Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 12.11.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 657/08
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 55 Abs. 1
InsO § 295 Abs. 2
Die Entscheidung befasst sich mit arbeitsvertraglichen Vergütungsansprüchen einer Arbeitnehmerin gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Arbeitgebers nach Freigabe von Betriebsmitteln durch den Insolvenzverwalter.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

11 Sa 657/08

Verkündet am: 12.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 08. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Bunge und Forster für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim - Gerichtstag Mühldorf - Gz.: 5 Ca 582/04 Mü - vom 25. Oktober 2005 abgeändert:

1. Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin € 3.864,-- (i. W.: dreitausendachthundertvierundsechzig) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus € 1.403,-- (i. W.: eintausendvierhundertdrei EUR) seit 1. Januar 2004, aus weiteren € 1.177,60 (i. W.: eintausendeinhundertsiebenundsiebzig 60/100 EUR) seit 1. Februar 2004 und aus weiteren € 1.283,40 (i. W.: eintausendzweihundertdreiundachtzig 40/100 EUR) seit 1. März 2004 als Masseschuld zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Der Streitwert wird auf 3.864,-- EUR festgesetzt.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten zu 3), dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten zu 1), Zahlung von Arbeitsvergütung aus der Insolvenzmasse.

Der Beklagte zu 1) war Inhaber einer D., deren Geschäftsbetrieb er zum 30. November 2002 einstellte. Am 2. Dezember 2002 beantragte der Beklagte zu 1) beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Zugleich stellte er einen Antrag auf Restschuldbefreiung. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 3. Januar 2003 wurde die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Beklagten zu 1) angeordnet und der Beklagte zu 3) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Verfügungen des Beklagten zu 1) über Gegenstände seines Vermögens waren gemäß diesem Beschluss nur noch mit Zustimmung des Beklagten zu 3) wirksam. Am 11. März 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 3) zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Beklagte zu 1) betrieb seit Mitte Februar 2003 erneut, zunächst ohne Wissen des Beklagten zu 3), einen D. unter der neuen Bezeichnung "R P.". Am 17. Februar 2003 schloss der Beklagte zu 1) mit der Klägerin einen bis zum 30. Juni 2003 befristeten Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Aushilfskraft zu einem Stundenlohn von 9,20 Euro brutto. Durch Vertrag vom 30. Juni 2003 wurde dieser Vertrag bis zum 31. Dezember 2003 verlängert.

Auf Grund eines Schreibens der AOK vom 28. April 2003 erlangte der Beklagte zu 3) Kenntnis davon, dass der Beklagte zu 1) Mitte Februar 2003 den neuen Gewerbebetrieb "R P." angemeldet und mehrere Mitarbeiter eingestellt hatte.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 teilte Rechtsanwalt L. als damaliger Vertreter des Beklagten zu 1) dem Beklagten zu 3) Folgendes mit:

"...

Das Insolvenzverfahren wurde über Herrn R. als natürliche Person eröffnet. Da Herr R. zugleich mit dem Insolvenzantrag den Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, befindet sich Herr R. seit dem 11.3.2003 in der sogenannten Wohlverhaltensphase. ... ...

Herr R. ist wieder selbständig tätig. Er hat somit nach § 295 II InsO durch Zahlungen an den Treuhänder die Insolvenzgläubiger so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Ein hypothetisches Nettomonatsgehalt von 1.800,00 Euro erachtet meine Mandantschaft für angemessen. Herr R. ist seinem vierjährigen Kind und dessen Mutter unterhaltspflichtig. Bei einer angemessenen Erwerbstätigkeit wäre daher ein Betrag von monatlich 130,00 Euro pfändbar. ...

... Herr R. wäre bereit, ab sofort monatlich 130,00 Euro an den Treuhänder abzuführen. ..."

Mit weiterem Schreiben vom 9. Mai 2005 teilt Rechtsanwalt L. dem Beklagten zu 3) mit:

"Insolvenzverfahren R. G.

