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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 256/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
Betriebsbedingte Kündigung, die zum Ablauf einer innerbetrieblichen Beschäftigungsgesellschaft (betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit, beE).
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 256/06

Verkündet am: 27. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Siegfried Preibisch und Klaus Bayer für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.1.2006 - 21 Ca 2592/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung und die Weiterbeschäftigung die Klägerin.

Die Klägerin ist jedenfalls seit 1.9.2000 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 28.7.2000 bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist rumänische Chemie-Ingenieurin und hat sich 1996 zur staatlich geprüften kaufmännischen Assistentin mit der Zusatzqualifikation des praktischen Betriebswirtes ausbilden lassen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beklagte war sie überwiegend als Vertriebskauffrau tätig, u.a. für die Geschäftsbereiche F. GmbH, die S. Production und Logistics Systems AG und für S. Information Communication Mobile.

Im vierten Quartal 2002 entschloss sich die Beklagte wegen starker Auftrags- und Umsatzrückgänge im Unternehmensbereich Information und Kommunikation Networks (ICN) zu einem erheblichen Personalabbau, von dem auch der Betrieb M. betroffen war. Die Beklagte vereinbarte mit dem Betriebsrat des Betriebs M. am 23.10.2002 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. In dem Interessenausgleich ist u. a. vorgesehen, dass insgesamt höchstens 1.100 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden und dass allen Arbeitnehmern, deren Kündigung beabsichtigt ist, zuvor der Übertritt in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) im Sinne von § 175 SGB III a. F. angeboten werden muss.

Die Klägerin war bis 31.12.2002 im Unternehmensbereich ICN im Betrieb M. tätig. Am 12./13.12.2002 vereinbarten die Parteien eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag. Danach tritt die Klägerin ab 01.01.2003 in die beE ICN M. ein. In Ziffer 1 des Ergänzungsvertrages erklärt sich die Klägerin damit einverstanden, dass Strukturkurzarbeit Null anfällt und eine darüber hinausgehende irgendwie geartete Beschäftigung nicht stattfindet. Nach Ziffer 2 der Vereinbarung ist die Klägerin verpflichtet, an den innerhalb der beE angebotenen Fortbildungs-, Umschulungs- und Arbeitsvermittlungsmaßnahmen sowie sonstigen Angeboten und Veranstaltungen teilzunehmen. Der Klägerin wurde eine Verweildauer in der beE von 14 Monaten garantiert, wobei auch eine Verlängerungsmöglichkeit in Betracht kommen sollte (Ziffer 6 der Vereinbarung). Weiter weist die Beklagte die Klägerin in der Vereinbarung darauf hin, dass die beE einen eigenen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes sowie des Betriebsverfassungsgesetzes darstelle, der nicht in die Standorte M. bzw. M.P. integriert sei, und dass aus diesem Grunde im Falle einer betriebsbedingten Kündigung keine Sozialauswahl mit anderen S. Standorten stattfinden werde. Nach Ziffer 9 des Ergänzungsvertrages gelten die bisherigen Bestimmungen des Arbeitsverhältnisses unverändert fort, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Nach dem Eintritt in die beE bewarb sich die Klägerin erfolglos für zahlreiche bei der Beklagten ausgeschriebene Stellen. Die Verweildauer der Klägerin in der beE wurde einvernehmlich bis zum 31.08.2004 verlängert.

Mit Schreiben vom 26.01.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2004. Eine Betriebsratsanhörung fand nicht statt.

Die Klägerin hält die Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Sie hat erstinstanzlich eine Übersicht über ihre Bewerbungsaktivitäten vorgelegt und ist der Auffassung, dass sie auf zahlreichen der genannten Stellen hätte weiterbeschäftigt werden können. In den erstinstanzlichen Schriftsätzen werden insgesamt 100 in Betracht kommende Stellen behandelt. Weiter ist die Klägerin der Auffassung, die beE bilde keinen eigenständigen Betrieb. Daher habe die Beklagte die Sozialauswahl auf alle Arbeitnehmer des Betriebes M. erstrecken müssen und den dort bestehenden Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung hören müssen.

