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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 29.06.2009
Aktenzeichen: 11 Ta 137/09
Rechtsgebiete: ArbGG, SpkG


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1
SpkG Art. 5
Die Entscheidung befasst sich mit der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen in einem Verfahren, in dem ein ehemaliges nunmehr im Ruhestand befindliches Mitglied des Vorstands einer Sparkasse auf der Grundlage seines Dienstvertrags Aufwendungsersatz nach Beihilfevorschriften für seine erkrankte Ehefrau begehrt. Die Zulässigkeit wird verneint, weil der Kläger kraft Gesetzes die Stellung eines Organs hatte.
Landesarbeitsgericht München BESCHLUSS

11 Ta 137/09

In dem Beschwerdeverfahren

hat das Landesarbeitsgericht München durch den Vorsitzenden der Kammer 11, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus, ohne mündliche Verhandlung am 29. Juni 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Passau - Kammer Deggendorf - von 12. Februar 2009 wird aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig.

3. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Deggendorf verwiesen.

Gründe:

I.

Gegenstand der Auseinandersetzung ist ein behaupteter Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Ersatz von Kosten einer Heilbehandlung seine Ehefrau in Höhe von 4.748,80 €. In diesem Zusammenhang besteht zwischen den Parteien Streit, ob für den erhobenen Anspruch der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 00.00.0000 geborene Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten seit 1. April 1974 zuletzt als S.direktor aufgrund Dienstvertrags vom 1. Oktober 1992 beschäftigt. Seit dem 1. Mai 1996 bezieht der Kläger Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Der bezeichnete Dienstvertrag enthält den § 4 folgende Regelung:

Der Angestellte führt die Dienstbezeichnung "Vorstandsmitglied der S. P.-O. " bzw. "S.direktor".

Gemäß § 5 Absatz 9 des Dienstvertrages gilt folgendes:

Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen werden nach den für Beamte geltenden Vorschriften gewährt.

Die bayerische Beamtenkrankenkasse AG, der von dem Beklagten die Erfüllung der Beihilfeverpflichtungen übertragen ist, lehnte einen Erstattungsantrag des Klägers für eine Optikerrechnung in Höhe von 1.284,-- €, für eine Heilpraktikerrechnung in Höhe von 210 € und die Erstattung einer weiteren Heilpraktikerrechnung in Höhe von 5.290 € ab. Diese Aufwendungen waren im Zusammenhang mit einer A.erkrankung die Ehefrau des Klägers entstanden. Die bayerische Beamtenkrankenkasse begründete ihre Ablehnung damit, dass es sich bei der durchgeführten Behandlung um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Methode gehandelt habe und dass derartige Behandlungskonzepte nach den Beihilfenvorschriften und nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht als beihilfe- bzw. erstattungsfähig angesehen werden könnten.

Der Kläger ist der Auffassung, dass für den von ihm erhobenen Anspruch aufgrund seiner Arbeitnehmereigenschaft der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei. Er sei mit Dienstvertrag vom 1. Oktober 1992 beim Zweckverband S. P.-O. angestellt worden. Mit Ergänzung dieses Dienstvertrages vom 28. Januar 1993 sei der Beklagte Zweckverband dann sein Dienstherr geworden. Gemäß § 5 seines Dienstvertrages erhalte er Bezüge nach den Rahmensätzen des bayerischen S.- und G.verbandes für die Vergütung und Versorgung der Mitglieder von S.vorständen. Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Satz 1 S.gesetz würden die bei einer S. beschäftigten Beamten und Arbeitnehmer vom Träger der S. bestellt. Gemäß Absatz 2 Satz 1 dieser Bestimmung seien die Mitglieder des Vorstands Arbeitnehmer auf Zeit. Infolgedessen sei in seiner Person die Arbeitnehmereigenschaft anzunehmen. Da es bei diesem Rechtsstreit um Ansprüche aus einem Dienstverhältnis gehe, müsse die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte angenommen werden. Aufgrund der Anwendbarkeit von beihilferechtlichen Bestimmungen ergebe sich dies unabhängig hiervon bereits daraus, dass das Arbeitsgericht in Bezug auf die gegebene Streitigkeit das sachnähere Gericht sei.

Der Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt vertreten, dass die Rechtswegzuständigkeit zum Arbeitsgericht nicht gegeben sei. Der Kläger sei nämlich bereits aufgrund des § 5 Absatz 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer anzusehen. Demzufolge könne die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts nicht angenommen werden.