Sehr geehrter Herr Kollege W.,

Nach Rücksprache mit meiner Mandantschaft bestätige ich Ihnen, dass Herr R. bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens ab 1.5.2003 monatlich 130,00 EUR an Sie abführen wird mit der Maßgabe, dass die Beträge auf den Gesamtbetrag nach § 295 II InsO angerechnet werden.

Herr R. hat für sein neues Unternehmen R. P. M. eine neue Steuernummer und eine neue Betriebsnummer beantragt. Herr R. wird während des Laufs des Insolvenzverfahrens ohne vorherige Rücksprache nicht unter einer anderen Firma tätig werden und mindestens quartalsmäßig die aktuellen betriebswirtschaftlichen Auswertungen vorlegen.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

...."

Im Berichts- und Prüfungstermin des Insolvenzgerichts vom 13. Mai 2003 stimmte die Gläubigerversammlung dem Antrag des Beklagten zu 3) zu, den Geschäftsbetrieb des Beklagten zu 1) aus dem Massebeschlag gegen die Verpflichtung, einen Mindestbetrag an die Insolvenzmasse abzuführen, freigeben zu dürfen.

Im Schreiben vom 22. Mai 2003 teilte der Beklagte zu 3) dem Beklagten zu 1) Folgendes mit:

" Freigabeerklärung Sehr geehrter Herr R,

mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn - Insolvenzgericht - vom 11.03.2003 wurde über Ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.

Folge dieses Eröffnungsbeschlusses ist es gem. § 35 InsO, dass sämtliches Vermögen, welches Ihnen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört, der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterfällt.

Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreiben Sie einzelkaufmännisch einen Betrieb als D.. § 811 Nr. 5 ZPO sieht vor, dass sämtliche betriebsnotwendigen Gegenstände, die dem Einkommenserwerb durch diese Tätigkeit dienen, nicht der Pfändung unterfallen.

Die Möglichkeit einer Verwertung und damit einer Anreicherung der dem Verfahren zur Verfügung stehenden liquiden Masse ist infolge dessen ausgeschlossen.

Auf Grundlage dieses Umstandes macht der Unterzeichnende von seinem Recht gem. § 80 InsO Gebrauch und gibt die unmittelbar für die selbständige Erwerbstätigkeit des Schuldners benötigten Betriebsmittel aus dem Beschlag der Masse frei.

Diese Freigabe erfasst auch den sog. Neuerwerb des Schuldners. Hiermit sind diejenigen Betriebsmittel angesprochen, welche der Schuldner auf Grundlage seiner gewerblichen Tätigkeit erwirbt und für die Fortführung seines Betriebes einsetzt. Nicht erfasst sind die betrieblichen Gewinne des Schuldners. Diese unterliegen einer gesonderten Vereinbarung des Unterzeichnenden mit dem Schuldner und sind in Entsprechung zu § 850c ZPO an die Insolvenzmasse abzuführen.

Eine Verwaltungs- und/oder Verfügungsbefugnis des Unterzeichnenden über diese Gegenstände besteht somit nicht mehr.

..."

Am 31. März 2004 unterrichtete der Beklagte zu 3) den Beklagten zu 1) darüber, dass er bei einer Kontrolle der Buchhaltung festgestellt habe, dass der vereinbarte monatliche Abführungsbetrag in Höhe von 130,00 Euro zuletzt am 5. Januar 2004 bezahlt worden sei.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2004 kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 15. Februar 2004.

Der Beklagte zu 1) erteilte der Klägerin für die Monate Dezember 2003 bis Februar 2004 Entgeltabrechnungen, zahlte jedoch die abgerechnete Arbeitsvergütung von 1.403,00 Euro brutto für Dezember 2003, 1.177,60 Euro brutto für Januar 2004 sowie 1.128,15 Euro brutto für Februar 2004 nicht.