Dagegen ist die Beklagte der Auffassung, die Kündigung sei gerechtfertigt. Sie habe am 26.11.2003 entschieden, den Betrieb "beE G. Straße" schrittweise, spätestens aber mit dem Auslaufen des Strukturkurzarbeitergeldes zum 30.12.2004 stillzulegen und allen Arbeitnehmern unter Beachtung der jeweiligen Laufzeiten der Änderungsverträge zu kündigen. Dieses Vorgehen entspreche Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung vom 23.10.2002. Die beE sei ein eigenständiger Betrieb. Ihre Errichtung sei notwendige Voraussetzung für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld nach § 216b SGB III n. F. Die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld setze die Bildung einer beE voraus, in der alle Arbeitnehmer eines von Umstrukturierungsmaßnahmen betroffenen Betriebs zusammengeführt würden. Die beE verfolge einen eigenen arbeitstechnischen Zweck und habe eine eigenständige Arbeitsorganisation und Betriebsleitung. Deswegen habe die Sozialauswahl nicht auf die Arbeitnehmer im Betrieb H.-straße erstreckt werden müssen. Aus dem gleichen Grund habe der dort bestehende Betriebsrat nicht angehört werden müssen.

Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin bestehe nicht, da sie keine weitere beE errichtet habe und sich die arbeitsvertraglichen Pflichten der Klägerin durch den Änderungsvertrag ausschließlich auf die Weiterqualifizierung und Vermittlung konkretisiert hätten. Andere freie Arbeitsplätze für die Klägerin gebe es nicht und habe es nicht gegeben. Für die von der Klägerin genannten Arbeitsplätze sei sie nicht hinreichend qualifiziert gewesen. Es sei eine Einarbeitungszeit von mindestens neun Monaten notwendig gewesen. Dies sei ihr nicht zumutbar gewesen. Die Beklagte hat erstinstanzlich zu sämtlichen 100 Stellen, auf die sich die Klägerin bezogen hat, Stellung genommen und ausgeführt, warum sie eine Weiterbeschäftigung der Klägerin für unzumutbar hält.

Mit Endurteil vom 10.01.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26.01.2004 nicht beendet worden sei. Es hat die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Vertriebskauffrau weiterzubeschäftigen. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Kündigung sei gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, da die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat des Betriebs M. hätte anhören müssen. Die beE bilde keinen eigenständigen Betrieb sondern sei Teil des Betriebs S.. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts und des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses den Beklagtenvertretern am 24.01.2006 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 24.02.2006, die am 24.03.2006 begründet worden ist.

Nach Ansicht der Beklagten hat das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen, die Kündigung sei bereits auf Grund der fehlenden Anhörung des Betriebsrats M. unwirksam. Die beE stelle einen eigenständigen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes dar. Dies sei in Ziffer 6.4 des Änderungsvertrages vom Dezember 2002 ausdrücklich und konstitutiv geregelt worden. Einer konstitutiven Feststellung dieses Umstandes stünden weder Sinn noch Wortlaut des Betriebsverfassungsgesetzes entgegen, denn durch die Regelung würden evtl. entstehende Streitigkeiten beseitigt und die Möglichkeiten zur Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Belange insbesondere der Arbeitnehmer verbessert. Außerdem erfülle die beE alle Kriterien des Betriebsbegriffes. Die Arbeitsmittel und die gesamte Organisation seien räumlich und inhaltlich völlig selbständig. Die personellen und sozialen Angelegenheiten würden ausschließlich innerhalb der beE geregelt. Etwas anderes ergebe sich entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht aus der Gründung eines Beirats zur Kontrolle der beE. Die beE sei ein Ergebnis der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen und deshalb habe dem Betriebsrat eine gewisse Kontrollmöglichkeit eingeräumt werden müssen. Die beE habe einen arbeitstechnischen Zweck verfolgt, der in der Vermittlung ehemaliger Arbeitnehmer in den ersten Arbeitsmarkt und der Schaffung der dafür notwendigen Voraussetzungen gelegen habe. Mit dem Übertritt in die beE sei die Klägerin Arbeitnehmerin dieses Betriebes geworden. Sie habe keinerlei Pflichten mehr in Bezug auf den Produktionszweck des Betriebes H. gehabt.

