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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 416/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
Die Entscheidung befasst sich mit dem Schadenersatzanspruch eines Schulträgers gegen die bei ihm beschäftigte Lehrkraft, die den ihr überlassenen Schlüssel der zentralen Schließanlage verloren hat.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 416/06

Verkündet am: 24. November 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Hagn und Birwé für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 9.11.2005, Az.: 29 b Ca 240/05 W, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 1.331,88 EUR.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Beklagte ist als hauptberufliche Lehrkraft für die Fächer Maschinenschreiben, Textverarbeitung und Kurzschrift seit dem 01.09.1995 bei dem Kläger beschäftigt. Die Beklagte bestätigte dem Kläger schriftlich, dass sie einen untergeordneten Generalschlüssel für das Schulgebäude erhalten hat, dass sie bei Verlust des Schlüssels mit einer Regressforderung von ca. DM 5.000,00 zu rechnen hat und dass ihr der Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversicherung empfohlen wurde. Die Beklagte versicherte das Risiko des Abhandenkommens von Dienstschlüsseln gemäß dem Haftpflichtversicherungsschein vom 11. Mai 1995 und gemäß dem Nachtrag zu diesem Haftpflichtversicherungsschein vom 25.06.2001 bei der HUK-Coburg.

Den Dienstschlüssel hat die Beklagte in einem gesonderten Etui, das sie während der Schulzeit immer in ihrer Schultasche mit sich führte. Immer dann, wenn sie die Schule abzuschließen hatte, nahm die Beklagten den Schlüssel aus der Schultasche und gab ihn nach Beendigung des Schließvorganges wieder dort hinein.

Am 02.10.2002 verlor die Beklagte ihren Dienstschlüssel und stellte dies nach dem Feiertag am 04.10.2002 fest.

Der Dienstschlüssel ist Teil der Schließanlage der Schule. Nach dem Kostenvoranschlag der Fa.U., K. vom 14.05.2003 kostet der Austausch der Schließanlage € 1.148,17 zuzüglich € 183,71 MWSt.

Die Beklagte war bereit, den vom Kläger geltend gemachten Schaden im Rahmen ihrer Haftpflichtversicherung zu übernehmen. Die HUK-Coburg lehnte die Schadensregulierung ab. Die Beklagte bezahlte den Schaden bisher nicht. Der Kläger hat die Schließanlage bis heute nicht ausgetauscht.

Mit seiner beim Amtsgericht Weilheim am 27.1.2005 eingegangenen Klage vom 22.1.2005 hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1148,17 € sowie die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Beklagte nach erfolgtem Austausch der Schließanlage zusätzlich die anfallende Mehrwertsteuer in Höhe von 183,71 € zu bezahlen habe.

Zur Begründung hat er vorgetragen, die Schließanlage müsse gegen eine neue ausgetauscht werden, um die gebotene Sicherheit der Schulräume zu gewährleisten. Die Beklagte sei wegen des schuldhaften Schlüsselverlustes infolge mittlerer Fahrlässigkeit für diese Kosten in vollem Umfange schadensersatzpflichtig. Die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung seien auf den Schlüsselverlust bei Schließanlagen nicht anwendbar. Auch wenn der Kläger die Schließanlage infolge seiner knappen Finanzmittel bisher nicht ausgetauscht habe und die Schule nur stärker bewacht habe und insoweit freiwillig das mit dem Schlüsselverlust verbundene Risiko übernommen habe, bestehe nach wie vor eine ernsthafte Missbrauchsmöglichkeit.

