Kündigung sein. Der Beteiligte zu 3) habe diese auch erst am 15.3.2000 erhalten. Der Inhalt der E-Mails sei nicht zu beanstanden und habe sich auf die Tätigkeit des Beteiligten zu 3) nie ausgewirkt.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 7.2.2001 die Anträge des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Mit der Beschwerde hat der Arbeitgeber unter Wiederholung und Vertiefung seines Sachvortrags geltend gemacht, eine Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Beteiligten zu 3) sei gar nicht erforderlich, da es sich bei dem Arbeitgeber um einen Tendenzbetrieb handle und der Beteiligte zu 3) Tendenzträger sei. Dies ergebe sich zusätzlich daraus, dass der Beteiligte zu 3) in den Jahren seiner Beschäftigung auch Auswärtstermine wahrgenommen habe und dabei gegenüber teilweise hochrangigen Gesprächspartnern aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Projektpartnern den Arbeitgeber repräsentiert habe sowie seiner Eingruppierung in Vergütungsgruppe III BAT. Jedenfalls sei die Zustimmung zur Kündigung zu ersetzen, da Kündigungsgründe im Hinblick auf die Verstöße des Beteiligten zu 3) gegen die Dienstanweisung vom 2,3.2000 sowie den vom Beteiligten zu 3) vertretenen Inhalt der aufgegebenen E-Mails vorlägen. Es wäre ein riesiger Skandal für den Arbeitgeber, wenn bekannt würde, dass er Mitarbeiter beschäftige, die ausländische Frauen als brasilianische Schnallen bezeichnen und den Verbrecher Ronnie Biggs als Idol betrachten. Diese Einstellung sei mit den Zielen des Arbeitgebers unvereinbar, wobei zudem davon auszugehen sei, dass es dem Beteiligten zu 3) an Einsichtsfähigkeit mangele und eine Änderung dieser Einstellung aufgrund des Alters des Beteiligten zu 3) nicht zu erwarten sei. Die Glaubwürdigkeit und den guten Ruf des Arbeitgebers gelte es zu verteidigen.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 1.3.2002 die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Es hat dabei angenommen, für den Feststellungsantrag fehle es am erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil der Arbeitgeber die Kündigung, die Gegenstand dieses Verfahrens sei, bereits ausgesprochen habe. Den Zustimmungsersetzungsantrag hat die Kammer als unbegründet zurückgewiesen, weil es an einem Grund für eine außerordentliche Kündigung fehle.

Auf die durch das Bundesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 28.8.2003 die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Kammer zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat das Bundesarbeitsgericht den Feststellungsantrag als zulässig angesehen und für die Begründetheit des Antrags die Nachholung weiterer Feststellungen zur Tendenzträgereigenschaft des Beteiligten R. und zur Frage des Vorliegens von tendenzbezogenen Gründen verlangt. Erst danach sei gegebenenfalls der Zustimmungsersetzungsantrag zu prüfen.

Nach Zurückverweisung hat der Arbeitgeber den Feststellungsantrag mit Schriftsatz vom 15.3.2005 zurückgenommen.

Er trägt vor, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten R. sei nach wie vor zu ersetzen. Der Beteiligte R. bewege sich weiterhin in der Punkszene, wirke aktiv in der Band " " mit, identifiziere sich mit deren Liedgut, in dem auf übelste Art und Weise Mitglieder des Arbeitgebers und herausragende Persönlichkeiten des Freistaates Bayern diffamiert würden.

Der Arbeitgeber beantragt zuletzt:

I. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 7.2.2001 - Az.: 2a BV 110/00 - abgeändert:

II. Die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur

- fristlosen Kündigung

- hilfsweise fristlosen Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist des Betriebsratsmitglieds R. wird ersetzt.

Betriebsrat und der Beteiligte R. beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tragen vor, der Beteiligte R. habe sich mittlerweile von der Punkband " " distanziert und seine weitere Mitarbeit dort aufgekündigt.

Mit Schreiben vom 1.2.2005 hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten R. ein weiteres Mal fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 30.9.2005 gekündigt. Darüber ist eine weitere Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht München (Az.: 38 Ca 2636/05) anhängig. Zudem ist bei dem Arbeitsgericht München ein Feststellungs- und Zustimmungsersetzungsverfahren zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses des Beteiligten R, anhängig (Az.: 32 BV 22/05).

Erstmals in der mündlichen Anhörung der Beteiligten vom 8.6.2005 sowie im Anschluss hieran ist folgender - unstreitiger - Sachverhalt festgestellt worden:

Am 15.5.2002 fand eine neue turnusgemäße Betriebsratswahl bei dem Arbeitgeber statt, bei der 7 Betriebsratsmitglieder gewählt wurden. Der Beteiligte R. ist bei dieser Wahl als erstes Ersatzmitglied gewählt worden.