Die Kündigung sei wegen dringender betrieblicher Erfordernisse sozial gerechtfertigt. Erstinstanzlich habe sie dargelegt, dass und warum der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen sei, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht bestanden habe und eine Sozialauswahl nicht erforderlich gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bestehe auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch. Dies gelte auch bei Unwirksamkeit der Kündigung. Durch den Änderungsvertrag habe sich die Klägerin einvernehmlich und freiwillig von allen Arbeitspflichten entbinden lassen. Damit könne sie sich nicht auf den Weiterbeschäftigungsanspruch berufen, der sie vor dem unfreiwilligen Verlust der Beschäftigung schützen wolle. Außerdem könne ein Weiterbeschäftigungsanspruch nur im Rahmen der zuvor von der Klägerin ausgeführten Tätigkeit bestehen. Dies sei über einen Zeitraum von beinahe zwei Jahren nur die eigene Qualifizierung und die Bemühung zur Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gewesen. Auf die davor ausgeübten Tätigkeiten könne nicht abgestellt werden.

Die Beklagte stellt folgende Anträge:

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.01.2006, Az.: 21 Ca 2592/04 wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Arbeitsgerichts für zutreffend. Der Betriebsrat des Betriebs H. hätte angehört werden müssen, da sie jedenfalls nicht als Arbeitnehmerin der beE zugeordnet worden sei. Sie habe weder den arbeitstechnischen Zweck der beE verwirklicht, noch habe sie einer für ein Arbeitsverhältnis typischen Weisungsbefugnis der Beklagten unterlegen. Sie beruft sich auf die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts, wonach zur Arbeitnehmereigenschaft im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn der Einsatz zur Erfüllung des Betriebszwecks gehöre.

Auch nach Abschluss des Ergänzungsvertrags sei sie Arbeitnehmerin des Betriebs M. geblieben. Der Ergänzungsvertrag habe keine Änderung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung zum Betrieb H. bewirken können. Er habe sie zwar von ihrer Arbeitspflicht entbunden, das Arbeitsverhältnis habe aber unbefristet fortbestanden. Da das Arbeitsverhältnis nicht der beE zugeordnet werden könne, sei die Zuordnung zum Betrieb H. aufrechterhalten geblieben.

Es treffe auch nicht zu, dass personelle und soziale Angelegenheiten ausschließlich innerhalb der beE geregelt worden seien. Beispielsweise seien die Lohnabrechnung und die Urlaubsverwaltung in der H.-straße erfolgt.

Die Kündigung sei weiter sozialwidrig, da sie hätte weiterbeschäftigt werden können und die Beklagte keine Sozialauswahl vorgenommen habe.

Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch bestehe, da keine besonderen Umstände vorlägen, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten begründen würden, sie nicht weiterzubeschäftigen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung vom 24.03.2006 und die Berufungserwiderung vom 25.04.2005 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 29.06.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, denn die Kündigung der Beklagten vom 26.01.2004 ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Die von der Beklagten geltend gemachten betrieblichen Erfordernisse sind nicht dringend, weil die Klägerin auf mehreren freien Arbeitsplätzen hätte weiter beschäftigt werden können. Deshalb kann dahinstehen, ob die Kündigung - wie vom Arbeitsgericht angenommen - nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG deshalb unwirksam ist, weil die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat H. nicht angehört hat. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung hat die Klägerin einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

1. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen besteht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, auf einem anderen freien vergleichbaren Arbeitsplatz des Betriebs oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterzubeschäftigen. Diese Verpflichtung besteht auch, wenn der Arbeitnehmer den freien Arbeitsplatz nur nach einer für den Arbeitgeber zumutbaren Einarbeitung und Umschulung ausführen kann. Der Arbeitgeber muss vor Ausspruch einer Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine der beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anbieten, auch zu geänderten Arbeitsbedingungen.