Das Amtsgericht Weilheim hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4.4.2005 an das Arbeitsgericht München verwiesen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 1148,17 Schadensersatz nebst Zinsen hieraus seit 27.1.2005 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nach erfolgtem Austausch der Schließanlage zusätzlich die anfallende Mehrwertsteuer in Höhe von Euro 183,71 zu bezahlen hat.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, auf ihr Arbeitsverhältnis sei § 14 BAT anwendbar, wonach Arbeitnehmer nur bei vorsätzlicher oder grober Pflichtverletzung hafteten. Ein grob fahrlässiges Verhalten könne der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Die Beklagte hat weiterhin vorgetragen, sie sei am 2.10.2002 mit ihrem Dienstschlüssel wie immer verfahren, d.h. sie habe das Dienstschlüsseletui nach dem Schließvorgang in ihre Schultasche gegeben. Erst nach dem Feiertag am drittem Oktober 2002 sei ihr am 4.10.2002 aufgefallen, dass sich der Schlüssel nicht mehr in ihrer Schultasche befinde. Möglicherweise habe sie am 2.10.2002 den Schlüssel nicht in die Schultasche, sondern daneben gesteckt und der Schlüssel sei in das Herbstlaub gefallen. Ein schuldhaftes Handeln liege damit nicht vor. Sie, die Beklagte, habe sich bezüglich des ihr übergebenen Schlüssels so verhalten, wie sie es auch mit ihren eigenen Schlüsseln tue. Jedenfalls sei dem Kläger kein auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführender Schaden entstanden. Im Übrigen hat sie die Höhe des Schadens bestritten.

Mit Endurteil vom 9.11.2005, das dem Kläger am 3.4.2006 zugestellt wurde, hat das Arbeitsgericht München - Kammer Weilheim - die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verlust eines Dienstschlüssels, der Teil einer Schul-Schließanlage gewesen sei, bedinge grundsätzlich als typischen kausalen Folgeschaden den Austausch der Schließanlage. Durch den Verlust des Schlüssels sei die Schließanlage nämlich nicht mehr sicher. Ein solcher Folgeschaden sei im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Der Kläger habe nämlich nicht nachgewiesen, dass ein Schaden vorliege. Der Austausch der Schließanlage sei nämlich nur dann ein typischer Folgeschaden, wenn die Schließanlage zum Zeitpunkt des Dienstschlüsselverlustes noch sicher gewesen sei. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht: Er habe weder einen Schließplan vorgelegt, noch dargelegt und unter Beweis gestellt, dass zum Zeitpunkt des Schlüsselverlust durch die Beklagte noch alle anderen zur Schließanlage gehörigen Schlüssel vorhanden gewesen seien.

Des Weiteren sei ein Schaden deswegen nicht gegeben, weil keine ernsthafte Möglichkeit des Missbrauchs des verloren gegangenen Schlüssels bestehe. Aus der Tatsache, dass nunmehr drei Jahre lang nichts passiert sei, könne aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der verlorene Schlüssel entweder von niemanden gefunden oder zumindest nicht der Schule der Klägerin zuordenbar gefunden wurde werde.

Mit seiner beim Landesarbeitsgericht München am 6.4.2006 eingegangenen Berufung vom 5.4.2006 begehrt der Kläger die Abänderung des Ersturteils dahingehend, dass die Beklagte entsprechend den Anträgen erster Instanz verurteilt werde.

Unter Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens trägt der Kläger vor, entgegen der Aussage des Erstgerichts habe der Kläger einen Schließplan vorgelegt. Zu keinem Zeitpunkt sei im Übrigen von der Beklagten bestritten worden, dass zum Zeitpunkt des Schlüsselverlusts noch alle anderen zur Schließanlage gehörigen Schlüssel vorhanden gewesen seien. Wäre das der Fall gewesen, hätte er, der Kläger, den entsprechenden Beweis geführt.