Zum 31.12.2002 ist das Betriebsratsmitglied Sch. aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber ausgeschieden. Der Beteiligte R. ist weder vor diesem Zeitpunkt noch nach Ausscheiden des Betriebsratsmitglied Sch mit Betriebsratstätigkeit befasst worden. Nach Ausscheiden des Betriebsratsmitglieds Sch. ist nach Aussage des Vorsitzenden des Betriebsrats das zweite Ersatzmitglied herangezogen worden. Der Betriebsrat habe auf ein Nachrücken des Beteiligten R. verzichtet, um eine Konfrontation mit dem Arbeitgeber zu vermeiden.

Alle Beteiligten vertreten die Auffassung, dass das Verfahren dennoch fortzusetzen sei, da jedenfalls nach Ausscheiden des Betriebsratsmitglieds Seh. der Beteiligte zu 3) automatisch nachgerückt sei, so dass nach wie vor der besondere Kündigungsschutz bestehe.

II.

1. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 7.2.2001 ist zulässig. Nach Zurückverweisung durch das Bundesarbeitsgericht hat der Arbeitgeber seine Antrag allerdings ausdrücklich auf den Zustimmungsersetzungsantrag beschränkt (§ 87 Abs. 2 Satz 3 ArbGG). Dem haben die Beteiligten zu 2) und 3) zugestimmt, nachdem sie sich zu dem geänderten Antrag ausdrücklich eingelassen haben (§§ 87 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. ArbGG, 81 Abs. 3 Satz 2 ArbGG), so dass nur noch über den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers zu entscheiden ist.

2. Der Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung des Beteiligten R. ist unzulässig geworden.

a) Denn durch das Erlöschen der Mitgliedschaft des Beteiligten R. im Betriebsrat ist das Beschlussverfahren über die Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gegenstandslos geworden weil der Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt ohne Rücksicht auf einen besonderen Kündigungsschutz das Arbeitsverhältnis kündigen konnte. Da aber ein Beschlussverfahren durch das Gericht nicht von Amts wegen für "gegenstandslos" erklärt werden kann, käme in diesem Fall nur eine Einstellung des Verfahrens nach einer Erledigungserklärung der Beteiligten in Betracht (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 83 a ArbGG 1979). Da die Beteiligten davon keinen Gebrauch gemacht haben, dem Antrag des Arbeitgebers aber nicht mehr stattgegeben werden kann, ist dieser als unzulässig abzuweisen.

b) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass am 15.5.2002 bei dem Arbeitgeber eine Betriebsratswahl stattgefunden hat, deren Ergebnis noch am gleichen Tag bekannt gegeben wurde. Bei dieser Wahl ist der Beteiligte R. nicht mehr zum Mitglied des Betriebsrats sondern als erstes Ersatzmitglied gewählt worden. Damit verlor der Beteiligte R. seine Mitgliedschaft im Betriebsrat gem. § 24 Nr. 1 BetrVG i.V.m. § 21 Satz 3 BetrVG spätestens zum 31.5.2002. Der Beteiligte R. war daher ab 1.6.2002 nicht mehr Mitglied des Betriebsrats und gehörte daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zum Kreis der Personen, für die nach § 103 Abs. 1 BetrVG zur Kündigung die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich war. Vielmehr war der Arbeitgeber berechtigt und gegebenenfalls sogar verpflichtet, im unmittelbaren Anschluss an den Verlust der Mitgliedschaft des Beteiligten R. im Betriebsrat das Arbeitsverhältnis mit diesem ohne eine erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu kündigen.