a) Die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen der Beklagten ist durch den Ergänzungsvertrag vom Dezember 2002 nicht aufgehoben worden (ebenso Urteil der 9. Kammer des LAG München vom 08.03.2006 - 9 Sa 667/05). Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten annimmt, dass durch die Ziffern 1 und 2 des Ergänzungsvertrags das Weisungsrecht der Beklagten eingeschränkt wurde, gilt dies nur für die Dauer der beE. Die Beklagte begründet ihre Kündigung damit, nach Ablauf der Verweildauer in der beE gebe es keine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin, also mit Umständen, die die Zeit nach dem Ablauf der beE betreffen. Für diese Zeit sind die Ziffern 1 und 2 der Ergänzungsvereinbarung nicht von Bedeutung. Aus Ziffer 9 der Ergänzungsvereinbarung ergibt sich nämlich, dass der bisherige Arbeitsvertrag nicht abgelöst, sondern lediglich ergänzt wurde. Bei Beendigung der beE sollte das Arbeitsverhältnis mit dem vor Eintritt der Klägerin in die beE geltenden Inhalt fortbestehen. Auch die zuvor bestehende Beschäftigungspflicht sollte wieder aufleben. Mittelbar ergibt sich dies auch aus den Ziffern 6.3 der Ergänzungsvertrages sowie 5.1 des Sozialplans vom 23.10.2002. Dort kündigt die Beklagte zum Ablauf der Verweildauer in der beE eine betriebsbedingte Kündigung an. Damit wird davon ausgegangen, dass ohne eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses z.B. durch Kündigung die beiderseitigen arbeitsvertraglichen Pflichten fortbestehen.

Im Übrigen würde auch eine vertragliche Einschränkung des Direktionsrechts die Beklagte nicht von der Verpflichtung entbinden, die Klägerin zu Bedingungen weiterzubeschäftigen, die nicht vertragsgemäß sind. Dies ergibt sich aus dem Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung. § 2 KSchG ermöglicht eine Änderung des Arbeitsvertrags.

b) Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr eine Weiterbeschäftigung der Klägerin auf einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich oder zumutbar war. Der kündigende Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Kündigungsgründe. Dies gilt auch für die Dringlichkeit. Wenn der Arbeitgeber vorträgt, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, muss der Arbeitgeber unter Darlegung von Einzelheiten erläutern und im Streitfalle beweisen, aus welchen Gründen die Umsetzung auf einen konkreten freien Arbeitsplatz nicht möglich oder nicht zumutbar ist (APS-Kiel, 2. Aufl., Rn. 648 bis 650 zu § 1 KSchG mit weiteren Nachweisen). Jedenfalls bei drei von der Klägerin aufgezeigten Stellen fehlt eine solche schlüssige Darlegung der Beklagten. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich die Obliegenheit der Beklagten zur Weiterbeschäftigung nicht auf die Suche nach solchen Stellen beschränkt, für die die Klägerin die geeignetste und beste Besetzung gewesen wäre. Die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München (Urteil vom 12.01.2006 - 3 Sa 790/05) hat zu Recht ausgeführt, dass das Kündigungsschutzgesetz den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung verpflichtet und diese Verpflichtung dem Bedürfnis nach einer Bestenauswahl vorgeht. Die Beklagte konnte also die Frage, ob ausgeschriebene Stellen mit der Klägerin besetzt werden können, nicht der jeweils ausschreibenden Organisationseinheit überlassen, die natürlich ein Interesse daran hatte, den besten Bewerber zu erhalten.

Bei den im Folgenden behandelten Stellen wird die Nummerierung aus den Schriftsätzen der Parteien übernommen.