Mit Beschluss vom 12. Februar 2009, der dem Beklagten am 26. Februar zugestellt wurde, hat das Arbeitsgericht Passau - Kammer Deggendorf - den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als zulässig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger für die hier gegebene Streitigkeit als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes über die öffentlichen S. (S.gesetz) anzunehmen sei und dass daher der zum Arbeitsgericht beschrittene Rechtsweg als zulässig anzusehen sei. Das Bundesarbeitsgericht habe in Bezug auf eine der vorliegenden Streitigkeit vergleichbare Streitigkeit in seiner Entscheidung vom 20. August 1998, Az.: 2 AZR 12/98, die Rechtswegzuständigkeit hinsichtlich einer Kündigungsschutzklage bejaht, was zur Folge habe, dass diese Rechtsgrundsätze auch bei einer Zahlungsklage wegen streitiger Beihilfeleistungen nach den entsprechend anzuwendenden beamtenrechtlichen Bestimmungen heranzuziehen seien. Der Kläger sei daher bis zu dem Zeitpunkt, als er seine aktive Tätigkeit als Vorstandsmitglied des Beklagten beendet habe, nicht als Organmitglied im Sinn des § 5 Absatz 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz anzusehen, sondern habe einen arbeitnehmerähnlichen Status gehabt und gelte deshalb in Bezug auf die Rechtswegfrage gemäß § 5 Absatz 1 ArbGG als Arbeitnehmer. Ab dem Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand habe sich an dieser rechtlichen Beurteilung nichts geändert. Für die gegebene Streitigkeit aus dem Dienstverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten sei daher der zum Arbeitsgericht beschrittene Rechtsweg zulässig.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner beim Arbeitsgericht Passau am 12. März 2009 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Zur Begründung führt er aus, der angegriffene Beschluss verneine die Anwendbarkeit von § 5 Absatz 1 Nr. 3 ArbGG. Warum diese Bestimmung nicht anwendbar sein solle, gehe aus dem Schluss jedoch nicht unmittelbar hervor. Richtig sei demgegenüber, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Absatz 1 Nr. 3 ArbGG im vorliegenden Fall erfüllt seien. Der Kläger sei unstreitig zum Vorstand der S. P.-O. bestellt worden. Als solcher sei er Organmitglied der Vertreter gewesen, wie sich aus Art. 5 des Gesetzes über die öffentlichen S. in Bayern (S.gesetz -SpKG) ergebe. Die S. sei ausgestaltet als Anstalt des öffentlichen Rechts und damit juristische Person im Sinne von § 5 Absatz 1 Nr. 3 ArbGG. Somit gelte kraft unwiderleglicher gesetzlicher Fiktion, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer anzusehen sei. Damit sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Das Arbeitsgericht sei unzuständig.

Mit Beschluss vom 26. März 2009 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und bei dieser Gelegenheit ausgeführt, das Gericht verbleibe bei der Rechtsansicht, dass der Kläger bis zu dem Zeitpunkt, als er seine aktive Tätigkeit als Vorstandsmitglied der beklagten Partei beendet habe, nicht als Organmitglied im Sinne des § 5 Absatz 1 Nr. 3 ArbGG anzusehen sei, sondern dass er einen arbeitnehmerähnlichen Status gehabt habe und demzufolge in Bezug auf die Rechtswegfrage als Arbeitnehmer zu gelten habe.

Der Beklagte äußert sich hierzu im Rahmen der Anhörung dahingehend, dass der Nichtabhilfebeschluss keine veränderte Beurteilung bedinge. Der Kläger sei schon aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 5 Absatz 1 Nr. 3 ArbGG zwingend Arbeitnehmer. Aus der vom Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergebe sich auch nichts anderes.

Der Kläger erwidert, nach dem klaren Wortlaut von Art. 12. Abs. 2 Satz 1 SpKG seien die Mitglieder des Vorstands Arbeitnehmer auf Zeit. Außerdem ergebe sich aus der dienstvertraglichen Regelung, dass der Kläger einen arbeitnehmerähnlichen Status inne gehabt habe. Im Übrigen seien Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Arbeitnehmer im klassischen Sinn. Die Ausführungen des Beklagten hinsichtlich § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG seien nicht weiterführend. Die Regelungen des bayerischen S.gesetzes seien vorrangig. Es bleibe damit auch insoweit bei dem arbeitnehmerähnlichen Status des Klägers. Der Kläger gelte deshalb in Bezug auf die Rechtsfrage gemäß § 5 Absatz 1 ArbGG als Arbeitnehmer. Die vom Beklagten zur Begründung seines Vorbringens in Bezug genommene Rechtsprechung betreffe Fälle des Kündigungsschutzes. Dort seien also maßgeblich Gesichtspunkte der Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern. Im Gegensatz hierzu handele sich im gegenständlichen Rechtsstreit um Ansprüche auf Beihilfe in Krankheitsfällen. Diese würden nach dem zu Grunde liegenden Dienstvertrag nach beihilferechtlichen Vorschriften gewährt. Das Arbeitsgericht sei damit auch insoweit das sachnächste Gericht.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 48 Abs.1 ArbGG statthaft und zulässig. Sie ist fristgerecht (§ 577 Abs. 2 ZPO) eingelegt worden. In der Sache führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Feststellung der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs und zur Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Deggendorf.