c) Endet der Kündigungsschutz eines Amtsträgers nach § 103 BetrVG bevor das gerichtliche Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats rechtskräftig abgeschlossen ist, bedarf die außerordentliche Kündigung keiner Zustimmung des Betriebsrats oder ihrer gerichtlichen Ersetzung mehr. Damit entfällt das allgemeine Rechtsschutzinteresse für eine Fortsetzung des Verfahrens; das gerichtliche Verfahren wird gegenstandslos . Hält der Arbeitgeber seinen Antrag auf Zustimmungsersetzung aufrecht, ist dieser als unzulässig abzuweisen. Es fehlt das Rechtsschutzinteresse, das die Fortsetzung eines Beschlussverfahrens auf Ersetzung einer nicht mehr erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats rechtfertigen könnte (vgl. BAG vom 27.6.2002 - 2 ABR 22/01 = RzK II 3 Nr. 43; LAG Frankfurt vom 29.8.1988 - RzK II 1 h Nr. 8; KR-Etzel 7. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 131; Fitting BetrVG 22. Aufl. § 103 Rn. 50). Das gilt gerade auch für den hier vorliegenden Fall einer Betriebsratsneuwahl während eines Zustimmungsersetzungsverfahrens (vgl. BAG vom 8.6.2000 - 2 AZN 276/00 = NZA 2000, 899; LAG Frankfurt vom 12.1.1988 - RzK II 3 Nr. 14; APS-Linck 2. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 28). Ob und wie das Beschlussverfahren bei Verlust des Sonderkündigungsschutzes zu Ende geführt wird, ist nämlich für den Ausspruch der Kündigung ohne Bedeutung. Es ist für den weiteren Gang der Dinge gegenstandslos (vgl. LAG Brandenburg vom 23.3.1999 - LAGE Nr. 12 zu § 626 BGB "Ausschlussfrist").

d) Daran ändert nichts, dass der Beteiligte R. mittlerweile wieder Mitglied des Betriebsrats bei dem Arbeitgeber ist.

aa) Dabei kann die Kammer zu Gunsten des von dem Arbeitgeber verfolgten Ziels eines erfolgreichen Antrags unterstellen, dass durch das Ausscheiden des Betriebsratsmitglieds Seh. zum 31.12.2002 ein Nachrücken des Beteiligten R. gem. § 25 BetrVG ohne jede Beteiligung des Betriebsrats wie auch des Arbeitgebers und des Beteiligten R. automatisch erfolgt ist, obwohl der Betriebsrat nach der Erklärung seines Vorsitzenden im Termin vom 8.6.2005 von einer Heranziehung des Beteiligten R. gerade absichtlich abgesehen hat (vgl. dazu: LAG Schleswig-Holstein vom 7.4.1994 - RzK II 1 d Nr. 9; LAG Niedersachsen vom 14.5.1987 - RzK II 1 d Nr. 6). Aus den gleichen Gründen kann die Kammer auch unterstellen, dass ein Nachrücken des Beteiligten R. trotz des Umstände erfolgt ist, dass der Beteiligte R. aufgrund der bereits ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers an der Amtsausübung verhindert war und somit neben dem tatsächlich herangezogenen Ersatzmitglied ebenfalls den besonderen Kündigungsschutz wieder erworben hat (vgl. dazu: KR-Etzel a.a.O. § 103 BetrVG Rn. 49 m.w.N.).

bb) Denn selbst im Fall des Nachrückens des Beteiligten R. zum 1.1.2003 hat dies nicht dazu geführt, dass das vorliegende Verfahren doch fortgesetzt werden kann. Endet die Mitgliedschaft des Betriebsratsmitglieds mit der Amtszeit des Betriebsrats verliert das Betriebsratsmitglied den Sonderkündigungsschutz nach § 103 BetrVG nur dann nicht, wenn sich nahtlos eine neue Amtszeit an die zuvor beendete anschließt (vgl. BAG vom 19.9.1991 - 2 ABR 14/91 = RzK II 3 Nr. 20). Nur im Fall einer ununterbrochenen Amtszeit kann ein eingeleitetes Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG fortgeführt werden und ist kein neuer Antrag erforderlich (vgl. BAG vom 19.9.1991 - a.a.O.). Endete der Sonderkündigungsschutz des Betriebsratsmitglieds jedoch zwischenzeitlich und hat der Arbeitgeber von der Möglichkeit nunmehr eine Kündigung auszusprechen, keinen Gebrauch gemacht , kann nicht ein bereits gegenstandslos gewordenes Ersetzungsverfahren fortgeführt werden, wenn das Betriebsrats -mitglied nunmehr den Sonderkündigungsschutz wieder erwirbt. Vielmehr ist der Arbeitgeber hier gehalten, ein neues Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten, will er an seiner Kündigungsabsicht nach wie vor festhalten und sollte dies überhaupt noch möglich sein (vgl. BAG AP Nr. 36 zu § 103 BetrVG 1972; LAG Hamm vom 4.8.2000 - LAGE § 103 BetrVG Nr. 17; Diller NZA 2004, 581).

III.

Nach alledem ist die Beschwerde des Arbeitgebers zurückzuweisen.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde für alle Beteiligten gem. §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. ArbGG zugelassen.

Da eine Abweisung des Antrags des Arbeitgebers als unzulässig erfolgte, hält die Kammer dafür auch eine Beschwer der Beteiligten zu 2) und 3) für gegeben.



Ende der Entscheidung

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