51. Mitarbeiter/in Bestellwesen ICN M. (Jobnummer 50093).

Mit der erstmals am 27.8.2003 erfolgten Ausschreibung wurde ein Mitarbeiter für das Bestellwesen gesucht, der das Ausführen von Kleinbestellungen von indirektem Material wie Invest, Telefonen, Seminaren etc. für die Abteilungen Research & Developement, Accessory Devices , Produktmanagement u.s.w. übernehmen sollte. Nach der Darstellung der Beklagten waren für diese Position sehr gute Kenntnisse in MS Office und SAP sowie gute Englischkenntnisse erforderlich. Die Beklagte begründet die fehlende Eignung die Klägerin damit, sie habe in den diversen Office-Anwendungen sowie in SAP nur Grundkenntnisse. Außerdem verfüge sie nicht über gute Englischkenntnisse.

Damit hat die Beklagte auch im Hinblick auf die Stellungnahme die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, warum die Klägerin auf dieser Stelle nicht hätte weiterbeschäftigt werden können. Die Klägerin verweist zu Recht darauf, dass die Stellenausschreibung nur MS-Office und SAP Kenntnisse fordert, nicht dagegen gute Kenntnisse. Es fehlt an einer substantiierten und nachvollziehbaren Darlegung der Beklagten, warum die Einarbeitungszeit die Klägerin auf diese Stelle tatsächlich zehn Monate und nicht lediglich die von der Klägerin geschätzten vier Wochen gedauert hätte. Es ist nicht ersichtlich, dass die zu erfüllenden Aufgaben besonders schwierig oder komplex gewesen wären. Ebenso wenig gibt es eine Darlegung der Beklagten, welche speziellen und eine extrem lange Einarbeitung bedürfende Kenntnisse in EDV-Programmen für die Erfüllung der Aufgaben notwendig gewesen wären.

Schließlich nimmt die Beklagte nicht mehr zu der Behauptung der Klägerin Stellung, sie beherrsche Englisch fließend in Wort und Schrift, so dass davon auszugehen ist, dass die Klägerin auf der Stelle nach einer der Beklagten zumutbaren Einarbeitungszeit von einigen Wochen hätte weiterbeschäftigt werden können.

Für die Sozialwidrigkeit der Kündigung ist es vorliegend letztlich unerheblich, ob die am 28.07.2003 erstmals ausgeschriebene Stelle zur Zeit der Kündigung am 26.01.2004 noch unbesetzt war. Eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht zwar grundsätzlich nur dann, wenn ein anderer Arbeitsplatz zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt ist. Eine sozialwidrige Kündigung liegt aber auch dann vor, wenn zwar zum Kündigungszeitpunkt keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer mehr bestand, der Arbeitgeber diesen Zustand aber selbst treuwidrig herbeigeführt hat (BAG vom 06.12.2001 - 2 AZR 695/00; APS-Kiel, aaO, Rn. 608 zu § 1 KSchG).

Wenn man hier zu Gunsten der Beklagten annimmt, die ausgeschriebene Stelle 50093 sei zur Zeit der Kündigung der Klägerin bereits anderweitig besetzt gewesen, worauf sich die Beklagte allerdings nicht beruft, so ist die Kündigung gleichwohl sozialwidrig, denn die Nichtberücksichtigung der Klägerin bei der Stellenbesetzung würde objektiv den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht gerecht. Dabei muss dieses Verhalten der Beklagten im vorliegenden Fall nicht als treuwidrig bezeichnet werden. Aus der Sicht der Beklagten war das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin nicht erst zur Zeit der Kündigung weggefallen, sondern schon vor dem Eintritt der Klägerin in die beE am 01.01.2003. Tatsächlich wurde die Klägerin jedenfalls ab diesem Zeitpunkt von der Beklagten nicht mehr zu den Bedingungen ihres früheren Arbeitsverhältnisses beschäftigt, sondern die Klägerin erklärte sich im Dezember 2002 damit einverstanden, dass eine irgendwie geartete Beschäftigung nicht stattfindet. Während der Zugehörigkeit der Klägerin zur beE wusste die Beklagte, dass sie das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nach dem Ende der beE nur durch eine gerichtlich überprüfbare Kündigung beenden kann. In Ziffer 6.3 der Ergänzungsvereinbarung wird zwar eine betriebsbedingte Kündigung zum Ablauf der garantierten Verweildauer in der beE angekündigt. Andererseits ist auch geregelt, dass das Recht des Mitarbeiters, die Kündigung arbeitsgerichtlich überprüfen zu lassen, unberührt bleibt. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes war die Beklagte schon vor dem Ablauf der beE verpflichtet, die Klägerin auf einem geeigneten Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen.

