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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 26.01.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 711/06
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 179
BGB § 179 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 711/06

Verkündet am: 26. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Frank Visarius und Johann Hofer für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 5.4.2006, Az.: 7 Ca 9726/05 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 47.451,80 €.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf die Feststellungen im Tatbestand des Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 5. April 2006 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei nicht passiv legitimiert.

Bei dem vorgelegten Sozialplan handele es sich um vier inhaltsgleiche Betriebsvereinbarungen, die die Beklagte und ihre Tochterunternehmen mit ihren jeweiligen Betriebsräten ausgehandelt hätten. Diese Betriebsvereinbarungen entfalteten Rechtswirkungen nur für die nach Betriebsverfassungsrecht für einander zuständigen Betriebspartner. Die Beklagte sei im Übrigen auch deshalb nicht verpflichtet, weil Ansprüche nur für diejenigen Arbeitnehmer hätten entstehen sollen, die in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis "mit dem Unternehmen" stünden. Die Klägerin habe jedoch nie mit der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Dem Sozialplan könne auch nicht der Wille der Beklagten entnommen werden, Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern der Tochterunternehmen zu übernehmen. Selbst wenn ein entsprechender Wille bestanden habe und auch zum Ausdruck gekommen sei, sei eine solche Vereinbarung unwirksam. Der Betriebsrat könne nämlich nicht mit Dritten diese bindende Vereinbarungen treffen. Der behauptete Sozialplananspruch ergebe sich auch nicht aus § 179 Absatz 1 BGB. Der Anspruch auf Erfüllung oder Schadensersatz stehe nämlich nur dem "anderen Teil", also der Vertragspartei zu. Das sei der Betriebsrat der N. und nicht die Klägerin selbst.

Es seien auch keine hinreichenden Gesichtspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte gegenüber den Arbeitnehmern ihrer Tochterunternehmen eine Art Garantieerklärung abgeben oder eine Bürgschaft für die sich aus dem Sozialplan ergebenden Zahlungsansprüche der betroffenen Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern habe übernehmen wollen.

Gegen das der Klägerin am 16.5.2006 zugestellte Urteil vom 5.4.2006 wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung

Unter Vertiefung und teilweise Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht die Klägerin geltend, das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte offensichtlich sehr wohl von einem Gemeinschaftsbetrieb zwischen ihr und der N. ausgegangen sei. Folglich sei davon auszugehen, dass die Beklagte gegenüber den Mitarbeitern der N. und somit auch der Klägerin anspruchsverpflichtet geblieben sei. Nachdem ein Gemeinschaftsbetrieb vorgelegen habe, habe die Beklagte eine Sozialvereinbarung abschließen können.

Selbst wenn man der Auffassung des Arbeitsgerichts folge, wonach der Betriebsrat nicht legitimiert gewesen sei, mit der Beklagten eine Vereinbarung zu treffen, bleibe festzustellen, dass die Beklagte sich gegenüber den Mitarbeitern der N. verpflichtet habe und dies auch in vertragliche Vereinbarungen gegenüber Dritten einbezogen habe. Auf Grund der genannten Umständen, insbesondere der Tatsache, dass die Personalentscheidung, die die Klägerin betroffen habe, allein durch die Beklagte getroffen worden sei, habe die Klägerin bei ihrer Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Wirksamkeit der Sozialvereinbarung vertraut, da sie in keiner Weise an der Vertretungsmacht der Beklagten habe zweifeln müssen. Insoweit hafte die Beklagte auf der Grundlage des § 179 BGB, gegebenenfalls aus culpa in contrahendo.