Das Arbeitsgericht Rosenheim hat der von der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) als Arbeitgeber, den Beklagten zu 2. als möglichen Betriebserwerber und den Beklagten zu 3) als Insolvenzverwalter erhobenen Klage durch Teilurteil vom 5. Mai 2004 in Bezug auf den Beklagten zu 1) in Höhe von 3.864,00 EUR stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten zu 1) hat das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30. November 2004, Az.: 8 Sa 679/04, das Teilurteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage - rechtskräftig - abgewiesen.

Im Zusammenhang mit der von ihr gegen den Beklagten zu 3) weiter verfolgten Klage hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, ihre Entgeltforderungen gegenüber dem Beklagten zu 1) stellten im Verhältnis zum Beklagten zu 3) Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 InsO dar. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor, weil ihre Ansprüche durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden seien. Immerhin habe der Beklagte zu 3) selbst in seinem Antrag vom 13. Mai 2003 an das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Mühldorf a. Inn erkannt, dass der Beklagte zu 1) "den Geschäftsbetrieb ... wieder aufgenommen ... habe". Damit habe er sein Wahlrecht gem. § 103 InsO dahingehend ausgeübt, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei Verpflichtung der Insolvenzmasse gewählt worden sei. Darüber hinaus hat sie ihre Forderung mit § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO begründet, weil ihr Arbeitsvertrag mit dem Beklagten zu 1) durch den Beklagten zu 3) nicht etwa aufgehoben, sondern mit dem Ziel einer Massemehrung fortgesetzt worden sei, was sich daraus ergebe, dass der Beklagte zu 1) Mindestgewinne an die Masse und damit an den Beklagten zu 3) abführen sollte. Schließlich hat sie ihren Anspruch auch noch auf § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO gestützt, weil durch ihre Arbeitsleistung die Masse bereichert worden sei. Der Beklagte zu 1) habe nämlich nicht "im insolvenzfreien Raum" gehandelt, sondern der Beklagte zu 3) der Führung des Gewerbebetriebs zugestimmt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin als Entgelt für November 2003 einen Betrag in Höhe von € 1.403,-- brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1. Dezember 2004 als Masseschuld zu zahlen.

2. Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin als Entgelt für Dezember 2003 einen Betrag in Höhe von € 1.177,60 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1. April 2004 als Masseschuld zu zahlen.

3. Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin als Entgelt für Januar 2004 einen Betrag in Höhe von € 1.338,60 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2004 als Masseschuld zu zahlen.

Der Beklagte zu 3) hat Klageabweisung beantragt und zur Begründung vorgetragen, die Klägerin mache gerade keine Ansprüche geltend, die die Haftung der Insolvenzmasse begründeten. Insbesondere läge kein Fall des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor, denn weder habe er, der Beklagte zu 3), als Insolvenzverwalter eine Handlung vorgenommen noch durch Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse Masseverbindlichkeiten begründet. Seine Freigabeentscheidung mit Schreiben vom 22. Mai 2003 erschöpfe sich darin und habe erkennbar auch nur das Ziel verfolgt, gerade keine Masseverbindlichkeit eintreten zu lassen; es liege folglich kein Fall des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor. Schließlich seien auch nicht die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfüllt, weil er als Insolvenzverwalter keine Gewinne aus dem Geschäftsbetrieb des Beklagten zu 1) zur Insolvenzmasse gezogen, sondern eine Vereinbarung gem. § 295 InsO mit diesem geschlossen habe, wonach dieser lediglich einen bestimmten festen Betrag pro Monat an die Insolvenzmasse abführen musste.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 25. Oktober 2005, das der Klägerin am 22. November 2005 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat die Klägerin mit einem am 25. November 2005 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 21. Februar 2006, mit einem hier 20. Februar 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags nimmt sie insbesondere auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 30. November 2004 (8 Sa 679/04) Bezug, wonach durch die Freigabeerklärung eines Insolvenzverwalters zwar die Insolvenzmasse von Verbindlichkeiten frei werde, die sich auf das freigegebene Recht bezögen, jedoch Verbindlichkeiten gegenüber der Masse selbst nicht erlöschten, wenn sie an die Rechtsinhaberschaft anknüpften und dafür das gesamte Vermögen des Inhabers hafte. Das Vermögen des Beklagten zu 1) bleibe daher auch nach der Freigabeerklärung vom Insolvenzbeschlag erfasst. Dies müsse umso mehr gelten, als der Beklagte zu 1), der Insolvenzschuldner, eine natürliche Person sei.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Teil-Endurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 25. Oktober 2005 - Gz.: 5 Ca 582/04 Mü - wird aufgehoben.

2. Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin € 3.864,-- brutto nebst % Zinsen über dem Basiszinssatz aus € 1.403,-- seit 1. Januar 2004, aus weiteren € 1.177,60 seit 1. Februar 2004 und aus weiteren € 1.283,40 seit 1. März 2004 als Masseschuld zu zahlen.

Der Beklagte zu 3) beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat mit Urteil vom 9. Mai 2006, Az.: 8 Sa 1186/05 der gegen den Beklagten zu 3) gerichtete Klage stattgegeben. Die durch Beschluss vom 25. April 2007, Az.: 6 AZN 1017/06, zugelassene Revision führte zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und Zurückverweisung zur neuen Verhandlung und Entscheidung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. April 2008, AZ.: 6 AZR 368/07).

Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, alleinige Rechtsgrundlage der geltend gemachten Ansprüche sei bezogen auf den Dezember 2003 der Vertrag vom 30. Juni 2003 und bezogen auf die Monate Januar und Februar 2004 entweder eine ausdrückliche oder eine gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG fingierte Verlängerungsvereinbarung. Auf der Basis der Freigabeerklärung vom 22. Mai 2003 habe der Beklagte zugunsten wie zu Lasten der Masse noch weitere Arbeitsverhältnisse eingehen oder die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge vereinbaren können. Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien hier wenn nicht durch eigene Handlung des Beklagten zu 3) jedenfalls in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse entstanden.

Eine Änderung der Rechtslage sei allerdings dann anzunehmen, wenn für den Fall, dass eine sog. unechte, lediglich deklaratorische Freigabe vorgelegen haben sollte, der Beklagte zu 3) auf die Abführung der betrieblichen Gewinne an die Insolvenzmasse verzichtet und sich mit dem Beklagten zu 1) darauf geeinigt habe, dass dieser im Zuge der von ihm gemäß § 287 InsO beantragten Restschuldbefreiung nur noch die § 295 Abs. 2 InsO entsprechenden Beträge abzuführen habe.

Seien alternativ die Voraussetzungen einer unechten Freigabe nicht gegeben, könne die Änderung der Rechtslage dahin gehend, dass der Schuldner seinen Betrieb wieder auf eigene Rechnung führen könne und danach von ihm neu begründete Arbeitsverhältnisse nicht mehr zu Lasten der Insolvenzmasse bestünden, nur dann angenommen werden, wenn zu einer den Erfordernissen des § 295 Abs. 2 InsO entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Beklagten zu 3) und dem Beklagten zu 1) eine echte Freigabe der Massegegenstände hinzukomme. Eine solche müsse die freigegebenen Gegenstände mit ausreichender Bestimmtheit bezeichnen und klarstellen, ob auch ein etwaiger Neuerwerb erfasst sei.

Aus diesen Überlegungen folge, dass noch festzustellen sei, ob vor dem Abschluss des Verlängerungsvertrags vom 30. Juni 2003 die genannten Voraussetzungen erfüllt gewesen seien. Dafür, dass nach der Erklärung des Beklagten zu 3) vom 22. Mai 2003 eine den Erfordernissen des § 295 Abs. 2 InsO entsprechende Einigung mit dem Beklagten zu 1) erzielt worden sei und im Übrigen betriebliche Gewinne bei diesem hätten verbleiben sollen, spreche das Schreiben des Beklagten zu 3) vom 31. Mai 2004.