48. Mitarbeiter/in kaufmännische Abteilung Buchhaltung TS M. (Jobnummer 49563).

Mit der erstmals am 31.7.2003 erfolgten Ausschreibung wurde ein Mitarbeiter in der kaufmännischen Abteilung für die Buchhaltung mit dem Schwerpunkt Vertrieb gesucht. Die Beklagte begründet die von ihr angenommene fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin auf dieser Stelle damit, diese habe keine Kenntnisse und Berufserfahrung mit buchhalterischen Themen. Ebenso wenig verfüge diese über die notwendigen Englischkenntnisse und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Sie nimmt eine Einarbeitungszeit von zehn Monaten an.

Auch diese Darstellung stellt keine schlüssige und hinreichend konkrete Begründung dafür dar, warum eine Beschäftigung der Klägerin auf dieser Stelle unzumutbar gewesen wäre. Die Beklagte nimmt nicht mehr zum Sachvortrag der Klägerin Stellung, sie verfüge über sämtliche in der Stellenausschreibung geforderten Kenntnisse. Dies hat die Klägerin im Schriftsatz vom 1. Dezember 2004 dargelegt und den Anforderungen der Stellenausschreibung die von ihr geltend gemachten Qualifikationen gegenüber gestellt. Vor diesem Hintergrund ist die von der Beklagten angenommene Arbeitszeit von zehn Monaten nicht nachvollziehbar.

47. Dispositon Mobile Phones (Jobnummer 49321)

Mit der erstmals am 16.7.2003 veröffentlichten Stellenausschreibung wurde ein Mitarbeiter gesucht, der für die Disposition von Mobile Phones auf der Basis eingehender Kundenaufträge und unter Berücksichtigung vereinbarter Bestandsziele zuständig sein sollte. Auch insoweit trägt die Beklagte aus ihrer Sicht die Kenntnisse und Erfahrungen die Klägerin in Bezug auf diese Stelle vor und nimmt eine Einarbeitungszeit von mindestens zehn Monaten an. Die Klägerin begründet in ähnlicher Weise wie bei den oben diskutierten Stellen die aus ihrer Sicht bei der Beklagten erworbenen Erfahrungen, soweit sie für die Stelle von Bedeutung sind.

Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte die von ihr angenommene fehlende Eignung näher begründen müssen, etwa in der Weise, dass konkrete Defizite in Bezug auf die Anforderungen der Stelle ebenso beschrieben werden wie Maßnahmen zur Behebung dieser Defizite sowie die Dauer solcher Qualifizierungsmaßnahmen. Ohne einen solchen konkreten Sachvortrag ist die von der Beklagten angenommene Einarbeitungszeit nicht nachvollziehbar.

2. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu Recht stattgegeben.

Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Ein überwiegendes Interesse der Beklagten, die Klägerin nicht weiterbeschäftigen zu müssen, besteht nicht. Insbesondere kann nicht angenommen werden, durch den Abschluss des Ergänzungsvertrags vom Dezember 2002 habe die Klägerin freiwillig auf ihre Beschäftigung verzichtet. Wie ausgeführt galten die Regelungen des Ergänzungsvertrags über die Einschränkung des Weisungsrechts und die Nichtbeschäftigung der Klägerin nur für die Verweildauer der Klägerin in der beE. Deshalb bezieht sich der Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin nicht auf die nur für diese Verweildauer geltenden Tätigkeiten.

II.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO trägt die Beklagte die Kosten ihrer erfolglosen Berufung.

III.

Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn die Klägerin ist nicht beschwert und ein Grund, für die Beklagte die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegt nicht vor. Auf § 72a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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