Die Klägerin beantragt in zweiter Instanz,

unter Abänderung des am 5.4.2006 verkündeten und am 16.5.2006 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts München, Geschäftszeichen: 7 Ca 9726/05, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 47.451,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25..5.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, unzutreffend sei die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe mit dem Betriebsrat der N. eine Vereinbarung getroffen. Richtig sei, dass die Beklagte lediglich mit ihrem Betriebsrat den Sozialplan vom 7.12.2000 vereinbart habe. Sie, die Beklagte, bleibe dabei, dass ihre Verhandlungsführer seinerzeit die erforderliche Vertretungsmacht von den Tochtergesellschaften erhalten hätten. Im Übrigen habe die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaften auch anweisen können, eine entsprechende Vertretungsmacht zu erteilen. Es werde bestritten, dass die Beklagte mit der N. einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten habe. Die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin seien unsubstanziiert und würden bestritten. Die Klausel im Kaufvertrag sei rein aus Vorsichtsgründen aufgenommen worden. Alle Beteiligten seien im Grunde der Auffassung, dass derartige Verbindlichkeiten nicht bestünden. Der streitgegenständliche Anspruch scheitere an der fehlenden Passivlegitimation. Darüber hinaus sei er auch tatbestandlich nicht gegeben. Eine Gesamtschuld komme nur dann in Betracht, wenn sich die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat der N. habe verpflichten können, was jedoch nicht möglich gewesen sei. Die Argumentation der Klägerin sei auch widersprüchlich. Eine Gesamtschuld setze zwei Schuldner voraus. Nach dem Vortrag der Klägerin sei die N. jedoch aus den Betriebsvereinbarungen gerade nicht verpflichtet worden. Es bestehe auch kein Anspruch aus § 179 BGB. Eine Anwendung dieser Vorschrift auf Betriebsvereinbarungen sei systemfremd. Eine Haftung aus culpa in contrahendo scheide aus, weil die Beklagte keinerlei Pflichtenverstoß begangen habe. Die Beklagte habe auch keinen anspruchsbegründenden Rechtsschein gesetzt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze (Bl. 133 ff und 145 ff d.A.) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG, ferner in der richtigen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II. Die Berufung ist unbegründet.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob und inwieweit die Beklagte aus der Betriebsvereinbarung vom 7.12.2000 betriebsverfassungsrechtlich und/oder individualrechtlich gegenüber der Klägerin und den übrigen Arbeitnehmern der d. GmbH verpflichtet (passivlegitimiert) ist.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Abfindungszahlung nach dieser Betriebsvereinbarung sind nämlich nicht gegeben.

Nach dem Inhalt der Betriebsvereinbarung soll die Arbeitgeberseite nur zur Zahlung von Abfindungen verpflichtet sein, wenn ein Arbeitnehmer aus ihren eigenen Diensten oder aus denjenigen eines Unternehmens, das im Zeitpunkt des Ausscheidens (noch) zum P.-Konzern gehört, ausscheiden würde.

Das ist im Falle der N. GmbH seit 08.09.2003 nicht mehr der Fall.

Dafür, dass die Betriebsvereinbarung allen Arbeitnehmern zu Ansprüchen verhelfen sollte, die einem Unternehmen zugehören, das im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung vom 07.12.2000 konzernzugehörig war, es aber im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglicherweise nicht mehr sein würde, fehlt jeder Anhaltspunkt.

Hierfür spricht auch nicht der von der Klägerin herangezogene Wortlaut des § 1 Ziffer 1.1 der Betriebsvereinbarung ("und deren Arbeitsplatz im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG ... wegfällt"), da die von der Klägerin befürwortete extensive Auslegung der Betriebsvereinbarung vom Zweck der Regelung, wie er vor allem in der Präambel zum Ausdruck kommt, nicht mehr gedeckt ist. Die Betriebsvereinbarung will nämlich Leistungen zum Ausgleich lediglich derjenigen Nachteile gewähren, die im Zuge der Verschmelzung der P. AG mit der S. GmbH zur P.S. AG entstehen.

Mit dem Ausscheiden eines Tochterunternehmens, hier der N. GmbH, aus dem P.S.Konzern ist die Ratio der Gewährung von Leistungen aus der genannten Betriebsvereinbarung entfallen (vgl. LAG München, Urteil vom 29. Juni 2006, Az.: 3 Sa 14/06).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV. Gegen dieses Urteil kann die Klägerin Revision einlegen.

Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Ende der Entscheidung

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