Die Gerichte für Arbeitssachen sind für den vorliegenden Rechtsstreit nicht zuständig, weil der Kläger Organ des Beklagten im Sinn des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG war.

Rechtsgrundlage für die Rechtswegszuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen kann nur § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) bzw. c) ArbGG sein. Danach sind diese Gerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und seine Nachwirkungen. § 5 ArbGG regelt abschließend, wer Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes ist. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten nicht als Arbeitnehmer Personen in Betrieben einer juristischen Person, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zu Vertretern der juristischen Person berufen sind.

Mit dieser Ausnahmevorschrift hat der Gesetzgeber keine eigenständige (negative) Regelung des Arbeitnehmerstatus getroffen. Vielmehr hat er durch eine negative Fiktion die bezeichneten Personengruppen ohne Rücksicht darauf, ob wegen der Besonderheiten des Einzelfalls das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis angesehen werden müsste, wegen ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Zuständigkeitsbereich herausgenommen. Dies gilt auch dann, wenn der Organvertreter wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person im Sinn des § 5 Abs. 1 Satz 2, Halbsatz 2 ArbGG anzusehen ist oder wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und Vertretungsorgan wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen ist und deshalb dem materiellen Arbeitsverhältnis unterliegt (BAG, Urteil vom 12.03.1987 - 2 AZR 336/86, NZA 87,845 m.w.N.; Urt. Vom 20.8.2003, Az.: 5 AZB 79/02, NZA 2003,1108; Germelmann/Müller-Glöge, 6. Aufl. § 5 ArbGG, Rz. 45 m.w.N.).

Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger Organ des Beklagten, einer juristischen Person, gewesen ist (Art. 5 SpKG i.V.m. Art. 3 SpKG). Er war kraft Gesetzes als Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung des Beklagten berufen. Nach Art. 5 Abs. 2 SpKG werden die laufenden Geschäfte vom Vorstand geführt. Dieser besteht gemäß Art. 5 Abs. 4 Satz 1 SpKG aus mehreren Mitgliedern. Gemäß Art. 5 Abs. 6 SpKG wird die S. vom Vorstand vertreten, soweit nicht die Zuständigkeit des Verwaltungsrats gegeben ist. Damit ist der Kläger auf Grund seiner ihm vom Gesetz verliehenen organschaftlichen Stellung aus dem Zuständigkeitsbereich der Gerichte für Arbeitssachen herausgenommen.

Nicht entscheidend ist, wie die individualrechtliche Stellung des Klägers zu werten ist, ob er also Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Person oder freier Dienstnehmer ist bzw. war. Die Zuständigkeitsregelung in § 5 ArbGG stellt bezüglich der arbeitnehmerähnlichen Personen sowie der Organe gerade nicht auf die individualrechtliche Position des Rechtsuchenden, sondern auf seine Stellung im Unternehmen ab. Dies berücksichtigt die zitierte Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29.9.1996 (NZA-RR 96, 404) nicht, deren zu Grunde liegender Sachverhalt sich - worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat - auch im Übrigen in wesentlichen Punkten vom vorliegenden Fall unterscheidet. Die Tatsache, dass das S.gesetz in Art. 12 SpKG die Mitglieder des Vorstands als Arbeitnehmer auf Zeit bezeichnet, ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und ihrem bezeichneten Regelungsgehalt unbeachtlich. Auch die Sachnähe ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung kein zulässiges Abgrenzungskriterium.

Unter den gegebenen Umständen ist für den vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet.

Über die sofortige Beschwerde war vom Landesarbeitsgericht gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden ( BAG, Beschluss vom 10. 12. 1992 -- 8 AZB 6/92 in AP Nr.4 zu § 17a GVG).

Gegen diesen Beschluss wird die weitere sofortige Beschwerde nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Divergenz zu einer Entscheidung eines obersten Gerichtshofs des Bundes oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht ersichtlich ist (§ 17 a Abs. 4 S. 5 GVG).

Ende der Entscheidung

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