Der Kläger trägt weiter vor, von allen Beteiligten sei ersichtlich davon ausgegangen worden, dass die Schließanlage zum Zeitpunkt des Schlüsselverlusts durch die Beklagte vollständig und sicher war. Das ergebe sich auch daraus, dass der Kläger in erster Instanz darauf hingewiesen habe, dass die Schließanlage so gut wie neu gewesen sei. Durch den Schlüsselverlust sei eine Sicherheitslücke entstanden, weil nicht auszuschließen sei, dass der verlorene Schlüssel in unbefugte Hände gelangen könne. Das sei nur dann nicht der Fall, wenn im konkreten Fall eine missbräuchliche Verwendung des verloren gegangenen Schlüssels ausscheide, so z. B. wenn der Schlüssel nachweislich während einer Bootsfahrt in einen Fluss gefallen sei. Aufgrund der Darstellung des Verlusts durch die Beklagte könne eine missbräuchliche Verwendung des Schlüssels nicht ausgeschlossen werden. Das erstinstanzliche Gericht folgere zu Unrecht daraus, dass in der Vergangenheit der verloren gegangene Schlüssel noch nicht missbraucht worden sei, dass die missbräuchliche Verwendung des Schlüssels auch für die Zukunft auszuschließen sei. Das sei jedoch eine bloße Mutmaßung. Gerade bei Schulgebäuden sei hier jedoch Vorsicht geboten. Es könne nicht angehen, dass dem Kläger berechtigte Ansprüche allein dadurch verloren gingen, weil die gegnerische Versicherung anscheinend erfolgreich auf Verzögerungstaktik setze.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird abändernd verurteilt, an die Klägerin 1148,17 € Schadensersatz zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

2. Es wird abändernd festgestellt, dass die Beklagte nach erfolgtem Austausch der Schließanlage zusätzlich die anfallende Mehrwertsteuer in Höhe von 183,71 € zu bezahlen hat.

3. Die Beklagte trägt abändernd die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Schließanlage sei immer noch nicht ausgetauscht worden. Zu dem Gebäude existierten schon lange nicht mehr sämtliche Dienstschlüssel, so dass durch den Verlust des streitgegenständlichen Schlüssels keine Gefahrerhöhung eingetreten sei. Im Übrigen habe die Haftpflichtversicherung mit Schreiben vom 7.11.2003 den Kläger aufgefordert darzulegen, ob noch alle anderen Schlüssel vorhanden seien.

Hinsichtlich des weiteren zweitinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 15.5.2006 (Bl. 114 ff. d.A.) sowie vom 9.6.2006 (Bl. 124 ff. d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

I.

Die Berufungskammer folgt den Erwägungen des Arbeitsgerichts im Ergebnis und in der Begründung.

Zum Berufungsvorbringen wird ergänzend bemerkt:

Ein Schadensersatzanspruch scheidet im vorliegenden Fall aus, weil nach Auffassung der Kammer ein über den bloßen Schlüsselverlust hinausgehender Schaden nicht vorliegt, da die ernsthafte Möglichkeit des Missbrauchs des verloren gegangenen Schlüssels nicht besteht.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt zwischen dem Schlüsselverlust am 2.10.2002, der Einholung des Kostenvoranschlags für den Austausch der Schließanlage am 4.5.2003 und der Klageerhebung am 25.1.2005 ein derart langer Zeitraum, dass ein Schaden nicht anerkannt werden kann. Der Kläger hat die Schließanlage bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht ausgewechselt. Der sehr lange Zeitraum von mehr nunmehr vier Jahren, innerhalb dessen es von Anfang an zu keinem Missbrauch des verloren gegangenen Schlüssels gekommen ist, lässt den Schluss zu, dass im vorliegenden Fall keine ernsthafte Möglichkeit des Missbrauchs des verloren gegangenen Schlüssels bestanden hat und auch in Zukunft nicht besteht. Wie das Arbeitsgericht zutreffend bemerkt hat, kann aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der verlorene Schlüssel entweder von niemandem gefunden oder zumindest nicht der Schule der Klägerin zuordenbar gefunden wurde. Damit kann eine missbräuchliche Verwendung des verlorenen Schlüssels für die Zukunft ausgeschlossen werden.

II.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 97 Absatz 1; 516 Absatz 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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