Der Beklagte zu 3) trägt hierauf eingehend vor, es habe sich um eine unechte Freigabe gehandelt. In der Freigabeerklärung vom 22.5.03 sei auf eine gesonderte Erklärung hinsichtlich der Gewinne Bezug genommen worden. Diese Vereinbarung sei bereits vor Abgabe dieser Erklärung telefonisch zwischen dem Vertreter des Beklagten zu 1) und dem Mitarbeiter des Beklagten zu 3), Herrn W., getroffen worden. Diese Vereinbarung sei durch Schreiben vom 9.5.03 bestätigt worden. Es sei gerade nicht vereinbart worden, dass die Gewinne abzuführen seien. Zwangsläufige Konsequenz dieser Einigung sei der Verzicht des Beklagten zu 3) für die Insolvenzmasse auf die Abführung der Gewinne an die Insolvenzmasse. Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur sei für den Betrag gemäß § 295 Abs. 2 InsO, der an die Insolvenzmasse abzuführen sei, allein der Betrag ausschlaggebend, auf den sich der Insolvenzschuldner mit dem Treuhänder/Insolvenzverwalter einige. Nicht relevant sei hierfür der wirtschaftliche Erfolg. Daher stünden die Gewinne durch die Freigabeerklärung vom 22.5.2003 in Verbindung mit der Einigung der Parteien auf die Abführung des Betrages gemäß § 295 Abs. 2 InsO, die mit Schreiben vom 9.5.2003 bestätigt worden sei, nicht mehr der Insolvenzmasse zu. Dies habe zur Konsequenz, dass auch die Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht Masseverbindlichkeiten sein könnten.

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte zu 3) habe vor der Freigabeerklärung keine abschließende Regelung bezüglich der betrieblichen Gewinne getroffen. Ein rechtswirksamer Verzicht auf die Geltendmachung des Anspruchs auf Abführung der betrieblichen Gewinne entsprechend § 850 c ZPO liege nicht vor. Ein solcher sei jedoch unabdingbare Voraussetzung für eine vollständige Freigabeerklärung gewesen. Der Beklagte zu 3) könne sich nicht die Rosinen herauspicken. Er hafte für die Arbeitsverhältnisse, welche für die Mehrung der Insolvenzmasse in Anspruch genommen werden sollten. Der Beklagte zu 3) habe davon gewusst, dass der Schuldner mehrere Mitarbeiter beschäftigt habe. Es habe auch keine Einigung über die betrieblichen Gewinne gegeben. Sonst sei kaum erklärlich, dass der Vertreter des Beklagten zu 1) versprochen habe, der Schuldner werde mindestens quartalsmäßig die aktuellen betriebswirtschaftlichen Auswertungen vorlegen. Die Verpflichtung zur Vorlage der Auswertungen habe offensichtlich der Vorbereitung einer Einigung über die betrieblichen Gewinne gedient. Diese habe einer "gesonderten Vereinbarung in Entsprechung zu § 850 c ZPO" unterliegen sollen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrags nach Zurückverweisung wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet, weshalb das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil entsprechend zu ändern ist.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil, gegen das nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,-- (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b ArbGG). Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG).

II.

Die Klage der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 3) ist begründet, weil ihre Ansprüche auf Vergütung für Dezember 2003 bis einschließlich Februar 2004 Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind.

Der Beklagte zu 3) hat mit seiner "Freigabeerklärung" vom 22. Mai 2003 in Kenntnis dessen, dass der Beklagte zu 1) auch Arbeitnehmer beschäftigte, dessen selbständige Erwerbstätigkeit gebilligt. Zugleich hat der Beklagte zu 3) verlangt, die die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO übersteigenden betrieblichen Gewinne aus dieser Tätigkeit an die Insolvenzmasse abzuführen. Damit hat er auch die von dem Beklagten zu 1) eingegangenen Arbeitsverhältnisse für die Mehrung der Insolvenzmasse in Anspruch genommen und der Beklagte zu 1) konnte zunächst zu Gunsten wie zu Lasten der Masse noch weitere Arbeitsverhältnisse eingehen oder die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge vereinbaren. Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus diesen Verträgen entstanden wenn nicht durch eigene Handlung des Beklagten zu 3) jedenfalls in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse (BAG, Urt. vom 10.4.2008, a.a.O. m.w.N.).

Diesbezüglich führt auch die vom Vertreter des Beklagten zu 1) am 9. Mai 2003 bestätigte Vereinbarung, dass der Schuldner bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens ab 1. Mai 2003 monatlich 130 EUR an den Beklagten zu 3) abführen werde mit der Maßgabe, dass die Beträge auf den Gesamtbetrag nach § 295 Abs. 2 InsO anzurechnen seien, nicht zu einer veränderten Beurteilung.

Weder aus diesem Schreiben noch aus dem Vortrag des Beklagten zu 3) kann entnommen werden, dass der Beklagte zu 3) den Verzicht auf die Abführung der betrieblichen Gewinne mit der Einigung verbunden habe, dass der Schuldner im Zuge der von ihm beantragten Restschuldbefreiung nur noch die gemäß § 295 Abs. 2 InsO entsprechenden Beträge abzuführen habe. Eben dieser Verzicht auf die betrieblichen Gewinne ist jedoch wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Insolvenzmasse aus ihrer Haftung entlassen werden konnte (BAG, a.a.O.).

Der Kammer erscheint auch nicht - wie von dem Beklagten zu 3) vorgetragen - zwingend, dass aus dem Versprechen des Beklagten zu 1), monatlich 130,00 EUR an den Beklagten zu 3) zu zahlen folge, dass der Beklagte zu 3) auf die Abführung eines etwaigen Gewinns definitiv verzichtet hat. Hiergegen spricht, dass der Vertreter des Beklagten zu 1) eine mindestens quartalsmäßige Vorlage der aktuellen betriebswirtschaftlichen Auswertungen versprach und dass der Beklagte zu 3) in seiner Freigabeerklärung vom 22. Mai 2003 ausdrücklich die betrieblichen Gewinne des Schuldners von der Freigabe ausgenommen und einer besonderen Vereinbarung vorbehalten hat. Hätte es aus seiner Sicht eine solche Vereinbarung bereits gegeben, hätte es dieses Vorbehalts nicht bedurft. Der Einwand, es habe sich hierbei um einen Textbaustein gehandelt, war für das Gericht nicht hinreichend nachvollziehbar, nachdem der Text individuell angepasst worden ist.

Unter den gegebenen Umständen kann dahin gestellt bleiben, ob es sich bei der Freigabeerklärung vom 22. Mai 2003 um eine unechte Freigabeerklärung oder eine - den Anforderungen der Rechtsprechung nicht entsprechende - echte Freigabeerklärung handelt.

Nachdem der Beklagte zu 3) auch nicht behauptet - wie das vom Bundesarbeitsgericht in seiner aufhebenden Entscheidung offenbar als zu prüfende Möglichkeit erwogen wurde - , zeitlich nach dem 22. Mai 2003 sei es zu einer Vereinbarung zwischen ihm und dem Beklagten zu 1) gekommen, kraft derer der Beklagte zu 3) auf die betrieblichen Gewinne verzichte und der Beklagte zu 1) nur noch die § 295 Abs. 2 InsO entsprechenden Beträge abzuführen hatte, kann auch dahingestellt bleiben, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2003 hinaus ihren Rechtsgrund in einer ausdrücklichen, einer konkludenten oder gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG fingierten Verlängerungsvereinbarung hatte.

III.

Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Kostenentscheidung bezüglich des Berufungsverfahrens beruht auf § 91 ZPO.

Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen (§ 72 Abs. 1 ArbGG). Eine grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage ist nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird verwiesen (§ 72a ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück